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ZUR TEXTKRITIK

DER

KORRESPONDENZ NAPOLEONS I.

VON

AUGUST FOURNIER.

MIT 5 TAFELN.

Einleitung.

Unendlich reich ist die historische Literatur, die sich an den Namen Napoleons I. knüpft. Unablässig bemüht sich die Forschung, ein zutreffendes Bild seines Wesens und Wirkens zu gewinnen, und noch ist bei weitem das Ende des Weges nicht abzusehen, auf dem sie zu diesem Ziele zu gelangen hofft. Man hat mit Eifer allem nachgespürt, was seinem Geiste je zu schaffen gab, und ist mit Recht bis zu den ersten Aufzeichnungen seiner Jugendjahre zurückgegangen. Wer immer nur mit ihm in Berührung gekommen war, wurde ein Gegenstand geschichtlicher Aufmerksamkeit, und was immer ihm nahe gelegen hatte, fand Interesse und einen Platz in der Erinnerung. Da ist es nun umso auffallender, daß gerade das größte seiner Werke, seine Korrespondenz, noch nicht jenem Maße wissenschaftlicher Sorgfalt begegnet ist, dessen es wert gehalten werden muß: viele seiner Briefe, unmittelbarste Zeugen dafür, was seine hohe Begabung plante, sein mächtiger Wille auszuführen gedachte, sind - obwohl längst erreichbar erst in den allerletzten Jahren an die Öffentlichkeit gekommen. Daß die im Auftrage Napoleons III. ins Werk gerichtete offizielle Ausgabe der ,Correspondance de Napoléon I' durchaus nicht vollständig war, daß sie kaum die Hälfte der Briefe enthielt, die Kundige dem Kaiser zuschrieben, daß die mit der Edition betraute Kommission namentlich die zweite unter dem Vorsitze des Prinzen Jérôme, welche die Bände 16 bis 28 herauszugeben hatte eingestandenermaßen nur dasjenige mitteilte,,was Napoleon selbst, sich überlebend und dem Urteil der Zeiten vorgreifend,

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veröffentlicht haben würde, um der Nachwelt seine Person zu zeigen und sein System darzulegen', 1 daß demzufolge Tausende von Briefen in den Archiven begraben blieben, bis der Sturz des zweiten Kaiserreiches die Siegel löste: alles das ist längst bekannt. Aber daß seither Jahrzehnte vergingen, ehe es zur nachträglichen Herausgabe ergänzender Sammelwerke kam, deren reicher Inhalt nur bewies, wie wichtig und wertvoll war, was man bisher ohne Not missen mußte, ist auffällig genug." Und doch haben auch sie den Vorrat noch nicht erschöpft, und wenn eben jetzt Léonce de Brotonne eine neue Sammlung unter dem Titel Dernières lettres inédites de Napoléon I' erscheinen ließ, so möchte ich bescheiden daran zweifeln, daß es die,letzten unedierten' Briefe sein werden, die in die Publizität gelangen. Ich selbst behalte mir vor, eine Anzahl derselben demnächst zu veröffentlichen.

So dankenswert nun dieser etwas verspätete Sammeleifer auch ist, mit dem Herbeischaffen von bisher Unbekanntem ist lange nicht alles getan. Es täte vor anderem Not, in das bereits Bekannte mehr Ordnung zu bringen und reine, unanfechtbare Texte zu gewinnen. Auf dem Pariser Nationalarchive (ehedem Archives de l'Empire) liegen an 30.000 Konzepte von Briefen Napoleons. Sie zu kennen ist für den Historiker sicher wichtig, der daraus den ersten Eindruck, den eine Sache auf den Kaiser hervorbrachte, sein erstes unmittelbares Urteil über sie, erfährt.

1 Correspondance XVI. IV.

2 Léon Lecestre, Lettres inédites de Napoléon I (an VIII—1815), 2 Bände, Paris 1897, mit 1226 Nummern; Léonce de Brotonne, Lettres inédites de Napoleon I. Paris 1898, mit 1506 Nummern. Derselbe, Dernières lettres inédites de Napoléon I, Paris 1903, mit 2326 Nummern. Zehn Jahre zuvor hatte zwar Du Casse eine kleine Sammlung unter dem Titel,Supplément à la Correspondance de Napoléon I' veröffentlicht, aber sie bot allzuwenig, um die klaffenden Lücken zu füllen. Anderes war in zahlreichen Quellenwerken zerstreut: in den Memoiren Josefs, in den Erinnerungen Beauharnais', in denen Marmonts, in den Publikationen über das Verhältnis des Kaisers zu seinem Bruder Ludwig, in den Geschichtswerken von Thiers, Vandal, Rocquain, Tatistcheff, Boulay de la Meurthe, Haussonville u. a., einzelnes auch in Tagesblättern. (Eine annäherungsweise vollständige Aufzählung bietet Brotonne, Lettres, p. XII-XIV und Derselbe, Dernières lettres I, IX ff.)

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