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gegen die Kurie weit hinausgriff und die Vaterstadt in den Strom der lutherischen Bewegung hineinzureissen drohte. Wenn ihm das schließlich trotz seines starken Anhangs in der Bürgerschaft nicht gelang, so hat wohl auch die vom Rat in langer opfervoller Arbeit gewonnene Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse sich als ein Schutzwall erwiesen, der dem altkirchlichen Sinn der Regierenden Halt und Festigkeit gab. (Schluß folgt.)

Pistorius und Markgraf Ernst Friedrich von

Baden-Durlach.

(Nach Briefen von Pistorius im Vatikanischen Geheimarchiv.)

Von

Bruno Albers.

Im Vaticanischen Archiv befindet sich Sign. Borgh. III, 124 a ein Cod. Chartac. XVI/XVII, welcher fast nur Briefe von Johann Pistorius Niddanus und seinem Sohne Johannes Pistorius an die römische Kurie enthält. Die Briefe umfassen einen Zeitraum von etwa sechs Jahren (15. August 1595 bis 12. April 1601). Ihrer Mehrzahl nach sind sie an den Kardinai S. Giorgio, Cinthio Aldobrandini, den Neffen Papst Clemens VII. gerichtet; von 39 tragen drei die Adresse des Papstes, einer diejenige seines Sekretärs, Minutius de Minutiis, alle übrigen diejenige des Kardinals selbst. So interessant auch manche für die Beurteilung des deutschen Geschichtsschreibers1) sein mögen, so beschränken wir uns im nachfolgenden doch auf Wiedergabe nur zweier Briefe ihrem ganzen Umfange nach; von den anderen geben wir die betreffenden Stellen, soweit dieselben für den Zweck unserer Arbeit in Betracht kommen. Die Briefe gewähren nämlich ein anschauliches Bild der Be

1) Wir sehen davon ab, eine Biographie des Pistorius zu geben: verweisen dagegen auf die einschlägigen Nachrichten bei von Weech, Badische Landesgeschichte; Herzog, Realencyklopädie (V. Pistorius), Allg. Deutsche Biogr. XXVI, 199, von Weech (diese Zeitschrift 7, 656 ff.) und Hist. Polit. Blätter XXXVIII, 1043. Für die Darstellung des folgenden diente hauptsächlich außer den Briefen: Schöpflin, Histor. Zaring. Bad. III, IV., von Weech, op. cit. und diese Zs. VII, 656, sowie Vierordt, Evangelische Kirchengeschichte, Bd. II.

mühungen, welche sich Pistorius gegeben, auch Markgraf Ernst Friedrich von Baden-Durlach zur Annahme des Katholicismus zu bewegen, nachdem es ihm gelungen war, dessen Bruder Markgraf Jakob durch seine feurige Dialektik von der Wahrheit der katholischen Religion, namentlich durch die Religionsgespräche zu Baden (18./19. November 1589) und Emmendingen (3.-7. Juni 1590) zu überzeugen. Die Briefe sind aber auch, namentlich der erste, noch von einer anderen Seite, von nicht geringem Interesse. Pistorius liefert nämlich in seinem ersten Schreiben an den Kardinal von dem Markgrafen Ernst Friedrich eine Charakteristik, welche diesen als einen ausgezeichneten, hochsinnigen und hochbegabten Fürsten, vielleicht einen der bedeutendsten jener sturm- und drangbewegten Zeit, erkennen läßt.

Zum Verständnis der Briefe sei kurz folgendes bemerkt. Markgraf Ernst Friedrich, der älteste Sohn Karls II. von Baden-Durlach, hatte im Jahre 1584 die Regierung der ihm durch die vormundschaftliche Teilung zugefallenen Gebiete der markgräflichen Lande, der unteren Markgrafschaft, nebst den Herrschaften Besigheim, Mündelheim und Altensteig, angetreten. Im Jahre 1591 fielen ihm durch den Tod des Markgrafen Jakob, resp. dessen Sohnes die hochbergischen Lande zu, als ein Umstand eintrat, welcher ihm nahelegte, auch von der seinem Vetter, Markgraf Eduard Fortunat (aus der Bernhardinischen Linie), zugehörigen oberen Markgrafschaft Besitz zu ergreifen. 1535 hatten die Großväter dieser beiden Fürsten, die Markgrafen Ernst und Bernhard sich über die Teilung der ihnen von ihrem Vater Philipp († 1533) hinterlassenen Länder geeinigt. 1537, den 29. September, ward zwischen Markgraf Ernst und den Vormündern der Kinder seines inzwischen verstorbenen Bruders Bernhard die Teilung auf's neue bestätigt, gleichzeitig war aber auch dem Vertrage hinzugefügt worden, daß wenn der eine der Brüder im Abtragen der gemeinsamen Schulden gleichgültig sei, und durch das Drängen der gemeinsamen Gläubiger dem anderen infolge dieser Saumseligkeit ein Schaden erwachse, der Geschädigte des Bruders Land besetzen und so lange in Besitz halten könne, bis der Schaden ausgeglichen sei.1) Dieser Fall

1) Schöpflin, IV, 16.

schien 1594 dem Markgrafen Ernst Friedrich eingetreten zu sein. Während er den einen Teil der alten Schulden sorgsam abgetragen, hatte Eduard Fortunat') durch eigene die alten vergrößert. Namentlich durch längeren Aufenthalt zu Brüssel am Hofe des prachtliebenden Herzogs von Parma, und später an demjenigen des Erzherzogs Ernst von Österreich, hatte Eduard Fortunats Schuldenlast eine solche Höhe erreicht, daß die Gläubiger die Besetzung der oberen Markgrafschaft betrieben, damit ihre Forderungen befriedigt würden. Da vermöge der pragmatischen Sanktion Markgraf Christophs die beiden Markgrafschaften, trotz ihrer Teilung in zwei Linien, dennoch ein Ganzes bildeten, und beide Teile für die alten Schulden gleichmäßig aufkommen mußten, so konnte die Sequestrierung der markgräflich Eduard Fortunatischen Güter auch für Ernst Friedrich nachteilige Folgen haben. Ernst Friedrich war sich dieser Gefahr wohl bewußt. Er machte dem Vetter Vorstellungen; aber umsonst. Das Drängen der Gläubiger wurde immer stärker, und als Kaiser Rudolf II. wirklich den Sequester anordnete, Eduard Fortunat dagegen selbst auf die Gefahr hin, daß die obere Markgrafschaft dem Hause Baden verloren gehe, neue Mittel für sich flüssig zu machen suchte, glaubte Ernst Friedrich nicht länger mit der Besetzung der Länder seines Vetters zögern zu dürfen. Am 21. November 1594 besetzte auf seinen Befehl Wolf Dietrich von Gemmingen die Hauptstädte der oberen Markgrafschaft. Die Bewohner leisteten ihm ohne Widerstreben unter dem Titel eines Administrators den Treueid. Der Kaiser wurde brieflich von der Besitzergreifung unter Darlegung der maßgebenden Gründe in Kenntnis gesetzt. Rudolf II. war jedoch mit dem Vorgehen nicht einverstanden und verlangte Durchführung des angeordneten Sequesters, mit welchem er die Herzöge von Baiern und Lothringen beauftragt hatte. Markgraf Ernst Friedrich nicht geneigt schien, die angetretene Regierung ohne weiteres aufzugeben, sandte der Herzog von Bayern Pistorius an ihn, der mit dem Markgrafen im Juni 1595 zu Scheibenhard eine Zusammenkunft hatte; es wurden dabei gewisse Bedingungen vereinbart, unter denen Mark

Da

1) Vgl. über ihn von Weech, pg. 157 ss.; Preuschen, Badische Geschichte, pg. 735; coll. Schöpflin, III, 9 ss.

graf Ernst Friedrich, wenigstens vorläufig die Administration der oberen Markgrafschaft behalten sollte. 1) Von etwas später, vom 12. August 1595, datiert der unten angefügte erste Brief des Pistorius an den Kardinal S. Giorgio. Pistorius ist gerade von einer Reise zu dem Markgrafen nach Konstanz zurückgekehrt. Sein Zweck war, Ernst Friedrich mit Hilfe des Baiernherzogs die Wege zu einer Verständigung mit Kaiser Rudolf zu ebnen und ihm, wenn auch nur unter dem Titel eines Administrators, die Herrschaft in den Ländern Eduard Fortunats zu sichern. Und warum machte Pistorius alle diese Anstrengungen? Er erhoffte den Übertritt des Markgrafen zum Katholizismus und versprach sich von diesem Übertritte soviel Gewinn für die katholische Sache, daß im Vergleich hiezu alle seine Anstrengungen nur gering schienen. Hatte nun aber Pistorius wirklich gegründete Hoffnung auf den Übertritt? Hören wir, was er an den Kardinal berichtet. Obwohl Protestant habe Ernst Friedrich in dem neu erworbenen Ländergebiete nicht die protestantische Religion eingeführt. Ja, mehr noch! Zur Verwunderung aller habe er das katholische Glaubensbekenntnis nicht nur erhalten, sondern zum Vorteil derselben Religion die von Eduard Fortunat angestellten unkirchlichen Geistlichen entfernt, würdige an deren Stelle gesetzt und die Bischöfe von Speier und Straßburg angehalten, für die Besetzung der katholischen Pfarrstellen Sorge zu tragen. Was Wunder, wenn bei solchen Thaten sich das Gerücht verbreitete, Ernst Friedrich werde das Beispiel seines Bruders Jakob nachahmen! Dasselbe erschien um so begründeter, als es hieß, daß Ernst Friedrich nicht nur dem Kardinal von Lothringen und Bischof von Straßburg den Propst von Baden 2) zur Beförderung präsentiert, sondern selbst die Grafschaft Eberstein, welche Eduard einem Lutheraner verpfändet, zurückerworben habe (sic!) und den von diesem abgeschafften katholischen Gottesdienst wieder auf's neue dort eingeführt wissen wolle. 3) Welche Hoffnungen konnten sich nicht für

1) Die Bedingungen bei Schöpflin, IV, 91.2) Den in den Eduard Fortunatischen Händeln mehrfach genannten Franz Born von Madrigal. 3) So berichtet ausdrücklich Pistorius (vgl. unten S. 628); wenn Vierordt, Gesch. der Evangelischen Kirche im Großherzogtum Baden, II. 59, behauptet, Ernst Friedrich habe in der Grafschaft Eberstein den Evangelischen zuerst wieder die Abhaltung ihres Gottesdienstes gestattet, und

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