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suchte Martinez de la Rosa, als er in seiner Stellung als MinisterPräsident die Verfassung vom 10. April 1834 vorlegte, mit sehr gewandter Feder in dem dazu gehörenden Einleitungsberichte nachzuweisen, dass diese Verfassung auf rein nationaler Entwickelung beruhe, und dass sie sich durchaus an die ständische Ausbildung in den letzten Jahrhunderten des Mittelalters annähere. Aber es lässt sich weder in der Verfassung der Cortes vom 19. März 1812, noch in der zuletzt angeführten oder in der spätern Verfassungsurkunde vom 8. Juni 1837 für ein unbefangenes Urtheil verkennen, dass sie zum grössten Theile als theoretische Schöpfungen des neunzehnten Jahrhunderts entstanden sind, und die Grundlage ihrer politischen Erfahrungen und ihr ganzes Gepräge weniger aus den Spanischen Verhältnissen, als aus den Französischen Revolutionen und den durch dieselben gebildeten constitutionellen Formen entlehnt haben. Es bleiben mithin aus den älteren Grundgesetzen nur die Bestimmungen über die Untheilbarkeit des Staates für die Gegenwart noch von staatsrechtlicher Bedeutsamkeit, denn selbst die dynastischen in Bezug auf die Erbfolgeordnung sind durch die pragmatische Sanction Ferdinands VII. vom 29. März 1830 wenigstens für jetzt beseitigt.

Schon im dreizehnten Jahrhunderte hatte König Ferdinand III. von Castilien durch die Ley de Señorio aus dem Jahre 1230 die Untheilbarkeit aller mit der Krone Castilien vereinigten Länder angeordnet, und dadurch dem auch für die Staaten der Pyrenäischen Halbinsel wie in Deutschland verderblichen Theilungsprincipe der fürstlichen Häuser einen Damm entgegengestellt, auf welchem der spätere Bau der Spanischen Monarchie mit grösserer Zuverlässigkeit errichtet werden konnte. Mit diesem Gesetze verband derselbe König nicht lange darauf das Majoratsgesetz (Ley de Mayoria), *) nach welchem der vereint bleibende Staat nach dem Rechte der Erstgeburt vererbt, jedoch keinesweges mit ausschliesslichem Vorzugsrechte des Mannsstammes vor der weiblichen Nachkommenschaft in verschiedenen Zweigen derselben geraden Linie, sondern mit der ausdrücklichen Bestimmung, dass bei Ermangelung des männlichen Erben in gerader Nachkommenschaft der weibliche Erbe in gleicher Linie dem männlichen in der entfernteren Linie vorangeht. **)

* Beide Gesetze befinden sich in keiner Sammlung, auch nicht in der für Castilien vollständigsten Coleccion general de Cortes, Leyes, Fueros etc. von Salva nach ihrem ganzen Inhalte abgedruckt. Hugo in den Grundgesetzen und Verf.-Urk. S. 2. zweifelt selbst, ob sie auch handschriftlich noch gegenwärtig existiren. Wir kennen nur ihre Bestimmungen aus den Chronisten und den Citaten in den späteren Gesetzen.

**) Mithin eine völlige Uebereinstimmung mit der noch jetzt für die Krone Grossbrittanien's bestehenden Erbfolgeordnung.

Beide Gesetze wurden auch von dem Zweige des Hauses Habsburg aufrecht erhalten, welcher mit Philipp I. nach dem Tode der Königin Isabella 1504, als Gemahl ihrer ältesten Tochter Johanna, den Thron von Castilien bestieg, während der eigene Gemahl derselben Fürstin und Vater der Königin Johanna, Ferdinand der Katholische, nur seinen Erbstaat Aragonien und die von demselben abhängenden Nebenländer beherrschte. Erst der gemeinschaftliche Erbe beider Könige, Carl I. (Carl V. später als Deutscher Kaiser), Philipps Sohn (durch dessen Tod 1506 König von Castilien) und Ferdinands des Kath. Enkel, bildete nach des letzteren Ableben 1516 aus den vereinigten Castilischen und Aragonischen Besitzungen in Europa, Amerika, Asien und Afrika die grosse Spanische Monarchie, welche seit dieser Zeit in dem gemeinschaftlichen Namen Spanien die früher allein üblichen Benennungen der verschiedenen Königreiche Castilien, Leon, Aragon, Valencia, Navarra, Majorca u. s. w. verschwinden liess. Aber gleichzeitig verschwanden auch unter den Regierungen Carls und seines Sohnes, des Königs Philipp II., die fast das ganze sechszehnte Jahrhundert umfassten (bis 1598), die gewichtvollen Beschränkungen der Königlichen Gewalt durch die gewaltsame Vernichtung der früheren verfassungsmässigen Rechte der Cortes von Castilien und Aragon: und die absoluteste monarchische Gewalt wurzelte sich in den Ländern fest, wo noch im funfzehnten Jahrhunderte, wie in Aragon, die versammelten Cortes gleich ihrem Könige, den Titel und die Würde der Majestät für sich in Anspruch nahmen.

Carl II., der letzte König aus dem Hause Habsburg in Spanien, ein ganz unfähiger Schwächling an Geist und Körper, auf dessen Tod gleich mit seinem Regierungsantritte Frankreich und Oestreich ihre Speculationen anlegten, und doch 35 Jahre lang warten mussten *) (1665—1700), vermochte zwar nicht selbständig die autokratische Herrschaft auf Kosten der Stände und der früheren Grundrechte in seinen Staaten noch zu verstärken, aber er konnte es geschehen lassen, was seine übermüthigen Minister trotz ihrer Abhängigkeit von dem Französischen und Oesterreichischen Gesandten in Madrid durchzusetzen verstanden. Bei seinen verschiedenen Bestimmungen über die Nachfolge in Spanien und in den diesem Reiche einverleibten Ländern wurden weder die Ley de Señoria noch die

*J Man vergl. über die schmählichen Verhandlungen und Theilungspläne beider Staaten in dieser Zeit, wie sie uns Mignet aus dem Französischen Staatsarchive in den Negociations relatives à la succession d'Espagne, Paris 1835, 4 Vol. 4to enthüllt, meine Abhandlung: Spanien in seinem Verhältnisse zu den Staaten Europa's um 1665 in Raumers histor. Taschenb. Jahrgang X. 225-359,

Ley de Mayoria beachtet. Der durch seinen Tod hervorgerufene Spanische Erbfolgekrieg führte eine Linie des Hauses Bourbon auf den Spanischen Thron, und in Folge des Utrechter Friedens (11. April 1713) blieb Spanien von Belgien, Neapel und Sicilien und den übrigen Italienischen Besitzungen für immer getrennt. Es waren demnach mit der Spanischen Krone nur noch die Ausser-Europäischen Besitzungen verbunden, als Philipp V., der erste König aus der neuen Dynastie Bourbon - Spanien, für diese das Erbfolgegesetz vom 10. Mai 1713 ertheilte, in welches die wesentlichsten Bestimmungen der damaligen Französischen Erbfolgeordnung übertragen waren. Denn ausser der Festsetzung des Utrechter Friedensvertrages, dass die Spanische Krone niemals mit der eines andern souverainen Staates in Europa vereinigt werden dürfte, ordnete dies Erbfolgegesetz das Vorzugsrecht aller Zweige der männlichen Linie vor der weiblichen an, ohne jedoch die weibliche Linie gänzlich vom Rechte zum Throne auszuschliessen, welche jedoch erst nach völliger Erlöschung des Mannsstamms im Hause Bourbon-Spanien ihr Erbrecht wahrnehmen sollte. Die Volljährigkeit des Königs wurde nachträglich, nicht wie in Frankreich mit dem Anfange des vierzehnten Lebensjahre, sondern nach dem zurückgelegten vierzehnten Jahre durch ein besonderes Gesetz bei der Thronentsagung Philipp's V. 1724 festgestellt. Zur Anerkennung dieser Erbfolgeordnung als eines Grundgesetzes für die Spanische Monarchie wurden noch einmal die Cortes nach alter Weise versammelt (1713); sie konnten noch einmal berathen und ein Grundgesetz genehmigen. Ausserdem finden wir sie später nur noch zweimal im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts versammelt, *) indess gleichfalls nur um der Förmlichkeit zu genügen und bei der Thronbesteigung eines neuen Königs den Eid der Huldigung zu leisten. Denn als sie bei der Krönung Carl's IV. im Jahre 1788 Beschwerden über eingeschlichene Missbräuche und Verletzung ihrer Privilegien von Seiten der Regierung vorbringen wollten, wurden sie nicht beachtet und sogleich entlassen, bevor sie noch förmliche Berathungen darüber anstellen konnten.

Zur Vervollständigung des Erbfolgegesetzes Philipp's V. diente noch die pragmatische Sanction des Königs Carl III. vom 6. Juli 1776: diese verpflichtete sämmtliche männliche und weibliche Mitglieder des Königlichen Hauses zu einer standesgemässen und vom Oberhaupte des Staates genehmigten Vermählung mit Prinzen und Prinzessinnen aus den souverainen Fürstenhäusern Europa's: im entgegengesetzten Falle verlieren dieselben, sowie die aus solchen Ehen

*) Bourgoing tableau de l'Espagne moderne, deux. edit, vol. I. pg. 173-75.

entsprossenem Nachkommen alle Ansprüche auf die Thronfolge, ähnliche Bestimmungen, wie sie für das Britische Königshaus durch die Royal Mariage Act aus dem Jahre 1772 von Georg III. angeordnet sind.

Die Französische Revolution konnte nicht verfehlen, bei den vielfachen Berührungen zwischen beiden Ländern eine starke Aufregung unter den gebildeteren Classen des Volks hervorzurufen. Diese musste um so stärker zunehmen, als die widerwärtige Regierung des Friedenfsürsten nach dem Frieden zu Basel (1795) auf der einen Seite und die engere Verbindung zwischen Spanien und Frankreich seit 1796, bei der Abgestumpftheit und Theilnahmlosigkeit des Königs Carl IV. für alle Regierungshandlungen und Reformen, in dem Volke nicht nur die stolze Erinnerung an die alten Vorrechte der Regierung gegenüber erweckten, sondern auch den Umsturz der vorhandenen Regierungsgewalt als den einzigen Rettungsweg sehen liessen, um Spanien aus seiner schmählichen Erniedrigung wieder emporzuheben. Zwar versuchte eine Parthei in dem Thronfolger Ferdinand den Begünstiger der Reformen aufzustellen, und es gelang auch die Gewalt des übermüthigen Premierministers, des zweideutigen Günstlings des Königs und der Königin, des gegen die pragmatische Sanction Carls III. bis in die Königliche Familie durch Verheirathung erhobenen Friedensfürsten, durch einen Aufstand in Madrid zu stürzen. Aber damals vermochte weder Ferdinand noch das Spanische Volk selbst in würdiger Weise die der Ehre des Landes gebührende Stellung einzunehmen. Das Spanische Volk musste erst den scharfen Läuterungsprocess durch den Kampf mit Napoleon durchgehen, ehe ein neues selbstständiges politisches Leben in Spa nien wieder aufkommen konnte.

Die zwistigen Häupter der Spanischen Dynastie, Carl IV. und sein Sohn Ferdinand VII., wurden beide nach Bayonne gelockt, um aus der Hand des mächtigen Schutzherrn den schiedsrichterlichen Ausspruch üder ihre beiderseitige Unfähigkeit zur Regierung zu vernehmen. Beide wurden von Napoleon genöthigt, Carl IV. am 8. Mai, Ferdinand VII. am 10. Mai 1808, die Krone Spaniens zu Gunsten einer neuen Dynastie aufzugeben, welche der älteste Bruder des Kaisers, Joseph Napoleon Bonaparte begründen sollte. Um diesem neuen Königsstamme in kürzester Zeit eine allgemeine Beistimmung des Spanischen Volks zu erwerben, wurde auf den unmittelbaren Befehl des Kaisers Napoleon eine Versammlung der Spanischen Notabeln zur Entwerfung eines neuen Grundgesetzes für Spanien unter Französischem Einflusse nach Bayonne berufen, während des Kaisers Schwager Joachim Murat an der Spitze eines überlegenen Fran

zösischen Heeres in Madrid die interimistische Regierungs-Junta nach seinem Willen lenkte, und zu Bittschriften für das vorgeschützte Spanische Interesse an den Französischen Kaiser drängte, obschon diese nach ihrem Hauptinhalte von Napoleon selbst dictirt waren. Diese Verfassungsurkunde Spaniens wurde am 6. Juli 1808 bekannt gemacht, an demselben Tage, an welchem Napoleon seinen Bruder Joseph als souverainen König von Spanien und Indien feierlich erklärte, und ihm die Gewährleistung der Integrität und Unabhängigkeit dieser Staaten in allen vier Erdtheilen zusagte. Diese Verfassung ist nur als ein vorübergehendes Staatsgrundgesetz für Spanien anzusehen, da es mit der Entfernung der Napoleonischen Dynastie wirkungslos von dem politischen Schauplatze verschwand, wie es denn überhaupt sehr wenig die nationalen Eigenthümlichkeiten und die geschichtliche Gestaltung des Spanischen Volkes berücksichtigt hatte, aber überall ein Abbild des Französischen Kaiserreichs in sich trug. Dasselbe besteht aus dreizehn Titeln, welche in nachstehender Reihefolge von der Religion, von der Nachfolge zur Krone, von den Beamten der Krone, vom Staatsministerium, vom Senat, vom Staatsrathe, von den Cortes, von den Spanischen Königreichen und Provinzen in Amerika und Asien, von der Gerichtsordnung, von der Verwaltung der Finanzen, zusammen in 123 Paragraphen handeln, und darauf im letzten Titel noch 23 Paragraphen anfüllt mit allgemeinen Verfügungen über das ewige Schutz- und Trutzbündniss mit Frankreich, über die Rechtspflege, über die Majorate und FideiCommisse, über die verschiedenen Grade und Classen des damaligen Spanischen Adels, über die Ritterorden, die Vorrechte der Baskischen Provinzen und über die Pressfreiheit. Am Schlusse dieses sonderbar gestalteten Grundgesetzes wird noch das Versprechen geliefert, dass nach einem Zeitraume von zwölf Jahren eine Berathung mit den Cortes über Zusätze und Abänderungen dieser Verfassung statt finden sollte. Aber diesen Zeitraum von zwölf Jahren eines unveränderten Bestehens überlebte das Gesetz kaum zum dritten Theil, weil der unmittelbar darauf ausbrechende grossartige Nationalkampf dem Spanischen Volke frische Kraft zur nationalen Entwickelung verlieh.

Doch hatte es zuvor bedenkliche Stadien zu durchlaufen, und in einem derselben, als die Uebermacht des gewaltigen Siegers mit seinen Bundesgenossen aus Italien, den Rheinbundstaaten und Polen doch schon ganz Spanien bis auf die Halbinsel von Cadiz sich unterworfen hatte, wurde von dem kleinen Theile der Widerstand leistenden Spanier die Verfassung der Cortes vom 19. März 1812 entworfen, welche auf die neuere Gestaltung dieses Staates den bedeutsamsten Einfluss ausüben sollte. Neben den Provincial-Jun

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