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Zwischen denjenigen deutschen Territorien, welche sich auf dem Boden der alten Stammesherzogtümer entwickelten, und denen, welche aus den östlichen Marken erwuchsen, besteht ein tiefgehender Unterschied. Während jene durch die Ausbildung zahlreicher politischer Körper in steigendem Maße zersetzt wurden, blieben diese im großen und ganzen geschlossene Gebiete. Die Gewalt der Markgrafen, fester begründet und zusammengehalten als die der meisten anderen Würdenträger des Reiches, gab den im erblichen Besitz bleibenden Häusern eine Bedeutung, die nur wuchs, je mehr die alten Herzogtümer der Auflösung anheimfielen'1. Die drei Fürstentümer, welche beim Ausgang des Mittelalters die mächtigsten im Reiche waren, Kurbrandenburg, Kursachsen und Österreich, sind sämtlich aus Marken entstanden, aus der sächsischen Nordmark, der Mark Meißen und der bayrischen Ostmark. Zu dem ostdeutschen Markengürtel darf in gewissem Sinne auch Böhmen gerechnet werden: nicht nur, weil es die Lücke zwischen Meißen und Österreich schließt; es bildet auch, wie die übrigen Marken, ein festgeschlossenes Gebiet, der Herzog und später König von Böhmen ist Reichsfürst wie seine markgräflichen Nachbarn im Norden und Süden, und die Kultur Böhmens ist - wenigstens in den höheren Schichten - überwiegend deutsch.

Wohl kein Moment hat in stärkerem Maße das Gefüge der alten Stammesherzogtümer auseinandergetrieben, als die rechtliche und politische Emanzipation der großen geistlichen Stifter. Die von der weltlichen Gerichtsbarkeit befreiten Bistümer und großen Abteien wurden allmählich zu selbständigen Territorien; bei der Ausbildung des Reichsfürstenstandes treten die Bischöfe und Reichsäbte durchweg als gleichberechtigte

1 G. Waitz, deutsche Verfassungsgeschichte VII, 94.

Landesherren neben ihre weltlichen Kollegen, die Herzöge oder Markgrafen oder wie sie sonst hießen.

Wenn nun die östlichen Marken des Reiches stets geschlossene Gebiete geblieben sind, so liegt das ganz gewiß in erster Linie daran, daß die Bischöfe es hier niemals zu einer Bedeutung gebracht haben, die sich messen konnte mit der Macht ihrer in alten deutschen Gebieten residierenden Amtsbrüder. Von vorn herein waren sie nicht mit so ausgedehnten Privilegien bedacht worden, sie und ihr Kirchengut waren angewiesen auf den Markgrafen, dessen gutes Schwert ihnen oft genug Hilfe bringen mußte gegen die feindlichen Nachbarn. Hier stand also der Bischof dem weltlichen Fürsten nicht als ein an Macht ebenbürtiger Genosse gegenüber, er war vielmehr stark von ihm abhängig; was Wunder, wenn da die weltlichen Fürsten Ostdeutschlands auch bestrebt waren, die Bischöfe rechtlich in Abhängigkeit von sich zu bringen.

Die Reichsunmittelbarkeit der Bischöfe fand ihren Ausdruck darin, daß sie die Regalien vom Könige empfingen 1: deshalb strebten die ostdeutschen Fürsten danach, sich hier zwischen König und Bischof zu schieben; gelang es ihnen, durchzusetzen, daß der Bischof vom Markgrafen belehnt wurde, so war damit die tatsächliche Abhängigkeit der geistlichen Gewalt von der weltlichen auch rechtlich sanktioniert; denn nunmehr war der weltliche Herr Reichsfürst, der geistliche aber nicht.

Die ersten Erfolge auf diesem Gebiete errang Herzog Heinrich der Löwe. Als Markgraf der von ihm eroberten slavischen Gebiete beanspruchte er, daß die Bischöfe in diesen dem Deutschtum neugewonnenen Landstrichen nicht vom Reiche, sondern von ihm, dessen Kreaturen sie doch waren, belehnt

1 J. Ficker, Vom Reichsfürstenstande I, §. 201 ff.

2 L. Weiland, Das sächsische Herzogtum 157 ff.

3 Ich verweise auf die von Weiland, a. a. O. 158 angeführten, höchst charakteristischen Worte, welche Heinrich von Witha, ein Ministeriale Heinrichs des Löwen, an Bischof Vicelin von Aldenburg richtete, als sich dieser weigerte, die Regalien vom Herzog zu nehmen (1149): Facite quod vobis utile est, et appropinquate domno nostro et facite voluntatem eius, ut edificentur ecclesie in Sclavia et dirigatur cultus domus Dei in manibus vestris. Alioquin frustrabitur labor vester, eo quod nec cesar, nec archiepiscopus possit iuvare causam vestram, domno meo obnitente. Deus enim dedit ei universam terram hanc. (Helmoldi chronica Slavorum I, cap. 69.)

würden; und Kaiser Friedrich I. bestätigte im Jahre 1154 seinem welfischen Vetter dieses Recht1, welches derselbe übrigens schon 1150 tatsächlich ausgeübt hatte 2. Zwar wurden nach dem Sturze Heinrichs des Löwen die drei ihm untergebenen Bischöfe von Aldenburg (Lübeck), Mecklenburg (Schwerin) und Ratzeburg reichsunmittelbar3; aber zu größerer Bedeutung als Reichsfürsten haben sie es doch so wenig gebracht, daß 1252 König Wilhelm von Holland einen erneuten Versuch machen konnte, sie der Lehnshoheit des Herzogs von Sachsen zu unterstellena. In dem benachbarten Brandenburg5 spielten die Bischöfe von Havelberg und Brandenburg neben dem mächtigen Markgrafen ebenfalls von Anfang an eine recht untergeordnete Rolle. Ihre ganzen Sprengel fielen wenigstens ursprünglich in das Gebiet der Askanier; von dem Machtbereich derselben unterstand nur die Altmark kirchlichen Oberherren, die ihren Sitz außerhalb der Grenzen hatten, den Bischöfen von Halberstadt und Verden. Bezeichnend ist nun der allerdings mißglückte Versuch der Askanier, in Stendal einen bischöflichen Sitz mit der Altmark als Sprengel zu errichten, damit auch hier die Grenzen der Mark mit den Diözesangrenzen zusammenfielen. Den Bischöfen von Brandenburg und Havelberg hat zwar in der Stauferzeit kein Markgraf den reichsfürstlichen Titel streitig gemacht, aber später wurden sie allmählich zu landsässigen Bischöfen herabgedrückt; die Hohenzollern behandelten die märkischen Bischöfe von vorn herein als ihre Untertanen.

Durchaus analog vollzog sich die Entwicklung in Kursachsen: auch hier sehen die Wettiner im 16. Jahrhundert in

1 Stumpf 3692.

2 Bei der Investitur Vicelins; cf. Helmoldus, 1. c. I, cap. 70.

3 Weiland, a. a. O. 184.

4 Böhmer-Ficker-Winkelmann 11637. Übrigens hatten die drei Bischöfe auch zwischendurch in der Zeit von 1214 bis 1224 als Untertanen des Königs von Dänemark dem Reiche und damit dem Reichsfürstenstande nicht angehört.

5 Vergl. H. Hädicke, Die Reichsunmittelbarkeit und Landsässigkeit der Bistümer Brandenburg und Havelberg, Programm Schulpforta, 1882. 6 1188 Gründung einer Kollegiatkirche (Propst und 12 Domherren) in Stendal durch Graf Heinrich von Gardelegen, Bruder der Markgrafen Otto II. und Albrecht II. von Brandenburg; vergl. dazu Jaffé-Löwenfeld, Regesta pontificum 16436, 16437, 16448, und namentlich Riedel, Cod. dipl. Brandenburgensis A, 5 S. 1 f.

den Bischöfen von Merseburg, Meißen und Naumburg ihnen untergebene Landesbischöfe1, obwohl dieselben früher zweifellos reichsunmittelbar gewesen waren.

Früh schon und am gründlichsten gelang die Unterwerfung der Kirche unter den weltlichen Herrn in Böhmen. Bereits 1187 machte Herzog Friedrich den Versuch, sich als den Oberherrn des Prager Bischofs hinzustellen; diesmal freilich wurde dessen Reichsunmittelbarkeit noch ausdrücklich anerkannt2; aber schon 1197 bei einer Neuwahl in Prag setzte Herzog Wladislaus mit Gewalt seinen Anspruch durch; das Glück war den Böhmen günstig: in dem deutschen Thronstreit, welcher 1198 ausbrach, erwirkte der neue Herzog Ottokar Přemysl von den um seine Unterstützung werbenden deutschen Thronrivalen nicht nur eine Sanktionierung des Rechtsbruches, sondern er erhielt auch noch den königlichen Titel 4. So wurden der Bischof von Prag und mit ihm der von Olmütz Untertanen des Böhmenkönigs. Bald schweiften dessen Pläne noch weiter. König Ottokar I. hatte vor, der neuen Krone und der neuen Landeskirche dadurch größere Bedeutung zu verleihen, daß die Bistümer Prag und Olmütz aus dem Metropolitanverbande von Mainz ausscheiden sollten unter gleichzeitiger Erhebung von Prag zum Erzbistum 5. Dies Projekt gelangte damals zwar nicht zur Ausführung, zeigt aber doch, wie zielbewußt man in Böhmen danach strebte, die Kirche völlig der weltlichen Gewalt unterzuordnen.

Die Nachbarn und Rivalen der böhmischen Přemysliden waren die babenbergischen Herzöge von Österreich, auch sie 1 Über die Stellung der Wettiner zu ihren Bischöfen vergl. E. Brandenburg, Moritz von Sachsen I, passim.

2 Contin. Gerlaci abb. Vincentii Prag., MG. SS. XVII, 693.

3 Bei der Wahl Daniels; Contin. Gerlaci abb., 1. c. 708.

4 Erhebung Böhmens zum Königreich und Anerkennung der neuen Rechtsstellung der Bischöfe von Prag und Olmütz durch Philipp etwa 1198 September (BF. 20, vergl. BF. 671). Anerkennung der Königswürde durch Otto 1203 August 24 (BF. 229 b), durch Innocenz III. 1204 April 19 (Potthast, Regesta pontificum 2186).

5 Potth. 2188, 2191, 2192 (1204 April 20 und 21). Auf die verschiedenen Wandlungen, welche der Plan eines Prager Erzbistums in den folgenden Jahren durchmachte, kann hier nicht näher eingegangen werden. Ich behalte mir vor, im zweiten Teile meiner Arbeit über die Besetzung der deutschen Bistümer unter der Regierung Kaiser Friedrichs II. darauf zurückzukommen.

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