Imágenes de páginas
PDF
EPUB

nicht die Kämpfe kommen zum Ausdruck, sondern die gemeinsame Aufgabe beider Gewalten zum Schutze des Friedens zu wirken. Selbst die demütigende Ceremonie des Steigbügelhaltens wird gegen eine feindliche Auslegung sichergestellt. Erst ein jüngerer Zusatz protestiert gegen die päpstliche Gesetgebung, die das sächsische Erb- und Eherecht ändern würde (I 3 a. E). Es ist die allgemeine Vorliebe der Sachsen für das alte Recht, die sich darin ausspricht. Der Sprachgebrauch von dem ex antiquo Geltenden bedeutet übrigens oft nicht mehr als das bestehende Recht. Am häufigsten wird es zum Schutz der bestehenden Zölle angewendet, die davon selbst den Namen der consuetudines, customs erhalten. K. Heinrich II von England sicherte um 1157 den Kaufleuten von Cöln firmam pacem habeant faciendo rectas consuetudines suas“, und befahl seinen Beamten nullas exigatis ab eis novas consuetudines vel rectitudines, quas facere non debeant nec facere solebant" (Höhlbaum, Hans. UB. I n. 14).

[ocr errors]

So wenig als durch lere" war der Vf. des Rechtsbuches durch helphe" bei seiner Arbeit unterstützt worden. Er allein hatte sie in aller ihrer Schwere und das zweimal durchgemacht, durch nichts gefördert als die Gunst seines Herrn, des Grafen von Falkenstein. So viel Grund er hatte, auf sein Werk stolz zu sein, er überhob sich nicht. Es war aus Pflichtgefühl entsprungen und einem gemeinen Nutzen zu dienen bestimmt. Die Nachkommen ernteten, was er gepflanzt hatte. Er blieb nicht bloß ein meister binnen sineme krenge (94), wurde ein Meister seines Jahrhunderts und weit darüber hinaus, und nicht bloß in seiner sächsischen Heimat, sondern im ganzen nördlichen Deutschland. Sein Buch gab den Anstoß zu einer Literatur, die es in mannigfaltigen Formen benutzte, ergänzte, entwickelte und sich bis ins 17. Jh. fortsetzte. Die Städte, deren Recht es ignoriert hatte, nahmen es in ihre Statute auf, erwarben Handschriften, legten es ihrer Rechtsprechung zu Grunde. Dem Süden Deutschlands wurde es zum Muster für ein Werk, das sich einer noch größern Verbreitung als der Ssp. erfreute, mag es ihm auch an innerm Werte nachstehen. Der praktische Zweck, zu dem der Ssp. geschaffen war, die Verwendung im Gericht, wurde am vollkommensten erreicht. So darf man in das Urteil der Literarhistoriker einstimmen, daß um dieselbe Zeit, da der Süden den Preis in der Dichtkunst errang, dem Norden der in der Rechtswissenschaft durch Eike von Repgow zuteil wurde (Scherer, Gesch. der deutschen Lit. S. 231).

Der Mann von Ritterstand, dem so Großes gelang, vererbte auf seinen Stand, der die praktische Rechtspflege in den Gerichten

seit Jahrhunderten geübt hatte, auch die wissenschaftliche Kultur des Rechts. Johann von Buch, der erst zu nennende, leitet zugleich zu den Kennern des fremden Rechts über. Der Ritter aus der Mark, der 1305 in Bologna studiert hatte, verfaßte das erste Rechtsgangbuch, das den Prozeß in Anlehnung an den Ssp. darstellt, und wurde der erste Glossator des Ssp. Auch unter seinen Nachfolgern stehen wiederum Ritter voran. Die Ritter sind wie die Pfleger des Rechts auch seine Verteidiger. Als um die Mitte des 14. Jahrh. eine Bewegung gegen den Ssp. von geistlicher Seite begann, der Augustinermönch Johann Klenkok aus dem Hoyaischen das Rechtsbuch zahlreicher Ketzereien anklagte, lud die Stadt Magdeburg, die der Hauptsitz des Sachsenspiegelrechts geworden war, Städte und Ritterschaften zur Abwehr dieses bedrohlichen Angriffs ein'). Die Stadt Hildesheim, bereit dem entsprechend tätig zu werden, forderte drei Ritter ihrer Nachbarschaft: Heinrich von Gittelde, Ravo von Adelebsen, Sifrid tor Bork, in der Pfingstwoche 1368 zu einer Zusammenkunft in Lechstedt auf, um sich darüber zu beraten „dat en monik gedichtet heft boke wedder der Sassen recht unde wel der Sassen recht mede krenken" ). Es war nur eine Fortsetzung des alten Rechts, wenn im 15. Jahrh., als man sich um eine Reichsreform bemühte und ein höchstes Gericht zu schaffen die Anstalten traf, bei dessen Besetzung dem Ritterstand selbstverständlich einen Anteil zuwies. Ein Zeichen der neuen Zeit war es, daß sich mit ihm Vertreter des gelehrten Standes in einem Gerichtshofe verbinden sollten. So ordnet K. Albrechts II Entwurf eines Landfriedens von 1438 § 25 an: und darumb das dem in allen dingen desto ufrichtiger nachgangen werde, so wollent wir unser obergerichte mit wisen verstendigen fürsichtigen rittern und gelerten bestellen, gehalten jedem recht geben und zu tun nach gemeinen rechten, guter gewohnheit (Zeumer I S. 213).

1) Homeyer, Johann Klenkok wider den Ssp. (1855) S. 421.

2) UB. der Stadt Hildesheim II (1886) Nr. 249. Mein Beitrag I (1888) in Gött. Nachrichten 1888 Nr. 15.

Poseidonios' Affektenlehre und Psychologie.

Von

Max Pohlenz.

Vorgelegt in der Sitzung vom 27. Januar 1922.

Reinhardts geistvolles Buch über Poseidonios zwingt jeden Mitforscher zu ihm Stellung zu nehmen und die eigenen Ansichten einer Revision zu unterziehen. Das Buch ist dabei von einer so einheitlichen Grundauffassung getragen, daß man diese auch bei der Einzelauseinandersetzung stets im Auge behalten muß. Wenn ich also hier einige wichtige Fragen behandle, bei denen ich von Reinhardts Ansicht abweiche, so verweise ich zugleich auf die Besprechung des ganzen Werkes, die demnächst in den Anzeigen unsrer Gesellschaft erscheinen soll.

I.

Der Aufbau des Werkes über die Affekte,

Von Poseidonios' Schriften ist IIɛoi radov die einzige, von der wir hoffen können eine genauere Vorstellung zu erhalten, da aus ihr Galen de plac. Hipp. et Plat. IV. V umfangreiche Reste erhalten hat. Ich hatte deshalb in meiner Dissertation (Fleck. Jhb. Suppl. XXIV 537–633 = „Diss.") durch Analyse Galens zu zeigen gesucht, daß dieser im ganzen der Anordnung des Poseidonios folgt, und daraufhin eine Rekonstruktion unternommen. R. geht von der Tatsache aus, daß Galen eine ganz andere „innere Form" hat als Poseidonios, und ist überzeugt, daß Galen viel selbständiger arbeitet. Insbesondere sei die Disposition von Buch IV ausschließlich von Galens eigner Tendenz beherrscht, Widersprüche in Chrysipps Lehre aufzudecken. Dies bezeichne auch Galen selber im Anfang als sein Thema. Aber das letzte ist jedenfalls nicht richtig. Wie in I (die Stellen bei Iw. Müller S. 133), am Anfang von II. III. VI usw. erklärt Galen auch hier, er wolle handeln περὶ τῶν διοικουσῶν ἡμᾶς δυνάμεων (331, 1 vgl. 17) und die von

[ocr errors]

Plato und Hippokrates vertretene Lehre von der Mehrzahl der Seelenkräfte gegen Chrysipps Intellektualismus rechtfertigen. Nur weil diese Aufgabe durch Chrysipps Selbstwidersprüche erschwert werde, die seine wahre Ansicht nicht leicht erkennen ließen, sei er, so fügt er nachträglich hinzu, gezwungen, auch auf diese einzugehen. Was er hier als bloßes Mittel bezeichnet, wird ihm dann freilich in der Hitze der Polemik hübsch weist Reinhardt darauf hin, daß die Aufdeckung von Widersprüchen zu den Hauptstücken des Schulbetriebes gehörte vielfach zum Selbstzweck, aber als Ergebnis seiner Untersuchung betrachtet er am Schluß des Buches doch den Nachweis, daß es verschiedene Seelenkräfte gibt und Chrysipp darüber falsch urteilt (400, 5 ff. 403, 3 ff.), und wenn er auch hier wiederholt, daß Chrysipp sich selbst und den offenbaren Tatsachen widerspricht (403, 9), so soll dies nach 406, 9 erweisen, da Chrysipp selber oft genug im Widerspruch mit seinem intellektualistischen Dogma für die Ansicht der Alten zeugt.

Die nächste Parallele zu Galen würde bei Reinhardts Annahme, wie er selber sagt, Plutarchs Schrift de Stoicorum repugnantiis sein. Aber während diese die Widersprüche nach sachlichen Kategorieen ordnet, soll Galen so disponiert haben: 1. ein Widerspruch zwischen Пeol vuxns I und sämtlichen Büchern über die Affekte, 2. drei Widersprüche, aus dem theoretischen Werke über die Affekte, 3. Widersprüche, die sich aus dem ethischen Werk desselben Titels, dem εдαлεvτinós ergeben 1). Aber diese Disposition wird damit erkauft, daß R. die wichtigsten Abschnitte p. 369-376 und 391-403 als „Exkurs“ und „Anhang" ausscheidet, die einzelnen „Widersprüche" werden bald auf ein paar Zeilen, bald auf vielen Seiten abgemacht, und vor allem hat Galen selbst diese Disposition mit keinem Worte angedeutet.

Sehen wir nämlich vom ersten Teile ab, wo Galen nur, um die Verbindung mit Buch III herzustellen, seine dortigen Ausführungen über Chrysipp. II. vxns kurz rekapituliert, so nennt er bei der ersten Erörterung über die chrysippischen Definitionen der Affekte überhaupt kein Buch. Daß die p. 338, 3 beginnende Exegese der Hauptdefinitionen aus II. лæð☎v I stammt, wird nur beiläufig (339, 12) erwähnt, und wenn es auch nachher 348, 5 heißt,

1) Der εQαлεUTIxós stand selbständig neben dem dreibändigen Werke. Er gab keineswegs nur die Heilung der Affekte, sondern auch den theoretischen Stoff, z. B. die Erörterung über das Wesen der Affekte ganz parallel zu x. nađāv I, nur in populärer Form, vgl. Herm. XLI 352. Über Galens Verhältnis zu beiden Werken Diss. 572. Reinhardts Erörterung der Frage (S. 264) bedeutet keine Förderung.

daß Chrysipp hier zu den folgenden" Ausführungen in Widerspruch gerät, so wird doch schon 350, 12 nicht von dem speziellen Buch I, sondern von allen vieren gesprochen. 351,8 folgt ein Widerspruch zwischen II. лað☎v I und Karà yévos ooot VI. Dann wird wieder zunächst ohne Buchzahl operiert. 356, 13 folgt ein wörtliches Zitat, von dem wir zwei Seiten darauf erfahren, daß es aus dem Therapeutikos stammt und als Parallele zu einem früheren Zitat aus II. лαя☎ν I dienen soll. Daran schließen sich weitere Stellen aus dem Therapeutikos. Dasselbe Bild zeigt der folgende Abschnitt. 364, 12 und 366, 11 stehen Zitate aus dem Therapeutikos. 364, 3 werden alle Bücher zusammengefaßt, 365, 16 Therapeutikos und II. лαvõν I für dasselbe Faktum genannt. Reinhardt ignoriert all das und verweist einfach darauf, daß Galen S. 368, 10 ,vom mehrbändigen Werke zum einbändigen übergeht", um aus dieser einzigen Stelle, an der noch dazu ausdrücklich der Therapeutikos wieder (vgl. 365, 16) nur zur Bestätigung der bisherigen Ausführungen angeführt wird, den Übergang zu einem neuen Teil zu finden und von da aus Galens Dispositionsprinzip zu bestimmen. Nachher zitiert Galen wieder aus dem Therapeutikos, von 394, 1 an aber daneben - freilich im „Anhang" und aus Poseidonios Stellen aus Π. παθῶν ΙΙ. In Buch V wird 405, 5 und 411, 12 II. лæðỡν I herangezogen und 419,6; 425, 3 mit dem Therapeutikos konfrontiert, 433, 6 der Widerspruch zwischen II. vñs und II. лæðãv in Erinnerung zurückgerufen; dann verschwinden die Buchzahlen. Danach ist es wohl klar, daß man eine Disposition nach chrysippischen Büchern nur gewaltsam in Galen hineindeuten kann 1).

Fragen wir Galen selbst, so gibt die beste Antwort der große Schlußabschnitt (391 ff.), wo Galen über das Aufhören der Affekte handelt und die allgemeine Folgerung zieht, daß wir im Gegensatz zu Chrysipp mit Poseidonios und den Alten drei Seelenvermögen anzunehmen haben. R. muß darin einen Anhang sehen, den Galen nur zufügt, „um das Buch voll zu machen“ (272). Dann hätte dieser ein merkwürdiges Glück gehabt. Denn tatsächlich wird damit ein sehr passender Abschluß erzielt, und der unvoreingenommene Leser hat ganz gewiß den Eindruck, daß Galen hier

1) Auch die Disposition, die R. 265 für Chrysipp ermittelt und die den Weg für Galens Polemik vorgezeichnet haben soll, ist unhaltbar. Unmöglich kann Chrysipp die Kardinalfrage, ob die Affekte Urteile sind, erst nach der Definition der Einzelaffekte, in denen die Bejahung der Frage vorausgesetzt wird, behandelt haben, und nach 335, 5 ff., 348, 5 ff. folgte diese Erörterung sofort auf die Definition des allgemeinen Affekts.

Kgl. Ges, d. Wiss. Nachrichten. Phil.-hist. Klasse. 1921. Heft 2.

12

« AnteriorContinuar »