wirken suchten, und mit guten Ratschlägen des päpstlichen Maestro di camera Bianchetti 1) (auch Gregor und Toledo werden persönlich ihre Anschauungen geäussert haben) verliess Capilupi vermutlich am 2. bald nach Mittag die ewige Stadt. Erst nach seiner Abreise fand Como Zeit, auch den Nuntius in Neapel, Sauli, von Ernsts Verschwinden zu benachrichtigen. Wohl gleichzeitig mit ihm bat auch der spanische Gesandte, auf Wunsch Gregors und auf Drängen des Gesandten Fabricius, in Neapel den Vizekönig und Don Juan d'Austria und in Gaeta den seit Mitte Juli dort weilenden Kardinal Granvella, nach dem Verlorenen Umschau halten zu wollen. Capilupi kam über Velletri, wohin ihn ein Pifferaro geleitete, ein richtiger Pfadfinder, nach einem Nachtritt am 3. August nach Sermoneta. Als er in Schweiss gebadet früh Morgens um 8 Uhr oben in dem Bergnest und in der Burg des Kardinals Nicolò Gaetani anlangte, erfuhr er wohl von diesem, dass Ernst und Baldi in der Nähe, in Cisterna von ihm gesprochen. worden seien, dass Beide sich aber schon weiter südwärts gewandt hätten 2). Das Gesuch des aller Mittel entblössten Prinzen, ihm für seine Weiterreise eine grössere Geldsumme vorzuschiessen, hatte der Kirchenfürst in seiner Gutmütigkeit nicht abschlagen mögen. Wenn Capilupi den Flüchtling, dessen Ziel Neapel zu sein schien, erreichen wollte, so war Eile nötig. Schon um 3 Uhr Nachmittags, noch in brennender Sonnenhitze, setzte er daher der alten Via Appia folgend in grösster Hast, indem er unterwegs, um sich vor Erkältung zu schützen, auf jeder Post das Hemd wechselte, seine Reise fort. Staunend sah man in den Orten, durch die er kam, dem bei solcher Temperatur galoppierenden Reiter nach. Abends um 10 Uhr war er in Fondi. Am 4. August Morgens trieb es ihn weiter 1) Der Ruolo di famiglia Gregors XIII., mit dessen Hülfe sich Näheres über Bianchetti sagen liesse. fehlt leider. 2) Der Kardinal und Ernst hatten sich offenbar in Cisterna, nicht in Sermoneta gesprochen. Am 3. August schrieb der Mantuanische Agent in Rom, Luigi Rogna, seinem Herzog (Mantua Archiv Gonzaga Esterni Nr. 25 Nr. 3 Busta 914): Si sapeva (von Fabricius und Portia), che 'l detto principe era fuggito, ma non dove. Il signor cardinale di Sermoneta è stato quello, che intendendo da uno de suoi servitori che questo principe passava per la Cisterna et non voleva essere veduto ha preso sospetto et n'ha dato aviso a S. Bne. nach Sessa. Ob er ahnte oder wusste, dass der Prinz dort Zuflucht gesucht hatte? Der Bischof jener kleinen Stadt, Giovanni Placidi, war der Oheim von Ernsts jungem Freunde. Als die Beiden sich ihm unvermutet am 2. Nachmittags oder am 3. Morgens in bestäubtem Wams und mit schlecht gesattelten Pferden vorstellten (mindestens bis Sermoneta waren sie ohne Sattel, ohne Beinschienen und Sporen gewesen), hofften sie wohl, mit seiner Unterstützung weiter nach Neapel vordringen zu können. Diesen Plan, dessen Ausführung in der Alles versengenden Sonnenglut den Prinzen dem sicheren Tode hätte entgegenführen können, mag der Prälat ihnen unschwer ausgeredet haben 1). Sein Zuspruch bewirkte, dass der überreizte Ernst sich beruhigte und zu seiner Stärkung vier Meilen von Sessa in einem hoch gelegenen, einem benachbarten Abt gehörigen Casale Quartier nahm. Für würdige Ausstattung der Gemächer mit Teppichen trug er Sorge 2). Anderthalb Tage später, am 4. August Nachmittags um 4 Uhr traf Capilupi in Sessa ein. Nach einer Aussprache mit dem Bischof kam man überein, dass Camillo den Prinzen erst durch den Senesen auf seinen Besuch vorbereiten lassen und erst am anderen Tage selbst nachfolgen solle. Ernst sah den zeitig Aufgebrochenen heraufkommen und erklärte nachher, vor jedem Anderen wäre er geflohen bis an das Ende der Welt. Capilupi durfte also mit seiner Aufnahme beim Prinzen, den er ohne Diener, in kurzem Wams und bezeichnender Weise auch ohne Geld vorfand, zufrieden sein. Aber auch Ernst fiel wohl eine Last von der Brust, als er anstatt scharfer Worte von Seiten des Papstes, dessen Mitteilungen er zitternd und erregt aus Capilupis Munde entgegensah, nur von dem Bedauern des Papstes hörte und die freundliche Aufforderung zur Rückkehr nach Rom vernahm. Rückhaltlos machte er nun seinem Herzen und seinem Unmut über seine zwei Gouverneure Luft, die ihn durch ihre 1) Über den Bischof schrieb Capilupi am 7. August an Como: Questo monsignor vescovo di Sessa non gli (Ernst) manca di cosa alcuna et colla prudenza et destrezza sua è stato la salute di questo prencipe, come più largamente dirò poi a bocca a V. S. 2) Vgl. hierzu S. 363 Anm. 1. Ehrsucht und durch das Aufbauschen kleiner Vergehen bei seinen Eltern verdächtigt und durch ihr Gebahren zur Flucht getrieben hätten. Je länger er sprach, desto mehr wuchs offenbar sein Mut, und somit verlangte er jetzt als Vorbedingung für seinen Aufbruch nach Rom Entfernung jener Beiden, die sonst, wenn er sich gut mache, alles Verdienst auch in Zukunft nur sich zuschreiben, alles Böse aber ihm Schuld geben würden, und ferner eigene Verwaltung seiner Einkünfte und seines Haushalts. Capilupi schrieb hierüber von Sessa aus, wohin er am 5. Abends allein zurückgekehrt war, am 6. auf Wunsch des Prinzen direkt an Gregor; Ernsts Verlangen, dass Fabricius ihm Geld und 10 Leute aus seinem Hofstaat zur Verfügung stelle, unterbreitete er nicht dem Gesandten, sondern wohl Pater Toledo. Zur Unterzeichnung seiner Briefe kam er erst am 7. August. Sie mussten, da eine Staffette ohne Erlaubnis des Vizekönigs nicht zur Verfügung stand und da Sessa keine Post und keinen Kurier hatte 1), bis Sermoneta einem Boten anvertraut werden. Dieser sollte dort den Kardinal von Allem in Kenntnis setzen. Während der junge Herzog, der Capilupi bei richtiger Behandlung das Beste zu versprechen schien, ruhig im Casale blieb, war der Kämmerer die nächsten Tage bald dort, bald in Sessa. Beide waren aber bereit, in vier oder sechs Tagen der Aufforderung Granvellas, die heisse Zeit über nach Gaeta zu kommen (er mag von ihrer Ankunft durch Bischof Placidi gehört haben), Folge zu leisten. Mittlerweile wartete man in Rom mit Schmerzen auf Nachrichten über den Verbleib des Prinzen. Gross muss auch die Unruhe der beiden Gouverneure gewesen sein. Sie wuschen aber ihre Hände in Unschuld und hatten schon am 2. August gegen den ausdrücklichen Wunsch des Papstes dem Herzog Albrecht unter Ausfällen gegen Pater Toledo mit der belgischen Post von dem Ausflug seines Sohnes berichtet. Sie vermuteten ihn anfangs in Tivoli. Bis zum 5. August wusste man nur, sicher ') Ain 18. August schrieb Capilupi seinem Oheim: non potei espedire staffetta (von Sessa aus), perchè vi è ordine che senza licenza del vicerè non si espediscon staffette per queste poste. non hebbi corriere da mandar, perchè Sessa non ha posta nè ha simili huomini. onde mandai uno a piedi a posta fin a Sermoneta con ordine che espedisse staffetta o corriere. lich auf Grund von Zeilen Capilupis aus Velletri und Dank der Mitteilung des Kardinals Gaetani aus Sermoneta, dass Ernst über Velletri und Cisterna gegangen sei und trotz der grossen Hitze und ungeachtet der in jenen Landstrichen hausenden Malaria nach Neapel zu ziehen gedenke. Von Neapel als Reiseziel des jungen Prinzen schrieb nun am 6., dem Posttage, Fabricius sofort dem Herzog, doch sprach er, mit Rücksicht auf den Papst, der ihm ja gleichsam Stillschweigen auferlegt hatte, nur von einer plötzlichen Abreise aus Sehnsucht nach jener Stadt. Mehr an die Tatsachen hielt sich am nämlichen Tage Kardinal Delfin, der gegen den ihm bekannten Befehl Gregors dem Kaiser Mitteilung zugehen liess. Der Papst selbst und Como hüllten sich in Erwartung positiver Meldungen nach wie vor in Schweigen. Gebrochen wurde es auch nicht, als wie schon am 6., so auch am 8. Zeilen des Nuntius aus Neapel anlangten. Denn dieser wusste rein gar nichts und folgerte daraus, dass der Flüchtige mit Capilupi nach Rom zurückgekehrt sei. Auch aus Gaeta und Umgegend lagen bis zum 8. August keine aufklärenden Meldungen vor. Solche brachte erst im Laufe des 9. der Bote Capilupis, den inzwischen der Oheim anscheinend schon gegen Vorwürfe in Schutz hatte nehmen müssen. Gegenüber der so entschiedenen Willenserklärung des jungen Fürsten war Gregor sofort der Meinung, dass man ihm Genugtuung geben und beim Vater die Entfernung der beiden Gouverneure durchsetzen, überhaupt eine seinem Alter entsprechendere Behandlung (er sei doch kein zehnjähriger Junge mehr) befürworten müsse. Es war daher ehrlich gemeint, wenn ihm Como am 10. August im Namen des Papstes erwiderte, dass er sich bei seiner Rückkehr in allen seinen Wünschen zufrieden gestellt sehen werde. Für baldige Übersiedelung des Prinzen nach Gaeta, wo ihm Capilupi, wenn er wolle, Gesellschaft leisten könne, war auch Gregor; er vermutete ihn am 10. schon dort. Granvella wurde ersucht, auf den Jüngling ein Auge zu haben. Schon vorher am 9. August war man Fabricius und Portia mit der Bitte gekommen, dass sie umgehend für würdige Ausstattung ihres jungen Herrn sorgen möchten. Im Laufe des Tages brachen daraufhin zwei von seinen Hofleuten mit der Post nach Sessa auf; die Anderen, nur drei (der Prinz hatte insgesamt auf zehn gerechnet), folgten mit Comos Briefen. am 10. zu Pferde. Bei den Zusicherungen an Ernst hatte die Kurie schon mit der Zustimmung Herzog Albrechts gerechnet. Um sie zu erlangen, sollte ihm der in Augsburg sich aufhaltende Nuntius Bartolomeo Portia umgehend, wenn irgend möglich in Person, unter Überreichung eines Breves, in welchem dem Vorfall jede tiefere Bedeutung abgesprochen wurde, die Sachlage auseinandersetzen. Er hatte dem Fürsten klar zu machen, dass bei der Stimmung seines Sohnes eine Instruktion an die Gouverneure zu milderem Auftreten kaum genügen, ihre Absetzung aber, die zugleich den Ruf des Sünders nach aussen hin wahre, diesen im übrigen mit sich reden lassen werde. Jede scharfe Ahndung der Ausschreitung hielt Gregor für bedenk-. lich, wenn er dem Wittelsbacher auch eine gehörige Züchtigung des jungen Senesen, der offenbar an Allem die meiste Schuld trage, in Aussicht stellen zu müssen glaubte. Wie der Papst, so suchten den Herzog am 10. August auch die Kardinäle Madruzzo und Commendone über das Geschehene zu beruhigen 1). Von dem Kurier, der durch grosse Eile allen mit letzter Post abgegangenen Nachrichten zuvorkommen sollte, machte auch Gerolamo Portia am 9. August, aber mit aller Vorsicht, Gebrauch, indem er nur Tatsächliches meldete. Erst am 10. erging er sich gegen den Herzog in geheimnisvollen Andeutungen, dass Toledo mit seinem Zögling eine gemeinsame Reise nach Spanien geplant habe und für diesen und für sich selbst den roten Hut erhoffe. Bemerkungen, die nur verwirrend wirken konnten, wenn auch ein Bericht über die letzten Ereignisse, aus der Feder Johann Schenkings, des dritten Gouver neurs), nach Bayern schon am 13. August abging, da Fabricius selbst sich in Schweigen hüllte. Auch er schrieb zwar am 13., doch äusserte er sich gegen den Herzog, dessen Ende Juli gefasster Beschluss den Prinzen zurückzurufen ihm 1) Madruzzo schrieb in diesem Sinne am 13. August auch dem Kaiser, vgl. N. B. III 5 S. 128 Z. 36 f. Eine Abschrift des nichts Neues beibrinLenden Briefes verdanke ich L. Cardauns. *) Wegen der in diesem Aufsatz genannten Persönlichkeiten verweise ich, wenn nichts besonderes zu erwähnen ist, ein für alle Mal auf Lossen und meine drei Bände der Nuntiaturberichte Portias. |