Imágenes de páginas
PDF
EPUB

VIII.

BÖHMISCHE STUDIEN.

Von

Konstantin Höfler.

Inhalt.

I. Der Sieg der Böhmen über die Deutschen bei Kulm 1126.
Anhang. A. Briefe K. Lothar's III. und seiner Zeitgenossen.
B. Gedicht auf den Tod K. Otto's III.

II. Streiflichter auf die böhmische Geschichte.

1. Gregor Heimburg, Georg Podiebrad und Ludwig XI. von Frankreich. Anhang. Schreiben Gregor Heimburg's.

2. Bereicherung der böhmischen Geschichte durch die Schätze des k. sächsischen geheimen Staatsarchivs.

Anhang. Urkunden über das Haus Schwarzenberg etc.

3. Rosenbergische Chronik von Böhmen.

4. Andreas Ratisbonensis über die von dem Hohenzoller'schen Churfürsten Friedrich I. beabsichtigte Entthronung K. Sigismund's.

III. Beiträge zur Geschichte der politischen Reformation.

A. Der älteste Reformplan.

Anhang. Avisamentum pro reformatione sacri imperii.

B. K. Maximilian's I. Plan, Ungarn und Böhmen mit Deutschland zu vereinigen.

Anhang. Vorschläge K. Maximilian's an die Reichsversammlung a. 1505, 1507.

IV. Streiflichter auf die Zeit der Glaubensspaltung.

A. Die Lebensbeschreibungen der Päpste im Zeitalter K. Maximilian's, von dem Cardinal Ägidius von Viterbo.

B. Venetianische Berichte über den Aufstand der Böhmen gegen K. Ferdinand II.

Anhang. Berichte venetianischer Gesandten.

1. Der Sieg der Böhmen über die Deutschen bei Kulm 1126.

Eine der bedeutendsten Waffenthaten der früheren böhmischen Geschichte ist der siegreiche Kampf, welchen H. Soběslav bei Kulm wider das deutsche Reichsheer, angeführt von dem deutschen Könige Lothar III. selbst, 1126 bestand. Der kriegerische Fürst, welcher wider Heinrich V. die Sache des Reiches und der Stände vertheidigt hatte, als Kaiser das Ansehen des Reiches aufrecht zu erhalten und durch den Frieden mit der Kirche in der merkwürdigen Zwischenperiode nach dem Tode K. Heinrich's V. und vor dem Emporkommen der Hohenstaufen zu erhalten wusste, und dessen Tod als Nationalunglück angesehen wurde, gedachte, kaum dass er den Thron der Deutschen bestiegen, die Macht des Reiches auch über Böhmen auszubreiten, um, wie uns gesagt wird, das bisher nur auf die Bestätigung der von den Böhmen stattgehabten Herzogswahl sich erstreckende Kaiserrecht auch noch weiter auszudehnen. Irre ich mich jedoch nicht, so gesellte sich diesen Motiven auch noch ein anderes bei. Von allen deutschen Stämmen hatte keiner sich den Kampf mit den Slawen so zur Lebensaufgabe gestellt, als gerade der sächsische 1). Nur der Zug Lothars nach Italien hielt den grossen Kreuzzug der Sachsen gegen die Wenden auf (1147), welcher die Herrschaft dieses Volkes brach und die Deutschen in den unbestrittenen Besitz der slawischen Vorländer zwischen der Mittel- und Nieder-Elbe und der Oder setzte. Mecklenburg und Pommern gelang es noch, ihre einheimischen Fürsten zu bewahren, allein Land und Volk wurden von den Deutschen colonisirt, germanisirt und christianisirt. Der Sieg der Sachsen über ihre alten Feinde schien entschieden. Dritthalbhundert Jahre nach Karl's d. Gr. erstem Übergange über die Elbe ward das Slawenthum in diesen Ländern niedergeworfen, bald nachher auch die Oder, die Weichsel, die Düna überschritten, das deutsche Element ist in den polnischen Städten herrschend, Schlesien ist seit dem Ende des XIII. Jahrhunderts entschieden auf dem Puncte, deutschen Gesetzen, deutscher Sprache, deutscher Herrschaft anheimzufallen. Schon 1175 erhielt das Kloster Leubus vom H. Boleslaus I. für die deutschen Ansiedler Befreiung von polnischen Lasten. Am Ende des XIII. Jahrhunderts war in Niederschlesien auf der linken Oder der Sitz der Deutschen entschieden. Auf der rechten erfolgte der Widerstand zum Theil bis in das XIV. Jahrhundert von Seite des Adels und

1) Vgl. Anhang B.

der Herzoge. Aber mit solcher Rücksichtslosigkeit wurde das Deutschthum verbreitet, dass der Bischof Johann von Breslau 1495 den Bauern von Waitz bei Ottmachau gebot, binnen fünf Jahren deutsch zu lernen, sonst würde er sie ,,under em nicht dolden sunder von danne jagen“ 1). Böhmen und Mähren wurden so in die Flanken genommen; vom übrigen Slawenlande mehr und mehr isolirt, ragten sie bald nur mehr wie ein Bergeseiland aus den Fluthen empor, mit denen das germanische Element rastlos diese Vorburgen slawischer Nationalität peitschte. Man begreift dadurch, dass ein Kampf der Sachsen 1126, begonnen mit den Böhmen wenige Jahre ehe der wendische Kreuzzug wider die heidnischen Westslawen erfolgte, eine tiefere Bedeutung, eine grössere Tragweite hatte, als man ihm dem ersten Augenscheine nach zugestehen mag, und wenn die Sachsen noch lange den Böhmen wegen ihres Sieges über sie grollten, der Grund darin lag, dass durch diesen Sieg ihrer Gegner die Vernichtung eines Volksstammes aufgehalten, wo nicht gar vereitelt schien, mit welchem sich die Sachsen gemessen, seit Karl der Grosse an den Obotriten Bundesgenossen wider diese seine deutschen Feinde gefunden. Man konnte aber mit den Böhmen, welche durch das Band ihres Herzogthums und der Kirche mit dem deutschen Reiche. durch grosse geschichtliche Erinnerungen, durch die Traditionen der ottonischen Epoche und gemeinsame Feldzüge wider die Ungarn mit dem deutschen Volke zusammenhingen, vom ersten Momente ihrer Geschichte an dem lateinischen Staatensysteme angehörten, dessen politische Spitze das deutsche Kaiserthum war, nicht so verfahren, wie mit den Elbe-Slawen; allein durch den Thronstreit zwischen Soběslav und H. Otto's von Olmütz Schiedsrichter von Böhmen zu werden, den deutschen Einfluss zum übermächtigen auch im Čechenlande zu machen, die Elbe-Slawen gleichsam von Böhmen aus aufzurollen, diesen Plan dem sächsischen Kaiser zuzuschreiben, dürfte um so weniger gewaltsam erscheinen, als es wohl im hohen Grade Unrecht ist, deutsch und antislawisch für identisch zu halten; aber sächsisch und slawenfeindlich, das wird wenigstens vom VIII. bis in das XII. und XIII. Jahrhundert als synoym bezeichnet werden dürfen.

Wird dadurch die Bedeutung der Schlacht bei Kulm erst recht klar, so muss in Betreff der Quellen derselben noch Einiges besonders hervorgehoben werden. Man hat an dem rhetorischen Mönche von Sazawa 2), wie an Otto von Freisingen), slawische und deutsche Quellen, welche die Sache mit Gründlichkeit besprechen. Mit Ausnahme des Annalisten Saxo gestehen die deutschen Geschichtschreiber den grossen Verlust K. Lothar's ein. Der Chronographus verhehlt weder den Verlust des königlichen Heeres, noch die Gefangennehmung des M. Adalbert, noch dass zuletzt der Böhmenherzog sich mit dem deutschen Könige vertrug, dieser so den Rückmarsch antreten konnte *). Der spätere

1) Stenzel und Tschoppe, Urkundensammlung zur Geschichte des Urspunges der Städte in Schlesien. Lausitz 1832. S. 622. Weinhold, deutsche Dialektforschung. Wien, 1853. S. 16-18.

2) Script. rerum bohemicarum, I. Th., S. 288.

3) Vita Friderici, I. 20.

4) Leibnitz. Script. rerum brunswic. 1, S. 286.

« AnteriorContinuar »