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VORWORT.

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urch die hervorragende Stellung, welche Wien seit mehr als 700 Jahren unter den Städten im Osten Europa's ununterbrochen behauptet, wurde schon zur Zeit der Anfänge der neueren Historiographie die Aufmerksamkeit der Gelehrten auf die Quellen zur näheren Kenntniss seines politischen und religiösen Lebens, seiner Rechte und Freiheiten, seiner Handels- und Verkehrs-Verhältnisse, seiner Denkmäler, wie überhaupt seiner materiellen und geistigen Entwickelung gelenkt. Von der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts an bis auf unsere Tage förderte der Forschungstrieb der Geschichtsfreunde immer neue Quellen zu Tage, so dass heute, wenigstens quantitativ, ein reicher urkundlicher Stoff zur wissenschaftlichen Verwerthung vorliegt.

Ohne das Verdienst dieser Bestrebungen zu verkennen, so ist doch Thatsache, dass dieselben ihren Zweck nicht vollständig erreichten. Ein Theil der älteren Ausgaben der Wiener Geschichtsquellen enthält hie und da sinnstörende Textfehler. Wichtige Bestandtheile der letzteren wie die auf die Handels- und Zunftverhältnisse Bezug habenden Urkunden wurden bisher nur in Auszügen veröffentlicht. Beinahe überall unterliessen die Herausgeber die urkundliche oder handschriftliche Grundlage kritisch zu prüfen. Endlich liegen die meisten Quellen in zahlreichen Werken zerstreut und oft im Zusammenhange mit jenen der Reichs- und Landesgeschichte vor, wodurch die Gewinnung der zur Benützung nothwendigen Uebersicht sehr erschwert ist.

Am meisten wurde bei der Mehrzahl der bisherigen Ausgaben die Zugrundelegung eines bestimmten Planes vermisst. Es hatte dies den Nachtheil, dass minder wichtige Urkunden veröffentlicht und wichtigere noch nicht benützt wurden, wodurch es auch geschah, dass über kein Gebiet, keinen Zeitabschnitt der Geschichte Wiens der vorhandene urkundliche Stoff kritisch behandelt und erschöpft vorliegt.

Auf diese Erwägungen gestützt und im Vertrauen auf das bisherige warme Interesse der Gemeindevertretung an allen die Vergangenheit Wiens berührenden

Unternehmungen machte ich dem hohen Präsidium derselben in zwei Eingaben vom 20. November 1868 und 5. Jänner 1869 Vorschläge zu einer Verbesserung und Erweiterung der Wiener Geschichtsquellen und beantragte zunächst eine neue den heutigen wissenschaftlichen Anforderungen entsprechende Ausgabe jener Theile, welche auf die Entwickelung der Bürgergemeinde unmittelbar Bezug nehmen. Am 20. Februar 1874 genehmigte der Gemeinderath die von der BibliotheksCommission geprüften Vorschläge und übertrug mir die Herausgabe des Werkes. Bei Feststellung des Planes wurde allerdings der bei der Herausgabe der Geschichtsquellen anderer Städte beobachtete Vorgang ins Auge gefasst. Ein Codex diplomaticus Viennensis hätte aber, wenn in denselben auch nur die wichtigeren Urkunden aufgenommen worden wären, bei dem reichen, weitverzweigten geschichtlichen Leben unserer Stadt den Beginn der Herausgabe des Werkes in eine weite Ferne gerückt und die wünschenswerthe Besprechung einzelner wissenschaftlicher Fragen ausgeschlossen. Ausserdem wäre es nicht thunlich gewesen, Quellen, welche sich ihrer Form nach nicht zur Aufnahme in einen derartigen Codex eignen und doch, wie Auszüge der Stadtrechnungen u. s. w. von grossem localgeschichtlichen Werthe sind, zu berücksichtigen. Aus diesen Gründen erschien es mir in dem vorliegenden Falle zweckmässiger, den urkundlichen Theil der Quellen nach einzelnen Zweigen des geschichtlichen Lebens gesondert und von einleitenden Darstellungen begleitet, zu behandeln.

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Vorläufig ist die Herausgabe der Quellen für die folgenden vier Abtheilungen der Geschichte Wiens in Aussicht genommen: 1. Rechte und Freiheiten; 2. Handel und Verkehr; 3. Zunftsatzungen; 4. Innere städtische Verwaltung, von denen die Bearbeitung der Rechte und Freiheiten über Einladung des Gemeinderathes Herr Dr. J. A. Tomaschek, Professor der Rechte an der Wiener Universität, welcher hiezu durch seine bisherigen Studien über österreichische Stadtrechte besonders berufen ist, übernahm. In einem Anhange zu dieser Abtheilung, welche zwei Bände umfassen wird, folgt, von mir urkundlich bearbeitet, die Reihenfolge der Bürgermeister, Stadtrichter, Judenrichter u. s. w. und eine Besprechung des Stadtwappens.

Der Abdruck der Urkunden wird nach möglichst einheitlichen Grundsätzen erfolgen, und mit Rücksicht auf den Umstand, dass die überwiegende Zahl derselben dem XIV. und XV. Jahrhundert angehört, hiebei im Allgemeinen das von Weizsäker für die Edition von Urkunden in neuerer Zeit vorgeschlagene Verfahren massgebend sein.

Wien, im Februar 1877.

KARL WEISS.

DIE

RECHTE UND FREIHEITEN

DER

STADT WIEN.

BEARBEITET VON

DR. J. A. TOMASCHEK.

EINLEITUNG.

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