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Platos Epigramme.

Von

R. Reitzenstein.

Vorgelegt in der Sitzung vom 22. April 1921.

Die acht ersten Epigramme, welche bei Diogenes Laertios III 29-32 dem Plato zugeschrieben werden, gehen alle auf einen Log historicus Αρίστιππος περὶ παλαιᾶς τρυφῆς zurück'). Das hat v. Wilamowitz, Antigonos von Karystos S. 48 ff. bewiesen und den frechen Schwindler trefflich charakterisiert. Bald dient ihm zur Verdächtigung eines Philosophen ein anonymes Grabgedicht auf eine Persönlichkeit seiner Vaterstadt, wenn es auch nichts von Liebe enthält (Empedokles), bald die Berufung auf ein Gerede (paoív), das er selbst erfindet (Polemon und Krantor), bald werden Stellen aus den Schriften willkürlich mißdeutet (Xenophon). Mit den Zeitverhältnissen seiner Opfer zeigt er sich bald vertraut, bald sprechen scine Erfindungen aller Chronologie Hohn. Dieser Quelle wird bei Diogenes zunächst ausdrücklich die Behauptung zugeschrieben, Plato habe den Aster und Dion geliebt, dann eingeschoben: ἔνιοι δὲ καὶ Φαίδρου φασίν, dann wieder in indirekter Rede hinzugefügt, das bewiesen die Epigramme auf sie (es folgen die beiden Epigramme auf den vermeintlichen Aster und das auf Dion, letzteres mit der aus ihm selbst erfundenen Angabe, es solle“ auf dem Grabe stehen) 2). Hierauf wird in starker Hervorhebung mit demselben „man sagt" das Verhältnis zu Alexis und Phaidros (letzteres mit dem Verweis: xađà ngoɛíontai) und das Epigramm auf sie eingeführt, und von demselben „man sagt" hängt dann der folgende Satz ἔχειν τε Αρχεάνασσαν, εἰς ἣν καὶ αὐτὴν οὕτω ποιῆσαι ab, an den sich dann wieder eng ἀλλὰ καὶ εἰς Αγάθωνα schließt. Erst die beiden letzten Gedichte (Τῷ μήλῳ βάλλω σε und Μήλον

1) Der Titel erinnert an Marius de fortuna, Orestes de insania u. dgl. Über die Zeit kann man schwanken. Bis an die oberste Grenze (III. Jahrh. v. Chr.) geht v. Wilamowitz; die unterste wäre I. Jahrh. v. Chr. Meleager erkennt keins dieser Gedichte als platonisch an.

2) Formell vergleichbar ist die Angabe über Aristoteles (Diogenes V 3.4) sie beginnt mit der Erzählung und endet mit dem Liede.

Eyó, Báhle μe) werden ohne solche Einleitung eingeführt 1). Für den Zusammenhang mit dem Hauptteil bürgt nicht nur die Art der Überlieferung in der Anthologie des Kephalas, sondern auch die Anlage des ganzen Stückes. Wie zu dem Gedicht auf den schönen Knaben Αστέρας εἰσαθρεῖς, ἀστὴρ ἐμός das zweite, geistreich das Wortspiel umbildende Αστὴρ πρὶν μὲν ἔλαμπες unter der Einwirkung des Grabepigramms, bzw. der Totenklage gefügt ist, so ist zu dem freie Liebesgedicht an das Mädchen Τῷ μήλῳ βάλλω σε die rhetorische Variation Mλov ¿yá gefügt, die den Apfel wie die Weihegabe sich selbst vorstellen und dann seine Botschaft ausrichten läßt (vgl. für die Form etwa Κόγχος ἐγώ, Ζεφυρίτι, πάλαι τέρας oder die fngierte Aufschrift Ἑρμᾶς ταδ' ἔστακα). Anfang und Schluß entsprechen sich; der Abschnitt ist einheitlich. Erst hiernach beginnt Diogenes einen neuen Satz und eine zweite Aufzählung von Gedichten, die mit der Tendenz des Aristippos nichts mehr zu tun haben: A. P. VII 259 Evßoins yévos ¿ouév (Meleager: Plato), IX 39 (außer den Reihen: Movoixíov), IX 44 (außer den Reihen: Στατυλλίου Φλάκκου, der Corrector fügt aus Diogenes hinzu Пhárovos tov μsɣálov). Die Quelle dieses zweiten, töricht hinzugefügten Verzeichnisses ist also recht jung, da sie Epigramme der Dichter des Philippos-Kranzes auf Plato überträgt.

Etwas ähnliches ist einmal wenigstens auch in dem AristippAbschnitt geschehen, freilich ist die Sachlage dort weniger einfach. Das Gedicht auf Archeanassa wird A. P. VII 217 dem Asklepiades zugewiesen, sicher nach Meleager. Seit wir durch die Papyri über die Anlage seines Kranzes voll unterrichtet sind, erkennen wir, daß schon in ihm die Nachahmung des Antipater von Sidon auf Lais (VII 218) folgte, Meleager das Gedicht also als Grabgedicht faßte. Es ist nicht einfach übernommen, sondern planmäßig abgeändert worden. Asklepiades hatte geschrieben:

Αρχεάνασσαν ἔχω, τὰν ἐκ Κολοφῶνος ἑταίραν,

ᾶς καὶ ἐπὶ ῥυτίδων ὁ γλυκὺς ἕζετ ̓ Ἔρως·

ἧς νέον ἥβης ἄνθος ἀποδρέψαντες ἐρασταὶ

πρωτοβόλου δι' ὅσας ἤλθετε πυρκαιᾶς.

Man ändert wohl ohne Not im dritten Verse as zu ά; Antipater, an dessen Nachahmung kein Zweifel sein kann (vgl. 218, 1 Λαΐδ ̓ ἔχω πολιῆτιν ἁλιζώνοιο Κορίνθου, 5 δρεπτόμενοι χάριτάς τε καὶ ὠνητὴν ἀφροδίτην) tritt mit dem wiederholten ἦν καὶ ἧς ἔτι ἧς ἔπι deutlich für eine Wiederholung des Relativums ein; πρω

1) Diogenes hält sie für ein einheitliches Gedicht und faßt das zweite als Botschaft des nunmehr geworfenen Apfels, bzw. als Inhalt seiner Betrachtung.

Toẞólov hat die erste Hand des Palatinus1) mit Recht aus dem in seiner Vorlage (daher auch bei Planudes) überlieferten яτoBólo hergestellt; Philodem V 123, den Kaibel trefflich erklärt hat, entnimmt sich aus diesem Gedicht ovdè μɛlaívei ẞótovs d παρθενίους πρωτοβολῶν χάριτας (den Beweis, daß er das Gedicht vor Augen hat, gibt v. 6 μɛyálys avτína лvozaïñs). Der Gedanke geht von Sophokles aus, der den Eros auf den weichen Wangen des jungen Mädchens ruhen läßt; bei Archeanassa tat er das noch im Alter in den Runzeln; welch Feuer muß sie im ersten Jugendreiz erweckt haben! Das Bild kehrt bei Asklepiades V 161, 4 wieder (εἰς γὰρ ἑταίραν νυστάζων ἐπέβην ἠδ ̓ ἔθιγον δαΐδος, so Ludwich, 'aída P).

Sollte das Gedicht auf Plato gestellt werden, so mußte zunächst der dorische Dialekt dem attischen weichen; zugleich wurde das Gedicht rhetorisch ausgestaltet. Unsere beiden Quellen, Diogenes und Athenaios XIII 589 c, gehen natürlich beide in letzter Linie auf Pseudo-Aristipp zurück; die Fassungen gehen in zwei Punkten auseinander: v. 2 schreibt Athenaios лixoòs eлeoτiv "Eows, Diogenes ἕζετο δριμὺς Ἔρως, v. 4 gibt ersterer πρωτοπόρου, letzterer πρωτοπλόου. Beide weichen von dem Text des Asklepiades darin ab, daß sie v. 3 gestalten & δειλοί, νεότητος ἀπαντήσαντες ἐκείνης. Wohl wäre man auf den ersten Blick geneigt, das gewähltere Beiwort douús zu bevorzugen, allein zwei Erwägungen scheinen mir dagegegen zu sprechen. An dem γλυκύπικρος ἔρως der Sappho hatte Asklepiades nur die erste Eigenschaft hervorgehoben; er zählt ja den Sophokles überbietend einfach auf: „lockend war ihre Liebe noch im Alter, und in der Jugend wie muß sie da gewesen sein!" 2) Die Umbildung des Fälschers „noch im Alter konnte ihre Liebe quälen, wie muß sie in der Jugend gewirkt haben“, wählte wohl zunächst den einfachsten Gegensatz zu yluxus, eben лixoós. Ferner mußte, wer ein Grabgedicht in boshafter Absicht. zum Bekenntnis des Liebhabers und Besitzers der Lebenden umgestaltete, das seine Deutung gefährdende, ja im Grunde unmöglich machende Imperfektum to meiden. So farblos enɛotiv uns berührt, so hängt doch an ihm die Deutung. Die Fassung des Diogenes ist aus dem Vorbild interpoliert"). In v. 3. 4 läßt sich,

1) Die Korrekturen der Hände C und L stammen aus Diogenes und sind wertlos.

2) So haben in dem Alexis-Gedicht noch späte Schreiber das an sich wohl gefälligere πᾶς τις ἐπιστρέφεται eingesetzt.

3) Ebenso der allerdings nicht sichere Text der Epitome des Athenaios (κρὸς ἐφέζετ' ἔρως).

wenn wir den Wortlaut des Athenaios zum Ausgangspunkt nehmen, ein den Asklepiadestèxt paraphrasierender Vers leicht gewinnen: νεότητος ἀπαμήσαντες *) ἐκείνης πρωτοφόρου. Vorbild war offenbar Ω 451 λειμωνόθεν ἀμήσαντες. Die alexandrinische Dichtersprache, die ja im echten Epigramm und seiner literarischen Umgestaltung reicheren lyrischen Schmuck gestattet als in dem erotischen лaiyviov (man denke an Posidipp) ist vereinfacht, das Empfinden sentimentaler geworden (& deiλoí).

Das Original stammt aus einer Aufzählung schöner Hetären der Vorzeit), wie etwa das bekannte Epigramm desselben Asklepiades auf Aias aus der Aufzählung der homerischen Helden, die er und Posidipp im Zooós geboten hatte (Epigramm und Skolion. S. 95). Auch ihm ist bekanntlich eine ähnliche Umdichtung widerfahren, nur kennen wir diesmal den Autor. Aus den Versen (A. P. VII 145).

Αδ ̓ ἐγὼ ὁ τλάμων Αρετὰ παρὰ τῷ δε κάθημαι
Αἴαντος τύμβῳ κειραμένα πλοκάμους,

θυμὸν ἄχει μεγάλῳ βεβολημένα, εἴπερ Αχαιοῖς

& δολόφρων Απάτα κρέσσον ἐμεῦ κέκριται

machte Mnasalkas (Athenaios IV 163 a), indem er v. 1. 2 лαоà τῇδε κάθημαι Ἡδονῇ αἰσχίστως und v. 3. 4 ἅπασιν ἡ κακόφρων Τέρψις einsetzte, die gegen die Epikureer gerichtete Beschreibung eines aus den Vorträgen des Kleanthes entnommenen philosophischen Bildes (vgl. Cicero De fin. II 69 illius tabulae, quam Cleanthes sane commode verbis depingere solebat. iubebat eos, qui audiebant, secum ipsos cogitare pictam in tabula Voluptatem e. q. s.). Geffcken irrt, wenn er (Griech. Epigramme S. 125) darin eine Art Parodie sieht; das Gedicht will durchaus eigenes Leben haben. Wieder hat Meleager in seinen Kranz die Umbildung nicht aufgenommen, wieder führt er nach Asklepiades dessen ersten Paraphrasten Antipater von Sidon an; selbst die

1) Die Änderung scheint mir notwendig; &navtav tivos ist sprachlich unbelegt (auch bei Sophokles Phil. 719 wird jetzt wohl richtig naidì ovvavtýoas für παιδὸς ὑπαντήσας geschrieben); ein absoluter Genetiv (νεότητος πρωτοφόρου ovons) würde, selbst wenn man xɛívy schreiben wollte, hart und unschön sein. Als ἀπαμήσαντες τα ἀπαντήσαντες verdorben war, setzte dann ein gelehrter Schreiber gotоnlóοv ein, aber er verdarb damit die Einfachheit der Sprache und verlor jeden Anschluß an das Original. Athenaios wahrt die Überlieferung also wieder besser.

2) So erklärt sich der etwas gezwungene Einfall, daß das Grabmal die Not der ersten Liebhaber erwähnt. Den späteren Kataloggedichten im Sinne Skutschs greifen diese Epigrammkataloge, die sich bekanntlich frühzeitig auf Literaturwerke ausdehnen, vor und sind ihrerseits wohl von den Katalogen des späteren Epos und der Elegie abhängig.

von Geffcken ungenügend angegebenen Varianten der sehr reichen Überlieferung bieten ein lehrreiches Gegenbild. Neben der in den. Worten verschiedenen Behandlung desselben Stoffes, wie sie etwa bei Asklepiades und Antipater zu beobachten ist, steht also die Übertragung derselben Worte auf einen anderen Stoff, und wir dürfen vielleicht vermuten, daß sie in philosophischen Zirkeln damals besonders beliebt war. Sie verlangte ja auch mindere dichterische Begabung.. Daß uns weniger Zeugnisse für diese Art Spiel erhalten sind, ist begreiflich. Daß man in den Archeanassa-Epigrammen den angeblichen Plato vor Asklepiades rückt, brauche ich wohl auch danach nicht mehr zu befürchten.

Rätselhaft bleibt bisher, wie die Umbildung gerade mit Plato verbunden werden konnte; daß nur irgendwelche Kunde über die Zeit der Hetäre dazu geführt habe, ist wenig wahrscheinlich. Weit näher hätte eine Verbindung mit Sokrates gelegen; wie er bei Xenophon die Theodote lehrt, so lehrt ihn nach Herodikos (Athenaios V 219 c) die Hetäre Aspasia in recht banalen Versen die Kunst, Knaben zu fangen, und wenn Theodote zu ihm kommen will, so konnte als Gegenbild wohl erfunden werden, daß eine Archeanassa wirklich sich ihm hingegeben hat. Eine gewisse Stütze wird diese Vermutung finden, wenn sich nachweisen läßt, daß die in dem Loghistoricus angeführten acht Gedichte deutlich in zwei Reihen zerfallen, die man scheiden muß, ehe man an die Echtheitsfrage überhaupt herantritt. Denn nur die eine bezieht sich wirklich auf Plato, die andere dagegen ursprünglich auf Sokrates, und gerade in ihr steht das Archeanassa-Epigramm.

Den Beweis für die wohl befremdende Behauptung bietet zunächst Seneca De vit. beata 27,5, der seinen Sokrates sagen läßt: obicite Platoni, quod petierit pecuniam, Aristoteli, quod acceperit, Democrito quod neglexerit, Epicuro quod consumpserit; mihi ipsi Alcibiadem et Phaedrum obiectate. Die nicht von dem Loghistoricus beeinflußte Quelle der gegen Seneca gerichteten Pamphlete hatte Phaidros und Alkibiades ') als ouɛvoi des Sokrates und als durch ihn verdorben angeführt. Das weist auf alte Zeit, wo man noch von dem späteren Leben des Phaidros wußte, und der Verdacht ist begreiflich. Dann aber bezog sich das Epigramm, das Alexis und Phaidros nennt, ursprünglich auf Sokrates, nicht auf Plato, der schon chronologisch ausgeschlossen scheint 2). Hierzu tritt so

1) Der Loghistoricus hatte nur den Alkibiades genannt (Diogenes Laert. II 5, 23). Der Grund wird sich später zeigen.

2) Der Phaidros des Alexis hilft uns zu keiner Erklärung. Auf Plato be

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