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(um 600) dem Wettvertrage ehebegründende Geltung beigelegt gehabt hätte: bei den Goten ist uns diese Praxis schon für das 4. Jahrhundert bezeugt, denn Wulfila († 383) übersetzt II. Cor. cap. 11,2 ǹoμocάuŋv mit gawadjōda; got. (ga-)wadjōn 'verloben', eine denominale Bildung von wadi n. [ags. wed(d) n.] 'Pfand, Handgeld', entspricht genau ags. weddian 'pacisci, spondere'.

Unter den so im Laufe der Zeit veränderten Vorbedingungen wird der führende 'paranymphus' seiner Pflicht als 'witumbora' unter etwas veränderten Umständen genügt haben.

Um das Bestehen eines Realkontraktes zu bewirken, mußte er den ausbedungenen oder gesetzlich normierten 'wituma' bei der formellen Verlobungshandlung erlegen; waren die verhandelnden Personen übereingekommen, einen Arrhaloder Wettvertrag zu schließen (welch letztere Vertragsform in späterer Zeit alle übrigen zurückgedrängt zu haben scheint, Verf., Der Schatzwurf' S. 382), übergab er den Kaufpreis erst bei der Hochzeit und zwar unmittelbar vor der feierlichen Übergabe der Braut1) - also wie in der frühesten Periode, als die Eheschließung noch ein Bargeschäft war.

Die Befugnisse des 'witumbora' mögen keine Wandlung, wohl aber eine kleine Erweiterung erfahren haben, als inzwischen die Kaufidee zurückgetreten war und der 'wituma' seinen Charakter gewechselt hatte, d. h. zu einer Leistung an die Frau geworden war 2). Dem Brautvormunde wurden ja noch immer gewisse Zahlungen gemacht, und erst Cnut bestimmte im 2. Viertel des 11. Jahrhunderts, daß seine Geldforderung nicht mehr einklagbar, wohl aber Geschenksitte sein dürfe. Unsere Vertrauensperson des Bräutigams kann der 'bora' der Geldgeschenke, die dem Brautvater und auch Blutsfreunden zustanden, gewesen sein und zugleich der Braut die ihr zukommende Summe oder, falls es sich um Landbesitz handelte, die betreffenden Rechtstitel übergeben haben.

1) Vgl. für die nachags. Zeit die Zeugnisse bei Friedberg, Recht der Eheschließung (Leipzig 1865) S. 36 f. und Brand-Ellis, Observations on Popular Antiquities (London 1877) S. 376: aus ihnen ist zu ersehen, daß der ehestiftenden Handlung, die noch von den Angehörigen aber vor der Kirchtür und im Beisein des Priesters vorgenommen wird, die Übergabe der 'dos' des Bräutigams

kurz vorhergeht.

2) Nach Hazeltine, Zur Geschichte der Eheschließung nach ags. Recht (Sonderabdruck aus der Festgabe für Bernhard Hübler, Berlin 1905) S. 9 etwas vor der Zeit Ælfreds.

Ich bin bisher von der stillschweigenden Voraussetzung ausgegangen, daß der erste Brautführer bei den Ags. während ihrer kontinentalen Periode und der gesamten eigentlich-ags. Zeit die Funktion eines 'Wittumträgers' versehen habe. Läßt sich dafür auch der Beweis erbringen?

Die Sitte war, meiner Meinung nach, alt, da sie sich zwar in etwas veränderter Gestalt bei einer Reihe von Völkern indogermanischer Herkunft nachweisen läßt: unsere z. T. sehr späten Zeugnisse lassen, wenn wir das für die Ags. geltende einbeziehen, vermuten, daß der 'paranymphus' bei der Befriedigung der pekuniären Forderungen, mochten sie dem Bräutigam oder dem Brautvormunde auferlegt sein, die Zwischenperson darstellte, die für den Bräutigam zahlte oder akzeptierte. 1)

Bei den Römern war er wenigstens als 'conciliator ex parte uiri' zugegen, 'dum dos adnumeratur' (Forcellini, a. a. O. Bd. I S. 505). Der altschwedische 'forvista-man' mußte die Mitgift der Braut 'nomine sponsi' prüfen und in Empfang nehmen (Stiernhöök).

Nach dem Berichte des Neocorus wurde bei der gegen Ende des 16. Jahrhunderts im Lande Dithmarschen üblichen Heimführung dem ältesten Brautknechte samt seinen Mitgesellen die Aussteuer der Braut ausgehändigt; nachdem sie mit ihren Weibern Kleider, Betten und Kisten auf die mitgeführten Wagen geladen hatten und diese abgefahren waren, stattete der Wortführer der Brautknechte im Namen des Bräutigams und der Genossen den Dank ab. An eine festliche Bewirtung der Gäste schloß sich folgenden Tags die Heimführung an (Weinhold, Deutsche Fr. Bd. I S. 378 f.).

Für Lovreć, ein Dorf in Dalmatien (in der Nähe von Imoski), ist uns folgender Brauch bezeugt (Krauß, Sitte u. Brauch d. Südslaven S. 277): 'Am Vortage vor der Trauung kommt der Brautführer ins Haus der Braut, um ihre Kiste mit der Ausstattung ins Haus des Bräutigams zu überführen. Ein Kind sitzt auf der Kiste und läßt sie um keinen Preis eher forttragen, als bis man ihm ein Geldstück schenkt.' Krauß sieht in der Handlung des Kindes eine symbolische Erinnerung an den Brautkauf, der sonst bei den Südslaven teilsweis heute noch wirklich in Übung ist. Wenn wir aus dem angeführten Berichte, der in dieser Beziehung allerdings nicht deutlich ist, entnehmen dürften, daß gerade der Brautführer dem Kinde die Münze, also das Symbol des einst voll gezahlten Kaufpreises, reichte,

1) Die Beispiele ließen sich wohl bei weiterem Suchen noch vermehren.

hätten wir in diesem slavischen Brautführer in gewisser Weise eine Parallelfigur zu unserem ags. 'witumbora' nachgewiesen.

Daß aber sonst in den eben behandelten Fällen der bevollmächtigte Brautführer als Träger der Mitgift und Ausstattung der Braut, nicht ihres Kaufpreises wie bei den Ags. erscheint, darf nicht wundernehmen; wahrte doch die Eheschließung bei den Ags. ihre Geltung als Frauenkauf bis und nach 1066, während die Kaufidee bei den übrigen arischen Volksstämmen im allgemeinen schon früh verblaßt war.

Zu diesen sachlichen Erwägungen stimmt das sprachliche Moment, daß 'witumbora' eine alte Komposition ist.

Mit weniger Sicherheit läßt sich die Frage beantworten: wie lange hat der Brauch bei den Ags. bestanden? ob bis zur normannischen Eroberung und darüber hinaus?

Die Glosse witumbora und die falschen Übersetzungen wituma, wytuma, die sämtlich dasselbe Lemma übertragen, sind uns in Aldhelm-Glossaren erhalten, deren vorliegende Niederschriften im 11. und zwar (mit Ausnahme von S) im späten 11. Jahrhundert stattgefunden haben.

Aus diesen Tatsachen ergibt sich, daß der Ausdruck 'witumbora' auf jeden Fall im Anfange des 8. Jahrhunderts (Aldhelm † 709) - natürlich ev. auch später -noch im Umlauf befindliches Sprachgut war. Das ist ein Faktum, aus dem wir wohl die weitere Folgerung ziehen dürfen, daß im Anfange des 8. Jahrhunderts auch die Sitte, dem das Wortgebilde seine Entstehung verdankte, noch lebendig war: sonst wäre es, da andere Termini vorhanden waren, im Laufe der Zeit verloren gegangen; denn mit einer künstlichen, ich meine literarischen die natürliche Entwicklung hemmenden - Konservierung eines sprachlichen Ausdrucks ist in jener Zeit kaum schon zu rechnen.

Aldhelm wurde nun bei dem Ruhme, dessen er sich bei seinen Zeitgenossen erfreute, noch zu seinen Lebzeiten oder kurz nach seinem Tode eifrig gelesen und glossiert; denn seine bilderreiche, nach unserem Geschmack weichlich manirierte Poesie und Prosa mußten mit ihrem ungewöhnlichen (häufig dem Griechischen entlehnten) Wortschatz und ihren zahlreichen undurchsichtigen Konstruktionen dem mittelalterlichen Leser große Schwierigkeiten bereiten. Schon im Corpus - Glossar finden sich Aldhelmglossen, und Napier weist Introd. zu den O. E. Gl. S. XXVI eine unseren Hss. D, H und dem Corpus-Glossar gemeinsame Glosse nach, die ein und demselben mercischen Original des frühen 8. Jahrhunderts

entlehnt sein muß. Die Digby - Glossare reichen also in ihrem Kern tatsächlich bis an die Todeszeit Aldhelms heran.

Daß unser Interpretament witumbora auf einen so frühen Glossentypus zurückgeht, ist möglich, aber nicht zu beweisen. Doch wenn wir auch erst von dem Punkte aus, bis zu dem wir es zurückverfolgen können, bis zum Archetyp der Digby- und Salisbury - Glossare, den Entwicklungsgang und die Vorgeschichte der Glossensammlungen, in denen es im 11. Jahrhundert an die Oberfläche tritt, überschauen, so wird uns augenfällig, daß es durch die Hände einer ganzen Reihe von Schreibergenerationen gegangen sein muß. Da diese mit Ausnahme der Kompilatoren der Salisbury-Gruppe (s. oben) die Glosse witumbora der Form nach korrekt überliefern und auch nicht durch einen der anderen, gewöhnlich angewendeten Ausdrücke (ich meine: ein Kompositum mit dryht-) ersetzen, dürfen wir wohl weiter argumentieren, daß ihnen die Komposition durchsichtig erschien und die Figur des 'witumbora' vertraut war. Gewiß verstanden die Abschreiber von Glossen häufig nicht, was sie kopierten; doch beschränken sich diese Fälle wenigstens bei Kopisten ags. Nationalität in der Mehrzahl auf Mißverständnisse und Korrumpierungen der lat. Lemmata, nicht so sehr der Wörter ihrer Muttersprache.

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Ich muß allerdings gestehen, daß meine Beweisführung nicht unbedingt zwingend ist und Raum zum Zweifel übrig bleibt, ob der erste 'paranymphus' auch noch nach c. 700 der Überbringer des wituma' war: immerhin glaube ich, meiner Annahme einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit verliehen zu haben.

Es ist mir nicht möglich gewesen, den Brauch oder Spuren desselben in nachags. Zeit irgendwo nachzuweisen, trotzdem ich Brand-Ellis und andere folkloristische Werke daraufhin durchgesehen habe ein Anknüpfen der Fäden des Gewebes auch nach der modernen Zeit hin hätte ja jedes Bedenken beseitigt.

Wenn ich jetzt in eine Erörterung der Funktionen der weiblichen Personen, die der Braut zur Seite standen, eintrete, so mögen die Angaben Stiernhööks wieder den Ausgangspunkt der Untersuchung bilden.

Nach seinem Berichte folgten der 'sponsa' bei der Heimführung ihr gesetzlicher Vormund und Familienmitglieder: unter diesen in erster Reihe die 'Brutti Frammo'1), eine Frau, die sich durch

1) D. i. die 'brup-framma' der Uplands- und Helsingelagen (v. Amira, Altschw. Obligationenr. S. 537); nach Collin-Schlyter, Corpus iur. Bd. III S. 302 = 'adiutrix sponsae' (vgl. altisl. frama 'promouere, adiuuare').

Kgl. Ges. d. Wiss. Nachrichten. Philolog.-hist. Klasse. 1909. Heft 1.

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Strenge ihrer Sitten auszeichnete und den 'ceremoniis et ornatui sponsae praefecta' war, und zugleich einige blutsverwandte Mädchen, die 'Bruttimoo'. 1). Die 'brup-framma' nahm also offenbar bei der Braut dieselbe Stellung ein, die beim Bräutigam dem 'forvistaman' zukam; und in gleicher Weise waren die 'bruttu-moiar' und die 'brup-man, -karlar' Parallelfiguren.

In Deutschland war die Braut während des ganzen Festes fast überall in die Obhut einer nahen Verwandten, der Brautfrau, gegeben: sie vertrat an diesem Tage die Stelle der Mutter und war für die Braut das, was für den Bräutigam der Brautführer oder Vormann. Die Brautjungfern fanden in den Brautgesellen oder Brautknechten ihre männlichen Genossen (Weinhold, Deutsche Fr. Bd. I S. 371).

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Für die vornormannische Periode - Idas will ich hier gleich im voraus bemerken - läßt sich in England nur die Existenz der Brautfrau nachweisen. Da 'bridesmaids' in nachags. Zeit reichlich bezeugt sind und noch heute bei keiner Hochzeit fehlen, so beruht es sicher auf Zufall, wenn uns weder ein ags. Terminus für 'Brautjungfer' überliefert ist, noch der Institution selbst irgendwo gedacht wird: kein alter Autor hat es je für der Mühe wert gehalten, eine detaillierte Beschreibung einer ags. Vermählungsfeierlichkeit zu geben, und den Glossatoren bot der lat. Ausdruck pronuba (paranympha), dessen Bedeutung wenigstens dem ersten Übersetzer aus dem umgebenden Texte klar sein mußte 2), nur Gelegenheit, die ags. Termini für 'Brautfrau' zu verwenden.

Diese sind, wenn aus den verschiedenen Lesungen der Hss. die Normalformen herauskonstruiert werden: heord-swape (-swape) und hād-swape (-sw@pe).

Über frühere Erklärungsversuche der vorliegenden Bildungen (vgl. meine 'Familie b. d. Ags.' S. 49 f. u. 182 f.) kann ich hier mit Stillschweigen hinweggehen, nachdem Alois Pogatscher, Anglia Beibl. Bd. XII (1901) S. 196-99 und XIII S. 233 f. eine zweifellos richtige Deutung gegeben hat (vgl. auch Walde, Lat. etymol. Wörterb. [1906] S. 699, Nachträge zu 'caesaries' und 'caro').") Es

1) Bruttu-me st. f., ein Ausdruck, der sich in den Östgötalagen findet, ist eine Zusammenziehung aus *brüp-tughu-mō und bedeutet eigentlich 'Brautzugmädchen'. Vgl. v. Amira, a. a. O.; S. Bugge, Nord. Tidskr. f. Fil. Bd. III (1877 bis 78) S. 260 und Noreen, Altschwed. Gram. (1897-1904) § 153 Anm. 3. 2) Siehe oben Isidors Definitionen.

3) Kluge, Angels. Leseb.3 (1902) führt im Glossar S. 183 heorp-swape noch unter heorp m. 'Herd' auf, und auch Hessels setzt in den Indices zu seiner Aus

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