Imágenes de páginas
PDF
EPUB

quält mit einer unabgesetzten Handschrift, wie sie das alte Wolfenbüttler Fragment und das Regensburger Doppelblatt repräsentieren. Aber auch die sämtlichen Werke Hartmanns von Aue sind noch in derartigen Erstlingsausgaben hervorgetreten! Ebenso steht dies durch die Kölner Hs. und die ältesten Fragmente fest für den Wigalois des Wirnt von Gravenberg, und für Ulrich von Zazichovens Lanzelet wird O. Hannink den Nachweis liefern, daß die jungen Handschriften von Heidelberg und Wien beide aus unabgesetzten alten Pergamenthandschriften abgeschrieben sind.

Schwierig liegt die Sache bei Wolfram von Eschenbach: für den Willehalm steht eine Editio princeps mit Absetzung der Zeilen fest, bei der Publikation des Parzival aber scheint man von der alten Einrichtung, die für die Separatausgabe der ersten sechs Bücher anzunehmen ist, später zu den abgesetzten Versen in Spalten übergegangen zu sein.

Die frühsten größern Werke, die mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre erste Reinschrift in der neuen Form erlebten, sind der Tristan Gottfrieds von Straßburg, das Trojanerepos Herborts von Fritzlar und die Metamorphosen Albrechts von Halberstadt!

Also auch von Seiten der Geschichte des deutschen Buchwesens haben wir einen Anlaß, die alte Deutung des Prologs festzuhalten, die ich oben neu gestützt habe: Albrecht von Halberstadt begann sein Werk zu schreiben im Jahre 1210. Die litterargeschichtliche Würdigung dieses wertvollen Datums muß ich einer andern Gelegenheit vorbehalten.

Aber das will ich schon jetzt ankündigen: auf die Urkunden werd ich meinerseits nicht zurückkommen. Ich bin mir schon vor 11 Jahren (im Februar 1898) darüber klar geworden, daß mit dem Namen 'Albertus' weder von Jechaburg noch von Halberstadt her über den an sich plausibeln 'Albertus scolasticus' von 1217 hinaus, den J. Grimm in Jechaburg aufstöberte, ein sicherer Anhaltspunkt zu gewinnen ist. Ich habe das was ich damals niedergeschrieben hatte, ungedruckt gelassen, weil ich die Hoffnung doch nicht aufgab, es würde uns ein urkundliches Fündlein gelingen: nach dem Erscheinen der Schrift von Irmisch (1905) mußt ich darauf verzichten, und der Verzicht bereitet mir jetzt keine Schmerzen mehr. Denn was ich oben durch die Interpretation des Prologs und weiterhin durch genaue Festlegung der Überlieferung erreicht zu haben glaube, scheint mir wertvoller, als weitere Nachweise für einen Albertus in Jechaburg. Gerade Jechaburg, wo sich im 12. Jh. zwei Pröpste des Namens Burchard folgen, lehrt recht deutlich, wie vorsichtig man in dieser Zeit mit landläufigen Namen ope

rieren muß. Und nur das eine möcht ich hier betonen: wenn der 'Albertus scolasticus' von 1217 und der von 1251 wirklich dieselbe Person sind, dann kann diese nicht, was Baesecke S. 375 immerhin für möglich hält, 1190 'mit 20 Jahren' die Metamorphosen begonnen haben: es war 'Meister Albrecht' der sie schrieb; ein angehender, blutjunger Stiftsgeistlicher wäre mit dieser Arbeit nicht betraut worden.

Zur Überlieferung des Herbort von Fritzlar.

Von

Edward Schröder.

Vorgelegt am 30. März 1909.

Daß wir, wenn die deutsche Litteraturgeschichte des Mittelalters wirklich zu einer Geschichte der geistigen Kultur unserer Vorfahren ausgebaut werden soll, auch die äußere Überlieferung der einzelnen Werke genauer studieren müssen, ist wohl allgemein zugestanden, aber selten beherzigt worden. Ich könnte reichlich Belege anführen, daß sich Fachgenossen die Frage, ob etwa ein Werk auf den engsten Kreis des Verfassers oder Bestellers beschränkt geblieben sein könnte, gar nicht vorgelegt haben. Die Bekanntschaft und Beschäftigung mit den Dichtern der mhd. Blütezeit und den Epigonen im ganzen und im einzelnen räumlich und zeitlich zu umgrenzen, ist durchaus keine gleichgiltige Aufgabe aber was ist zu ihrer Bewältigung bisher geschehen? Die Epen Wolframs von Eschenbach, das weiß man wohl, sind viel weiter nach Norden und Osten gedrungen, als die epischen Dichtungen des Konrad von Würzburg; aber auch für Süddeutschland ist nichts verkehrter, als etwa die stillschweigende Voraussetzung, daß der stilistische Einfluß des fruchtbaren Baselers Dichters immer von seinen Werken selbst ausgehen müsse, und die naive Annahme, daß ein beliebiger Dichter vom Ende des 14. Jahrhunderts alle oder so gut wie alle Dichtungen Konrads bequem gelesen haben könne.

Ich habe oben S. 81 ff. für Albrecht von Halberstadt wahrscheinlich zu machen gesucht, daß es die Originalhs. seiner Metamorphosen war, welche dem Jörg Wickram vorgelegen hat, und daß die Oldenburger Pergamentblätter einem Kodex entstammen, der

in der zweiten Hälfte des 13. Jh.s direkt aus dem Original schöpfte und dann frühzeitig an einen kleinen norddeutschen Hof gelangt ist. Damit ist nicht das litterarhistorische Interesse, wohl aber die geschichtliche Bedeutung des Werkes eingeschränkt. Hier will ich vorlegen, was sich über die Verbreitung des dem Jechaburger Ovidverdeutscher nahestehenden ältesten deutschen Bearbeiters der Trojanersage ermitteln läßt: es ist nicht viel, und obendrein manches unsicher, aber nicht nur Resultate, auch Erwägungen können förderlich sein. Und da Herbort zu den Autoren gehört, von denen nur ihre eigene Überlieferung und kein direktes Zeugnis der Zeitgenossen und der Nachfolger Kunde gibt, so verdienen es die Hss., daß wir ihnen abfragen was immer sie uns sagen können.

Die einzige Hs. die uns Herborts 'Lied von Troja' vollständig überliefert, ist der Heidelberger cod. Pal. germ. 368, welcher 1333 in Würzburg entstanden ist (zuletzt beschrieben bei Behaghel, Eneide S. V und bei Bartsch, Heidelberger Handschriften S. 110). Hier steht die Dichtung sehr passend vor der 'Eneide', und der Schreiber, welcher den Herbort (für den Deutschordensritter Wilhelm von Kirweiler aus dem Elsaß) von der ersten bis zur letzten Zeile geschrieben hat, ist auch an der auf zwei Kopisten verteilten Abschrift des Heinrich von Veldeke beteiligt.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß das 'Lied von Troja' als eine ergänzende Vorgeschichte zu Veldekes Aeneis von Herbort übersetzt wurde und als solche vom Landgrafen Hermann geradezu in Auftrag gegeben war. Danach wär es an sich wohl möglich, daß die Editio princeps in demselben Bande mit einer Hs. der 'Eneide', also mit einer solchen von originaler Abkunft und guter Textgewähr, ans Licht trat. So und nicht anders ist im Anfang des 12. Jh.s die 'Exodus' publiziert worden: als eine Fortsetzung der 'Genesis', die - wohlgemerkt! - reichlich ein Menschenalter älter war1).

Aber wenn Baesecke Recht behielte mit seiner frühen Datierung Albrechts und Herborts (Zs. f. d. Alt. 50, 377 ff.), dann wäre auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß man am thüringischen Hofe nach Vollendung der 'Eneide', die B. (S. 380) nicht abgeneigt ist in dasselbe Jahr 1190 zu legen, in welchem Albrecht und Herbort ihre Arbeit begonnen haben sollen, alsbald eine 'Gesamtausgabe' veranstaltete, in der Trojanerkrieg' und 'Eneide'

1) Etwas anders liegen die Verhältnisse bei 'Recht' und 'Hochzeit sowie bei 'Erinnerung' und 'Priesterleben'.

gleichzeitig vor ein größeres Publikum hintraten, nachdem sich an Veldekes Dichtung wohl bereits ein engerer Kreis erfreut hatte. Das wäre also ein Editionsverhältnis, wie es bei 'Nibelungenlied' und 'Klage' tatsächlich vorliegt: es gibt bekanntlich keinerlei Anhalt dafür, daß eines dieser beiden Werke, so wie wir sie kennen, jemals für sich ediert worden sei.

Freilich wär es dann merkwürdig, daß von den sieben vollständigen Handschriften der 'Eneide' nur die eine Heidelberger Pergamenths. den Herbort festgehalten hätte, aber zu erklären wäre eine solche nachträgliche Abstoßung allenfalls (auch die 'Klage' ist ein paarmal aus jüngern Nibelungenhss. fortgeblieben), und es gibt einen scheinbaren Anhalt, wenigstens eine zweite derartige Handschrift (Herbort und Veldeke) zu erschließen.

Mit der Heidelberger Hs. H der Eneide aufs engste verwandt ist, wie ihr Entdecker sofort erkannte und Behaghels Stammbaum S. XXXVI ausweist, die Ey bacher Papierhs. des 14. Jh.s, E, über welche zuerst F. Pfeiffer, Quellenmaterial zu altdeutschen Dichtungen I, 16 ff. gehandelt hat. Ich hätte sie gern persönlich eingesehen und mit der von Heidelberg freundlichst hergesandten Hs. H konfrontiert, aber laut einem Briefe des Herrn Grafen K. von Degenfeld-Schonburg (vom 2. 3. 09) war der Kodex 'trotz gründlicher Nachforschung nicht zu finden'. In E hat die 'Eneide', welche den einzigen Inhalt der Hs. bildet, eine Einteilung in (6) Distinctiones (s. die genauen Angaben bei Behaghel S. III): eben diese Einteilungsweise in Leseabschnitte, die mir sonst aus den Hss. altdeutscher Dichtwerke nicht weiter bekannt ist, treffen wir in dem "Trojanerlied' der Hs. Hin der 'Eneide' fehlt sie hier.

Es ist aber so gut wie sicher, daß in der gemeinsamen Vorlage von HE (Behaghels Y') auch die Eneide diese Bezeichnung größerer Textabschnitte hatte 1). Zunächst fallen nämlich die Textabschnitte in E (mit einer Ausnahme) mit den einzigen durch große Initialen markierten Absätzen in H zusammen; es finden sich diese zweifarbigen Initialen außer im Eingang (Bl. 120′ Sp. a., V. 1) an folg. Stellen:

H Bl. 136 Sp. a, V. 2529 = E 'Distinctio secunda'
E 'Distinctio tertia'

H Bl. 143 Sp. b, V. 3741

H Bl. 176 Sp. a, V. 7965

=

=

E 'Distinctio quinta'

H Bl. 181 Sp. b, V. 9735 = E 'Distinctio sexta'.

Die große Initiale für 'Distinctio quarta' V. 5001 ist von dem Abschreiber (B) nicht beachtet worden. An den beiden letzten

1) Das hat schon Bartsch, Heidelberger Hss. S. 110b unten ausgesprochen.

« AnteriorContinuar »