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ser Pflicht werde ich also mit der größten Freymu thigkeit ihnen mein Urtheil dußern.

Allervorderst gestehe ich aufrichtig, daß im Ganzen betrachtet dieser Allianztractat ehrenvoller und in mehreren Rücksichten selbst günstiger ist, als wir denselben erwarten durften, wenn wir unser Schicksal mit dem einiger anderer der neuern Republiken vergleichen wol len. Der ausgezeichneteste Vortheil, den ich in dieser Rücksicht darin finde, ist der Umstand, daß wir kein fränkisches Truppenkorps in unserer Republik unterhalten müssen.

Allein, Bürger Repräsentanten, wenn wir nicht nur bey den kleinen Umständen stehen bleiben, sondern die Hauptgegenstände dieses vorgelegten Allianztractates untersuchen, so gestehe ich Ihnen eben so aufrichtig, daß ich denselben als dem eigentlichen Interesse Helvetiens gerade zuwiderlaufend ansehe. Die helvetische Republik foll mit der fränkischen Republik eine Offensiv - und Defensiv-Allianz schließen. Unser kleines, armes, ganz desorganisirtes Vaterland, welches, nur in einem fort= dauernden Frieden seine politische Selbstständigkeit, seine dkonomische Erhohlung und eine allmählig dauerhaft werdende neue Ordnung der Dinge hoffen darf, dieses unser Vaterland soll in ein Schuß- und Truß-Bündniß mit Frankreich treten, also an allen Landkriegen Antheil nehmen, welche diese mächtige, stolze, unternehmende Nation, diese Nation, welche Armeen durch Aegypten nach Ostindien sendet, anhebt! Mich schaudert vor die: sem Gedanken. Betrachten wir die Geschichte Europa's seit einigen Jahrhunderten, so treffen wir kaum einen zwanzigjährigen Zeitpunkt an, in welchem nicht die Menschheit an den wildesten und unsinnigsten Kriegen blutete, während unser glückliches Vaterland immer

des segensreichsten Friedens genoß. Und diese unsere ruhige Lage soll nun auf Ein Mahl umgeschaffen, und wir zu Theilnehmern an allen Kriegen Europens gemacht werden. Hiezu meine Stimme zu geben, läßt mir mein Gewissen und meine Vaterlandsliebe nicht zu. Aber mehr noch, B. R., wir sollen diesem Allianztractat zufolge auf unsere Kosten zwey militärische Heer: straßen errichten; eine durch das Wallis nach Cisalpinien; diese, ungeachtet sie über die höchste Gebirgskette der alten Welt gehen soll, und wahrscheinlich etwa zehen Millionen kosten wird, sehe ich nicht für bedenklich an, weil sie die französische Republik mit der cisalpinischen, zwischen denen wahrscheinlicher Weise kein Krieg entste= hen wird, verbinden soll. Aber die nördliche Militärstraße, welche längs dem linken Rheinufer an den Bo densee und in's Rheinthal hinaufführen soll, diese bes trachte ich als das größte Unglück Helvetiens. Denn, da keine dstreichische Armee an den Rhein, vordringen kann, ehe sie sich ihre linke Flanke, welche an unsere Rheingrenze stößt, gesichert hat, und welche vermittelst dieser Militärstraße von den Franken bey jedem Ausbruche eines Krieges beseßt seyn wird, so sehe ich, daß das nordöstliche Helvetien das Kriegstheater aller från: kisch dstreichischen Kriege seyn wird. B. R., ich will ihnen kein Gemählde des Unglücks und des Jammers folcher Gegenden machen, deren Lage sie vorzüglich zum Schauplah der Kriege bestimmt; ich überlasse jedem aus euch, sich selbst den Zustand der deutschen Rheingegen= den in jedem Kriege vorzustellen, und sich die Wahrscheinlichkeit hinzuzudenken, daß nun das nordöstliche Helvetien, also die Cantone Schaffhausen, Zürich, Thur: gau, Sentis und Linth in künftigen Kriegen, statt dem bisherigen ruhigen Frieden, den gleichen jammervollen

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Verwüstungen unterliegen werden.

Und zu diesem,
Ohne diese

B. R., fordert man unsere Beystimmung! Militärstraße bliebe uns wenigstens einige Hoffnung zur Wiedererringung unsers Neutralitätssystems übrig, weil sehr leicht der Fall eintreten könnte, daß wir durch Aufstellung einer bewaffneten Neutralität das Intereffe zeigen könnten, welches unsere Nachbarn eigentlich ha= ben, und in keinen Krieg hineinzuziehen; diese nördliche Militärstraße aber, durch die jeder Krieg Frankreichs gegen Oestreich von Helvetien aus angefangen werden wird, macht jede Hoffnung zu solch einem glücklichen Ereignisse verschwinden. Noch bleibt aber ein anderer Gesichtspunkt übrig, unter dem dieser Allianztractat sich als durchaus unvereinbar mit dem Wohlstand der helvetischen Nation zeigt. Wir sollen auf unsere Kosten diese Militär- Routen anlegen, und auf unsere Kosten den Genfersee durch Kandle mit dem Neuenburgersee verbinden! Fühlet ihr nicht, B. R., daß auch ohne Kriege diese Unternehmungen das Mark unsers armén Låndchens aufzehren werden? daß dadurch alle Mittel zur zweckmäßigen Organisation unsers Vaterlandes wegfallen, und daß besonders dadurch der süße Traum verschwindet, daß wir nun an der Veredlung unserer Nation durch Unterrichts- und Aufklärungŝanstalten arbeiten könnten? und wenn auch ein langer Zeitpunkt dez Friedens unsern Kräften wieder die wohlthätige Leitung auf Anstalten gestatten würde, die unserm Lande selbst vortheilhaft sind, so wird uns bald wieder irgend ein unserm Interesse fremder Krieg aller unserer Kräfte und zugleich unserer muthigsten Söhne berauben; so daß uns nirgends eine Hoffnung übrig bleibt, unser Vaterland je auf eine hohe Stufe der Cultur und des Wohlstan= des sich erheben zu sehen. Ich höre mir entgegenru

fen, aber unser jeßige Zustand von Ungewißheit wird sich verlängern, und unserm Vaterlande noch drückender gemacht werden, als er jegt ist, wenn wir diesen Allianztractat verwerfen." Ja, B. R., ich gestehe es selbst, daß ich voraussehe, daß unser Vaterland durch Nichtannahme dieses angebotenen Bündnisses seinen gegenwärtigen traurigen Zustand vielleicht um einige Jahre verlängern und selbst merklich verschlimmern wird. Allein augenblickliche Leiden sollen uns durchaus nicht bestimmen, dem Interesse künftiger Generationen zuwider, und selbst dem wahren Interesse der jegigen Gene: ration zuwider einen solchen Bund zu schließen. Wir follen die Nation als ein fortdauernd Ganzes ansehen, deffen wahres Interesse nie einer augenblicklichen Behag= lichkeit aufgeopfert werden soll. Ebenso weiß ich, daß man mir einwenden wird, Europa sey nun im Kampf der Grundsätze der Freyheit gegen den Despotismus, und unser eignes Interesse, das Interesse der Menschheit fordre uns auf, mit der Freyheit gegen den Despo= tismus den großen, erhabnen Kampf zu bestehen, und der großen Sache der Menschheit siegen zu helfen. Aber, B. R., ich scheue mich nicht, auch bey der größten Gefahr, deren ich weiß, daß ich mich außseße, Euch hier mit Freymüthigkeit zu erklären, daß ich in der Sache der Franken nicht mehr die Sache der Freyheit erblicke. Ich führe euch unter den vielen nur zwey Beyspiele an, die mich allein schon zu meinem Urtheil berechtigen würden. Warum steht denn die große Republik im Bunde mit dem Könige von Spanien, dem größten Despoten der Erde, und warum schloß sie um Geld den Frieden mit dem Herzog von Würtemberg gegen das nach Befreyung lechzende Schwaben, wenn sie nichts als Freyheit suchte? Auch ich ehre die Grund

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sage des Rechts und der Freyheit, aber deßwegen doch nicht die Politik der Franken-Republik, an die wir uns nun allein anschließen sollen! und also erkläre ich mich feyerlich, daß ich meine Stimme meinem Gewissen und Baterlandsliebe zufolge, zu diesem angebothenen Bunde mit Frankreich nicht geben kann, und also meiner Pflicht gemäß darauf antrage, denselben zu verwerfen.

V.

Beytrag zur Geschichte Römischer Diplomatik.

Es ist aus der vaterländischen Geschichte hinlänglich bekannt, welch' lebhaften Antheil der Römische Stuhl durch seinen Nunzius Carraccioli an dem einheimischen Kriege von 1712 und dessen Verfängerung genommen habe. Wie mißfällig Clemens XI. dann der geschlossene Friede gewesen und wie er denselben auf jede mögliche Weise zu hindern gesucht, geht aus der Sammlung seiner Breven an die katholischen Kantone, den Kaiser, König von Frankreich, die französischen und öftreichischen Bothschafter und andre diplomatische Personen (abgedruckt in d. Helv. Biblioth. VI. St. Zürich 1741. S. 124. ff.) sattsam hervor. Noch aber fehlt dieser Sammlung eines der wichtigsten Aktenstücke, die Bannbulle gegen den 1718 zwischen den Ständen Zürich und Bern und dem neuen Abt von St. Gallen Joseph von Rodolfi abgeschlossenen Frieden. Wir liefern hier, nebst dem keineswegs leichten Versuch einer Ueberseßung, dieses Meisterstück Römischer Diplomatik zu freyer und gerechter Würdigung.

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