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der begleitenden Erzählung von diesen Vorgängen, der Chronik selbst, nunmehr zur Klarheit zu kommen: Sind ihre Nachrichten über die Zeit Calixts II. und die nächste Vergangenheit gut und zuverlässig, enthält insbesondere ihr Bericht über die Bistumserneuerung selbständige, erweislich richtige Angaben, oder beruht er lediglich auf dem Text der Urkunden, mit einem Wort: trägt die Chronik zeitgenössischen Charakter, oder weist nichts in ihr auf Entstehung im 12. Jahrhundert hin?

Liest man die Erzählung des Chronisten von den Ereignissen unter Calixt II. arglos und unvoreingenommen, so kommt man zunächst garnicht auf den Gedanken, eine späte Fälschung vor sich zu haben. Stil und Sprache sind durchaus mittelalterlich und an mehreren Stellen glaubt man deutlich, einen Zeitgenossen zu hören. Dass sich allenthalben die Namen bekannter normannischer Adelsgeschlechter, der Hauteville, I.oritello, Carbonello, Capriolo finden, möchte noch hingehen, aber der Verfasser weiss auch von Abälard, dem Sohn Graf Humfreds, Neffen Robert Guiscards 1), der erweislich gerade in Calabrien gegen seinen Oheim die Fahne des Aufruhrs erhob 2), von Graf Simon von Sizilien, dem älteren Bruder Rogers II., der 1105

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Seiten der Gegenpartei, Squillace. Eine Urkunde Rogers I. von 1096 (ed. Ughelli IX 426, Reg. Arch. Nap. Monum. VI 104 n. 11), an deren ursprünglicher Echtheit bei der Nennung zahlreicher zeitgenössischer Bischöfe kein Zweifel sein kann, zählt als Besitzungen von Squillace fast alle (im folgenden gesperrt gedruckten) Orte, die Calixt II. dem neuen Bistum Tres Tabernae unterstellte, auf: Squillacium, ubi sedes est pontificalis, Taberna, Stilum, Antestilum, sancta Caterina, Badulatum, Satrianum, castellum Cuculi, castellum Mainardi, Michetas Lamathe, Roca de Cathenciaco, quae fuit Ugonis Falluch, Tiriolum, Cathenciacum, Salia, Barbarum, Sinulum, abbatia sanciae Maria de Albaneta, abbatia sancti Iuliani, abbatia sancti Salvatoris. Die Sache erklärt sich folgendermassen: die Urkunde existiert noch in Kopie des 12. Jahrhunderts im Fonds Squillace des Staatsarchivs zu Neapel, aber verfälscht, wie mir Herr cand. phil. Salomon freundlichst mitteilte und durch eine Photographie bestätigte; mit Taberna setzt eine andere Tinte ein. Man hat also in Squillace, nachdem Catanzaro bei Calixt II. gesiegt hatte, die Sache durch eine Urkundenfälschung doch zu Gunsten der eigenen Kirche zu wenden versucht. Herr Salomon fand noch eine zweite, ganz auf Rasur stehende Kopie dieser Urkunde; über das Verhältnis beider, das uns hier nicht interressiert, lasse ich ihm selbst das Wort.

1) S. Anhang I, Chron. c. 13.

2) Vgl. L. v. Heinemann Gesch. der Normannen I S. 274. 289 u. a.

nach vierjähriger Regierung im Alter von 12 Jahren, also ohne irgendwelche Spuren seines Wirkens zu hinterlassen, verstarb 1); er kennt Radulf von Loritello und seinen Sohn, Graf Gottfried von Catanzaro, die urkundlich als Zeitgenossen nachzuweisen sind 2); er vermag endlich den Vorgänger des Bischofs Petrus von Squillace, der zur Zeit Calixts II. regierte, Johannes, mit dem richtigen Namen zu nennen 3). Solche genaue historische Einzelkenntnisse kann man einem Fälscher des 14. oder 15. Jahrhunderts doch kaum zutrauen, abgesehen davon, dass Graf Gottfried, der Held der gesamten Erzählung, ganz in der Art gepriesen wird, wie ein Geistlicher des 12. Jahrhunderts seinen weltlichen Schirmherrn zu preisen pflegt ).

Ferner vergleiche man die Teilnehmer an der Synode von Cotrone, welche die Chronik aufzählt, mit den Subskribenten der Bulle Calixts II. für Catanzaro. Viele Namen wiederholen sich natürlich, dann aber nennt der Erzähler den Erzbischof von Bari mit seinem richtigen Namen Walter 5), der in der Bulle nicht genannt ist; hier in der Bulle unterschreiben die Kardinäle Johann von S. Crisogono und Robert von S. Sabina, in der Chronik finden sie sich als Iohannes Cremensis und Robertus Parisiensis. Sie sind also ganz unabhängig von dem Urkundentext mit ihren Herkunftsnamen bezeichnet, die in feierlichen Privilegien nicht üblich, sonst aber durchaus gebräuchlich waren beide unterschreiben in der gleichen Weise ein Judikat Calixts II. für Monte Cassino vom Oktober 1120 6). Die Kar

1) S. Roger II. S. 26.

2) Urkunden Roberts besonders für Larino zwischen 1075 und 1107 bei Magliano Memorie storiche di Larino, seines Sohnes Gottfried besonders für die Karthäuser bei Tromby Storia dell'ordine Cartusiano Bd. III; eine der letzten, von 1131, beginnend Ego Gaufridus de Lorete'lo Catanzarii comes bei Di Meo Annali del regno di Napoli t. IX 388, ist wie manche dieser Karthäuser urkunden ohne Grund von Meo verdächtigt worden.

3) Vgl. das genannte Diplom Rogers I. für Johann v. Squillace von 1096 (s. S. 10 Anm. 4).

4) S. Anhang I, Chron. c. 17.

5) Vgl. Ughelli VII 618.

6) Ed. Gattula Access. ad hist. abb. Cass. S. 715 (Hübner Regesten der Placita n. 1581), von Jaffé übersehen. Robertus Parisiensis findet sich ausserdem noch 1100 in einem Schiedsspruch Paschals II. für S. Lorenzo in Aversa (ed. P. Kehr Gött. Nachr. 1900 S. 310 n. 4) und 1122 als von Calixt II. eingesetzter Schiedsrichter bei Falco Benev. Chron. (ed. Muratori Script. V 98).

dinäle Adoald und Jonathan endlich fehlen unter den Subskribenten der Bulle, nur die Chronik nennt sie, und sie lassen sich als die damaligen Inhaber der Titel von S. Balbina und SS. Cosma e Damiano nachweisen 1).

Unter solchen Umständen wird man an Namen wie Bischof Athanasius von Cotrone u. a., die sich sonst nicht belegen lassen, keinen Anstoss nehmen und überhaupt unbekannten Namen, die in der Chronik vorkommen, nicht das argumentum ex silentio entgegensetzen dürfen 2).

Ein Zeitgenosse der Ereignisse unter Calixt II. spricht zu uns, nicht ein späterer Fälscher; so wird man nunmehr geneigt sein, mit grösserem Vertrauen anzuhören, was er über sich und sein Werk sagt, man wird auch dies Werk selbst mit minder argwöhnischen Augen ansehen. Falsche und fabelhafte Nachrichten des 12. Jahrhunderts über das 9. und 10. sind kein Zeichen böser Absicht, sondern menschlichen Unvermögens.

<< Deinem geringsten Knechte, ehrwürdiger Vater und Bischof Roger von Catanzaro, befiehlst du, weil er des Griechischen kundig ist, alles, was der berühmte Graf Gottfried von Catanzaro erlauchten Andenkens über die Wiederherstellung und Errichtung des Bistums Tres Tabernae allenthalben an griechischen Quellen zusammengebracht, in eins zu sammeln und in lateinische Sprache zu übertragen ». Mit diesen Worten beginnt die Erzählung des Kanonikus und Diakon Roger. Wir befinden uns also im 12. Jahrh. 3), einige Zeit nach den Ereignissen, mit deren Erzählung die Chronik schliesst: Gottfried von Catanzaro, eine der Hauptpersonen dieser letzten Geschehnisse, war bereits gestorben, Roger von Sizilien vom Grafen inzwischen 1130 zum König emporgestiegen 4). Da fühlte man in dem neuen Bistum Catanzaro das Bedürfnis, die Dokumente, welche man mühevoll zu dem Wiederherstellungsprocess zusammen

1) Z. B. JL. 6869 und 6886.

2) Batiffol 1. c. S. 241. Auffällig ist allein, dass der Bischof von Gerace die Bulle mit dem Namen Gerontius unterzeichnet, in der Chronik aber Johannes genannt wird. Daran mag die schlechte Überlieferung, welche viele Namen entstellt hat, schuld sein.

3) Der genannte Bischof ist leider sonst nicht nachzuweisen.

4) Usque ad tempus magnifici regis Rogerii, qui tunc comes erat. Chron. c. 14.

getragen hatte, dauerndem Gedächtnis zu überliefern, in erster Linie wohl, um Feinde der neuen Ordnung, vor allem die Nachbarsprengel, welche die Kosten hatten tragen müssen, nötigenfalls abermals mit Erfolg zurückweisen zu können, sodann auch aus jenem Gefühl neuerwachten Stolzes auf die eigene Vergangenheit heraus, das die Triebfeder aller älteren historischen Überlieferung ist.

Die Aufgabe unseres Kanonikus, eine Geschichte seines Bistums nach den Quellen zu schreiben, war nicht leicht. Er gehorchte zwar, wie es sich geziemte, dem Befehl seines Oberen 1), empfahl sich auch der hilfreichen Gottesmutter, doch bewahrte er sich ein starkes Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit gegenüber den griechischen Texten, sein Name verrät ihn als einen lateinischen Kleriker. Er klagte über die Schwierigkeit, manche griechischen Worte ins Lateinische zu übertragen; namentlich die Eigennamen waren ihm nicht recht geheuer, und wirklich hat er in dieser Hinsicht arg gesündigt. Indes er sagt selbst: «Ich bitte die wohlgeneigten Leser, in deren Hände dies kleine Werk gelangt, wenn sie auf etwas Unverständliches oder Seltsames stossen, woran meine Unwissenheit oder die Eigennamen schuld sind, dass sie, bitte, nicht, was sehr leicht ist, gleich ein Geschrei erheben ». Das geht an Batiffols Adresse; wir wollen gerechter sein und uns in Geduld üben.

Man gerät bei der Lektüre alsbald in einen wahren historischen Irrgarten. Seltsam verstümmelte Namen tauchen auf; der Autor beruft sich zweimal auf eine griechische Quelle und bezeichnet sie mit einem Wort, das er mit chronicon wiedergibt 2). Es wäre natürlich aussichtslos, dieser griechischen Quelle nachzuforschen. Sie ist dahin, und für uns handelt es sich nach wie vor allein um die Chronik von Tres Tabernae. Aber man hat doch eine neue Handhabe, um die ersten Partieen der Chronik zu prüfen. Um zu erkennen, ob der Chronist mit seiner letzten Behauptung die Wahrheit sagt, suchen wir zu

1) Vgl. für das folgende die Praefatio der Chronik.

2) Historiam prius, quae in cudican vel chronicon Graecorum libris continetur (c. 7) und tudican quendim i'lo um librum legat (c. 10). Wie mich Herr cand. phil. Salomon beleh:t, hat man offenbar zó:zzy zu lesen. Diese Accusativendung ist in der Koine durchaus geläufig.

nächst wiederum nach Stellen, wo unzweideutig eine echte Überlieferung durchscheint. Freilich wird man sich mit einem sehr leisen Schimmer begnügen müssen, denn es handelt sich hier um die in ferner Vergangenheit liegende Zeit der Griechenherrschaft in Süditalien seit dem 8. Jahrhundert, eine Zeit, von der wir so überaus dürftige Kunde haben.

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Die Chronik lässt den Leser in ein beständiges Auf und Ab byzantinischer Herrschaft, arabischer Einfälle und langobardischer Vorstösse blicken, und so gewiss dies Gesamtbild von dem Zustand Süditaliens in jener Zeit richtig ist, so gross sind die chronologischen Verstösse im einzelnen. Fürst Grimoald von Benevent es könnte sich um den III. oder IV. des Namens handeln, die nacheinander 788-817 regierten - soll den ersten siegreichen Zug gegen die Araber unternommen haben. Das ist unmöglich, weil die ersten Einfälle der Sarazenen nach dem Festlande nicht vor 830, ihr erster Zusammenstoss mit den, Langobarden unter Sicards Regierung (832-39) stattfand 1). Die Sage späterer Zeit knüpfte aber offenbar an den tönenden Namen des dritten Grimoald die erste langobardische Gegenbewegung, dieser Name wurde gleichsam zur Verkörperung langobardischen Volkstums. Dieselbe Rolle spielt beim Chronisten für Byzanz der Kaiser Nikephoros ), aber hier 50 Jahre später sind die richtigen historischen Reminiscenzen doch schon von greifbarerer Gestalt. Zwar sind zwei Personen in eine verschmolzen, der Feldherr Nikephoros Phokas, Strateg des Kaisers Basilios, und sein gleichnamiger Enkel, der nach dem Tode Romanos' II. 963 auf den Kaiserthron erhoben wurde; aber in der Erzählung spiegelt sich deutlich die Erinnerung an die gewaltige Gestalt des Grossvaters, welcher in den Jahren 883-915 der Reorganisator der byzantinischen Kaisergewalt in Süditalien wurde 3). Wenn dann weitere 150 Jahre später von den byzantinischen Kaisern Mono

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1) Vgl. Gay L'Italie méridionale et l'empire Byzantin depuis l'avènement de Basile I. jusqu'à la prise de Bari (867-1071), Paris 1904, S. 50 ff. und Lokys Die Kämpfe der Araber mit den Karolingern bis zum Tode Ludwigs II. (Heidelberg 1906) S. 26.

2) Chron. c. 6.

*) Vgl. Gay 1. c. S. 132 ff.

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