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überlieferten Urkunden 1). Ja mehr noch: die beiden Bullen für Tres Tabernae und Catanzaro haben sogar noch zur Zeit, als unsere späten Handschriften 2) entstanden, im Original vorgelegen! Die Schreiber haben nicht allein Rota und Benevalete getreu nachgezeichnet 3), ein untrügliches Zeichen, dass sie die Originale selbst vor sich hatten, ist die Reihenfolge der Subskriptionen in dem zweiten Privileg, dem für Catanzaro : der Papst und die Kardinalbischöfe sind an die Stelle hinter allen Erzbischöfen, Bischöfen und Äbten geraten. Das erklärt sich sehr einfach daraus, dass die Schreiber die bekannte dreireihige Anordnung der Unterschriften im Original missverstanden und mit der linken Kolumne statt mit der mittelsten, vornehmsten begannen. 4)

Wenn jedoch alle Urkunden Calixts II. echt sind, so gewinnt die Frage abermals ein neues Gesicht. Der Papst hat wirklich das Bistum Tres Tabernae kurz nach der Wiederaufrichtung

mentionné nulle part ailleurs », und dass Bischof Polychronius, der hier unterschreibt, ausserdem in einem griechischen Heiligenleben erwähnt wird, ist ein neues starkes Argument für die Echtheit. Dass einzelne Prälaten, wie Rainald von Mileto, hier zum ersten Mal auftreten, die sonst erst 1122 nachzuweisen sind, hängt mit der Seuche zusammen, die in jenen Tagen das päpstliche Heerlager heimsuchte und infolge zahlreicher Todesfälle mehrfache Neuernennungen nötig machte. Ich wies darauf bereits Roger II. S. 56 hin. Der Bischof von Tusculum heisst in der Handschrift nicht Aegidius, wie Ughelli druckt, sondern im erzählenden Text Dimitius, in der Unterschrift in JL. 6940 Climitius; man erkennt leicht darin den Kardinal Divizo, der nachweislich damals das Bistum Tusculum innehatte. Ebenso wird man Velardus oder Wernandus (statt Albertus) von Girgenti auf Rechnung der schlechten Überlieferung setzen müssen.

1) Sie diente übrigens als Vorlage für eine gefälschte Bulle Calixts II. für S. Trinità di Mileto, die in Kopie von 1420 im Collegio Greco zu Rom (vgl. P. Kehr Gött. Nachr. 1900 S. 137) erhalten und von Barrius De situ Calabriae S. 155 gedruckt, Jaffé aber entgangen ist. Es ist einfach für Nicastro und Catanzaro Mileto, für S. Maria S. Trinità, für episcopatus abbatia eingesetzt und so eine Schenkung von Tres Tabernae an S. Trinità fabriziert. Auch im Datum steht Mileti statt Catanzarii und statt Januar Juni.

2) S. Anhang I.

3) Die Rota in beiden Urkunden, das Benevalete nur in der ersten. S. Anhang I.

*) S. ibid.

in das benachbarte Catanzaro verlegt, ähnlich wie es vorher Urban II. bei Troina und Messina gemacht hatte 1).

Dann verdient aber auch die begleitende Erzählung der Chronik, zumal gegen das Ende hin die Vorgeschichte der päpstlichen Verfügungen, einige Beachtung. Batiffol hat wenig danach gefragt, woher die fabelhaften Nachrichten der Chronik stammten, wie sie überhaupt beschaffen seien; Fabre hat gleichfalls nach Ausscheidung der wertvollen Körner, der echten Urkunden Calixts II., die vermeintliche Spreu achtlos von sich geworfen; jetzt scheint eine nähere Untersuchung doch geboten. Die Frage lautet, ob die Chronik das ist, als was sie sich gibt, eine zeitgenössische Quelle des 12. Jahrhunderts, oder ob sie eine spätere Fälschung ist.

Sieht man genauer zu, so scheinen Batiffol und Fabre mit ihrer späten Ansetzung im 14. oder 15. Jahrhundert zunächst Recht behalten zu sollen: sie haben das einzige wirklich verdächtige Moment garnicht beachtet. Die Chronik enthält ausser den Urkunden Calixts II. noch zwei andere Papst briefe, den einen von Gelasius I. und den anderen von Gregor I. Der Gelasiusbrief steht aber, so wie er hier aufgeführt wird, im Dekret des Gratian 2)! Die Kaputüberschrift dort ist hier in ungeschickter Weise zum ersten Satz des Briefs gemacht 3), dieser Passus der Chronik ist also jedenfalls bedeutend jünger als die Urkunden Calixts II. Aber steht er mit dem übrigen in organischem Zusammenhang?

Der Gelasiusbrief betrifft die Einziehung des Bistums Squillace; ihm geht voraus die blutige Vorgeschichte der päpstlichen Verfügung, von einem Bischof, der sich am Weibe seines Archidiakons vergangen haben sollte und von dem beleidigten Gatten erschlagen wurde. Die ganze Erzählung ist jedoch eine völlig isoliert stehende Episode. Voraus geht ein Bericht von den Sarazeneneinfällen in Calabrien, nachher folgt die Erzählung von Grimoalds Eingreifen in diesen Gegenden, beginnend mit den Worten: Igitur post aliquantum temporis audiens haec Grimoaldus 4). Offenbar ist hier über die Squillace-Episode

1) Vgl. Roger II. Exkurs S. 619.

2) C. XXV qu. 2 c. 25 (ed. Friedberg I 1018).

3) Episcopalis dignitas civitati subtrahatur, quae suos praesules interemit. ') S. Anhang I, Chron. c. 5.

hinweg an das Frühere unmittelbar angeknüpft, die Erzählung ging ursprünglich ohne Unterbrechnug weiter: die Episode ist eine spätere Interpolation.

Auch mit dem Gregorbrief ist es nicht ganz richtig, aber die Sache liegt hier nicht so einfach, wie im ersten Fall. Das Beispiel des Gelasiusbriefs wird uns jedoch helfen, die Schwierigkeit zu überwinden. Der Gregorbrief wird in der Chronik eingeleitet durch die Erzähiung, Grimoald von Benevent sei nach der Unterwerfung Calabriens zu Papst Gregor nach Rom gegangen und habe ihm die gesamten calabrischen Kirchen unterstellt. Der Papst habe darauf eine Neuordnung vorgenommen und die verlassenen Bistümer den benachbarten Bischöfen überwiesen. Mit einem Hinweis auf Gregors I. Register folgt dann ein Brief des Papstes, durch den er das Bistum Tres Tabernae dem Bischof Johann (von Squillace) unterstellt. Damit sind also Gregor I. und Grimoald, die durch etwa 250 Jahre von einander getrennt sind, zu Zeitgenossen gemacht! Im Register selbst 1) ist, wie man sich überzeugen kann, das Bistum Johanns nicht genannt, und allgemein 2) nimmt man an, der Brief beziehe sich nicht auf das calabrische Tres Tabernae, sondern auf das gleichnamige Bistum in Latium, unter Johann sei der Bischof von Velletri zu verstehen. So deutete den Brief schon Johannes Diaconus in seiner Lebensbeschreibung Gregors des Grossen 3). Wie dem auch sein mag 4), so viel ist gewiss, dass jene unmittelbar vorausgehende Erzählung auf Grund des Briefes abgefasst ist. Die Frage ist nur, wann das geschah.

An sich könnte es nicht auffallen, dass man im 12. Jahrhundert, zur Zeit Calixts II., auch den alten Brief Gregors

1) Reg. lib. II ep. 48 (ed. MG. Epp. I 149).

2) Vgl. MG. 1. c.

3) Vita Gregorii M. lib. III c. 15.

4) Die Frage, welches Tres Tabernae gemeint war, lässt sich nicht mit Sicherheit entscheiden, denn auch der Bischof von Squillace hiess zur Zeit Gregors I. Johann (vgl. Reg. lib. II epp. 37. 39; lib. III ep. 32). Eine Hs. saec. XV ergänzt denn auch episcopo Squillacensi, aber wohl kaum auf Grund einer Kenntnis der Chronik von Tres Tabernae. Jeder sachliche Anhalt fehlt, denn die Erwähnung einer hostilis impietas zu Anfang des Briefs ist doch allzu farblos.

herangezogen, ihn benutzt hätte, um die Wiederaufrichtung des Bistums zu betreiben 1). Etwas Ähnliches geschah z. B. auch, als man unter Urban II. das Bistum Lipari erneuern wollte man berief sich auf das Gregorregister 2).

Aber dieser Annahme stehen wichtige Bedenken entgegen. In der Bulle für Lipari nimmt Urban ausdrücklich auf Gregors Register Bezug, eine solche Beziehung fehlt aber in Calixts Bulle, obwohl sie doch nahe gelegen hätte. Nur dass Tres Tabernae einst Bistum gewesen sei, ist dort gesagt 3). Ferner trägt der Brief Gregors den Vermerk In capitulo XXI, ist also ebenso wie der Gelasiusbrief anscheinend einer Kanonessammlung 4) entnommen, und wenn man nun auch vermuten könnte, das sei eine spätere in den Text geratene Randnotiz, so klingt die ganze Art, wie das Gregorregister herangezogen ist, weit mehr nach der Gelehrsamkeit späterer Zeit, als nach einer Quelle des 12. Jahrhunderts: Im Gregorregister, heisst es, wird der Leser nicht allein Calabriens und Lucaniens Kirchen, sondern des gesamten Erdkreises kirchliche Lage erläutert finden 5). Wir scheiden also auch den Gregorbrief samt Einleitung

1) Man könnte auch darauf verweisen, dass man in Squillace sich die auf das Bistum bezüglichen Briefe Gregors I. schon früh ausschrieb. Im Fonds des Staatsarchivs in Neapel, der das ehemalige Archiv von Squillace enthält, findet sich ein Pergamentstreifen mit Abschriften der Gregorbriefe JE. 1191, 1192, 1521 (vgl. P. Kehr Gött. Nachr. 1900 S. 211). Aber er gehört nach Kehr doch erst dem 13., nicht dem 12. Jahrhundert an.

2) Vgl. Urbans Bulle JL. 5448, in der er das Gesuch ablehnte: Licet in eadem insula episcopatum quondam fuisse in sanctae Gregorianae paginae registris agnoscamus etc.

3) O'im siquidem Trium Tabernarum ecclesia tanquam sedes propria proprium cognoscitur episcopum habuisse. Man hüte sich, etwa in der gleichen Betrachtung über die Ursache des Bistumsverfalls bei Calixt II. und in jenem Gregorbrief die Sünde der Menschen habe diese göttliche Strafe auf sich herabgezogen ein Anzeichen zu sehen, dass Calixt den Brief Gregors vor Augen gehabt habe. Dies peccatis exigentibus ist vielmehr eine für solche Fälle ganz typische Wendung, die häufig in den päpstlichen Urkunden und Briefen wiederkehrt.

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*) Welcher, vermag ich nicht zu sagen; in den mir bekannten hat der Brief andere Signaturen: Decr. Grat. C. XVI qu. 1 c. 49 (ed. Friedberg I 776), Coll. Anselm. V, 24, Polycarp. I. 9, Coll. Caesaraug. VII, 35.

5) Auch hier fährt der, wie ich meine, ursprüngliche Text nach der Interpolation, über diese hinweg an das Vorangegangene anknüpfend, fort: Pos aliquantum vero temporis mortuo praedicto Beneventano principe.

aus dem übrigen Text aus, denn er zeigt die nächste Verwandtschaft mit dem interpolierten Gelasiusbrief: in beiden Fällen wendet sich die einleitende Erzählung unmittelbar an den Leser und verweist auf den folgenden Urkundentext mit den Worten: Quod, si placet, audiatis 1), während die Bullen Calixts II. ohne jede persönliche Apostrophe eingefügt sind und sich auch sonst im ganzen übrigen Text nirgends eine ähnliche Anrede in der zweiten Person findet 2). Der Punkt, wo die zweite Interpolation beginnt, ist freilich nicht so deutlich zu erkennen wie im vorigen Fall, aber man wird nicht fehlgehen in der Annahme, dass die ganze Stelle, wo Papst Gregor eingeführt wird, als Vorbereitung zu dem Text des Briefs, später hineingesetzt ist, dass also auch die chronologische Verwirrung, die Gregor I. und Grimoald zu Zeitgenossen macht, dem Interpolator zur Last fällt 3).

Die Briefe Gelasius' I. und Gregors I. fallen als spätere Interpolationen für die Untersuchung fort. Sehen wir, wie der kräftige Aderlass dem Kranken, den die Ärzte schon aufgegeben hatten, bekommen ist.

Da durch die Urkunden Calixts II. sicher beglaubigt ist, dass Tres Tabernae zum Bistum erhoben und nach Catanzaro übertragen wurde, dass ferner hierüber ein Streit mit Squillace entbrannte 4), so fragen wir, um über die Entstehungszeit

1) S. Anhang I.

2) Dort findet sich vielmehr stets die indirekte Anrede: Rogo... lectores (praef.), si quis... reprehendere volue it (c. 7), qui... plenius scire voluerit (c. 10), u. a.

3) Eine andere Möglichkeit wäre, die Sätze: Et non post multum gubernandas commendavit noch zum echten Text zu rechnen. Dann wäre unter Gregorius papa etwa der vierte des Namens zu verstehen (827-44), der nahezu ein Zeitgenosse Grimoalds IV. († 817) war. Der Interpolator hätte dann mit dem Satz: Si quis autem lector studiosus begonnen und so den Brief aus Gregors I. Register eingeleitet, indem er den ersten mit dem vierten Gregor, der im Text gemeint war, verwechselte, wozu ihn d ́e grosse Ähnlichkeit der Situation verleiten konnte. Doch ist das eine unsichere Hypothese. Über den Zeitpunkt, wann die beiden Interpolationen eingeschoben wurden, lässt sich nichts sagen. Der Zweck ist klar: im ersten Fall fügte man eine Episode ein, die für das feindliche Bistum Squillace tief beschämend war, im zweiten Fall ein neues vermeintliches Beweisstück für das Alter des Bistums Tres Tabernae.

*) Diese Tatsache erhält obendrein eine überraschende Bestätigung von

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