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nach Auffassung der unierten Fürsten der Religionsparagraph des Willstetter Akkords der Ritterschaft gewähre1), und gleichzeitig darauf dringen, daß Erzherzog Leopold zur Ratifizierung des Akkordes ermahnt werde. Auf dem Tage überreichte Böcklin (31. Juli) den Unierten eine umfangreiche Denkschrift, welche die Religionsbeschwerden der Ritterschaft enthielt und mit den klaren und unzweideutigen Worten begann, daß „die gefreyte Reichs-Ritterschafft im Undern Ellsaß nuhn ettliche Jhar häro dem aufgerichtten und hochverpeenten Religionsfrieden zuhwider von den Regierenden Bischofen zuh Straßburg oder durch antrib und Vermittlung derselben in viel weg graviert und beschwert worden" sei. Die Unierten zeigten sich sehr entgegenkommend, baten jedoch Böcklin, auf dem Kurfürstentag, der im Oktober zu Nürnberg abgehalten werden sollte, zu erscheinen. Dort werde man auf jeden Fall etwas für die Ritterschaft thun können. Kurpfalz erbot sich sogar, den ritterschaftlichen Gesandten gern in den kurf.

pfälz. Furier zedul mit einschreiben lassen zu wollen".

In der That wurden auf dem Nürnberger Kurfürstentag die Bemühungen Böcklins zum erstenmale von einem glücklichen Erfolge gekrönt. Das Entscheidende war, daß es ihm mit Hülfe eines warmen Empfehlungsschreibens des Markgrafen von Baden gelang, auch Kursachsen für die Sache der Ritterschaft zu interessieren. Um das zu erreichen, hatte er sich in weiser Voraussicht von dem Straßburger Kirchenkonsistorium eine Bescheinigung ausstellen lassen, daß die Ritterschaft nicht dem Calvinismo beipflichte", sondern der Augsburger Konfession zugethan sei. In drei meisterhaften Denkschriften an Kursachsen, Kurbrandenburg und an die Gesamtheit der drei protestantischen Kurfürsten, denen er wiederum eine Petition der Andlauer Unterthanen hinzufügte, schilderte er noch einmal die religiösen Bedrückungen, welche die Ritterschaft im letzten Jahrzehnt von der katholischen Reaktion erlitten hatte, wies darauf hin, daß es auch für die protestantischen Reichsfürsten keineswegs unbedenklich sei, wenn solche Grundsätze ungestraft zur Anwendung kommen dürften, wie sie der Bischof von Straßburg mit seinem Verbot,

1) Was es bei Chur und Fürsten mit dem Wilstättischen Akkord für eine Gelegenheit habe undt wie fern der Ritterstandt in puncto religionis desselben Vertrags sich gebrauchen möge.

in Lehensgütern katholischer Lehensherrn die Reformation einzuführen, aufgestellt habe, und bat schliesslich die Kurfürsten, sich der bedrängten Ritterschaft anzunehmen, damit „dise der Ritterschafft zugefügte beschwärden abgeschafft, die Sachen der Andlauischen Unterthanen halben in vorigen Stand restituirt, dasjenige, so dem Religionsfrieden zuhwider, insgemein verhütet und also desselben die Ritterschafft sich zu erfrewen und ungehindert zu gebrauchen macht haben möge". Der Erfolg war, daß die Kurfürsten sich zu einer diplomatischen Intervention zugunsten der Ritterschaft entschlossen. Als Böcklin am 2. Dezember in Straßburg über den Erfolg seiner Nürnberger Reise berichtete, konnte er dem Ausschuß drei kurfürstliche Schreiben vorlegen, zwei von Kursachsen an den Administrator Erzherzog Leopold und an die Äbtissin von Andlau, ein drittes von Kurpfalz und Brandenburg gemeinsam an die Äbtissin. Mit vollem Recht wies er darauf hin, dass die Sache nun endlich einmal in guten Fortgang gekommen sei.

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Die beiden sächsischen Schreiben waren bestimmt, aber höflich gehalten. Der Kurfürst bat den Erzherzog, da er lieber sehe, wenn man in dieser unruhigen Zeit in Güte übereinkomme, „diese Ding dahin zu vermitteln undt dirigirn, daß diese der Ritterschafft zugefügte beschwärdt abgeschafft, dasjenige, so dem allgemeinen Religionsfriden zuwider, abgeschafft und verhüttet werde, und also die Ritterschafft sich dessen zu erfreuen haben möge". Auch in dem Schreiben an die Äbtissin wird der Wunsch nach einem friedlichen Vergleich ausgesprochen, aber zugleich ganz unumwunden die völlige Wiederherstellung der alten Religionsfreiheit für die Andlauer Unterthanen gefordert. „Das alles geschiht dem aufgerichten Religionsfrieden nach, nicht unbillig, gereichet zu beyderseits Religion Verwandten gutem Vertrawen und Verständtnus.“ Ungleich schärfer ist dagegen die Tonart in dem kurpfälzischbrandenburgischen Schreiben an die Äbtissin, datiert vom 6. November. Ihr Verfahren wird ohne weiteres als ein Bruch des Religionsfriedens bezeichnet. Es sei ein grober Irrtum, wenn sie zu dieser beschwärlichen Enderung, einer angemaßten Lehenverwandnus halben, befugte Ursache zu haben vermeine". Daher erhält sie in scharfen Worten die Aufforderung, den alten Zustand zu Andlau sofort wiederherzu

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stellen und sich jeder weiteren Bedrückung zu enthalten. Den Schluß des Schreibens bilden die drohenden Worte: Solltet Ihr aber nachmahlen uff ewerer angefangenen Verfolgung und trangsal verharren wollen, und sich darauß schädliche weyterung anstimmen, deren Ihr fillicht so bald al andere schmerzlich empfinden möchtet, so hettet Ihr die schuldt und verursachung Iweil di nit die erste anmahnung ist, die euch beschicht - Euch allein zuzuschreiben".

Man sieht, an Deutlichkeit und Zuversichtlichkeit ließen die kurfürstlichen Sätze nichts zu wünschen übrig. Voller Hoffnung auf einen guten Fortgang ließ daher Böcklin am 13. 23. Dezember die drei Briefe mit zwei von ihm selbst verfaßten höflichen Begleitschreiben durch einen Notar an die Adressaten befördern. Bevor man jedoch von diesen die mit Spannung erwartete Antwort erhielt, trat ein Ereignis ein, das die Lage der Dinge von Grund aus veränderte. Kaiser Rudolf II. starb am 11. Januar 1612, und der Pfalzgraf Johann erhielt als Administrator von Kurpfalz bis zur Neuwahl eines Kaisers im deutschen Südwesten die Würde eines Reichsvikars.

Mit Jubel begrüßte Böcklin diese Wendung. Jetzt galt es, alles daran zu setzen, um mit Hülfe des protestantischen Reichsvikars die Andlauer Religionsfrage zugunsten der Ritterschaft zu entscheiden. Das erste Zeichen der veränderten Situation war die Antwort der Abtei auf die vom Ausschuß übersandten kurfürstlichen Schreiben. Die Äbtissin, die sich plötzlich jeder Stütze beraubt sah - denn Erzherzog Leopold, der selbst nach der Kaiserkrone strebte, wandte sich vorläufig von ihr ab meinte zwar, da die Streitfrage schon längst unter Bestätigung des Kaisers durch Vergleich mit den Andlau entschieden sei, so könne diese Abmachung doch unmöglich dem Religionsfrieden zuwider gewesen sein, erklärte sich jedoch bereit, um den Kurfürsten ihren guten Willen zu zeigen, die Sache noch einmal dem Kaiser vorzulegen und sich der kaiserlichen Entscheidung zu bequemen.

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Der Ausschuß beachtete diese Antwort nun überhaupt nicht mehr. Zeigte sich ihm doch jetzt die Aussicht, mit einem Schlage alles Verlorene zurückzugewinnen. Vor allem galt es nun, keine Zeit zu verlieren. Alles hing davon ab, daß die rechtsgültige Erledigung der Sache noch während des

Interregnums erfolgte. So entfaltete denn Böcklin eine fieberhafte Thätigkeit. Schon im Februar reiste er nach Heidelberg und erlangte dort in persönlicher Audienz beim Reichsvikar, beim Herzog von Würtemberg und beim Markgrafen von Baden, die er beide dort antraf, die Zusicherung kräftigster Unterstützung. Zunächst handelte es sich nur um die Andlauer Frage. Was die Andlau verlangten, war, kurz gesagt, Aufhebung ihres 1600 mit der Äbtissin geschlossenen, 1604 vom Kaiser bestätigten Vertrages, das hieß also Restitution des Protestantismus, dann aber auch Wiederherstellung ihres alten direkten Lehensverbandes mit dem Reich, auf welchen Kaiser Rudolf, wie wir sahen, zu Gunsten der Abtei verzichtet hatte. Beider Wünsche Erfüllung wurde Böcklin zu Heidelberg in Aussicht gestellt. Der Reichsvikar gab das Versprechen, eine besondere Kommission zur Untersuchung der Andlauer Religionsbeschwerden zu ernennen, es war sogar davon die Rede, daß sofort ein protestantischer Prediger nach Andlau gesetzt werden sollte. Ferner erhielt Böcklin den offiziellen Auftrag, die Edlen von Andlau aufzufordern, sie möchten den Reichsvikar schleunigst um eine Neubelehnung mit ihren Reichslehen ersuchen. Durch rastlose persönliche Bemühungen ermöglichte es Böcklin, daß zwei Vertreter des Stammes Andlau schon Ende März mit ihm nach Heidelberg reisen konnten, um die verlangte Petition sowie die alten Originallehenbriefe dem Pfalzgrafen einzureichen. Unterwegs mußte der Unermüdliche, von einem Fieber befallen, notgedrungen liegen bleiben, behielt aber trotzdem unter Anspannung aller Kräfte durch tägliche Korrespondenzen die Leitung der ganzen Sache in der Hand. Schon am 2. April erfolgte die Antwort des Reichsvikars an die Andlau. Sie enthielt die Zusage, daß sie ihre Reichslehen von neuem von ihm empfangen sollten, und die Mitteilung, daß er zur Erledigung ihrer Religionsangelegenheit eine aus dem Herzog von Würtemberg, dem Markgrafen von Baden-Durlach und dem katholischen Reichsritter Georg Wurmser von Schäffolsheim bestehende Kommission ernenne, deren Aufgabe zunächst sein sollte, die Äbtissin „um Redintegration des Stammes Andlau entwährter possession in Religionssachen alles Ernst zu ersuchen“, im Fall der Weigerung vonseiten der Äbtissin jedoch „den Stämmen Andlau realiter und wirklichen zuh dem Standt

wie sie vor beschehener laesion und Entweihung gewesen, widerumb und biß zuh Außtrag ordentlichen Rechtens gepührlichen zu verhelffen". Gleich nach diesem Bescheid gingen die Andlau auf Weisung Böcklins nach Durlach und erhielten in einer Audienz die Zusage des Markgrafen, daß er die Kommission übernehmen wolle. Bereits am 6. April erfolgte von Heidelberg die schriftliche Aufforderung an die Kommissare, ihr Amt anzutreten. Gleichzeitig erhielten die Andlau die Weisung, am 4. Mai zum Lehensempfang nach Heidelberg zu kommen.

Die Äbtissin hatte unterdessen schon gerüchtweise vernommen, daß etwas gegen sie im Werke sei. In vollem Umfang erfuhr sie die feindlichen Absichten jedoch erst durch Wurmser von Schäffolsheim, den man sicherlich nur darum neben den beiden protestantischen Reichsfürsten in die Kommission gewählt hatte, um einen gewissen Schein von Unparteilichkeit zu wahren. Die Äbtissin hegte die schlimmsten Befürchtungen. Vergebens wandte sie sich an Erzherzog Leopold. Vor erfolgter Kaiserwahl wollte dieser nichts für sie thun. Erst in Lothringen erhielt sie auf wiederholte Bitten die Zusage, daß man ihr eventuell mit einer Truppenschar beistehen würde. Auf alle Fälle war die tapfere Dame fest entschlossen, nicht nachzugeben. Mit allen ihren Kräften, so liess sie sich verlauten, wolle sie mit Gottes Hülfe zu verhindern suchen, daß wieder ein „lutherischer Prädikant" nach Andlau gesetzt werde, „undt sollt ihr ganz Stifft darauff gehen". Eher werde sie mit ihren Conventualn undt Jungkfrawen Sich ander woh in kost thun".

Aber ihre Besorgnisse erfüllten sich nicht. Die erste Hälfte des April verging, ohne daß die Kommission etwas von sich hören ließ. Ungeduldig über diese verderbliche Zögerung sandte Böcklin darauf an Würtemberg und Baden die dringende Bitte, ihren Kommissionsauftrag zu beschleunigen und jedenfalls dafür zu sorgen, daß noch während des Reichsvikariates der alte Zustand zu Andlau wiederhergestellt, und daß vor allem ein protestantischer Prediger dorthin geschickt werde. Auch an Kursachsen ging noch ein Bittschreiben des Ausschusses ab. Aber trotz dieser Mahnung geschah nichts, und Böcklin, wegen seiner Krankheit noch unfähig, selbst zu reisen, sandte in leidenschaftlicher Ungeduld Ende April den

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