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Bericht über neuentdeckte handschriftliche Urkunden zur Geschichte des Gottesdienstes in der nestorianischen Kirche.

Von

Lic. Dr. G. Diettrich,

Pfarrer der Reformationskirche in Berlin.

Vorgelegt in der Sitzung am 19. Juni durch Herrn N. Bonwetsch.

Durch den arabischen Antiquar Alzebuni in Mossul wurden mir im Januar dieses Jahres auf Veranlassung des bekannten Dominikanerabbés Mingana, Professor am syro-chaldäischen Seminar in Mossul, zwölf syrische Handschriften zur Ansicht und eventuellen käuflichen Erwerbung zugeschickt. Wie, wann und wo Alzebuni in den Besitz dieser Schätze gekommen ist, kann ich leider nicht sagen. Auf Grund einer Notiz in Mingana's Sources syriaques pag. X vermute ich, daß die ältesten dieser Handschriften in dem einst christlichen Dorfe Eqrur, circa 16 Meilen nordöstlich von Zakho und circa 20 Meilen nordwestlich von Ašitha gefunden worden sind. Ist das richtig, so haben sie eine interessante Geschichte gehabt. Dann sind sie mit zahlreichen andern handschriftlichen Schätzen dank dem Sammeleifer mehrerer nestorianischer Bischöfe vor mehr denn fünf Generationen als heilige Reliquien einer großen Vergangenheit aus den verschiedensten Teilen Mesopotamiens nach Eqrur gebracht worden. Als dann vor etwa 150 Jahren der wilde Kurdenstamm der Gogajê das stille Christendorf mit einem Massakre bedrohte, und die Christen die Flucht ergriffen, da haben sie, was sie von ihren Handschriften zu tragen vermochten, mit sich geschleppt. Das Meiste aber haben sie zum Schutz vor Entweihung durch die Andersgläubigen teils verbrannt, teils in dem Dorfe vergraben. Ein Teil der vergrabenen Hand

schriften scheint durch Alzebunis Bemühungen wiedergefunden zu sein und mit einigen neueren Handschriften vor mir zu liegen. Doch sei dem, wie es sei, wir haben hier jedenfalls eine Reihe älterer und neuerer syrischer Handschriften vor uns, und es lohnt sich, dieselben etwas näher anzusehen.

Zuvor jedoch sei es gestattet, folgende vier Handschriften, als außer den Rahmen unseres Themas fallend, bei Seite zu schieben: a) eine undatierte astronomische Abhandlung:

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„eine Erklärung über die Zeichen des Zodiakus, wann in ihnen die einzelnen Jahre ihren Anfang nehmen".

b) eine ebenfalls undatierte Grammatik der syrischen Sprache: dis og bolias ā, hooil bed? sasoziol

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ܕܢܨܝܒܝܢ.

= Grammatik ') der aramäischen d. h. syrischen Sprache; und sie ist verfaßt von Mar Elija, dem Metropoliten von Nisibis".

c) Eine im Jahre 1840 von einer Vorlage aus dem Jahre 1262 p. Chr. abgeschriebene Chronik:

twa wis lap mad? bol? bedelle al lhö ai? bh

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Buch des Summariums 2), Geschichte über die Welt der Zeit (= Weltgeschichte), verfaßt von dem heiligen Mar Johanan Bar Penkaje". (VII. Jahrh.)

d) Eine unter dem Pontifikat Leo's XI. (1823-29), also von unierter Seite, geschriebene Handschrift verschiedenen Inhaltes: a) fol. 1-54: Schatzhöhle 3);

B) fol. 55-146: Akten mehrerer Märtyrer (Cyriacus und
seine Mutter Jolite, Georgius, der Vater des Georgius,
Behnâm und seine Schwester Sara, Micha Nuhadhraja,
Abhraham Qandonaja)*);

1) Diese Grammatik ist schon von Gottheil: „A treatise on Syriac Grammar by Mar Elia of Sobha, Berlin 1887" veröffentlicht.

2) Der zweite Teil dieser Chronik, d. h. hom. 10-15 (die Zeit von Christo bis auf circa 690 p. Chr. n.) ist schon von Mingana, Sources syriaques, Leipzig 1907 herausgegeben, der erste Teil d. h. hom. 1-9 (die Zeit von der Erschaffung der Welt bis auf Christum) harrt noch der Veröffentlichung.

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3) Die Schatzhöhle" ist schon von C. Bezold syrisch und deutsch 1888 und 1888 herausgegeben.

4) Zu Cyriacus und seiner Mutter Jolité cfr. Bedjan, Acta Martyrum et Sanctorum 1892, pag. 254 ff.; zu Georgius cfr. ebenda 1890, pag. 277 ff.; zu Mar Behnam und seiner Schwester Sara ebenda 1891, pag. 510 ff.; zu Micha Nuhadh

7) fol. 146-154 Siege der Propheten, verfaßt von Epiphanius von Cypern 1);

d) fol. 155–171 das apokryphe Buch Tobia, im Jahre 1818 aus dem Arabischen ins Syrische übersetzt.

Alles Uebrige darf als ein bisher noch unveröffentlichtes Quellenmaterial zur Geschichte des Gottesdienstes der nestorianischen Kirche angesehen werden und wird darum im Folgenden des Näheren beschrieben.

No. 1.

Ein nestorianisches Evangeliarium.

156 stark vergilbte Blätter. Auf jeder Seite jedes Blattes 2 Columnen von je 20 Zeilen. Der Schriftduktus (tiefschwarz) scheint auf das 17. Jahrhundert zu verweisen. Am Anfang und am Ende jeder Perikope rote Ueber- resp. Unterschriften in Miniaturmalerei. Das erste und letzte Blatt sind leider verloren gegangen. Das mag für die Datierung der Handschrift eine empfindliche Lücke bedeuten, fällt aber für die Feststellung des Inhaltes nicht weiter in die Wagschale. Jedenfalls haben wir ein nestorianisches Evangeliarium vor uns. An verschiedenen Stellen des Evangeliars sind Blätter aus einer sehr alten Handschrift der Homilien des Jakob von Sĕrugh eingeheftet. Auf die linke Seite dieser Blätter sind ziemlich ungeschickte bildliche Darstellungen aufgeklebt, die bald =,altes Bild", bald als 1 ling Bild" bezeichnet werden. Obgleich diese Darstellungen erst allerneusten Datums sind 2), so beanspruchen sie doch schon darum ein Interesse, weil die alten" unter ihnen offenbar von alten nestorianischen Vorlagen kopiert sind. Bei der geringen Zahl illustrierter syrischer Bibelhandschriften3) dürfte darum ein Verzeichnis der vorliegenden Bilder nicht überflüssig sein.

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= „neues

raja ebenda 1891, pag. 510 ff.; zu Abhraham Qandonaja (besser Qidhonaja) ebenda 1896, pag. 465 ff. Also ist Alles schon herausgegeben.

1) Veröffentlicht von Nestle in der Porta linguarum orientalium, syrische Grammatik 1888 pag. off. Dazu vergleiche die Collationen desselben Verfassers in: Die dem Epiphanius zugeschriebenen Vitae prophetarum, Tübingen 1893, pag. 36-43.

2) Auf mehreren Bildern ist deutlich das Jahr 1908 p. Chr. n. als Jahr der Reproduktion angegeben.

3) cfr. hiezu Stephan Beissel, Geschichte der Evangelienbücher in der ersten Hälfte des Mittelalters, Freiburg 1906, S. 59-70; Augustin Stegenšek, eine syri

fol. 1: Von zwei durch Flechtwerk gebildeten Rechtecken ein

ܥܠ ܚܝܠܗ ܕܡܪܢ ܝܫܘܥ ܡܫܝܚܐ :gerahmt, die kunstvolle Inschrift

n

•No all Alo? Tad laïpo löho vioad A}? (Aïvs) (1ÿog homx = (Im Vertrauen) auf die Kraft unseres Herrn Jesu Christi tragen wir die mannigfaltigen Bilder auf, die man am Anfang der heil. Bücher zur Erklärung des Wortes Gottes findet. Amen“. fol. 9: Anbetung der zwölf1) Könige aus dem Morgenlande, ohne Datierung. fol. 12: Zwei durch Flechtbänder gebildete Rechtecke, die sich wie Fliesenböden ausnehmen; das obere als alt, das untere als neu bezeichnet. fol. 28: Christus am Kreuze; rechts davon Leiter und Stange mit Schwamm, links davon Lanze und Hahn. Neues Bild. fol. 33: In einem durch Flechtwerk gebildeten zweifachen Türrahmen (der innere gewölbt, der äußere rechteckig) der kunstvoll geschriebene Text des Vaterunsers. fol. 69: Der Einzug Jesu in Jerusalem, altes Bild 2). fol. 95: Ein großes durch Flechtwerk gebildetes Kreuz, dessen Arme wieder in Kreuze auslaufen; altes Bild. fol. 101: Ritter Georg im Kampf mit dem Drachen, ohne Datierung 3). fol. 141: Ein aus Flechtwerk gebildetes Kreuz, zu dessen Füßen rechts und links eine Lampe mit brennendem Docht steht; altes Bild 1). fol. 150: Ein Mosaik mit dem Kreuzmotiv, altes Bild.

Als bisher noch völlig unbekannt dürfte also wohl nur die Anbetung der zwölf Könige aus dem Morgenlande angesehen werden.

Die für die einzelnen Sonn- und Festtage bestimmten Perikopen gebe ich in folgender Uebersicht aufs eingehendste wieder, weil sie von der in Macleans East Syrian Daily Offices (London 1894, pag. 264 ff.) aufgestellten nestorianischen Perikopenreihe mehrfach abweichen.

sche Miniaturenhandschrift des Museo Borgiano, Oriens Christianus 1901, pag. 343-53; und Anton Baumstark, drei illustrierte syrische Evv., Oriens Christ. 1904, pag. 409—13.

1) Ueber die Zwölfzahl der „Weisen" aus dem Morgenlande cfr. Nestle: Die dem Epiphanius zugeschriebenen Vitae prophetarum, Tübingen 1893, Anhang pag. 67 ff.

2) Im Entwurf dasselbe, wie das von Stegenšek 1. c. pag. 343 reproduzierte. Nur beachte, daß in unserem Bilde die Männergestalten vor und hinter dem einziehenden Herrn durch Knaben ersetzt sind.

3) Auch diese Darstellung erinnert an Stegenšek 1. c. pag. 348 und wird darum von einem alten Original kopiert sein.

4) Aehnlich wie Stegenšek 1. c. pag. 354. Doch beachte, daß die Lampen nicht hängen, sondern unter dem Kreuze stehen.

fol. 2a, col. a, Z. 1: 1. Sonntag der Annuntiatio (Advent)'). Luc. 1, 5-25 [syrische Ueberschrift sowie Anfang verloren gegangen].

fol. 3a, col. b, Z. 12: 2. Sonntag der Annuntiatio (Advent). Luc. 1,26-57.

fol. 5a, col. a, Z. 4: 3. Sonntag der Annuntiatio (Advent). Luc. 1, 57 bis Ende.

fol. 6a, col. a, Z. 19: 4. Sonntag der Annuntiatio (Advent). Matth. 1, 18 bis Ende.

fol. 6b, col. b, Z. 9: Geburtsfest unseres Herrn (Weihnachten). Luc. 2, 1-20.

fol. 8a, col. a, Z. 11: 1. Sonntag nach der Geburt. Matth. 2, 1—15.

fol. 10a, col. b, Z. 2: 2. Sonntag nach der Geburt. Luc. 2, 21 bis Ende.

fol. 13a, col. b, Z. 3: Gedächtnis der Frau Maria (Freitag). Luc. 1,26-57.

fol. 13a, col. b, Z. 7: Erscheinungsfest unseres Herrn (Epiph.). Matth. 3.

fol. 14b, col. a, Z. 7: Gedächtnis des Herrn Johannes, des Täufers (Freitag). Marc. 6, 14—30a.

fol. 15b, col. b, Z. 2: 1. Sonntag nach der Erscheinung (1 p. Epiph.). Luc. 4, 14-30.

fol. 17a, col. a, Z. 1: Gedächtnis des Petrus u. Paulus (Freitag). Matth. 16, 13-20 u. Joh. 21, 15-25. malo moife? bino?? fol. 18b, col. a, Z. 13: 2. Sonntag nach der Erscheinung (2 p. Epiph.). Joh. 1, 1-28.

fol. 20a, col. a, Z. 12: Gedächtnis der vier Evangelisten (Freitag). Matth. 10, 1-15 u. Marc. 16, 20.

fol. 21a, col. a, Z. 15: 3. Sonntag nach der Erscheinung (3 p. Epiph.). Joh. 1, 29-42.

fol. 22a, col. b, Z. 1: Gedächtnis des Märtyrers, Herrn Stephanus (Freitag). Matth. 11, 20 bis Ende und 23, 29 bis Ende

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fol. 23 b, col. b, Z. 12: 4. Sonntag der Erscheinung (4. p. Epiph.). Joh. 1, 43-2, 11.

1) Das Kirchenjahr wird in 9 Šabhu'ê oder Perioden von je 7 Wochen geteilt : Advent, Epiphanias, Fasten, Auferstehung, Apostel, Sommer, Elia, Mose.

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