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II. Die Hauptperioden in der Entwickelung der deutschen Stadtverfassung. Die Namen Consul und Bürgermeister. Die Regel des Weichbild

rechts: die Luft macht frei.

Die Volks- und Gauverfassung hatte überwiegend auf demokratischer Grundlage geruht. Aber seit der Gründung der neuen Staaten im fünften und sechsten Jahrhundert war dieselbe durch das Wachsthum von Monarchie und Aristokratie mehr und mehr eingeschränkt worden. In den westlichen Theilen der grossen fränkischen Monarchie noch früher als in den austrasischen Landschaften, auf welche die alte römische Welt nur einen mittelbaren Einfluss ausübte, und wo sich eben deshalb ursprünglich germanisches Leben, Recht und Sitte länger und kräftiger behaupteten. Als dann jene Monarchie aufgelöst wurde, als diejenige Staatsform, welche wir Feudalverfassung nennen, die herrschende wurde, lag das Hauptgewicht der Verfassung in der Aristokratie, deren monarchische Spitze in Deutschland zu keiner rechten Kraft gelangen konnte, weil durch das wiederholte Aussterben der grossen Königsgeschlechter das Princip der Erblichkeit als der eigentliche Rechtsgrund des Königthums gegen das der Wählbarkeit zurücktreten musste, und weil die Häupter der Aristokratie durch die Entstehung der Landeshoheit sich selbst zu untergeordneten Monarchen emporschwangen.

Man hat nun wohl zuweilen gesagt, die alte Demokratie habe sich in die Städte geflüchtet, und in diesen sei das ursprüngliche Princip des germanischen Staates am reinsten und vollständigsten fortgepflanzt worden. Hierin liegt auch in der That etwas Wahres, sobald man die Sache im

Grossen betrachtet, und die spätere Entwickelung des städtischen Lebens dabei schon mit in Anschlag bringt. Allein eben dieses letztere hat sich doch in einer viel zu grossen Mannigfaltigkeit von Zuständen ausgeprägt, als dass nicht im Einzelfien noch genauere Unterscheidungen aufgestellt werden müssten, und die Geschichte zeigt, dass zwischen der Demokratie der alten Volks- und Gauverfassung und derjenigen, welche sich in den Städten entwickelte, bedeutende Perioden in der Mitte gelegen haben, in denen die städtische Verfassung auf andere als demokratische Grundlagen gebaut gewesen ist. Um jedoch hierüber etwas allgemein Gültiges sagen zu können, muss man sich auf einige leitende Ideen beschränken, da jede Stadt mehr oder weniger wieder ihren eigenthümlichen Bildungsgang genommen hat.

1. In der ältesten Zeit, im elften und zwölften Jahrhundert waltet unverkennbar in der Stadtverfassung das monarchische Princip vor. Es ist dies eben eine Folge von dem Uebergewicht der Aristokratie, die sich in den kleineren, den einzelnen Mitgliedern derselben unterworfenen Kreisen als Monarchie äussert. Und wenn es auch schon eine Gemeindeobrigkeit in der Stadt giebt, wie z. B. die conjurati civitatis in Hagenau (s. unten S. 94), die conjuratores fori in Freiburg im Breisgau: die Hauptgewalt befindet sich in den Händen des Herrn der Stadt und der von`ihm über die Stadt gesetzten Beamten. Vogt, Burggraf, Schultheiss (scultetus, praefectus, causidicus, judex), Zöllner (telonearius), Münzmeister (magister monetae) sind die hier am häufigsten vorkommenden Personen. Omnia officia spectant ad episcopum, sagt das alte Strassburger Stadtrecht, und wie die Gesetze der karolingischen Periode voll sind von Klagen über die Willkür der Beamten, so fehlt es auch in den Städten der späteren Zeit nicht an ähnlichen Beschwerden über arge Bedrückungen, welche entweder von

den Herren selbst oder von ihren Beamten über die Stadtgemeinden ausgeübt wurden. Vgl. unten S. 44. 126. Ein merkwürdiges Beispiel hiervon bietet namentlich das älteste Augsburger Stadtrecht von 1156 dar 1).

2. Seit dem Ende des 12. und dem Anfange des 13. Jahrhunderts tritt in den Städten das Streben nach einer freien Gemeindeverfassung immer mächtiger hervor, aber was wohl zu beachten, diese selbst hat wieder eine aristokratische Grundlage. Es ist gewissermassen eine Demokratie der städtischen Aristokratie, der Vollbürger, der rathsfähigen Geschlechter, als deren Ausdruck nun vorzugsweise der Stadtrath, consilium, collegium consulum erscheint 2); dieser aber geht entweder aus einer schon früher vorhanden gewesenen Gemeindeobrigkeit, deren Rechte jedoch beschränkter gewesen waren, hervor, oder er wird in vielen Städten auch ganz neu ins Leben gerufen. Ueberall jedoch verfolgt derselbe jetzt die Tendenz, das Stadtregiment vorzugsweise in seine Hand zu bringen, dem Herrn der Stadt ein Recht nach dem andern abzugewinnen, und hierdurch die Thätigkeit der herrschaftlichen Beamten immer mehr zu beseitigen. Die Besetzung des Stadtraths erfolgte auf sehr verschiedene Weise; zuweilen durch Selbstergänzung; in manchen Städten gab es auch nur eine Anzahl von Geschlechtern, denen das Recht der Rathskur zustand, wie dies Jacob von Königshoven cap. 5. § 96 von Strassburg berichtet. Die Regel aber war, dass nur Mitglieder der rathsfähigen Geschlechter in den Rath hineinkamen. Gegen diese consilia ergingen die unten S. 20 fg. mitgetheil

1) Dieses interessante und in vielen Beziehungen sehr eigenthümliche Statut steht vollständig und im lateinischen Originaltexte abgedruckt nur in den Monum. Boica. Vol. 29. P. 1. 327 sq. Gleich am Anfange ist davon die Rede, dass die Stadt,, insolita et Deo odiosa advocatorum intrinsecus et extrinsecus exactione vexata" gewesen sei.

2) Vergleiche besonders Hegel a. a. O. II. 416 fg.

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ten hohenstaufischen Gesetze, welche aber keinen dauernden Erfolg hatten. In denjenigen Städten, welche erst seitdem gegründet wurden, tritt dann regelmässig auch gleich von Anfang an ein consilium als die eigentliche Stadtbehörde auf. Uebrigens hat sich in manchen besonders grösseren Städten ein völlig schrankenloser Uebermuth jener Geschlechter gegen die gemeine Bürgerschaft, namentlich die Handwerker entwickelt, und bei den Geschichten von den Oberstolzen in Cöln, den Auer in Regensburg, den Mülheim und Zornen in Strassburg u. a. sieht man sich ganz in Zustände einer Gewaltherrschaft versetzt, wie sie die italiänischen Städte des Mittelalters lange Zeit hindurch in reichem Masse darbieten. Jacob von Königshoven schildert -cap. 5. § 94 die Verhältnisse von Strassburg am Anfange des 14. Jahrhunderts in folgender Weise: Zu diesen Zeiten stand die Gewalt der Stadt an den Edlen, und von diesen wurden etliche so hochfahrend, dass sie einen Handwerksmann, der für geleistete Arbeit Geld von ihnen verlangte, schlugen und ihm Streiche versetzten. Da konnte unter den Handwerksleuten niemand leicht zu seinem Gelde kommen, er machte sich denn an einen edlen Mann, dem er dienete, gleichwie in den Dörfern ein Bauer seinem Herrn dienet. Der beschirmte dann den Handwerksmann vor Gewalt und half ihm, dass er bezahlt ward. Und da gab es unter den Rittern zu Strassburg etliche, die wohl 300 oder 400 Handwerksleute hatten, welche Hülfe von ihnen genossen.

3. In das 14. und 15. Jahrhundert fallen dann in vielen Städten heftige Kämpfe zwischen den rathsfähigen Geschlechtern und der übrigen Stadtgemeinde, communitas civium, welche selbst wieder hauptsächlich von den Handwerkerzünften repräsentirt wurde. Es sind Streitigkeiten, oft mit Ausbrüchen ungestümer Roheit verbunden, wie in Rom zwischen den Patriziern und Plebejern, und die Folge davon war, dass die Stadtverfassung mehr oder weniger de

mokratisirt wurde, und das plebejische Element einen Antheil am Stadtregiment errang. Dies konnte jedoch selbst wieder in verschiedenen Formen geschehen, und eine der interessantesten wegen ihres Herüberwirkens in die neuere Zeit ist offenbar die Bildung eines weiten oder äusseren Raths, welcher nun dem engen oder inneren Rathe, dem consilium, gegenüberstehen, an dessen Zustimmung dieser letztere in vielen Fällen gebunden, dessen Controlle er in gewissen Dingen unterworfen sein sollte. Dieser weite Rath in den Städten, welcher zuweilen selbst wieder in verschiedene Bürgercollegien zerfiel, wovon Hamburg mit seinen Collegien der 15 Oberalten, der Sechziger und der Hundert und Achtziger bis in die neuesten Zeiten ein merkwürdiges Beispiel geliefert hat, entspricht offenbar der gemeinen Landschaft, d. h. den Landständen in den monarchischen Territorien. Auch findet zwischen beiden in Betreff der Gegenstände, wo ihre Thätigkeit und Mitwirkung für besonders wesentlich angesehen wurde, eine unverkennbare Analogie Statt. In unsern Tagen ist das Collegium der Stadtverordneten, und in jüngster Zeit der Gemeinderath trotz des sehr veränderten Wirkungskreises als ein Ausdruck desselben Grundgedankens zu betrachten, aus welchem jener weite Rath hervorgegangen ist.

Dieser kurzen Uebersicht füge ich jetzt noch einige Bemerkungen über die schon oben in der Ueberschrift angedeuteten Punkte bei.

Wann kommt der Name Consul zuerst in Deutschland vor? Hegel a. a. O. 2, 464. sieht das Soester Stadtrecht, dessen ältester Bestandtheil seiner Meinung nach aus der Mitte des 12. Jahrhunderts herrühren soll, und das der Stadt Medebach 1165 von dem Erzbischof Rainald von Cöln verliehene, für diejenigen an, wo jener Name am frühesten gefunden werde. Er hat jedoch übersehen, dass derselbe auch schon in der echten Verfassungsurkunde Conrads von

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