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ihr Vaterland wechselseitig zerfleischen, und höhnende Fremde zu ihren Gebiethern machen; wenn die einzelnen griechischen Staaten und die innern Parteyen derselben bey dem alten Erbfeinde Hülfe suchen, bald sich dem Kdnige von Macedonien, und endlich den Römern in die Arme werfen, nur um ihre Gegenpartey ein Paar Jahre früher untergehen zu sehen, so sinkt er in tiefe Betrach= tung. Er sieht nachdenkend zu Rom die Entzweyungen der Bürger und des Senates die Feinde oft bis an die Thore der Stadt hinführen, und hinwiederum durch den Krieg mit den Bundesgenossen, oder den eigentli= chen Bürgerkrieg, die bessern Kräfte des Staates erschöpft und die Keime der Bürgertugenden erstickt. Alcibiades, Catilina, Julius Cäsar, die durch planmäßige Verderb niß ihrer Zeitgenossen, besonders der Jugend, ihre unreinen Zwecke zu erreichen suchten, werden ihn vielleicht kleine Nachahmer entdecken lassen, und andere vermeis den lehren. Er wird neuere Perikles bemerken, die vielleicht nicht einmahl desselben Nahmen kannten; und Tacitus wird ihm einen Theil der jüngsten Zeitgeschichte vergegenwärtigen. Diese Meisterwerke und ihre mit treffenden Zügen entworfene Schilderung des Verfalles einst großer und geachteter Völker werden für ihn desto anziehender seyn, als eine zwar nicht neue aber doch neu aufgefrischte Philosophie die Begriffe von Vaterland, Vaterlandsliebe, republikanischen Tugenden, Bescheidenheit, Mäßigung, Sparsamkeit u. f. f. zu Traumbildern oder selbst zu Fehlern machen will, oder eine in cute curanda plus æquo operata juventus den Staat für den besten hält, wo sie ihre ungebundenen Neigungen mit der wenigsten Einschränkung befriedigen und auf anderer Kosten die Hülfsmittel sich am leichtesten verschaffen kann. - Die nun zu Grunde gegangenen italienischen Republi

ken, die einst so mächtigen Niederlande werden ihm zeigen, daß, wenn heut zu Tage eine Republik durch Zweh: tracht, Erschlaffung oder Egoismus die Achtung der Welt verloren hat, niemand sie wieder aufrichtet. Blickt dieser Freund geschichtlicher Belehrung auf das System derjenigen, die nur in einer ruhigen Knechtschaft Rettung vor den Stürmen eines beweglichen Freyheitsfinnes zu finden hoffen, so wird ihm die Geschichte zeigen, daß Tiberius, Caligula, Nero dieses Traumbild einer kaum je vorhandenen ruhigen Knechtschaft sehr bald fürchterlich zerstörten, daß schon lange vor ihnen kleinere Tyrannen in Griechenland und anderswo das Gleiche gethan haben, und daß jedes Thrannengeschlecht früher oder später zur Brücke wird, auf welcher andere Unterdrücker zur Eigenmacht sich erhebèn.

Oft enthalten auch wenig beachtete Theile der großen Völkergeschichte, oft diejenigen, welche der Geschmack des Zeitalters nicht mehr berücksichtigt, reichhaltige Stoffe allgemeiner Belehrung. Vielen scheint die Geschichte der israelitischen Könige gehaltlos; und doch ist kaum ein anderes Bruchstück der Geschichte älterer Monarchien so reich an tiefen philosophischen, politischen und theolo= gischen Belehrungen. Wie gleichgültig ist für Viele die Vermählung jüdischer Könige mit phdnicischen Königstöchtern. Aber welch ein reiches Feld tiefer psychologischer Betrachtung gewährt uns die gènauere Kenntniß der gleichzeitigen Verhältnisse, des Bildungs- und Religionszustandes jener Völker! Unwillkürlich führt uns die aus jenen Vermählungen hervorgegangene Einfüh rung eines sinnlichen Gößendienstes beym jüdischen Volke auf einen ähnlichen aus der Vereinigung einer lebhaften Phantasie mit regellosen Kunstgefühlen erzeugten bald gutmüthigen, bald schwärmerischen Hang vieler

unserer Zeitgenossen, welche uns oft unabsichtlich der Gefahr aussehen, reine Geistesreligion wieder an Sinnenglauben zu tauschen, und selbst in den der Gottesverehrung gewidmeten Stunden mit dunkeln Gefühlen zu schwelgen und zu tändeln, das heißt, einen Bilder= dienst an die Stelle der Verehrung Gottes zu sehen.

II.

Der Kampf Franz des Ersten und der Eidsgenossen um Mailand, und Entscheidung desselben durch die Schlacht von Marignano. 1515,

(Das folgende Bruchstück eines größern, einstweilen nicht zur öffentlichen Bekanntmachung bestimmten Werkes über die vaterländische Kriegsgeschichte ftellt einen entscheidenden Zeitpunkt derselben dar, Aus der Vereinigung forgfältiger Forschung in gedruckten und handschriftlichen Quellen mit vorzüglichen militärischen Kenntnissen und eigner Ansicht der Lokalitäten mußte eine Darstellung hervorgehen, die auch für den Laien in der Kriegswissenschaft höchft belehrend ist, und die wahren Ursachen jener Katastrophe anschaulich macht, welche so sehr dazu beytrug, die Gemüther für die große vier Jahre nachher beginnende Veränderung im Innern des Vaterlandes vorzubereiten. Bekanntlich hatte schon Ludwig XII sich gerüstet, um den Eidsgenossen das von ihnen im Jahr 1512 eroberte, dem Herzogę Maximilian Sforza übergebene und durch die glorreiche Schlacht bey Novarra (1513) hehauptete Herzogthum Mailand wieder zu entreisfen. Sein Tod verzögerte die Ausführung des Unternehmens. Wie dann aber Franz I begünstigt durch die eigne Schuld der Eidsge= noffen, dasselbe glücklich zu Stande brachte, erzählt der folgende Aufsatz ebenso ausführlich als getreu. Außer den bey einzelnen Stellen angeführten Quellen sind auch die neuern Geschichtschreiber, 3. B. Gluk, Sismondi, Darü u. f. w. überall verglichen. A. d. Red.)

Unmittelbar nach dem Tode Ludwigs des Zwölften *), sobald seine junge Gemahlinn erklärt hatte, daß sie keine Leibesfrucht unter ihrem Herzen trage, wurde Franz

*) Starb 1, Jan. 1515,

Herzog von Valois, Graf von Angouleme, aus dem Zweige Orleans, Eidam des Verstorbenen und erster Prinz des Geblütes, als König von Frankreich ausgerufen. Gut, feurig und schön war der ein und zwanzigjährige Monarch, (geb. 12. Sept. 1494), dem bey seiner Geburt keine Hoffnung geleuchtet hatte, je Frankreichs Krone zu tragen. In der Schule der Widerwärtigkeiten zum Herrscher erzogen erregte er große Erwartungen, wenn der in seinem Charakter vorherrschende Hang zu Pracht und Wollust nicht die Oberhand gewinne. Långst war er der Liebling der Soldaten, während er die eigne Unthätigkeit in einem Alter befeufzte, wo sein bey Ravenna gefallener Vetter, Gaston von Foir, schon die Palme der Unsterblichkeit errungen hatte. Eilende Bothen flogen an alle Höfe, in alle Lånder, um sowohl seine Thron= besteigung als seinen friedfertigen Sinn zu verkünden'; ungeachtet er bey seiner feyerlichen Krönung zu Rheims fogleich neben dem Titel eines Königs von Frankreich auch den eines Herzogs von Mailand und Asti annahm, und erklärte, solches nicht bloß auf die alten Ansprüche des Hauses Orleans, sondern hauptsächlich auf die beym Bunde zu Cambray von dem Kaiser ertheilte Investitur für diese Fürstenthümer zu begründen. Dennoch schienen die meisten Fürsten Italiens zu glauben, er werde' in den ersten Jahren seiner Regierung keinen Angriffs= krieg unternehmen, obgleich er eifrig an Kriegsrüstuns gen arbeitete.

Sobald Franz das Staatsruder ergriffen hatte, überfandte er den Eidsgenossen durch einen von zwey Edelleuten begleiteten Postbeamten ein Schreiben, worin er fie von dem vorgegangenen Regierungswechsel unterrichtete, feinen innigen Wunsch, die alten Bande, die wäh rend so vieler Jahre beyde Völker zu gegenseitigem Vor

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