Imágenes de páginas
PDF
EPUB

Man muss sich wundern, dass man in Rom trotz der ungeheueren Bedeutung, die die Konversion des Hauptes der deutschen Protestanten für die Kurie besass, so lange gezögert hat, dem König seinen Beistand zu leihen. Die Haltung der Kurie erklärt sich aber aus einer Reihe der verschiedenartigsten Faktoren, die wir in folgendem genauer darlegen müssen.

Man hat bisher immer von dem «mächtigen Einfluss des Papstes» und der « ungeheuer grossen Macht des Klerus» in Polen gesprochen. Allein dies ist eine zum Teil wenigstens irrige Anschauung 1). Auch in Polen hatte sich die Kirche gegen die Ketzereien nur dadurch behaupten können, dass sie in engen Bund mit dem Staate getreten war. Die Folge davon war nun gewesen, dass sie immer mehr in die Hände des herrschenden Adels geriet, der seine Angehörigen durch den von ihin abhängigen König in die Bistümer und Abteien zu bringen wusste. Damit sank die Achtung vor dem Klerus, und der päpstliche Nuntius konnte dem Papste binnen eines halben Jahres eine Reihe von Fällen vorführen zum Beweise, wie sehr die alte polnische Frömmigkeit dem Volke abhanden gekommen war. So war der Kardinal Arquyan, weil er auf der Landstrasse einem polnischen Adligen nicht hatte ausweichen wollen, mit diesem in Streit geraten. Vier der Leute des Kardinals wurden zu Tode geschlagen, und er selbst, ein Mitglied des heiligen Kollegiums, mehrere Stunden lang in einem elenden Dorfe gefangen gehalten und von der « Canaille » beschimpft. Trotzdem geschah gegen den Täter nichts. Der Primas forderte den Nuntius, der Nuntius den Primas auf, gegen den Schlachtizen vorzugehen; allein jeder trug Bedenken, mit dem tatkräftigen Herrn anzubinden und man einigte sich schliesslich, das geistliche Strafamt dem Bischof, in dessen Diözese die Untat geschehen war, zu überlassen 2).

In Samogizien wurde der Bischof auf dem Landtage tätlich angegriffen und nachträglich noch vor das weltliche Ge

') Vgl. Ziekursch a. a. O. S. 94 und 107.

*) Da Via an Spada Lettera 31. Juli 1696 (Pol. 116). Lettera Warschau 7. August 1696 (Pol. 116). Helbig a. a. O. S. 389. Des weiteren schweigen die Nuntiaturberichte von diesem Vorfall und der Frevel scheint daber ungesühnt geblieben zu sein.

richt geladen. Ein Erlass, durch den er den inzwischen gestorbenen Angreifer in den Bann getan hatte, soll durch Henkers Hand verbrannt worden sein. In Litauen musste der Bischof von Wilna die Sapiehas exkommunizieren, weil sie ohne die Immunitäten zu achten, ihre Horden auf den Gütern der Kirche einquartiert hatten. Häufig wurde auf den Landtagen die Forderung erhoben, dass man den Bischöfen das Recht zu exkommunizieren überhaupt entziehen solle. In Warschau verlangte der Rat von den Dominikanern den Abbruch einiger alter zu ihrem Kloster gehöriger Häuser und sandte, als sie sich weigerten, Soldaten aus. Aber die Patres setzten sich mit Knüppeln und Steinen zur Wehre, so dass die Soldaten scharf feuerten, einige der Brüder verwundeten und einen Knaben töteten. Auch dieser Vorfall kam erst nach 3 Jahren zur Sprache, und es wurde gegen den Wunsch des Nuntius über ihn nicht vor dem geistlichen, sondern dem weltlichen Gericht verhandelt 1).

Mit der Kurie selbst lebte die Republik seit langer Zeit in latentem Zwist. Wie die Besetzung der Bistümer, wollte die Republik auch das Patronatsrecht der Abteien in ihre Hand bringen, aber der Papst widerstand hartnäckig diesem Ansinnen. Zweimal war man bereits einem Vergleich nahe gewesen, im Frühjahr 1696 kam aber der Konflikt zum Ausbruch.

Der Nuntius Santa Croce 2), der zur Verwaltung der Wiener Nuntiatur abberufen war, erhielt vom Könige keine Abschiedsaudienz. Kaum war er abgereist, so erschien ein vom KardinalPrimas veranlasster und vom König unterzeichneter Senatsbeschluss, der bestimmte, dass der neue Nuntius nicht vor der Beilegung der Abteienfrage in polnischem Sinne vom König empfangen und dass das päpstliche Tribunal in Warschau vorläufig geschlossen werden sollte. Auf Grund dieses Ediktes wurde das Nuntiaturgebäude wenige Tage vor dem Tode des

1) Bentini an Spada Lettera Warschau 12. Juni 1696 (Pol. 116). Da Via an Spada Lettera Warschau 25. September 1696 (Pol. 116). Über den Streit zwischen dem Bischof von Wilna und den Sapiehas wurde in Rom lange verhandelt. Vgl. die Schreiben Da Vias in Pol. 116. 117. 118. Da Via an Spada Lettera Warschau 27. November 1696 (Pol. 116). Da Via an Spada Lettera Warschau 11. November 1698 (Pol. 119).

$) Über Andrea di Santa Croce Guarnacci I 502.

Königs militärisch besetzt und die Ausübung der päpstlichen Jurisdiktion verhindert 1).

Als daher der Nachfolger Santa Croces, Da Via 2), etwa zur selben Zeit, als das Interregnum begann, an der polnischen Grenze angelangt war, waren die offiziellen Beziehungen zwischen Rom und Warschau so gut wie abgebrochen. Trotzdem beschloss der Nuntius, sich nach der Hauptstadt zu begeben, um dort, ohne öffentlichen Charakter anzunehmen, die Entwicklung der Dinge abzuwarten ). Sie wendeten sich für ihn günstiger, als er gehofft hatte. Als Raphael Lezczinski, der Woiwode von Lenzcic, in der Senatssitzung von 28. Juni den Antrag stellte, den Nuntius auszuweisen oder wenigstens ihm auch fernerhin die Ausübung der Jurisdiktion zu untersagen, trat ihm der Kardinal-Primas entgegen.

Obwohl dieser selbst der Urheber des Senatsbeschlusses vom 4. Juni gewesen war, hielt er es doch für geraten, während des Interregnums mit dem Oberhaupte der Kirche in Frieden zu leben, und beantragte daher die Zulassung Da Vias 1). Aber trotzdem wurde der Nuntius vom Konvokationsreichstage nicht in Audienz empfangen, und mit Bedauern musste er nach Rom berichten, dass, während man den Gesandten des schismatischen Moskowiterreiches zugelassen hatte, man den Vertreter des heiligen Vaters antichambrieren liess 5). Es blieb ihm nichts weiter übrig, als die Rolle des Fuchses, dem die Trauben zu hoch hingen, zu übernehmen und sich den Anschein zu geben, als sei es ihm ganz gleichgültig, ob er vom Wahl-Reichstag empfangen werde oder nicht 6).

Zu ernstlichen Verhandlungen über die Abteienfrage kam es, wie leicht vorauszusehen war, während des Interregnums nicht 7). Dagegen fiel Da Via die Aufgabe zu, in dieser schwierigen Zeit die päpstliche Politik in Polen zu vertreten.

1) Francesco Bentini, Uditore der Warschauer Nuntiatur, an Spada Warschau 12. Juni 1696 (Pol. 116).

2) Über Da Via Guarnacci II 167.

3) Da Via an Spada Lettera Warschau 26. Juni 1696 (Pol. 116).

*) Da Via an Spada Lettera Warschau 3. Juli 1696 (Pol. 116).

5) Da Via an Spada Lettera Warschau 11 September 1696 (Pol. 116).

*) Da Via an Spada Lettera Warschau 18. September 1696 (Pol. 116). 7) Über die Abteienfrage vgl. die Instruktion an Da Via Rom 4. Au

gust 1696, ferner Spada an Da Via Rom 28. Juli (Pol. 188 R. g.).

Wie bereits bei den früheren Wahlen erhielt der Nuntius von Rom her ganz allgemein die Instruktion, als Vertreter des gemeinsamen Vaters der katholischen Christenheit sich strikt neutral zu verhalten, im übrigen aber zum Wohle der katholischen Religion und des polnischen Reiches zu handeln. Es war eine Politik, die durch die Tradition und zumal bei der Lage der Kurie in Polen auch durch die Klugheit geboten war. Das gemeinsame Interesse der Kirche und Polens ging aber dahin, dass die Ruhe im Reiche erhalten und so bald wie möglich ein gut katholischer König gewählt wurde, der bereit und fähig war, im Bunde mit der heiligen Liga gegen die Türken zu kämpfen und die wahre Religion gegen Ketzer und Schismatiker aufrecht zu erhalten 1). Dieser Instruktion ist Da Via im allgemeinen gefolgt 2). In eine schwierige Lage geriet er, als im Herbst der Kardinal-Primas ihn nach seinem Konflikt mit dem Bischof von Kujawien aufforderte, Dabski mit den geistlichen Strafen zu belegen, weil er gegen eine Bulle Sixtus' V. sich die Rechte des Primas angemasst habe. Um seine Neutralität zu wahren, hätte der Nuntius damals am liebsten Polen verlassen. Indes wurde der Streit bald wieder beigelegt, und Da Via durfte sich des Verdienstes rühmen, durch seine vermittelnde Tätigkeit viel zur vorübergehenden Versöhnung der beiden Gegner beigetragen zu haben 3). Ohne grosse Schwierigkeiten erreichte er es, dass er einige Tage vor der Königswahl auf Vorschlag des Kardinals-Primas zur Audienz beim Reichstag zugelassen wurde 4).

1) Spada an Da Via Rom 7. Juli 1696 (Pol 188 Reg.). U. a. schreibt Spada: Colla morte del re, quando sia succeduta, verrebbe inoltre ad aprirsi a V. S. I. un largo campo di conciliarsi tutto il gradimento di N. S. e di acquistarsi benemerenza singolare colla religione e col regno di Polonia, invigilando in occasione di doversegli dare un nuovo capo a tutti li mezzi di avvantaggiare gl'interessi dell' una et il bene, il decoro e la quiete dell'altro. Vergl. ferner Spada an Da Via Rom 8. September 1696 (Aktenbeilage 3). Siehe auch Spada an Delfino Rom 31. Oktober 1696 (Franc. 181 Chiffre). Spada an Santa Croce Rom 6. April 1697 (Germ. 43 Reg.).

2) Da Via an Spada Lettera Warschau 30 April 1697. Lettera Warschau 14. Mai 1697 (Pol. 118).

3) Da Via an Spada Lettera Warschau 18. September. Lettera Warschau 25. September 1696 (Pol. 116).

*) Da Via an Spada Foglio d'avvisi Warschau 18. Juni 1697 (Pol. 118).

Wenn somit die Beziehungen des Papsttums mit der Republik äusserlich wieder hergestellt waren, so blieb doch seine Stellung in Polen auch fernerhin schwach. Als der Kurfürst von Sachsen im Herbst 1696 den Gedanken fasste, sich um die polnische Krone zu bewerben, lag, wie man sieht, für ihn kaum Veranlassung vor, die Kurie um ihren Beistand bei dem Wahlkampfe anzugehen. Im Gegenteil, er musste jede direkte Anknüpfung mit ihr zu vermeiden suchen, da er sicher sein konnte, dass der Papst sofort den Übertritt zur katholischen Kirche gefordert und, wenn er diesen verweigert, seiner Kandidatur mit aller Kraft entgegengearbeitet haben würde. Denn nach einer Bulle Sixtus' V. 1) stand es für die Kurie ein für alle Mal fest, dass der König von Polen katholisch sein müsse, und dem gemäss hatte der Warschauer Nuntius auch Instruktion erhalten. Aber der Kurfürst dachte nicht daran, «Hazard zu spielen und den Einsatz der Religion zu wagen» 2). Nicht als ob er irgend welche Gewissensbedenken gegen den Übertritt zur katholischen Kirche gehabt hätte, vielmehr darf man bei ihm, der in der italienisch-französischen, mit dem Katholizismus so eng verbundenen Kultur lebte, eher eine gewisse Neigung zum Katholizismus annehmen; natürlich war diese nicht religiöser Natur, wie seine vielbekannten Äusserungen beweisen 3).

Einen Glaubenswechsel aber verbot bei der Unsicherheit des Wahlerfolges die Staatsraison: denn er hätte durch seine Konversion den Besitz des Direktoriums des Corpus Evangelicorum, ja selbst seine Kurwürde aufs Spiel gesetzt, da die Ernestiner gewiss Gelegenheit genommen hätten, ihm auf Grund des Testaments Johann Georgs I., das die protestantische Erb

') Die Bulle Pastoralis nostra solecitudo (Februar 1589) (Po'. 118). Da Via an Spada Warschau 29. Oktober 1697.

") Erdmannsdörffer, Deutsche Geschichte vom Westfälischen Frieden bis zum Regierungsantritt Friedrichs des Grossen, Bd. II 91 Anm. 1: « Er wusste, dass sein schwieriges und gewagtes Unternehmen ohne vorangegangenen Glaubenswechsel ganz aussichtslos war. Diesen Einsatz musste er wagen. Er spielte Hazard und gewann ». Dieselbe Auffassung hat auch Ziekursch a. a. O. S. 93. Vgl. Haake a. a. O. S. 35-39.

3

« AnteriorContinuar »