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späteren Kodifikationen, finde ich irgend einen Artikel, der ihm entscheidende Befugnisse über städtische Angelegenheiten zugesteht, wie man es wohl in anderen Stadtrechten findet1.

Während in der Regel alle Einkünfte aus Gerichtsbußen und anderen Gefällen zwischen der Stadt und dem Vogt geteilt werden, fällt diesem allein der Nachlaß zu, zu dem sich binnen Jahr und Tag kein berechtigter Erbe meldet.

Münze und Zoll werden von je einem herzoglichen Beamten verwaltet. Der Münzmeister aber untersteht der Aufsicht des Rats, der, so oft er es für nötig hält, die Münze nachprüft. Will jemand fremdes Geld einwechseln, so kann er es an jedem beliebigen Platze tun, ausgenommen vor dem Münzhause. Schon diese Einschränkung zeigt, daß das Recht des Wechselns ursprünglich den Münzern zugestanden haben muß; wir finden überdies bis ins 13. Jahrhundert hinein Münzer zugleich als Wechsler tätig. So steht in dem Verzeichnis der Einkünfte der Stadt vom Jahre 1262: »Campsores dant de campsione LX marcas hanc habet monetarius et filius suus et Conradus et Gereco«2. Es ist hierbei übrigens nicht an Wechselbriefe, sondern an einfachen Handwechsel zu denken. Der älteste Wechselbrief, den wir kennen, wurde 1290 in Brügge von einem Lübecker Bürger auf Rechnung seiner Heimatstadt ausgeschrieben3.

Zoll wurde nur von ausgeführten Waren erhoben; eingeführte Waren, auch solche, die auf fremden Schiffen importiert wurden, waren zollfrei. Vom Wegezoll waren die Lübecker im Herzogtum Sachsen, später im ganzen Reiche, frei, mit Ausnahme der Zollstätte in Artlenburg.

Eine stark bevölkerte, Handel treibende Stadt brauchte notwendig eine Behörde, die ihre Interessen nach außen vertreten, im Innern Ordnung und Sicherheit des Verkehrs aufrecht erhalten konnte. Daß dem Rat in erster Linie die Überwachung der Marktund Handelsangelegenheiten oblag, wie seine Entstehung wohl überhaupt mit dem Aufblühen des Handels im engsten Zusammenhange steht zeigt z. B. eine Stelle aus dem Wiener Stadtrecht von 1221, wo es heißt: » . . . statuimus, ut XXIV civium, qui pru

1 Z. B. im Dieburger Stadtrecht, Keutgen, Urk. 136, S. 137.

2 L. U.B. I 269, S. 250.

3 K. W. Pauli, Lübeckische Zustände im Mittelalter (I Lübeck 1847, II Lübeck 1872) II, S. 98 ff.

dentiores in civitate inveniri poterunt, iuramento confirment, quod disponant de mercatu et de universis que ad honorem et utilitatem civitatis pertinent, sicut melius sciverunt1. Der Lübecker Rat ist, ebenso wie die Stadt selbst, eine Schöpfung Heinrichs des Löwen. Wenn es schon im höchsten Grade unwahrscheinlich ist, daß in alten Gemeinden auf Reichsboden die Institution des Rats an ältere öffentliche Beamtenkollegien anknüpft, so ist dies in einer Neugründung auf Kolonialboden a priori ausgeschlossen. Daher verdient der Bericht Detmars über die Einsetzung des Rats im Prinzip vollen Glauben. Die Einzelheiten sind nicht von wesentlicher Bedeutung, übrigens spricht keine Nachricht gegen sie. Hier heißt es: »Dar umme dat de hartige sach de groten tosokynge, de dar was, unde dat de stat sik sere beterde, des legede he dar an groten vlit, dat se bleve bi gode unde by eren; unde sette do den irsten, dat men solde mit rade wiser lude in der stat kesen ses ratmannen van goden gheruchte; de solden vort to sik kesen twelff andere, unde de vort also mennyge, also der stat behoff were. Die Zahl der Ratleute ist also nicht genau fixiert; zum mindesten waren es nach Detmar 183. Die Ergänzung geschah durch Kooptation. Die Folge dieses Wahlmodus war die Entstehung einer städtischen Aristokratie, die dem Ämteradel der römischen Republik durchaus vergleichbar ist. Um eine gefährliche Vettern- und Kliquenwirtschaft möglichst zu vermeiden, war die Bestimmung getroffen, daß nicht zwei Brüder zusammen im Rat sitzen sollten. Doch ist diese Verordnung wiederholt durchbrochen worden. Wie in anderen Städten im 12. Jahrhundert die Wahl der Ratsleute vor sich ging, entzieht sich unsrer Kenntnis. Die älteste Aufzeichnung des Soester Stadtrechts etwa vom Jahre 1120 enthält darüber keine Bestimmungen. Doch wissen wir, daß hier in der Mitte des 13. Jahrhunderts die Ratsleute in den Ty, d. h. in den Versammlungen der ursprüng

1 Keutgen, Urk. 164, § 28, S. 210. Vgl. über die Entstehung des Rats: Keutgen, Stadtverf., S. 218 ff.

2 Detmar z. J. 1163, S. 21.

3 Pauli stellt zu Ende des 13. Jahrhunderts 35 Ratleute fest. Lüb. Zust. I, S. 95.

4 Außer in der Ratswahlordnung auch in dem deutschen läbischen Kodex von 1240, E. J. de Westphalen, Monumenta inedita rerum germanicarum, praecipue Cimbricarum et Megapolensium . . . (tomus III Leipzig 1743) III, Nr. 22, § 127, col. 653.

lichen Bauerngemeinden, gewählt wurden'. Damit der Ratmann durch die amtliche Tätigkeit nicht ganz der Sorge um seine häuslichen Angelegenheiten entzogen werde, ist er in jedem dritten Jahre vri des rades« 2. Er hat dann nur auf besondere Einladung zu erscheinen. Das passive Wahlrecht unterliegt starken Beschränkungen. Der Kandidat muß in gutem Rufe stehen, ehelicher und freier Geburt und untadelig an seinem Eide sein und darf von keinem Herrn ein Amt haben3. Weiterhin sind die Handwerker vom Rat ausgeschlossen durch die Bestimmung, daß der Ratmann »sine neringe mit handwerke nicht ghewunnen hebbe". Man darf daraus aber nicht etwa den Schluß ziehen, daß alle Handwerker unfrei gewesen wären. Naturgemäß waren unter ihnen weit mehr Unfreie als unter den Kaufleuten, »aber die Unfreiheit war nicht eine Folge des Berufs, sie waren nicht unfrei, weil sie Handwerker waren << *. Daß die Bezeichnung consules für eine geschlossene Körperschaft in der Stellung einer städtischen Behörde zum ersten Male erst in einer Urkunde vom 12. Mai 12015 auftritt, spricht durchaus nicht für die Annahme, daß ein eigentlicher Rat bis dahin nicht existiert habe. Es ist falsch, aus dem Fehlen wichtiger Momente in mittelalterlichen Quellen den Schluß zu ziehen, daß sie tatsächlich nicht vorhanden gewesen sind. Wird doch der Rat von Bremen erst im Jahre 1225 ausdrücklich erwähnt, obwohl er schon lange vorher nachzuweisen ist. Die zahlreichen Namen lübeckischer Bürger in den Zeugenlisten der Urkunden sind unbedingt die von Ratleuten.

In Angelegenheiten des Marktwesens und der öffentlichen Sicherheit steht dem Rate eine gewisse gesetzgebende Gewalt zu.

1 Seibertz, Urkundenbuch zur Landes- und Rechtsgeschichte des Herzogtums Westfahlen II 314. Hegel, Städte und Gilden der germanischen Völker im Mittelalter II, S. 386.

2 Das jährliche Ausscheiden und der Wiedereintritt der alten Ratleute geschah zu Petri Stuhlfeier. Vgl. Pauli, Lüb. Zust. I, S. 87 f.

3 Auch in dem deutschen Kodex bei H. Brokes, Selectae observationes forenses quibus appendix trium iuris Lubecensis codicum... accessit (Lübeck u. Altona 1765) I 53, Anhang S. 8.

4 Keutgen, Unters. S. 192.

5 L. U.B. I 9.

6

v. Bippen, Geschichte der Stadt Bremen I, S. 379, Note 3.

7 Z. B. in dem Freibrief von 1188.

Über Vergehen gegen solche städtischen Erlasse (civitatis decreta, willekore, kore) richten die Konsuln selbst. Ein Drittel der Bußen fällt dem Vogt zu, während dieser von seinen Einkünften1 die Hälfte an die Stadt abzugeben hat.

Von hoher Bedeutung für die Lübecker Kaufleute war die Befreiung vom Auszuge; nur zur Verteidigung der eigenen Stadt sind sie verpflichtet. Hätten die Bürger an allen den zahlreichen Zügen und Kämpfen gegen die Slaven teilnehmen müssen, so wäre ihr Handel dadurch empfindlich gestört worden.

Auch sonst suchte der Herzog den aufblühenden Handel seiner neuen Stadt auf jede Weise zu unterstützen. Dieser Fürsorge vor allem entsprang die Anordnung, »daß keine Person, hoch oder niedrig, die genannte Stadt selbst oder ihr Gebiet mit festen Gebäuden belegen sollte. Geschah dies trotzdem, so hatte die Bürgerschaft das Recht, die errichteten Burgen niederzureißen. Denn nur auf diese Weise konnten die Lübecker für die Sicherheit ihrer

Landstraßen sorgen. Durch dieses Verbot war es auch einer tatenlustigen Aristokratie unmöglich gemacht, im Vertrauen auf ihre kriegerische Kraft einen Druck auf die städtischen Angelegenheiten auszuüben 3.

Der Bürgerschaft steht das Recht des Patronats über die Marienkirche zu, d. h. sie hat das Recht, den Pfarrer zu wählen und dann dem Bischof zur Bestätigung vorzustellen, während die Geistlichen an den übrigen Kirchen vom Bischof zusammen mit dem Domkapitel eingesetzt werden.

Wird ein lübischer Bürger außerhalb seiner Stadt wegen irgend einer Sache angeklagt, so soll er im Herzogtum seine Unschuld vor dem Richter jenes Ortes beweisen, ohne in Untersuchungshaft zu verfallen, nach dem Rechte der genannten Stadt (Lübeck)«. Diese Bestimmung enthält im Keime bereits die von Friedrich II. erlassene Verordnung, daß in den Kaiserlichen Städten

1 Aus Gerichtsbußen, Bußen des Münzmeisters für falschen Münzfuß und aus Friedensbußen für Vermittlung eines gütlichen Vergleiches. 2 Cives vero iam dicte civitatis nullam expeditionem ibunt, sed civitatem suam defensabunt. L. U.B. I 7.

3 Vgl. auch das Hamburgische Stadtrecht von 1270, J. M. Lappenberg, Hamburgische Rechtsaltertümer (I Hamburg 1845) I 4, S. 3. 4 L. U.B. I 7.

›actor forum rei sequetur«1; denn auch diese Worte enthalten, nur in anderer Form, den Grundsatz, daß der Angeklagte nach dem Rechte seiner Vaterstadt gerichtet werden soll. Wird die Freiheit eines Lübecker Bürgers in Frage gezogen, so beweist er sie auswärts durch bloßen Eid, ebenso in Lübeck einem Fremden gegenüber; einem Lübecker Bürger gegenüber, wenn er nachweisen kann, daß er Jahr und Tag unbeanstandet in der Stadt gewohnt hat.

Über das Strafrecht enthält das Privileg keinerlei Bestimmungen. Diese Lücke aber ergänzt des Herzogs Privileg für die Gotländischen Kaufleute vom 18. Oktober 11632. Es zeigt uns, daß, wie in den Städten des Reiches, so auch in Lübeck auf Totschlag und Verwundung mit scharfen Waffen (ferro acuto, acuta acie) die üblichen zu Hals und Hand gehenden Strafen stehen.

»Ist ein Gote in einer von unseren Städten getötet worden, so soll der Schuldige hingerichtet werden. Ist aber einer durch Waffen verwundet oder zum Krüppel gemacht worden, so bestimmen wir, daß dem Täter die Hand abgehauen werde«. Sind diese Bestimmungen hier auch nur für die Goten getroffen, so ist doch garnicht daran zu zweifeln, daß sie ebenso für die Bewohner der Stadt selbst gegolten haben. Sagt doch der Herzog ausdrücklich, er gebe den Goten »eandem graciam et justiciam, quam nostris mercatoribus decrevimus«3. Außerdem gelten diese Bestimmungen ganz allgemein im Rechtsleben der deutschen Städte, so z. B. im Soester Recht und allen seinen Tochterrechten, im Dortmunder Recht und vielen anderen. Die Dortmunder Statuten geben dem Grundsatz der Talion die prägnante Form: »Collum pro collo, manum pro manu«5.

1 Constitutio in favorem principum, Mai 1232, M. G. Const. II 171. Hierin ist vielleicht ein Einschlag des römischen Rechts zu erblicken. Denn der Grundsatz: Actor forum rei sequetur war dem römischen Prozeßrecht durchaus geläufig. (Cod. Iust. 3, 13, 2.) Vgl. Zeumer, Historische Zeitschrift 82, S. 493.

3 L. U.B. I 3.

2 Spuren der Talion in lübischen Statuten weist nach P. Hasse, Die Quellen des Ripener Stadtrechts. Untersuchungen zur dänischen und lübischen Rechtsgeschichte, S. 64 ff.

* Keutgen, Urk. 139 §§ 14, 15, S. 140.

5 Frensdorff, Dortmunder Statuten und Urteile I 8, S. 24. In flandrischen Stadtrechten ist der Grundsatz weit verbreitet.

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