I. Das Verhältnis des ,,Andreas" zu den „Schicksalen der Apostel". Wo eine Frage wie die der Verfasserschaft des Andreas bereits nach den verschiedensten Seiten wiederholt behandelt wurde, scheint wohl kaum für eine neue Untersuchung Platz zu sein. In der That, wenn die letzten Abhandlungen über diese Frage von Trautmann1) und Sarrazin2), welche zunächst zu beweisen suchten, dass die Schicksale der Apostel einen Anhang zur Andreasdichtung bilden, und auf Grund dieser für sie feststehenden Thatsache die Andreasfrage nunmehr als endgültig entschieden betrachteten, wirklich überzeugende Beweise für diese Behauptung erbracht hätten, so wäre eine Arbeit wie die folgende überflüssig. In der nach Trautmanns Abhandlung erschienenen englischen Litteraturgeschichte von Wülker wird jedoch an der Ansicht festgehalten, dass der Andreas von einem Nachahmer des Cynewulf herrühre. Desgleichen ist Sievers nach wie vor der Meinung, dass der Andreas nicht von Cynewulf gedichtet sei, und im allgemeinen scheinen die Ansichten der Anglisten über diesen Punkt heute noch ebenso auseinander zu gehen, wie früher. Da aber die Berechtigung der nachfolgenden Arbeit darauf beruht, dass die von Trautmann und Sarrazin 1) Beiblatt zur Anglia VI. p. 17 ff. beigebrachten Argumente für die Annahme, dass das Gedicht Sch. A. einen Teil der Andreasdichtung bilde und infolge dessen der Andreas ein Werk Cynewulfs sein müsse, nicht stichhaltig sind, so wird das erste Kapitel dieser Untersuchung sich mit dieser Frage zu befassen haben. Ich beginne mit Sarrazins Artikel. Sarrazin sagt: Wer jetzt noch den Andreas dem Cynewulf abspricht, wird wenigstens zugeben müssen, dass Cynewulfs Autorschaft für die Elene nicht um ein Haar besser begründet ist. Der Epilog der El. steht äusserlich und innerlich genau in demselben Verhältnis zu diesem Gedicht, wie die Sch. A. zum Andreas. Entweder muss man beide Legenden Cynewulf zuschreiben, oder wenn man hyperkritisch sein will, bei beiden dasselbe Fragezeichen in Bezug auf den Verfasser machen. Die El. als „echtes", den And. aber als „unechtes" oder „zweifelhaftes" Werk Cynewulfs zu bezeichnen ist unmethodisch. Man könnte ja auch den Epilog der Elene als besonderes Gedicht auffassen, ja man wäre dazu fast noch mehr berechtigt, weil ein „Finit", welches die eigentliche Legende beschliesst, vorhergeht, während das „Finit" des Andreas erst hinter den Runenversen steht." Die Behauptung Sarrazins, der Epilog der Elene stehe äusserlich genau in demselben Verhältnis zu diesem Gedichte, wie Sch. A. zum And., und man könnte den Epilog der Elene gleichfalls als besonderes Gedicht auffassen, findet zunächst in der Handschrift selbst ihre Widerlegung. In der Vercelli-Hsch. ist die Elene in Abschnitte geteilt, und jeder Abschnitt numeriert. Die Nummerangabe fehlt nur bei dem 11. und 12. Abschnitte. Der Epilog ist mit der Nummer 15 versehen. Unmittelbar auf das Amen des Epilogs folgt ein Stück über Guplac, das aber keine Nummer trägt. Durch diese An ordnung der Hsch. ist also äusserlich ein unverkennbarer Zusammenhang zwischen der El und deren Epilog vorhanden. Wie steht es nun mit dem inneren Verhältnis des Epilogs der Elene zu dem Gedichte selbst? Der Epilog beginnt: pus ic frod ond fus purh þæt fæcne hus wordcræft wef ond wundrum læs. Da ist zunächst zu sagen, für ein besonderes Gedicht wäre das ein unmöglicher Anfang. Das Wort "bus" zeigt sogleich, dass wir es nicht mit dem Anfange eines neuen Gedichtes zu thun haben, sondern dass die Dichtung Bezug nimmt auf etwas, was vorausgegangen ist, und aus den folgenden Zeilen ist es klar, dass der Dichter an das eben beendete Werk denkt. „So habe ich alter Mann mühevoll und kunstvoll gedichtet", fängt er an, und dann spricht er weiter von sich selbst und der Entstehung des Gedichtes; v. 1252 ff. sagt er, wie er oft über das Kreuz simuliert habe, bevor er das Wunder von dem heiligen Baum offenbarte, „wie er in den Büchern berichtet fand". Darauf folgen Cynewulfs Name in Runen, eine kurze Reflexion über die Vergänglichkeit der Welt und zum Schlusse eine längere Schilderung des jüngsten Gerichtes. Dass in den ersten 20 Zeilen des Epilogs der Dichter auf die Elene Bezug nimmt, ist klar, so klar, dass man doch die Beziehung zu der Elene hätte erkennen müssen, auch wenn der Epilog nicht als 15. Abschnitt der El. in der Hsch. stände, sondern irgend anderswo in derselben.1). Der Epilog hat inhaltlich eine raison d'être nur insofern, als er ein Nachwort zur Elene bildet. 1) v. 1255 b „swa ic on bocum fand" lässt es ausgeschlossen sein. dass das Gedicht „Die Vision des Kreuzes" in Betracht kommen könnte. |