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beklagen, dass neben den drückenden Lasten und schmerzlichen Wunden, welche der unvermeidliche Krieg über Besiegte und Sieger bringt, als schlimmste Folge desselben Gesinnungen zurückbleiben, die ein friedliches Zusammenwirken Beider in gemeinsamen Aufgaben unendlich erschweren und alle schönen Anfänge dazu, die im Gebiete der Wissenschaft gemacht worden, Saaten, die auch uns schöne Ernte versprachen, auf lange Jahre hinaus zerstören!

Schätzen wir uns glücklich, Tit., dass unser Vaterland den lebendigen Beweis liefert, dass aufrichtige Anerkennung der Gleichberechtigung aller Nationalitäten wenigstens eine der mächtigsten Quellen solch' beklagenswerther Katastrophen, die Eifersucht von Volk gegen Volk, versiegen macht, und dass unter jener Bedingung eine entente cordiale" zwischen denselben möglich ist, die durch keine immer sich erneuernden Opfer an Blut und Kräften erkauft zu werden braucht.

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Ist nun. Tit., der Congress, in dessen Gegenwart wir zusammentreten sollten, mit Nothwendigkeit auf unbestimmte Zeit vertagt, so lassen Sie uns mit vermehrter Anhänglichkeit an die Heimat unsere besondere, bescheidenere Aufgabe fördern. Auch der Umstand soll uns hierin nicht stören, dass unser Kreis heute durch die gleichzeitigen, unerwartet auf unsern längst bestimmten Tag angesetzten Versammlungen des schweizerischen Alpenklubs und der schweizerischen gemeinnützigen Gesellschaft, sowie durch manche persönliche Abhaltungen ungewöhnlich gelichtet ist.

Indem ich mich freue, Sie bei Ihrem Zusammentritte herzlich zu bewillkommen, wollen Sie mir gestatten, nach gewohnter Weise zu verfahren, und Ihre Sitzung mit einem gedrängten Rückblick auf all' Dasjenige zu eröffnen, was die schweizerische Geschichtforschung seit unserer letzten Zusammenkunft berührte.

In Uebereinstimmung mit Empfindungen, die nun leider Tausenden nur zu nahe liegen, wenden sich auch unsere Ge danken zunächst schmerzlichen Erinnerungen zu. Ungewöhnlich zahlreich sind diessmal die Verluste, die wir theils im Schoosse

unserer Gesellschaft, theils unter denjenigen Miteidgenossen zu beklagen haben, die, ohne unserm Kreise anzugehören, doch Studien und Arbeiten mit uns theilten und unsere Bestrebungen mehr als einmal auch durch persönliche Theilnahme an unsern Versammlungen und unsern Publicationen unterstützten.

Schon kurze Zeit nach unserem Feste in Neuenburg, im Dezember 1869, verlor die Gesellschaft durch Hinscheid zwei ihrer zürcherischen Mitglieder, die HH. Bürgermeister v. Muralt und Mousson. Ich habe anderwärts beiden mir unvergesslichen Männern, die seit dem Ursprunge unserer Gesellschaft ihr angehörten, ein Wort dankbarer Erinnerung gewidmet. In der schweiz. Geschichtsliteratur wird des Erstgenannten „Landammann Reinhard" ein verdientes Denkmal auch für den Verfasser bleiben. Das Jahr 1870 entriss uns in Herrn Pfarrer Boll in Bern ein unsere Versammlungen hier in Solothurn regelmässig besuchendes ergebenes Mitglied, und in Herrn Pfarrer Meinrad Meyer in Freiburg einen Mitarbeiter, von dessen Treue und Gründlichkeit unser „Anzeiger", das „Urkunden-Register", eine Reihe Arbeiten in den „Archives de la Société d'histoire du canton de Fribourg" und andere Schriften Zeugniss ablegen. Nicht nur in Freiburg und in seiner aargauischen Heimatgemeinde Kirchdorf, die er mit reichen Vergabungen bedachte, sondern auch in unserer Mitte wird das Andenken des ebenso gefälligen als tüchtigen und bescheidenen Mannes rühmlich fortleben.

Herr Dr. Heinrich Meyer, der am 22. Mai d. J. den Seinigen und Zürich entrissen wurde, war für die Interessen des wissenschaftlichen und künstlerischen Lebens seiner Vaterstadt in mannigfachster und verdienstlichster Weise thätig und einflussreich, hat durch eine Reihe gelehrter Arbeiten die Kunde von den schweiz. Alterthümern trefflich gefördert und den numismatischen Sammlungen der Stadtbibliothek und der antiquarischen Gesellschaft Zürich's mit grosser Sorgfalt vorgestanden. Um unsern Kreis, dem er mit ganzer Seele zugethan und bei dessen Zusammenkünften er fast alljährlich mein lieber Gefährte war, den ich stets schmerzlich vermissen werde, erwarb er sich

durch Mitbegründung und fleissige Mitarbeit am „Anzeiger" besondern Anspruch auf Dank. Fast jedes Blatt der 14 Jahrgänge der Zeitschrift zeugt hievon; sie wird für uns sein Denkmal bleiben.

Aus der Reihe unserer Ehrenmitglieder hat der Tod die Herren Cibrario, Senator und Mitglied der Akademie in Turin, und Archivdirector F. J. Mone in Karlsruhe abberufen. Ersterm haben die Geschichte der romanischen Schweiz vielewichtige Aufklärungen und unsere Mitglieder aus derselben, lebende, und die freundlichste Förderung und Unterstützung zu verdanken. Herr Mone, der zum Behufe des Urkundenregisters und bei andern Gelegenheiten sich schweizerischen Gelehrten gefällig erwies, machte in seiner bändereichen Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins" viel willkommenes Material auch für uns zugänglich.

Durch Austrittserklärung verliessen uns die Herren Fürsprech Dr. Hotz in Zürich, J. Pl. Segesser-Arnold in Luzern, Regierungsrath Dietler in Solothurn und Staatsrath H. Fazy in Genf.

Nicht wenig zahlreiche Lücken sind unter den Männern entstanden, die wir zwar nicht förmlich zu den Unserigen zählen konnten, die aber durch ihre ganze Thätigkeit uns nahe standen, und deren Wirken und Arbeiten auch hier ein Wort dankbarer Erinnerung gebührt. Am 21. Dezember verloren Basel und die germanistische Wissenschaft den hervorragenden Vertreter der letztern, die Zierde der dortigen Hochschule, Wackernagel, den wir bei der Treue, womit er seine zweite Heimat und alle Interessen derselben umfasste und Angesichts Dessen was aus seinen Arbeiten auch uns Gewinn wurde, als Schweizer und als Historiker ganz den unsrigen heissen dürfen. Im letztverflossenen und im gegenwärtigen Jahre wurden nach einander die Herren Landammann G. J. Sailer und Dr. Anton Henne im Kanton St. Gallen, Professor Edouard Secretan in Lausanne Oberstlieutenant D. Nüscheler in Zürich, Dr. Stantz und Prof. Zündel in Bern, Landammann Ettlin in Sarnen, Archivar Heyer

und François Seguin in Genf und ganz kürzlich Prof. Gelpke in Bern aus Wirkungskreisen abberufen, in denen sie alle sich auch um die schweizerische Geschichte, wenn auch in verschiedener Weise, verdient gemacht haben. Am nächsten standen unserem Vereine die Herren Stantz und Secretan. Noch ist Ihnen, Tit., der lebendige Vortrag erinnerlich, durch welchen uns der Erstere einst hier erfreute, und die Gemüthlichkeit, mit welcher er auch, den Abend unseres damaligen Festes verschönte, als wir aus seinem Munde den alten Gesang von William of Cloudeslay in Bodmer's kräftiger Sprache erklingen hörten. Die Fenstergemälde im Bundesrathhaus und manch' ähnliche Werke seiner kunstreichen Hand, sein schönes „Münsterbuch", seine Abhandlung im Archiv" des Kantonalvereins Bern werden seinen Namen noch auf die Nachkommen bringen, denen nicht mehr vergönnt ist, den wackern, geraden und bei aller lebhaften Eigenthümlichkeit so liebenswürdigen Mann persönlich zu kennen. Mitten aus einer mit jugendlichem Eifer begonnenen Arbeit über schweizerische Heraldik raffte ihn der Tod unerwartet dahin.

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Herr Prof. Secretan, erst nach andern Studien der Geschichte im engern Sinne des Wortes sich zuwendend, wurde durch seine rege Lebendigkeit und die Vielseitigkeit seines Wissens rasch zu einem der thätigsten Mitglieder der historischen Gesellschaft der romanischen Schweiz, die seinen Verlust schwer empfindet. Durch seinen „Essai sur la féodalité" hat er sich um sie, durch seine inhaltreiche Abhandlung: Un procès au 12me siècle", die unser „Archiv" schmückt, um uns bleibendes Verdienst erworben. Diesen Arbeiten und seiner Notice sur Gérold, comte de Genève", in den Mémoires et documens" der Genfer historischen Gesellschaft, gebühren der Vorrang unter den Untersuchungen eines unermüdlichen Forschungstriebes, welcher den Verfasser in allzu raschem Wechsel zu den verschiedenartigsten Aufgaben führte, aber auch jede Unterhaltung mit ihm so belebend und anregend gestaltete. Entgegengesetzte Pole in Geschichtforschung und Darstellung vertraten andere der genannten Männer.

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Frisches Leben der Gegenwart, das auch die Vergangenheit nur nach seinem eigenen Maasse misst, pulsirt in den Arbeiten von Sailer und Henne, und wenn in des Letztern Schweizerchronik die rege Phantasie und die entschiedene Parteinahme des Verfassers die Rechte ruhiger Kritik beeinträchtigen, so wird ihm doch sein Werk als ein Zeugniss aufrichtiger, warmer Vaterlandsliebe auch bei der Zukunft zur Ehre gereichen.

Einer ältern, nüchternen Schule gehören die Arbeiten von Nüscheler an, von denen die frühern aus einer von der wissenschaftlichen Kritik der Neuzeit noch unberührten Epoche stammen; die spätern, in den Neujahrsblättern der zürcherischen Feuerwerkergesellschaft, ein mit dem gewissenhaftesten Fleisse gesammeltes Material zur zürcherischen und theilweise zur eidgenössischen Militärgeschichte liefern. Herrn Prof. Zündel verdankt man eine bemerkenswerthe Untersuchung über die hervorragenden Geschlechter des römischen Aventicum, willkommene Frucht der sonst ganz andern Gebieten zugewandten Arbeiten dieses geistreichen Gelehrten. Herr Heyer, der das Genfer Archiv ordnete und wie nicht leicht ein Anderer kannte, war Allen, die dasselbe benutzten, ein ausnehmend kundiger und gefälliger Führer und bedachte die „Mémoires et documens" der Genfer Gesellschaft mit werthvollen Beiträgen, während Herr Seguin numismatischen Forschungen mit Hingabe oblag. Mit grossem Fleisse und anerkennenswerther Unbefangenheit bearbeitete Herr Professor Gelpke das Gebiet der schweizerischen Kirchengeschichte, nach Rettberg's Vorgange für Deutschland. Obwohl es ihm nicht gelang, die Klarheit und Bündigkeit seines Vorbildes zu erreichen, werden doch alle Arbeitsgenossen auf diesem Felde das Verdienst seines umfangreichen Werkes stets anerkennen.

Eine lange Reihe von Namen, eine leider nur, allzu lange, hatte ich Ihnen, Tit., in dieser Ueberschau unserer Verluste zu nennen und noch ist vielleicht das eine oder andere Mitglied uns entrissen worden, ohne dass Ihre Vorsteherschaft von seinem Scheiden aus unserer Mitte Kenntniss erhielt. Angesichts dieser

Hist. Archiv Bd. XVIII.

II

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