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machus und Michael die Rede ist 1), so erkennt man schon ohne Mühe Konstantin IX. und Michael V., die gemeinsam im Jahre 1042 regierten. Welcher Fälscher hätte den glücklichen Griff getan? Wenn der Chronist ferner Calabrien und Lucanien mit Reggio von Basilicata mit Tarent scheidet 2), so liegt dem deutlich die byzantinische Themeneinteilung zu Grunde : es sind die Themen Calabrien und Westlangobardien mit ihren Hauptstädten 3), die ganz richtig unterschieden sind. Ausgezeichnet ist der Verfasser sodann über die alte Kirchengeschichte seiner Heimat unterrichtet. Er zählt die calabrischen Bistümer auf, welche der Arabernot zum Opfer fielen, und berichtet von Translationen einzelner Sitze, offenbar auf Grund guter alter Nachrichten. Hier bietet er auch in Einzelheiten durchaus glaubwürdige und neue Aufschlüsse 4); die Kirchenhistoriker Süditaliens sollten nicht, wie bisher, achtlos an ihm vorübergehen.

Was will es daneben bedeuten, dass unmögliche Namen griechischer Strategen, wie Gorgolanus 5) und Flagitius, vorkommen? Man muss sich bescheiden, dass ein Mittel, hier emendierend einzugreifen, vollkommen fehlt, weil bei der dürftigen Überlieferung die Namen byzantinischer Unterbefehlshaber, um die es sich vermutlich handelt, nicht auf uns gekommen sind. Aber man sollte nicht das « billige Geschrei erheben », um mit dem Chronisten selbst zu reden, diese Namen seien Ausgeburten der Phantasie eines Fälschers.

So lassen wir denn den letzten Argwohn fallen und vertrauen uns der Führung des Chronisten an. Das scheinbar Phantastische erklärt sich durch den zeitlichen Abstand von den geschilderten Ereignissen, in den Grundzügen aber darf man

1) Chron. c. 8.

2) Ibid. c. 5-6.

3) Vgl. Gay 1. c. S. 169 ff. Der andere Strateg von Langobardien hatte seinen Sitz in Bari. Es liegt ausserhalb des Gesichtskreises unserer Chronik. *) Chron. c. 4, 8, 13 u. a.

5) Ibid. c. 6, 9 ff. Gorgulanus steht im Text, nicht Iordanus, wie Ughelli druckte; Batiffol 1. c. S. 242 deutete das auf Jordan von Capua und sah darin eine neue chronologische Ungeheuerlichkeit. Es war neben der Vereinigung Gregors I. und Grimoalds von Benevent als Zeitgenossen, die sich in der zweiten Interpolation findet (s. oben S. 8), die schlimmste, die er zu nennen wusste.

war.

sich an ihn halten. Denn bedürfte es noch eines weiteren Beweises für die Echtheit, so liegt er in der inneren Glaubwürdigkeit der ganzen Erzählung. Wie man sich etwa nach den dürftigen Andeutungen der Quellen die Schicksale eines süditalienischen Bistums unter der Griechenherrschaft und während des Übergangs zur römischen Obödienz vorstellen könnte, so spielen sie sich hier in dem Bistum Tres Tabernae ab, und durch wertvolle kleine Züge erhält man Einblicke in eine Periode der historischen Entwicklung, die bisher fast unbekannt Denn die Chronik von Tres Tabernae ist einzig in ihrer Art, und so beschränkt ihr Gesichtskreis ist, ihre Erzählung ist von geradezu paradigmatischem Wert: die Schicksale dieses Bistums zeigen, welchen Gang die Dinge bei analogen Verhältnissen in ganz Süditalien damals in ähnlicher Weise nahmen. Die Sarazenennot des 9. und 10. Jahrhunderts stellte zwei Völker, Langobarden und Griechen, vor die Aufgabe, in den bedrohten Gebieten die christliche Herrschaft zu schützen; wenn man aber liest, was von dem Langobardenzug und von den byzantinischen Unternehmungen in der Chronik berichtet wird, so begreift man, weswegen in dieser älteren Zeit, wie bekannt, die Griechen durchaus das Übergewicht in Süditalien behielten. Als der Sturm der Araberhorden vorbeigebraust ist, kommen die nördlichen Nachbarn. Sie finden das Land verwüstet, die Bevölkerung aus den offenen Seestädten, wo ihr blühender Handel vernichtet ist, ins Gebirge geflohen; aber sie begnügen sich mit einem Siegeszug durch Gebiete, die ihnen keinen Widerstand entgegensetzen; dann kehren sie befriedigt in ihre Grenzen zurück 1). Sie sind keine Kolonisatoren.

Ganz anders die Byzantiner. Es erscheint ein wohlgerüstetes griechisches Heer in Calabrien und wird von der stammverwandten Bevölkerung mit Freude begrüsst 2). Als äusseres Zeichen der Unterwerfung wird sofort ein Tribut eingefordert, dann aber beginnt erst der wichtigere Teil der Arbeit. Ein kaiserlicher Erlass befiehlt Wiederaufbau der zerstörten Städte,

1) Princeps cum suo exercitu totam Calabriam et Lucaniae provinciam secure perlustrans et facillime subiugans Beneventum reversus est. Chron. c. 5.

2) Enimvero quia Graeci erant et dominium Graecorum non modice desiderabant. Ibid. c. 6.

nicht am Meer, sondern in gesicherter Lage, und neue Grenzregulierungen. Mit Hilfe des Strategen erlangen so die Leute von Tres Tabernae ihr Gebiet, das die mächtige Nachbarin Squillace an sich gerissen hatte, zurück; auch ein neuer Bischof wird ihnen bestellt, ein Grieche aus Konstantinopel. Das gleiche geschieht mit den anderen Bistümern. Der Chronist hat noch die Urkunden gesehen 1), uns ist nichts geblieben, als die offiziellen Bistümerverzeichnisse des byzantinischen Reichs, aus denen man die Reorganisation der süditalienischen Kirche in jener Zeit ersehen kann 2), und ganz vereinzelte Urkunden ähnlichen Inhalts aus etwas späterer Zeit. Kein Grund also, die Angaben unseres Gewährsmanns anzuzweifeln.

Mit dem Wiederaufbau zerstörter Städte gingen Neugründungen Hand in Hand. Berühmt ist die Errichtung der festen Stadt Troja durch den Katapan Boioannes zu Beginn des 11. Jahrhunderts). Eine solche Städtegründung etwa aus der gleichen Zeit schildert nun die Chronik von Tres Tabernae mit grosser Ausführlichkeit 4) und interessanten Einzelheiten. Der Strateg kommt beim Kaiser um die Erlaubnis ein, denn auf eigene Faust wagt er so etwas nicht zu unternehmen 5), man kennt das Misstrauen der byzantinischen Kaiser gegen selbständige Regungen ihrer Feldherrn, den schnöden Undank, mit dem sie manchem verdienten Manne lohnten 6), er stellt drei Örtlichkeiten zur allerhöchsten Wahl, reicht auch ein Verzeichnis des mutmasslichen Handelsumsatzes und eine Veranschlagung über die natürlichen Reichtumsquellen 7) ein. Der Kaiser wählt Catanzaro aus, und dahin zieht der Strateg dann die Bevöl

1) Privilegia nanque graeca ab illis diebus per divisionem Trium Tabernarum ecclesiae et Squillacii per excellentis memoriae Gaufridum illustrem Catacensem comitem undique coadunata apud Catanzarium nemo dubitet esse servata. Ibid. c. 7.

2) Vgl. Parthey Hierocles Synecdemus et notitiae Graecorum episcopatuum (Leipzig 1866) und dazu J. Gay 1. c. S. 184 ff., 350 ff.

3) Vgl. Gay 1. c. S. 414 ff.

) Chron. c. 9-10.

3) Sed hoc sine imperatoris praecepto ausus facere non fuit. L. c. c. 9. 6) Am bekanntesten ist das Schicksal des Maniakes, vgl. Gay 1. c. S. 450 ff. 7) Miserat autem imperatori per scriptum et depictum in pergameno nomina introitus et exitus locorum istorum et fertilitatem aquarum et nemorum. L. c. c. 9.

Der

kerung aus den umliegenden kleinen Orten zusammen. Name der neuen Stadt wird auf kaiserlichen Befehl verkündet und durch den Bau einer Kirche, sowie eines Regierungs- und Gerichtsgebäudes der Neugründung die letzte Weihe gegeben 1).

Dann kommen die Zeiten der normannischen Eroberung 2). Verrat liefert, wie in zahlreichen bekannten Fällen 3), so auch hier, einem der nordischen Abenteurer die Stadt Tres Tabernae in die Hände, bis ein grösserer, Robert Guiscard, über ihn kommt und ihm seinen Raub abjagt. Die Geschichte dieses Fürsten zu erzählen, unterlässt der Chronist: sie ist seinen Lesern durchaus vertraut 4). Durch Belehnung kommt Tres Tabernae an die Familie Loritello 5), und der Bischof von Tres Tabernae vertauscht seinen Sitz mit einem volkreicheren und fruchtbarer gelegenen. Allmählich gewöhnt man sich daran das Bistum nach dem neuen Sitz zu benennen "); wie viele Fälle einer solchen geräuschlosen Translation, ohne dass man den genauen Zeitpunkt bestimmen könnte, gibt es gerade in der süditalischen Kirchengeschichte! Schon beginnen die latinisierenden Einflüsse sich geltend zu machen, das Nachbarbistum Nicastro erhält unter normannischer Herrschaft einen lateinischen Hirten 7).

Mit dem Tode des Oberlehnsherrn Radulf Loritello bricht dann das allbekannte Elend des Adelsregiments über die Gegend

1) Diese Gründungsgeschichte von Catanzaro erschien Lenormant La Grande Grèce II S. 275, obwohl er die Chronik von Tres Tabernae verwarf (1. c. S. 278), glaubhaft auf die Autorität von Amato hin. Dieser hat aber in seinen Memorie storiche sull'ill.ma città di Catanzaro (Napoli 1670) S. 3 ff. lediglich den Inhalt unserer Chronik wiedergegeben. Nur um die ersten Anfänge hatte die geschäftige Sage inzwischen neue Schleier gewoben: bei Amato kommt die Anregung zur Gründung von Catanzaro von zwei Edlen « Cattaro > und «Zaro», welche die Erlaubnis in Byzanz erwirken!

2) Chron. c 11 ff.

3) Man denke an Rogers erstes Eingreifen in Sizilien im Jahre 1060. 4) Qualiter sibi Calabriam subiugaverit, quia omnibus est manifestum, recitare non est necessarium. L. c. c. 11.

5) Chron. c. 14.

*) Qua de causa ad libitum accolarum quamplurium Simianum episcopium nominabant, ibi enim idem episcopus libros Tabernae ecclesiae, omnem apparatum ecclesiasticum nec non et privilegia coadunaverat.

Ibid.

7) Domina vero Acreburga neptis Roberti Guiscardi constituit in episcopio latinum Neocastri episcopum nomine Riccardum. Ibid.

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herein). Die kleinen Barone hausen im Lande und verschleudern das Kirchengut. Einer verschachert schliesslich das ganze Bistum samt den urkundlichen Besitztiteln an die frohlockende Nebenbuhlerin Squillace, nach echter Barbarenart « für einen Mäuler, ein seidenes Gewand, einen goldnen Ring und einen silbernen Humpen » 2).

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Der Retter erscheint in dem herangewachsenen Sohn des Loritello, Gottfried, dem eine tapfere Mutter den Erbanspruch mannhaft gegen die Habgier seines Oheims verteidigt hatte, auch sie eine jener heldenhaften Frauen, deren die Not der Zeit unter dem jugendkräftigen Normannenvolk so manche erstehen liess 3). Graf Gottfried tut im Kleinen, was die zu fürstlicher Stellung emporgestiegenen Volksgenossen, Richard von Capua, Robert Guiscard, Roger von Sizilien, im Grossen taten: er sucht den Anschluss an die Kurie, und der Boden dazu war längst bereitet «Ist es an der Zeit », fragt er seine versammelten Barone, «dass wir, allesamt Diözesanen lateinischen Stammes, uns einen Griechen zum Bischof fordern 4)»? Mit allgemeiner Zustimmung sendet er Botschaft an Papst Gelasius nach Frankreich.

Calixt II., der eben zum Papst erhoben ist, als die Boten eintreffen, sendet Kardinal Desiderius von S. Prassede, um zu untersuchen, ob das Bistum Tres Tabernae über soviel Besitz verfüge, dass ein lateinischer Bischof standesgemäss davon leben könne, - man weiss, dass an dem negativen Resultat einer gleichen Untersuchung unter Urban II. die Neuaufrichtung des Bistums Lipari im Jahre 1099 scheiterte 5). Hier in Tres Tabernae läuft die Prüfung besser ab: Kaplan Johannes von Catanzaro wird zum Bischof erwählt und erhält die päpstliche Bestätigung ).

Aber ein Ortswechsel scheint sich trotzdem empfohlen zu

1 Chron. c. 16 ff.

2) L. c. c. 16.

3) Man denke an Sichelgaita, Robert Guiscards Witwe, und Adelasia, die Mutter Rogers II.

*) Chron. c. 18.

5) Quix tamen episcopi dignitatem nunc ipsius loci exiguitas et accolarum

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