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sten, das der Nuntius bisher stets verweigert hatte. Nach langem Widerstreben ging dieser auf die Bitte der Abgesandten ein und erklärte in einem Attest, dass er das Dokument Raabs gesehen, dass es echt und unverfälscht sei und dass in ihm der formelle Übertritt des Kurfürsten, geschehen zu Baden am 2. Juni 1697, bestätigt werde 1). Damit war dieses anfechtbare Schriftstück legalisiert, und zugleich hatte der Vertreter des Papstes selbst erklärt, dass er von der Rechtgläubigkeit des Kurfürsten überzeugt sei 2). So hatten die Sachsen alles, was sie für den Wahlkampf noch brauchten. Zwar war Flemming durch den Verlauf der Dinge gezwungen worden, das bischöfliche Schreiben zu veröffentlichen und dieses sogar dem päpstlichen Nuntius vorzulegen, aber da die Gegner selbst es

1) Vergleiche Aktenbeilage 5.

2) Vergleiche Aktenbe lage 10 S. 212. Zur Kritik des sächsischen, den Memoiren Flemmings entnommenen Wahlberichts im Theatrum Europaeum XV 299 ff. vergleiche die Ausführungen von Haake a. a. O. S. 54 Anm 1. Die unmittelbar nach den Ereignissen aufgestzte Relation des Nuntius vom 27. Juni 1697 (s. Aktenbeilage 6) und der Walhbericht widersprechen sich häufig; da aber letzterer erst 5-9 Jahre später abgefasst worden ist, so besteht wohl kein Zweifel, dass wir der Relation folgen müssen. Der Wahlbericht erzählt, Flemming habe sich am 25. persönlich zunächst an den Bischof von Passau gewandt und ihn gebeten, ein Zeugnis über die Religion des Kurfürsten zu geben. Als dieser es ihm abgeschlagen habe, sei er zum Nuntius gegangen und habe ihm dieselbe Bitte vorgetragen. Nach der Relation Da Vias ist beides aber erst einen Tag später geschehen, und nicht Flemming selbst ist zum Gesandten und zum Nuntius gekommen, sondern polnische Adlige aus Posen.

Nach dem Wahlbericht soll Flemming dann, als der Nuntius sich weigerte, ein Zeugnis über die Religion des Kurfürsten zu geben, ihn um ein Testimonium über die Glaubwürdigkeit des Bischofs von Raab gebeten haben, wozu der Nuntius sich ebenfalls nicht entschliessen konnte. Aber auch diese Bitte ist an den Nuntius erst am 26. von den polnischen Adligen gestellt worden. Dass der Nuntius sie aber tatsächlich doch noch am 27. erfüllt hat, ist nirgends erwähnt: nur gelegentlich taucht später einmal ein Testimonium des Nuntius auf, das den Polen vorgelesen worden sei. Wir müssen daher annehmen, dass Da Via am 25., und zwar nicht von Flemming, sondern vom Kastellan von Kulm, nur aufgefordert worden ist, die Handschrift Raabs zu rekognoszieren. Im Wahlbericht ist die Aufeinanderfolge der einzelnen Forderungen an den Nuntius gerade umgekehrt erzählt und Flemming hat die an den drei Tagen geschehenen Verhandlungen mit dem Nuntius zu einer effektvollen Episode zusammengezogen, diese auf den 25. verlegt und sich selbst in den Mittelpunkt gestellt.

für nicht beweiskräftig erklärt hatten, so konnte es auch jetzt noch im Notfalle leicht als Fälschung hingestellt werden, und der Umstand, dass es am 27. bereits beseitigt worden war 1). deutet darauf hin, dass man in der Tat diese Absicht gehabt hat. Ohne dass der Kurfürst seinen Untertanen gegenüber sich im Punkte der Religion sonderlich kompromittiert hätte, konnte er Flemming leicht desavouieren und ohne weiteres wieder als Protestant erscheinen, während der Vertreter des Papstes der Betrogene gewesen wäre 2).

Was Haake bereits vermutete, glaube ich somit im einzelnen bewiesen zu haben: der Kurfürst würde, wäre er nicht König geworden, seine Konversion sofort wieder abgeleugnet haben, und sein Vertreter in Warschau hatte, wie wir gesehen haben, seine Massregeln so einzurichten versucht, dass der Rücktritt des Kurfürsten ohne Schwierigkeiten erfolgen konnte. Diese Tatsache legt nun die Frage nahe, ob nicht der Kurfürst auch mit seinem Vetter, dem Bischof von Raab, wenigstens im stillschweigenden Einverständnis gewesen ist und ob der berühmte Übertritt zu Baden am 2. Juni 1697 wirklich in der Weise stattgefunden hat, wie man bisher immer geglaubt hat.

Nach der bisherigen Meinung soll der Kurfürst nach vorhergegangener Unterweisung in den katholischen Dogmen am frühen Morgen des 2. Juni in der Kapelle des kaiserlichen Lustschlosses Baden in die Hände des Bischofs von Raab den protestantischen Glauben abgeschworen, den katholischen angenommen und die Kommunion nach römischem Ritus empfangen haben 3). Der Kurfürst wäre also, wenn auch heimlich, so doch in aller Form zur katholischen Kirche übergetreten. Auf Grund dreier Schreiben des Bischof von Raab

1) Anders ist die Stelle der Relation (Aktenbeilige 6 S. 207) vennero a protestarmi di tutto il male, che sarebbe derivato al regno, s'io non davo un attestato d'haver veduto l'accennato documento nicht zur erklären.

2) Dass Flemming, wie er sich im Wahlbericht den Anschein gibt, über die Religion des Kurfürsten selbst nicht im klaren gewesen sei, ist fast ausgeschlossen, da er aus der kurfürstlichen Deklaration vom 7.17. April (Haake a. a. O. S. 55 Anm. 1) und aus dem bischöflichen Schreiben den wahren Sachverhalt kennen musste. Ausserdem hatte der Kurfürst den Kardinal-Primas in seinem Schreiben vom 24. Mai an Flemming als denjenigen verwiesen, der eine encore plus exacte information geben könne.

3) Haake a. a. O. S. 5.

und der sogenannten Narratio conversionis 1) wäre diese Tatsache vollkommen gesichert, wenn nicht eben gegen die Glaubwürdigkeit des Bischofs und der Narratio Bedenken beständen.

Zunächst ist wohl als völlig sicher anzunehmen, dass der Bischof seinen Vetter, den Kurfürsten, und dessen Absichten durchschaut hat, denn er selbst war nach allem, was wir von ihm wissen, ein schlauer Politiker und durchaus nicht der fromme Katholik, als der er in Theinerscher Beleuchtung erscheint 2). Auch ihm waren einst, gerade wie seinem Vetter Friedrich August, kriegerische Lorberen im Türkenkriege versagt geblieben. Er hatte die Bekanntschaft des Grossmeisters des deutschen Ordens, des Pfalzgrafen Ludwig Anton, gemacht und an dem Beispiele des pfälzischen Hauses mochte er gesehen haben, wie gut die katholische Kirche für die jüngeren Söhne kinderreicher und unbemittelter deutscher Fürsten in jenen Zeiten sorgte.

Im August 1691 war er der erste Angehörige des Wettinischen Hauses in Gegenwart Da Vias, der damals die Kölner Nuntiatur verwaltete, öffentlich katholisch geworden, nachdem er schon lange zuvor gegen materielle Sicherstellung über seinen Übertritt verhandelt hatte 3). Er wurde von jetzt an einer der eifrigsten Pfründenjäger Deutschlands, und überall, wo ein Kanonikat oder ein Bistum frei wurde, erschien auch der priesterliche Prinz von Sachsen als Bewerber. Fortwährend bat er den Papst um seine Unterstützung, damit er << von irdischen Sorgen frei, allein Gott, dem Nächsten und der

1) Die drei Schreiben des Bischofs sind: 1) das ofterwähnte Dokument vom 2. Juni 1697. 2) Ein Brief an seinen Bruder Moritz Wilhelm vom 2. Juli 1697. 3) Ein Schreiben an den Statthalter Fürstenberg vom 5. Juli 1697. Die beiden letzteren finden sich gedruckt bei Haake a. a. O. S. 59 Anm. 1 und S. 65 Anm. 3.

2) Über Christian August von Sachsen-Zeitz (geb. 9. Okt. 1666, † 23. Aug. 1725) vergleiche Theiner a. a. O. S. 93-99.

3) Zur Bekehrung des Prinzen vgl. ausser Theiner und den bei ihm gedruckten Akten folgende Schreiben aus dem Vatikanischen Archiv: Plettenberg an den Kardinalstaatssekretär Ottoboni Erfurt 10. April 1690 und 24. September 1690 (Lettere de' Principi 120 eigh.). Christian August an Plettenberg Bamberg 16. Dezember 1690 und das Schreiben an den Papst vom selben Tage (Principi 112 eigh.). Da Via an Spada Köln 30. März (dechiffr. 17. April) 1692. Köln 20. April 1692. Köln 19. August 1692 (Col. 71 Lettere)

Ausbreitung des katholischen Glaubens in den Gebieten seines Hauses leben könne», eine Phrase, die auf die Kurie eine faszinierende Wirkung ausüben musste, zumal da sie von einem Prinzen ausgesprochen wurde, der mit den Häusern von Kursachsen und Brandenburg-Preussen verwandt war 1). Da Via vor allem ist es gewesen, der die Bedeutung dieses Prinzen für die Kirche erkannt hat und in seinen Schreiben bei der Kurie stets für ihn eingetreten ist.

So erhielt dieser viele Kanonikate und wurde bereits im Januar 1696 durch kaiserliche Nomination Bischof von Raab. Er hatte noch nicht das kanonische Alter erreicht, aber er scheute sich nicht, um in den Besitz des Bistums zu gelangen, eine Unwahrhaftigkeit zu begehen, und er gab sich der Kurie gegenüber den Anschein, 30 Jahre alt zu sein 2). Man sieht, er hatte in seinem Handeln selbst dem Papste gegenüber wenig Gewissens bedenken, wenn es seinen eigenen Vorteil galt.

Es liegt daher sehr nahe, anzunehmen, dass er mit seinem kurfürstlichen Vetter stillschweigend einen Handel abgeschlossen hat, von dem man hoffen konnte, dass er diesem die Krone, ihm selbst aber den Kardinalshut einbringen würde 3).

Christian August war der
Bereits im Jahre 1690, also
Prinz die Konversion seines

1) Theiner a. a. O. Urkundenbuch S. 41. Schwager einer Tochter des grossen Kurfürsten. noch vor seinem öffentlichen Übertritt, hatte der Bruders Moritz Wilhelm angeboten. In der Congregatio del S. Officio war am 5. Juli 1690 über die vom Herzog gestellten Bedingungen verhandelt worden. Die Kongregation gestand dem Herzog zwar den Fortbesitz der Kirchengüter, aber nicht den Genuss des Abendmahls sub utraque zu (Principi 120). Da Moritz Wilhelm in seinem Heiratsvertrage mit Maria Amalia, der Tochter des grossen Kurfürsten, ausgemacht hatte, dass die Söhne der Religion des Vaters folgen sollten, hätte der am 16. März 1690 geborene Prinz also katholisch werden können; er starb aber bereits am 15. Mai 1690. Plettenberg an Ottoboni Erfurt 10. April 1690 (Principi 120 eigh.).

2) Spada an Abbati, Internuntius in Wien, Rom 16. Juni 1696 (Germ. 43 Reg.): Quanto alla difficoltà, ch'ella accenna rincontrarsi di provare l'età precisa del detto signor principe, mentre esso offre dichiarare con giuramento e che oramai compisce l'anno trigesimo et all'aspetto e forse per altri indizii lo stimeranno trigenario alcuni de' testimonii da esaminarsi, deve credersi, che ciò possa ottenere luogo di prova. Hierauf stand die Kurie von einer weiteren Untersuchung ab, und der Papst sandte am 7. Juli das Bestätigungsbreve.

3) Sofort nachdem die Beziehungen zwischen August und dem Papste

Wenn es auch nicht möglich ist, dies bei der Heimlichkeit, mit der alles verhandelt wurde, aktenmässig im einzelnen darzulegen, so deutet doch folgendes auf ein Einverständnis des Kurfürsten und des Bischofs hin. Zunächst ist es sicher, dass sie miteinander ausgemacht haben, den Übertritt vorläufig geheim zu halten.

Plötzlich am Abend des 2. Juni bekam der Bischof einen Fieberanfall und wurde erst wieder gesund, als der Kurfürst König geworden war. Gegen die Wirklichkeit seines Unfalls würden keine Zweifel entstehen, wenn nicht folgende Tatsache auffällig wäre. Dem Nuntius wurde erzählt, dass dem Bischof das heilige Viaticum gereicht worden sei, und dass seine Gottergebenheit nicht nur auf Katholiken, sondern auch auf Protestanten eine erbauliche Wirkung ausgeübt habe. Man ist nun einigermassen erstaunt, wenn man nach dieser feierlichen religiösen Handlung hinterher die Krankheit des Bischofs erfährt und hört, dass er sich nichts weiter als die Windpocken (morviglioni) zugezogen hatte 1).

Wie es scheint, wollte er sich vorläufig vor allen unbequemen Anfragen über die Konversion des Kurfürsten sicher stellen, die er ja bis zur Wahl aus Rücksicht auf die polnischen Anhänger des Kurfürsten nicht hätte ableugnen dürfen. Auch die Tatsache, dass der Bischof dem Kurfürsten das Attest vom 2. Juni ohne Datum und Gegenzeichnung wenigstens

hergestellt waren, hat der König den Papst gebeten, Raab den Purpur zu verleihen (Theiner a. a. O. Urkunde 60 Seite 64).. Siehe auch die Narratio conversionis (Theiner S. 108) und die Bemerkung, die ich weiter unten über sie gemacht habe. Auch später hat der König noch öfters denselben Antrag an die Kurie gestellt, aber erst am 12. Mai 1706 wurde der Bischof Kardinal. Vgl. das interessante Schreiben Christian Augusts an Clemens XI. aus Bonn 15. November 1705 in Clementis XI Miscell. 170 (Orig.).

1) Vgl. Santa Croce an Spada Wien 15. Juni, Wien 22. Juni, Wien 29. Juni 1697 (Germ. 234). In dem letzten Schreiben berichtet Santa Croce, am 28. habe ihm Raab sagen lassen, er solle zu ihm kommen, da er ihn eine wichtige Sache mitzuteilen habe. Der Nuntius konnte aber den Bischof aus Rücksicht auf den kaiserlichen Hof wegen der Ansteckungsgefahr nicht besuchen. In einem anderen Schreiben vom 29. Juni teilt Santa Croce Spada bereits mit, wenn die Dinge in Polen sich nicht änderten, würde Sachsen gewählt werden (Aktenbeilage 7). Santa Croce sprach Raab erst am 12. Juli (Aktenbeilage 8). Vgl. auch die Schreiben Spadas an Santa Croce vom 22. Juni, 29. Juni, 13. Juli 1697 (Germ. 43 Reg.).

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