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Lünig veröffentlichten zwei Verzeichnisse der Hansestädte aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts'. Auch Köhler und Werdenhagen haben ihren Werken Listen der Hansestädte aus später Zeit beigefügt; von ihnen ist das Köhlersche Verzeichnis (S. 12 f.) das verhältnismäßig beste. Alle diese Vorgänger besprach Sartorius im dritten Bande seiner Geschichte des hanseatischen Bundes, indem er2 dort in der Beilage I Nr. 2 »Belege zu dem im fünften Buche gegebenen Verzeichnisse der in der zweyten Periode dem hansischen Bunde zugehörigen Städte gab. Jenes Verzeichnis findet sich in dem der »Verfassung des Bundes« während des Zeitraumes von 1370-1495 gewidmeten fünften Buches; es enthält eine Liste von 76 Städten in alphabetischer Reihenfolge, und zwar von solchen Städten, die als volle Glieder der Brüderschaft in der höchsten Bedeutung des Wortes« anzusehen seien; diesen fügt er noch eine Anzahl von Städten hinzu, die ihm aus den Quellen als >volle« oder »mittelbare« oder »zugewandte« oder ähnlich charakterisierte Mitglieder bekannt geworden waren. In jener Beilage belegt er seine früheren Angaben mit mancherlei Auszügen aus den Quellen, und zwar mit größeren Verzeichnissen, die sich in einzelnen Rezessen und Urkunden namentlich auch des 14. und 15. Jahrhunderts finden, sowie mit zahlreichen Nachrichten über einzelne Städte. Ein Hauptfehler ist bekanntlich, daß er die holländischen und seeländischen Städte zu den Hansestädten rechnete. Dietrich Schäfer weist in seiner Geschichte der Hansestädte und König Waldemars von Dänemark auf die Schwierigkeit der Feststellung der Hansestädte in der früheren Zeit hin und nennt zahlreiche kleine und große Hansestädte. Eine reichhaltige, wiewohl nicht vollständige Übersicht gab er in seiner Gesamtdarstellung der hansischen Geschichte in den Monographien zur Weltgeschichte. Endlich hat Daenell in seinem Werk über die Blütezeit der deutschen Hanse eine nach landschaftlichen Gruppen

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1 Vgl. dazu Simson, Hans. Gbll., Jahrg. 1907, S. 206 f., Meilink in dem unten genannten Werk, S. 25 f.

2 Bd. 3, S. 750 ff.

3 Bd. 2, S. 124 f.

* S. 449, Anm. 1.

5 Heft XIX, Die Hanse, S. 38 f.

6 Bd. 2, S. 300 ff.

geordnete Zusammenstellung der Hansestädte gegeben, die aber ebenfalls nicht vollständig ist.

Die Frage, welche Städte zur deutschen Hanse gehörten, ist wohl ebenso alt wie die Gemeinschaft der Städte von der deutschen Hanse selbst. Wir hören, daß in demselben Jahre, in welchem die Gemeinschaft der Städte von der deutschen Hanse zuerst erscheint (1358), Bremen von diesen Städten wieder zugelassen wurde zu den Freiheiten und Privilegien der gemeinen Kaufleute von der deutschen Hanse und damit aufgenommen wurde in den Kreis der Städte von der deutschen Hanse1. Wenige Jahre später ist in den Rezessen die Rede von Städten, und zwar von mecklenburgischen und pommerschen Städten, die »non sunt in hanza«. Es liegt auf der Hand, daß man von vornherein den Kreis der Städte von der deutschen Hanse als geschlossen betrachtete, und daß man mit der Frage, wer zum Kreise der Städte von der deutschen Hanse gehöre, vertraut war. Ob man freilich in früherer Zeit diese Angelegenheit in der Richtung, daß man den erwähnten Kreis durch deutliche Bezeichnung der einzelnen und sämtlichen zugehörigen Städte feststellte, erörtert hat, ist wenig wahrscheinlich. Denn auch von der ganzen späteren Zeit, der unsere Untersuchung gewidmet ist, läßt sich nicht sagen, daß in ihr die Hanse jemals ernstlich und gründlich versucht habe, die Gesamtheit aller einzelnen Hansestädte unzweideutig festzustellen.

Ziemlich häufig tritt uns zwar in den Quellen eine Gesamtzahl der Hansestädte entgegen. Sie bewegt sich fast ausschließlich in der Siebzigerzahl und erscheint bereits in den nächsten Jahrzehnten nach dem Stralsunder Frieden. Da wird Lübeck bezeichnet als das Haupt von 77 großen Hansestädten, die an den in der überlieferten Form sicher unhistorischen Spottvers Waldemar Atterdags von den »seevenundseventigh hensen« erinnern. Später wird häufig in den Verhandlungen und Verträgen der Hansestädte mit Nowgorod die Zahl aller Hansestädte oder der Städte von dieser und der anderen Seite der See auf 72 oder 73 angegeben. Doch findet sich die Gesamtzahl 72 auch hin und wieder in englischen,

1 S. Jahrg. 1911, S. 344.

2 Zuerst 1363 H.R. I, 1, Nr. 280 § 4.

8 Koppmann, Hans. Gbll., Jahrg. 1882, S. 105 ff.
4 Ich finde sie zuerst 1421 H.R. I, 7, Nr. 304.

niederländischen und französischen Akten1. Sehr unwahrscheinlich ist, daß diese Zahlen auf Zählung beruhten oder daß ihnen zu irgendeiner Zeit eine auf sorgfältiger Erkundung beruhende authentische Liste zugrunde gelegen habe. Mit Recht bezeichnet Schäfer die Zahl 77 als Zahlenspielerei, und auch bei den anderen Siebzigerzahlen wird mit der Vorliebe für die Siebenzahl zu rechnen sein. In Wirklichkeit konnte man die Gesamtzahl der Hansestädte je nach dem Standpunkt, den man zu der Frage, was eine Hansestadt sei, einnahm, auch höher oder niedriger greifen. Mehr als eine Schätzung sollten jene Zahlen nicht bedeuten, und Koppmann wird recht haben, wenn er sagt, man habe die Zahl 77 gebraucht, um die ungezählte Menge der Teilnehmerinnen des Städtevereins auszudrücken und anschaulich zu machen«.

Man sollte nach den landläufigen Ansichten vom Wesen des >Hansebundes« erwarten, daß die Hansestädte sich um die Feststellung der Bundesmitglieder« ernstlich bemüht und über deren Zahl zuverlässig unterrichtet gewesen seien. Das ist aber aller Wahrscheinlichkeit nach niemals der Fall gewesen. Wohl hatten die Hansestädte nicht selten Grund und Anlaß, sich mit dieser Frage zu beschäftigen und sich zu vergewissern, welche Städte zur Hanse gehörten. In ihren Verhandlungen mit fremden Staaten wurden sie wiederholt aufgefordert, die Namen aller Hansestädte zu nennen. Hauptsächlich die Engländer haben diese Forderung an die Hansestädte gestellt. Schon 1379 traten sie damit hervor. 1449 erklären die englischen Gesandten in Lübeck, ihr König wolle Zahl und Namen aller Hansestädte wissen und wünsche ein schriftliches Verzeichnis derselben; falls man sie nicht alle nennen wolle, möge man wenigstens die Herrschaften der in England verkehrenden Hansestädte angeben. Einige Jahre später sagten die Engländer in Utrecht wiederum, sie wüßten nicht, wie viele Städte in die Hanse gehörten, und im Jahre 1462 stellten sie dieselbe Forderung wie 1449, die auch später mehrmals wiederkehrt 5.

1 HR. I, 7, Nr. 592 § 7, HR. III, 2, Nr. 194, 195 §§ 3, 5, 11; 4, Nr. 321; 5, Nr. 221. Vgl. Daenell, Blütezeit 2, S. 300.

2 Die Hanse, S. 37.

8 Auch Eduard IV. von England sagte 1461, er habe gehört, daß die Zahl der Hansestädte 77 betrüge, HR. 5, Nr. 263 § 9.

4 A. a. O. S. 110.

51379 HR. I, 2, Nr. 212 § 4, Nr. 213 § 4; 1449 HR. II, 3, Nr. 501

Niemals haben sich die Hansestädte auf die Erfüllung dieser Forderung eingelassen; immer gelang es ihnen, den Engländern die Sache auszureden. Die Engländer bestanden auch nie hartnäckig auf der Erfüllung ihres Wunsches, wiewohl sie ihn, wie gesagt, nicht selten vorbrachten.

In erster Linie waren es administrative und politische Gründe, welche die Engländer zu ihrer Forderung veranlaßten. Der König wolle wissen, berichtet der Kaufmann zu London 1462 an die Hansestädte, wem er den Genuß der Privilegien gewähren solle. Die Zollvergünstigungen der Hanse nötigten beide Teile zu strenger Scheidung der Hansestädte von den Nichthansestädten. Außerdem suchte England in den Verkehrsbeziehungen Handhaben zu gewinnen zur politischen Beeinflussung deutscher Territorien oder auch der Hansestädte durch die Territorien. Wenn die Hansestädte sich immer der Forderung der Engländer entzogen, so mag zunächst der Grund dafür gewesen sein, daß man sich inbezug auf Zahl und Namen der Hansestädte nicht binden wollte. Den Kreis ihrer Mitglieder zu bestimmen, ihn durch Aufnahme oder Ausschließung zu erweitern oder zu verringern, mußte die Hanse sich selbst vorbehalten. So lange sie ihre Einheit aufrecht erhielt und den Schein einer auf dieser Einheit beruhenden Macht zu bewahren verstand, tat sie gut daran, sich wie eine Territorialmacht zu verhalten, von der ebenfalls eine Angabe ihrer einzelnen Bestandteile, die mit England in Verkehr standen, nicht verlangt werden konnte.

Aber die Ablehnung der englischen Forderung wird noch andere Gründe haben. Die im Jahre 1379 in London befindlichen hansischen Gesandten erwiederten den Engländern, man könne augenblicklich (ad praesens, uff dese tiit) die Namen aller Hansestädte nicht wissen1. Das war, auf die Situation der Gesandten bezogen, sicher richtig. Ein anderes Mal beschwichtigten die Hansen die Engländer mit dem Hinweis, der Kaufmann zu London wisse, wer in die Hanse gehöre 2. Vielleicht war auch das insofern

$ 1, Nr. 504 §§ 1, 9; 1451 a. a. O. 3, Nr. 709 § 10; 1462 a. a. O. 5, Nr. 263 §§ 7, 9; 1468 a. a. O. 6, Nr. 105 § 5; 1473 a. a. O. 7, Nr. 22 $ 14, Nr. 34 § 66, Nr. 36 § 5; 1491 HR. III, 2, Nr. 496 § 273.

1 HR. I, 2, Nr. 213 § 4.

2 HR. III, 2, Nr. 496 § 273.

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zutreffend, als dem Kontor zu London in Fällen, wo sich Zweifel über die Zugehörigkeit eines Kaufmanns zur deutschen Hanse erhoben, die tatsächliche Entscheidung keine Schwierigkeit oder Bedenken machte. Aber ein Hauptgrund für die stets ablehnende Haltung der Hansestädte gegenüber der Forderung der Engländer war wohl auch der, daß die Hansestädte selbst nicht imstande waren, die Namen und die Zahl der Hansestädte genau anzugeben. Nicht weil die Zahl der Hansestädte zu verschiedenen Zeiten wechselte, denn diese Unterschiede hätten sich leicht feststellen und festhalten lassen, auch nicht weil die Natur der Hanse eine genauere Feststellung ihrer Mitglieder unmöglich machte, worüber die weiter unten folgenden Ausführungen Aufklärung bringen werden, sondern weil die Hansestädte auf diese Dinge, die Feststellung der Namen der Hansestädte, der Mitglieder ihrer Verbindung, keinen oder nur geringen Wert legten. Sie haben die Forderung der Engländer gelegentlich als Pressionsmittel gegen die Mitglieder der Hanse benutzt. Sie setzten unter die im Herbst 1468 festgestellten Beratungsartikel zur Lübecker Tagfahrt vom April 1469 auch den Punkt, daß England die Namen der Hansestädte, welche die Privilegien zu benutzen gedächten, wissen wolle und daß eine hansische Gesandtschaft deren Namen den Engländern übermitteln solle; die Städte, welche die Privilegien benutzen wollten, möchten Vertreter zur Tagfahrt schicken; andernfalls könnten sie Privilegien und Hanse verlieren1. Natürlich war der wichtigste Zweck der Aufforderung, einen starken Besuch der Tagfahrt zu erzielen, keineswegs aber, auf diesem Wege die Namen und die Zahl der am Verkehr mit England beteiligten oder interessierten Hansestädte festzustellen. Auch sollte das grobmaschige Netz dieser Einladung nur die großen nicht auch die kleinen Hansestädte einfangen. In Wirklichkeit haben die Hansestädte, wie die reiche Überlieferung lehrt, kein ernstliches Interesse gezeigt, die Namen und die Zahl aller Hansestädte festzustellen. Sie waren daher, wenn die Engländer mit ihrer Zumutung auftraten, tatsächlich nicht imstande, sie zu befriedigen. Aber auch zu anderen Zeiten waren sie es nicht. Und doch wäre dabei, wie schon angedeutet wurde, die Annahme irrig, daß den Hansestädten aus Gründen, die in der Natur der Sache lagen, die Feststellung der Namen und

1 HR. II, 6, Nr. 105 § 5.

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