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als alle materiellen Einbußen wogen die Verluste, die man auf religiösem Gebiet erlitten hatte. Der Hagenauer Vertrag bedeutete unleugbar den ersten großen Sieg der Gegenreformation im Elsaß und damit auch eine Befestigung aller im Laufe des Krieges von katholischer Seite über die protestantischen Reichsritter errungenen Vorteile.

Mit dem letzten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts war für das Elsaß eine neue Epoche angebrochen. Hatte die katholische Kirche bis dahin im wesentlichen eine rein defensive. Haltung beobachtet, und war die angreifende, erobernde Macht noch immer der Protestantismus gewesen, so daß noch in den siebziger und achtziger Jahren eine Reihe von Edlen den neuen Glauben angenommen hatten, so konnte schon in den ersten Jahren des Krieges kein Zweifel mehr darüber sein, daß der Katholizismus von der Verteidigung zum Angriff überging und sich mit aller Macht zur Rückeroberung des Verlorenen anschickte.

Die Ritterschaft hatte auch sofort die Wirkung dieser katholischen Reaktion empfunden, als deren nächste Absicht deutlich hervortrat, alle Neuerungen, deren Einführung die Nachsicht und Schwäche des alten bischöflichen Regiments geduldet hatte, wieder abzuschaffen, so weit sie rechtlich anfechtbar waren. Was gab es aber, was nicht angefochten werden konnte bei der Zwitterstellung der Reichsritter, die zugleich reichsunmittelbar und doch auch größtenteils Vasallen des Bistums waren?

Gleich der erste Angriff richtete sich gegen das vornehmste und älteste Geschlecht des Reichsadels, die Herren von Andlau. In ihren Hauptvertretern hatten sich die Andlau der neuen Lehre zugewandt und in ihren Besitzungen die Reformation durchgeführt. Zu diesen Besitzungen gehörte auch das Andlauer Thal, und zwar besaßen die Andlau die Leute und die Mannschaft daselbst als Reichslehen, das Territorium aber (Stadt und Thal mit allen Hoheitsrechten) als Lehen der unter bischöflich-straßburgischem Schutz stehenden Abtei Andlau. Auch hier, unter den Augen der Äbtissin, hatte die lutherische Lehre Verbreitung gefunden, die Spitalkirche zu Andlau war ihr eingeräumt, eine protestantische Schule gegründet worden; im Rat und im Gericht hatten die Evangelischen die Mehrzahl der Ämter in Besitz. So hatten die

beiden Bekenntnisse 20 Jahre lang ruhig neben einander gelebt, ohne daß die sehr zerüttete Abtei irgend einen Einspruch gewagt hätte. Das änderte sich unter der Äbtissin Maria Magdalena Rebstock. Die streitbare Dame, die mit bewundernswerter Energie das gänzlich heruntergekommene Kloster wieder emporhob, hatte sich zum Lebensziele gesetzt, die Ketzerei in den ihrem Stift gehörigen Territorien zu beseitigen und sah nun, als im Bischofskrieg der Katholizismus sich siegreich erhob, den Moment gekommen, ihre Pläne zu verwirklichen.

Die Herren von Andlau weigerten sich natürlich zunächst, der Aufforderung der Äbtissin, den protestantischen Gottesdienst in Andlau zu verbieten, Folge zu leisten. Dann aber nahm sich der Kardinal mit Nachdruck ihrer Sache an und endlich drohte der Kaiser selbst mit den schärfsten Straf-Mandaten und verzichtete schließlich sogar, um den ungehorsamen Vasallen jeden Vorwand zum Widerstand zu nehmen, zu Gunsten der Abtei auf die Lehnsoberhoheit über die bisher vom Reiche zu Lehen gegangenen Stücke des Andlauer Thales. Da mußten sich die Andlau in das Unvermeidliche fügen. Der Vertrag, den sie im Jahre 1600 notgedrungen mit der Äbtissin eingingen, und der 1604 vom Kaiser bestätigt wurde, vernichtete die Religionsfreiheit der Andlauer Unterthanen: der öffentliche Gottesdienst wurde den Protestanten verboten, die Spitalkirche wieder den Katholiken eingeräumt, die protestantische Schule geschlossen, der Besuch benachbarter evangelischer Kirchen aufs strengste untersagt, das Begräbnis auf dem St. Andreaskirchhof nicht mehr gestattet, kein Protestant mehr zu städtischen Ämtern oder zum Gericht zugelassen.

Ein gleiches Schicksal erfuhr das andlauische Dorf Walf, wo die Äbtissin das Pfarrbesetzungsrecht besaß1). Am verletzendsten für die Andlau war es jedoch, daß man ihnen dabei auch die persönliche Religionsfreiheit zu beschränken suchte. Während des Krieges (1603) hielten lothringische Truppen das andlauische Schloß zu Walf ungebührlich lange besetzt. Auf wiederholte Klage der Schloßherrn erwiderte der Kardinal, er werde erst dann die Besatzung zurückziehen, wenn auch in der Schloßkirche der katholische Gottesdienst

1) Röhrich II, 204.

wiederhergestellt sei. Ein intervenierendes Schreiben des Ausschusses und der beiden protestantischen Stände Hanau und Straßburg beantwortete der Kardinal mit den kurzen Worten, die Sache ginge die Stände gar nichts an. In demselben Jahre wurde zu Fegersheim, einem Dorfe der Rathsamhausen, wo allerdings das Domkapitel gewisse Rechte besaß, der protestantische Pfarrer von dem Kardinal vertrieben und die katholische Religion mit Gewalt wieder eingeführt1). Auch hier mußte sich der Ausschuß mit einem ohnmächtigen Protest begnügen.

Alle diese gewaltsamen Eingriffe in die Religionsfreiheit, vor allem aber der Ausgang des Andlauer Streites beunruhigten die Ritterschaft aufs äußerste, nicht nur um der schweren Niederlage willen, die eines ihrer bedeutendsten Geschlechter erlitten hatte, sondern vor allem wegen der gefahrdrohenden staatsrechtlichen Grundsätze, die auf katholischer Seite dabei aufgestellt und zur Anwendung gekommen waren. Bischof und Äbtissin hatten sich nämlich auf den Satz berufen: „es gepüre keinem Vasallen ohne Consens des domini directi in bonis feudalibus das Exercitium augspurgischer Confession einzufüren". Das hieß auf die elsässischen Verhältnisse angewandt: Gegen den Willen des geistlichen Oberlehnsherrn, des Bischofs, der Abtei etc. darf der Vasall in den betreffenden Lehnsgütern die Reformation nicht einführen. Demgegenüber hatten die Andlau behauptet, was der Bischof aufstelle, sei ein Bruch des Augsburger Religionsfriedens, der dem Reichsadel unzweifelhaft das jus reformandi zugestehe. Sie dürften wegen des Exercitii der augspurgischen Confession in ihren Obrigkeiten, ohngeachtet ob dieselben Ortt Lehen oder eygentumb seyen, nit gehindert werden, weil sie alle (die Orte) zugleich ohne Underscheidt under dem Reich Immediate gelegen und keiner Landsfürstlichen Obrigkeidt im wenigsten underworffen" seien.

Wie man sieht, handelte es sich hier um eine prinzipielle Frage, die für die Ritterschaft von allergrößter Bedeutung war. Fiel es dem Bischof ein, seinen Satz allenthalben durchzuführen, so war die Religionsfreiheit des größten Teils der Reichsritterschaft vernichtet.

1) Ebenda 205.

Beide Par

Auf welcher Seite lag nun aber das Recht? teien behaupteten doch, nicht gegen den Religionsfrieden gehandelt zu haben! Die Frage ist gar nicht zu entscheiden. Wie so häufig in jener Kampfzeit legte jede Konfession die Friedensartikel nach ihrem Sinne aus und jede behauptete dann, auf dem Boden des Religionsfriedens zu stehen. Der Passus desselben, auf Grund dessen die Reichsritterschaft unzweifelhaft das jus reformandi besaß, schwieg völlig über die Frage, ob dieses Recht nur für die Person und die Eigengüter, oder auch für die Lehen der Reichsritter Geltung haben sollte 1). Hier rächte sich wieder, daß der Reichsadel es versäumt hatte, sich die Reichsstandschaft zu erwerben, denn selbst bei den kleinsten elsässischen Reichsständen, wie HanauLichtenberg, hat der Straßburger Bischof niemals den Versuch gemacht, in den Orten, die sie vom Bistum zu Lehen trugen, die Abschaffung der Reformation zu verlangen.

Auf dem Wege des Rechts war also die Frage der Reformierungsbefugnis der elsässischen Reichsritter nicht zu entscheiden. Sie war lediglich eine Frage der Macht. Das war auch die Auffassung der Ritterschaft selbst. Sie wußte, daß nur bei einem Umschwung der Machtverhältnisse im Elsaß das Verlorene zurückzugewinnen war, und vermied es daher, einen aussichtslosen Prozeß beim Kammergericht anzuhängen.

Der Sieg der katholischen Reaktion vernichtete zunächst die Hoffnung der Ritterschaft auf Wiederherstellung der alten religiösen Zustände. Die Andlau fügten sich und wagten angesichts der gerade zu dieser Zeit (1604) erfolgenden kaiserlichen Bestätigung ihres Vertrages 2) mit der Abtissin keinen Widerstand. Die vornehmste Besorgnis der Ritterschaft war vielmehr, daß die siegreichen Gegner sich nicht mit dem Erreichten begnügen und noch weitere Schritte zur Unterdrückung der protestantischen Lehre thun würden. Wie begründet diese Besorgnis war, zeigte sich, als im Jahre 1607 nach

1) Er lautete: Und in solchem frieden sollen die freien ritterschaft welche on mittel der Kai. Mt. und uns underworfen, auch begriffen sein, also und dergestalt, das sie obbemelter beder religion halb auch von niemant vergwaltiget, betrangt noch beschwert sollen werden." Brandi, Der Augsb. Religionsfrieden, kritische Ausgabe des Textes, S. 34. 2) Vgl. oben S. 45.

Abdankung des Kardinals der streitbare und ehrgeizige Erzherzog Leopold Administrator des Straßburger Bistums geworden war. Zwei Hauptvertreter des Protestantismus in der Ritterschaft, die Brüder Samson und Hug Dietrich von Landsberg hatten in dem Dorfe Niederehnheim, das sie vom Bistum zu Lehen besaßen, in der St. Barbarakapelle eine protestantische Frau beerdigen lassen. Als das dem Bischof bekannt wurde, befahl er sofort die Ausgrabung der Leiche. Dies unterblieb nun zwar auf Bitten der Landsberg. Dafür aber mußten diese sich verpflichten, künftig keine protestantische Leiche mehr in geweihtem katholischen Boden zu begraben und überdies das schriftliche Versprechen geben, die Beerdigungen auf dem von ihnen angelegten evangelischen Kirchhof ohne rituelle Feier und ohne Gesang abzuhalten 1).

Durch diesen Erfolg ermutigt, versuchte der Bischof im folgenden Jahre (1608) in dem landsbergischen Dorfe Lingolsheim nach dem Tode des protestantischen Pfarrers einen katholischen an dessen Stelle zu setzen und so den Ort wieder zur alten Kirche zurückzuführen. Aber Lingolsheim war Reichslehen und in dem Bewußtsein, daß der Administrator hier kein Recht habe, sich einzumischen, wehrten sich diesmal die Landsberg und die bedrohte Gemeinde aufs äußerste, und als sich dann auch der Ausschuß energisch der Sache annahm, mußte Leopold den Rückzug antreten 2).

Immerhin hatte der Versuch gezeigt, was von dem Gegner zu erwarten war. Immer deutlicher wurde es daher der Ritterschaft, daß etwas geschehen müsse, um derartigen Eingriffen in Zukunft kräftig begegnen zu können.

Der Gegensatz der Konfessionen beherrschte damals die Weltverhältnisse. Überall begannen die Glaubensgenossen sich zusammenzuschließen. Die Lage im Reich wurde von Jahr zu Jahr gespannter, jeden Tag konnte sich das Gewitter an irgend einer Stelle entladen. Man fühlte daher in der Ritterschaft, daß man Partei nehmen müsse. Die officielle Neutralität hatte sie nicht vor religiösen Bedrückungen geschützt. Keinen Augenblick war man vor gewaltsamen Eingriffen sicher gewesen. Endlich hegte man wohl auch die

1) Die Akten darüber im Straßb. Bezirksarchiv G. 711. schußprotokoll von 1608, Straßb. Bezirksarchiv E. 657.

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