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ein hochstrebendes Fürstenhaus: dachte man doch in Wien wenige Jahrzehnte, nachdem in Prag ein Königsthron errichtet war, ebenfalls daran, der königlichen Macht, welche die Herzöge von Österreich und Steiermark besaßen, den entsprechenden Titel hinzuzufügen1. Nicht minder wirkte in der Kirchenpolitik das nachbarliche Beispiel: auch die Babenberger wollten in ihrer Hauptstadt einen Hofbischof haben, um so auf die kirchlichen Verhältnisse stärkeren Einfluß zu gewinnen. In diesem Punkte aber lagen die Dinge wesentlich anders: während in Böhmen einfach der bisherige Reichsbischof zu einem Landesbischof herabgedrückt werden konnte, mußte in Österreich erst ein neues Bistum geschaffen werden. Denn weder in Österreich, noch in Steiermark befand sich ein bischöflicher Sitz; die Stühle, denen die Herzogtümer kirchlich unterstanden, Salzburg und Passau, waren beide außerhalb des babenbergischen Gebietes gelegen; sollte also in Wien ein Bistum errichtet werden, so mußten die genannten Sitze oder zum mindesten einer derselben notwendig in dem bisherigen Wirkungskreise beschnitten werden.

1 Im Jahre 1245; nähere Angaben siehe unten S. 31 ff.

2 Ich verweise gleich hier auf das beigegebene Kärtchen. Dasselbe kann, da es nur eine Skizze ist, gewiß keinen Anspruch auf absolute Genauigkeit erheben; ich habe mich jedoch entschlossen, es zu zeichnen, da keiner der gebräuchlichen historischen Atlanten (Spruner-Menke, Karte 38; Droysen, Karte 26/27; Putzger, Karte 17) hier auch nur annähernd richtige Grenzen bietet. Namentlich ist nirgends dargestellt, daß in der Stauferzeit der Traungau zu Steiermark gehört. Ich stelle im folgenden die Literatur zusammen, welche ich zur Anfertigung der Skizze benutzt habe: M. v. Felicetti, Steiermark im Zeitraum vom 8. bis 12. Jahrhundert, in Beiträge zur Kunde steiermärkischer Geschichtsquellen, Bd. 9, 1—60 und Bd. 10, 24-128; mit zwei guten Karten (1872, 1873). J. Lampel, Die Einleitung zu Jans Enenkels Fürstenbuch; Wiener Dissertation 1883. Idem, Das Gemärke des Landbuches, in Blätter des Vereins für Landeskunde von Niederösterreich, Bd. 20, 267-335 und Bd. 21, 228-310 (1886, 1887). Idem, Die Landesgrenze von 1254 und das steirische Ennstal, in Archiv für österreichische Geschichte, Bd. 71, 297-452 (1887). — J. Strnadt, Die Geburt des Landes ob der Enns, 1886. V. Hasenöhrl, Deutschlands südöstliche Marken im 10., 11. und 12. Jahrhundert, in Archiv für österreichische Geschichte, Bd. 82, 419-562, mit 6 Karten (1895). Für die Grenzen der Sprengel von Seckau und Lavant ist wichtig A. v. Meiller, Regesten zur Geschichte der Salzburger Erzbischöfe, S. 529, Nota 84 (Seckau) und S. 288, nr. 548 (Lavant); vergl. dazu F. v. Krones, Verfassung und Verwaltung der Mark und des Herzogthums Steier, 133-140 (1897). Nicht mehr

Vergleicht man die Lage der nordostdeutschen Bistümer mit derjenigen von Salzburg und Passau, den entlegensten Hochkirchen des deutschen Südostens, so springt ein großer Unterschied in die Augen. Die Bistümer Havelberg und Brandenburg waren von Otto dem Großen an der äußersten Grenze des eben vordringenden Deutschtums angelegt. Die Geschichte ihrer ersten Jahrhunderte ist eine lange Leidensgeschichte1; ihre Bischöfe mußten während der Zeit der slavischen Reaktion fern von ihren Sprengeln, von denen ihnen nichts als der Namen übrig geblieben war, umherirren: aber als endlich hier die Wendung zum Besseren eintrat, als die deutsche Macht definitiv östlich der Elbe festen Fuß faßte, da konnten auch die Bischöfe von Brandenburg und Havelberg die alten Privilegien hervorholen und in ihre Sitze wieder einziehen, um von hier aus Christentum und deutsche Cultur weiter nach Osten zu tragen. Die beiden Bistümer aber, denen im Südosten die gleiche Aufgabe zufallen mußte, lagen fernab von der Grenze im Hinterlande, von wo aus sie ihrer nationalen Mission viel weniger leicht gerecht werden konnten. Zwar führte von Passau die bequeme Donaustraße nach Osten, aber dennoch war die Entfernung bis zur ungarischen Grenze allzu weit; und Salzburg vollends war durch die hohe Tauernkette von dem südöstlichen Teile seiner umfangreichen Diözese so gut wie abgeschnitten. Hier wie dort hatte es Männer gegeben, die das Mißliche dieser Lage empfanden. Der herrschgewaltige Bischof Piligrim von Passau (971-991) hatte den Versuch gemacht, seinen Sitz stromabwärts nach Lorch zu verlegen;

berücksichtigt werden konnten zwei jüngst im Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich Bd. 1, 1902 (Wien, 1903) erschienene Aufzätze, nämlich: J. Lampel, Untersuchungen und Beiträge zum historischen Atlas von Niederösterreich, S. 1-66; und R. Sieger, Die Grenzen Niederösterreichs, S. 169-225.

Herr Dr. E. Wagner hatte die Freundlichkeit, mir zur Herstellung der Zeichnung einige Blätter aus dem neuen Handatlas von Debes (Verlag von Wagner und Debes) zur Verfügung zu stellen. Ihm sei auch hier bestens gedankt.

1 Die ersten Jahrhunderte der brandenburgischen Bistumsgeschichte wird eine in Aussicht stehende historische und geographische Arbeit über das Bistum Brandenburg von F. Curschmann ausführlich behandeln. Vergl. auch H. Breßlau, Zur Chronologie und Geschichte der ältesten Bischöfe von Brandenburg, Havelberg und Aldenburg, in Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, Bd. 1, 61-83 (1888).

gleichzeitig wollte er ihn zum Erzstift erheben, um dann in großem Stil die Christianisierung und Germanisierung der ungarischen Ebene in Angriff zu nehmen. Vor keiner Fälschung schreckte er zurück, wenn sie nur der Verwirklichung seiner hochfliegenden Pläne diente1. Zwar scheiterten dieselben vornehmlich an dem Widerstande Salzburgs, das den drohenden Verlust eines Suffraganbistums und die Gründung eines günstiger gelegenen, die ehemalige Metropole leicht überflügelnden neuen Erzstiftes zu verhindern wußte 2; die Erinnerung aber an das alte Bistum Lorch war seither nicht geschwunden3. Andererseits

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1 Es kann hier nicht meine Aufgabe sein, auf die Frage näher einzugehen, ob Piligrim der Urheber der berüchtigten Passauer Fälschungen ist oder nicht. Der Streit scheint mir auch durch den Aufsatz von E. Dümmler, Über die Entstehung der Lorcher Fälschungen, in den Sitzungsberichten der Kgl. Preußischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 47, 758-775 (1898) endgültig zu Ungunsten Piligrims entschieden zu sein; ich begnüge mich deshalb hier mit der Aufzählung der in Betracht kommenden Literatur; soweit man Bischof Wolfger von Passau als Fälscher verdächtigt hat, werde ich später auf dieselbe zurückzukommen haben. E. Dümmler, Piligrim von Passau und das Erzbistum Lorch (1854). F. Blumberger (ed. A. Dungel), Ein neuer Versuch, das Entstehen der Lorcher Fabel zu erklären, in Archiv für österreichische Geschichte, Bd. 46, 235-296 (1871). K. Uhlirz, Die Urkundenfälschung zu Passau im 10. Jahrhundert, in Mittheilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung Bd. 3, 177–228 (1882). W. Hauthaler, Die Überlieferung der gefälschten Passauer Bullen und Briefe, in Mittheilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, Bd. 8, 604-608 (1887); vergl. dazu die Bemerkung von M. Tangl in Dümmlers genanntem Aufsatz S. 766. J. Widemann, Zur Lorcher Frage, in Verhandlungen des historischen Vereins für Niederbayern Bd. 32, 159-213 (1896). G. Ratzinger, Forschungen zur Bayrischen Geschichte, 325-382 (Lorch und Passau), eine Zusammenfassung mehrerer im ,Katholik' erschienenen Aufsätze desselben Autors (1898). Der Versuch, welchen jüngst in einer sonst lehrreichen Arbeit J. Strnadt (Die Passio s. Floriani und die mit ihr zusammenhängenden Urkundenfälschungen, in Archivalische Zeitschrift, Neue Folge Bd. 8, 1-118; Bd. 9, 176-314, 1899, 1900) unternommen hat, die Fälschung der Urkunde König Ludwigs von 823, Böhmer-Mühlbacher 778 (753), in das 12. oder 13. Jahrhundert zu verweisen, ist natürlich abzulehnen; die Urkunde gehört zu den Fälschungen Piligrims von Passau; vergl. M. Vanesa in Mittheilungen des Instituts für österr. Geschichtsforschung Bd. 23, 351 (1902).

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2 E Dümmler, Piligrim von Passau 49 ff.

3 Herzog Leopold VI. spricht im Jahre 1207 von demselben (Potth. 3085); das Nähere siehe unten S. 18.

war man auch von Salzburg aus daran gegangen, den bischöflichen Einfluß nach Osten hin zu verstärken: in dem entlegenen Gurktale, jenseits der Tauern, residierte seit dem Jahre 1072 ein Bischof als ständiger Vertreter seines Metropoliten1; die Bischöfe von Gurk waren jedoch nicht Reichsfürsten, sie empfingen die Regalien vom Erzbischof und ihr Sprengel blieb besitzrechtlich ein Bestandteil der salzburgischen Diözese.

Darin also, daß die kirchliche Organisation des deutschen Südostens eigentlich ungenügend sei, war man in Wien, Passau und Salzburg wohl einig. Indem nun aber die Babenberger daran gingen, hier auf eigene Faust Abhilfe zu schaffen, mußten sie notwendig in harten Konflikt geraten mit den bestehenden kirchlichen Gewalten, die in der Sache zwar gleicher Meinung waren, über die Ausführung aber durchaus verschiedene Ansichten hegten: die politischen und kirchlichen Wandlungen, welche sich an den babenbergischen Plan knüpfen, in Österreich eine Landeskirche zu errichten, sollen im folgenden erörtert werden 2.

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1 Vergl. A. v. Jaksch in seiner trefflichen Einleitung zu Bd. 1 der Gurker Geschichtsquellen, S. 3 ff. (1896).

2 Da man sich in den letzten Jahren zweimal ausführlicher mit der Wiener Bistumsfrage beschäftigt hat, so bedarf es einer besonderen Rechtfertigung, wenn ich noch einmal auf dieselbe zurückkomme. Sorgfältig handelt über den Gründungsplan G. Juritsch in seiner Geschichte der Babenberger und ihrer Länder (1894). Der Wert dieses Werkes besteht in der gründlichen Fundierung auf das Quellenmaterial, sein großer Mangel aber beruht darauf, daß es vollständig wie ein mittelalterliches Annalenwerk angelegt ist; der chronologischen Anordnung der Ereignisse zuliebe wird kausal Zusammengehörendes fortwährend getrennt, Verschiedenartiges aneinander gefügt. So tritt auch die Wiener Bistumsepisode nicht klar genug hervor. Die zweite der zu nennenden Arbeiten ist ein Aufsatz von G. Ratzinger in seinen Forschungen zur Bayrischen Geschichte 382-391, betitelt: Das Project eines Wiener Bisthums im 12. und 13. Jahrhundert (1898). Die Vorrede zu seinen Forschungen schließt der bayrische Politiker und Historiker mit den Worten (S. VI): ,Die kritischen Streifzüge bewegen sich nicht in den ausgetretenen Geleisen, sondern suchen neuen Auffassungen Bahn zu brechen und den Boden zu ebnen. Sie werden deßhalb Widerspruch hervorrufen. Das Ziel ist erreicht, wenn sie den Anstoß zu neuen Forschungen und wiederholten Untersuchungen des Quellenmaterials auf dem Gebiete der vaterländischen Geschichte geben.' Widerspruch ist allerdings nicht ausgeblieben; Dümmler wandte sich alsbald gegen den Aufsatz über

Zu den glänzendsten Erscheinungen, welche der deutsche. Episkopat im Zeitalter der Staufer aufzuweisen hat, gehören Erzbischof Eberhard II. von Salzburg und Patriarch Wolfger von Aquileja. Beide hatten, bevor sie zu ihren hohen Würden emporstiegen, schon ein anderes Bistum verwaltet: Eberhard war Bischof von Brixen, ehe er den Erzstuhl von Salzburg bestieg1, und Wolfger stand der Passauer Diözese vor, bis er Patriarch wurde. In ihrer Politik verfolgten beide Männer durchaus die gleiche Richtung; persönlich von großem Ehrgeiz beseelt, der sie bis zu ihren hohen Kirchenwürden gelangen ließ, wußten sie in seltenem Maße die Interessen des Reiches mit denen ihrer Diözese zu verbinden; sie waren stets ghibellinisch gesinnt, aber sie verstanden es doch mit großem diplomatischen Geschick, in den kritischen Jahren des deutschen Thronstreites zwischen Philipp und Otto, welche manchem deutschen Bischof verderblich wurden, ohne offenen Bruch mit Papst Innocenz III. auszukommen; sie standen mit den benachbarten weltlichen Herren, den mächtig aufstrebenden babenbergischen Herzögen von Österreich und Steiermark, auf gutem Fuße, und sie verfolgten dabei doch stets im Interesse ihrer Bistümer eine planvolle Territorialpolitik, die darauf bedacht

Lorch und Passau (Vergl. oben S. 9 Anm. 1); und auch die Abhandlung über das Bistum Wien bewegt sich gewiß in Geleisen, die nicht ausgetreten sind; aber die Bahn, die der Verfasser bricht, führt in die Irre. Er hat seinen Aufsatz geschrieben mit souveräner Verachtung oder aber mit vollständiger Unkenntnis der neueren historischen Hilfsmittel; die Regestenwerke von Böhmer-Ficker und Potthast werden überhaupt nicht benutzt; die in Betracht kommenden Urkunden von Innocenz III. werden, soweit sie Ratzinger bekannt geworden sind, zitiert nach den alten Drucken in den Monumenta Boica, Bd. 28, I (1829); da nun die Datumzeilen, derselben hier stets um 1 Jahr zu hoch aufgelöst sind, so ist die Chronologie der Ereignisse in Ratzingers Aufsatz völlig verwirrt. Dies mag genügen, um zu rechtfertigen, daß mir die Abhandlung, dem Wunsche ihres Verfassers entsprechend, ‚den Anstoß zu neuen Forschungen und wiederholten Untersuchungen des Quellenmaterials' gab.

1 Eine Reihe von Abhandlungen über Eberhard II. von Salzburg verzeichnet Juritsch, a. a. O. 363 Anm. 1.

2 Vergl. P. Kalkoff, Wolfger von Passau (1882). Neuere Literatur über Wolfger verzeichnet M. Tangl, Blätter des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich Bd. 32, S. 97, Anm. 2.

3 Vergl. R. Schwemer, Innocenz III. und die deutsche Kirche während des Thronstreites von 1198-1208 (1882).

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