den für jeden Hauptort eines Cantons auf den 9. April festgesetzt, mit Ausdehnung eines längeren Termins für Algerien und die Colonien. Der Termin zur Eröffnung der constituirenden Nationalversammlung war anfanglich auf den 20. April bestimmt, wurde aber dann bis auf den 4. Mai verlängert.

Unterdessen wurde der Versuch vereitelt, durch die aufgereg ten Arbeiter - Massen die provisorische Regierung zu stürzen und durch einen Wohlfahrts - Ausschuss zu ersetzen (16. April), indem die bewaffneten Bürger von Paris sich allgemein für jene erklärten und sie nachdrücklich vertheidigten. Noch vor dem Zusammentritt der Nationalversammlung erfolgten zwei sehr bedeutsame Decrete der provisorischen Regierung, von denen das erste auch selbst in dem damaligen wilden Taumel der Leidenschaften grosse Misbilligung hervorrief, das andere dagegen als eine nothwendige Folge der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit in der Republik allgemein begrüsst wurde. Jenes hob die Unabsetzbarkeit des Richterstandes auf (17. April), dieses proclamirte die Aufhebung der Sclaverer in allen Französischen Colonien, welche zwei Monate nach Bekanntmachung des Decrets an Ort und Stelle ausgeführt werden sollte. Die Entschä digung der Sclavenbesitzer wurde dem spätern Beschlusse der constituirenden Nationalversammlung anheim gegeben. Am 4. Mai begann die constituirende Nationalversammlung, als kaum 600 Vertreter des Französischen Volks in Paris versammelt waren, ihre Sitzungen, und der hochbetagte Dupont de l'Eure, der niemals seine republikanischen Grundsätze verläugnet hat, legte als Präsident der provisorischen Regierung die bis dahin geführte oberste Staatsgewalt in die Hände der Nationalversammlung. Diese stellte nun an die Spitze der executiven Gewalt eine Commission von fünf Männern, in welche mit sehr starker Majorität François Arago, Lamartine, Garnier Pagès, Marie und Ledru Rollin gewählt wurden (10. Mai). Es gelang derselben am 15. Mai einen sehr bedenklichen Aufstand der rohen Volksmassen in Paris zu dämpfen, welcher die Auflösung der constituirenden Nationalversammlung und der Zusammensetzung einer neuen provisorischen Regierung aus den wildesten Radicalen und Socialisten bezweckte. Aber man vermochte nur dadurch auf die Dauer Ruhe und Ordnung zu erhalten, dass man eine starke Truppenmacht nach Paris zusammenzog und mehrere bewaffnete Corps (Garde republicaine u. s. w.) und Clubbs auflöste. Unterdessen hatte die Nationalversammlung fast die vollständige Zahl ihrer Mitglieder erreicht. Für die Vorbérathung und Prüfung der vorgelegten Entwürfe und Actenstücke hatte sie sich in 15 Bureaus (Abtheilungen) von gleicher Zahl der Mitglieder vertheilt, indem jedes vollzählige Bureau aus 60 Mit

gliedern bestehen sollte. Als wesentliche Beschlüsse für die zu künftige Stellung des Staates müssen aus dieser Zeit die betreffenden Decrete über die früheren Dynastien aufgeführt werden. Ein Be-, schluss vom 26. Mai bestätigte in Bezug auf den König Ludwig Philipp und dessen Familie das Decret der ersten provisorischen Regierung:,,es soll das Französische Gebiet dieser jüngern Linie Bourbon auf ewige Zeiten in gleicher Weise untersagt sein, wie dies durch das Gesetz vom 10. April 1832, für die ältere Linie der Bourbons geschehen war."*) Es waren zwar durch dieses frühere Gesetz auch sämmtliche Zweige der Familie Napoleons getroffen, und noch jetzt brachte selbst die provisorische Regierung am 12. Juni einen Antrag für die Aufrechterhaltung dieser Bestimmung in die Nationalversammlung, aber diese erkannte schon den Tag darauf die Wahl des Napoleon Louis Charles Bonaparte als ihren Collegen, als den Abgeordneten für das Departement Charente- inférieure **) vollständig an, und leitete dadurch die Rückkehr aller Napoleoniden auf den Französischen Boden ein.

T

In Bezug auf ihre Hauptaufgabe setzte die constituirende Nationalversammlung bereits am 17. Mai eine Commission aus 18 Mitgliedern ein, um den Entwurf zur Verfassung zu redigiren. Diese Commission vollendete in vier Wochen ihren Auftrag, so dass am 19. Juni das Verfassungsproject den 15 Bureaus oder Abtheilungen der Versammlung zur weitern Prüfung in den einzelnen Bestimmungen überwiesen wurde. Seit der Vorlage dieses Entwurfs schien jeder Zweifel über die Staatsform geschwunden: es musste eine Republik sein, aber keine democratische und sociale, wie Barbès für seine Partei, die wieder aufgelebte Bergpartei (Montagne), die rothe Republik euphemistisch ausgerufen hatte. An der Spitze der executiven Gewalt sollte ein Präsident auf vier Jahre stehen, dessen Wahl von der relativen Majorität sämmtlicher Urwähler in der Französischen Republik abhängen sollte; die gesetzgebende Gewalt wurde auf eine einzige Versammlung aus 750 Volksrepräsentanten übertragen, deren Zahl nur für den Fall der Revision der Verfassungsurkunde bis auf 900 Mitglieder erhöht werden sollte. Dies waren die Grundzüge für die Form der Republik. Aber die Arbeiten der constituirenden Nationalversammlung für die Verfassung wurden durch die sofort (20-21. Juni) vorgenommenen Berathungen über das fernere Bestehen der Nationalwerkstätten unterbrochen. Die auf der

* Vrgl. Bd. I. S. 376, wo in der Anmerkung aus dem Bulletin des lois die Gesetzesstelle im Original angegeben ist.

**) Er war auch gleichzeitig noch von den Departements der Seine und Tonne als Abgeordneter gewählt.

Besorgniss ihrer gänzlichen Aufhebung gestützten Agitationen riefen bereits am 22. Juni einen allgemeinen Aufstand der Arbeiter in Pa-: ris hervor. Grosse Massen derselben weigerten sich in die Departements abzugehen, obwohl sie früher eingewilligt hatten, zu den von der provisorischen Regierung dort angeordneten Arbeiten verwandt. zu werden. Der sehr blutige Aufstand dauerte vom 23. bis zum 26: Juni fort, bis er durch die Ueberlegenheit der Truppen unterdrückt wurde. Während desselben erklärte sich die Nationalversammlung am 24. Juni für permanent, versetzte Paris in Belagerungszustand und übertrug die oberste executive Gewalt auf den General Cavaignac, worauf die Mitglieder der provisorischen Regierung freiwillig ihre Aemter niederlegten. Nach dem völlig unterdrückten Aufstande in der Hauptsadt gab zwar General Cavaignac am 28. Juni die ihm anvertraute höchste vollziehende Gewalt an die Nationalversammlung zurück, musste aber noch an demselben Tage auf den mit entschiedener Majorität gefassten Beschluss der Nationalversammlung die oberste Leitung der executiven Gewalt unter dem Titel eines Präsidenten des Ministerrathes wieder übernehmen. Dieser Zustand sollte bis zur Vollendung der Verfassung und zur definitiven Einsetzung des nach derselben bestimmten Staatsoberhauptes fortdauern; die Ernennung des Ministeriums blieb in dieser Zwischenzeit dem Präsidenten ausschliesslich überlassen. Cavaignac's Verfügungen, dass die Nationalgarden aufgelöst werden sollten, welche nicht auf den Ruf zu den Waffen sich willig einstellen würden, dass die als gefährlich anerkannten Clubbs geschlossen und die Herausgabe der der executiven Gewalt feindlich entgegenstehenden Journale*) suspendirt werden sollten," fanden bereits am 26. Juni die Genehmigung der Nationalversammlung. Der Kampf gegen die wilden Elemente des Socialismus und Communismus sollte zum entscheidenden und dauerhaften Sieg für die innere Ordnung und die Existenz des gesammten Staates fortgeführt werden. Dies blieb das Ziel der ausübenden Gewalt, es schien nur durch die innigste Verbindung mit der Militärmacht erreicht werden zu können, und die überwiegende Mehrheit des Französischen Volkes gewöhnte sich gleichfalls das stehende Heer und, dessen geschickte und energische Führer als die Retter gegen Anarchie und Selbstvernichtung gelten zu lassen.

In solcher umgeänderter Stimmung des Französischen Volkes wurden die Arbeiten über das Grundgesetz der neugestalteten Republik fortgesetzt. Am 30. August erschien nach vollendeter Detail

*) Eilf Pariser Journale waren am 26. Juni suspendirt, und ihre fernere Herausgabe wurde erst am 6. August wieder frei gegeben.

prüfung in den Bureaus der Schlussbericht und die Vorlage des definitiv zur Berathung der constituirenden Nationalversammlung festgestellten Verfassungsentwurfs. Eine neue Prüfung desselben während des folgenden Monats wurde den einzelnen Mitgliedern der Nationalversammlung und der öffentlichen Meinung des gesammten Volkes zur Besprechung in den Tages-Journalen und Flugschriften gewährt, Es wurden in dieser Zeit nur die acht Artikel der Einleitung berathen und am 15. September angenommen. Die Berathung über die darauf folgenden 116 Artikel der Verfassung währte vom 30. September bis zum 28. October 1848. Dann wurde nach vorausgegangener Revision und Redaction der zahlreich amendirten Artikel die zweite Berathung vorgenommen, welche nur wenige Tage beschäftigte, bis dass am 4. November im Schoosse der constituirenden Nationalversammlung *) unter dem einstimmigen Rufe „es lebe die

Constitution Française,

Adoptée le 4. November 1848 par l'Assemblée Nationale.

Préambule de la Constitution. Adoptée le 15. September 1848 par l'Assemblée Nationale.

En présence de Dieu, et au nom du peuple français, l'Assemblée nationale proclame et décrête:

I.

La France s'est constituée en Republique. En adoptant cette forme definitive de gouvernement, elle s'est proposé pour but de marcher plus librement dans la voie du progrès et de la civilisation, d'assurer une répartition de plus en plus équitable de charges et des avantages de la société entre les citoyens, d'augmenter, par la réduction graduée des charges, la somme des avantages, et de faire parvenir tous les citoyens, sans nouvelle commotion, par l'action successive et constante des institutions et des lois, à un degré toujours plus élevé de moralité, de lumières et de bien-être.

II.

La République française est démocratique, une et indivisible.

Elle reconnait des droits et des devoirs antérieurs et supérieurs aux lois positives.

*) Es waren in dieser Sitzung der Nationalversammlung über 800 Mitglieder anwesend; von diesen stimmten 739 für Annahme der Verfassung, 30 gegen dieselbe (Legitimisten und Communisten, darunter Berryer, Montalembert, Proudhon, Felix Pyat, Pierre Leroux, Raspail), und die Mitglieder

J

Republik" die feierliche Schlussannahme der gesammten Verfassung erfolgte. Am 12. November, einem Sonntage, wurde in einem Nationalfeste auf der Place de la Concorde in Paris unter dem Vorsitze des Präsidenten der Nationalversammlung, in Gegenwart der überaus stark versammelten Bevölkerung der Hauptstadt und der zusammen geströmten Deputationen aus allen Departements der Republik, die angenommene Verfassung als Grundgesetz der Republik proclamirt. Eine Woche später (19. November) folgte gleichzeitig die öffentliche Proclamation der Verfassung in ganz Frankreich. Ich lege hier, wie im ersten Bande, diese Verfassungsurkunde in der Sprache des Originals und in einer Uebersetzung vor.

1

Verfassung der Französischen
Republik.

Angenommen am 4. November 1848 von der Nationalversammlung.

Einleitung der Verfassung.

Angenommen am 15. September 1848 von der Nationalversammlung. In Gegenwart Gottes und im Namen des Französischen Volks proclamirt und beschliesst die Nationalversammlung.

Frankreich hat sich als Republik constituirt. Indem es diese Regierungsform als eine bleibende annimmt, hat es sich zum Zwecke gestellt, freier auf dem Wege des Fortschritts und der Civilisation vorzugehen, mehr und mehr nach einem billigen Maasstabe die Vertheilung der Lasten und der Vortheile (der Gesellschaft unter die Staatsbürger zu sichern, durch eine allmählige Verminderung der Lasten die Summe der Vortheile zu vermehren, und überhaupt alle Bürger, ohne neue gewaltsame Erschütterung, nur durch die fortgesetzte und beständige Wirkung der Staatseinrichtungen und Gesetze zu einem neuen erhöhteren Grade der Sittlichkeit, der Aufklärung und des Wohlstandes gelangen zu lassen.

II.

Die Französische Republik ist eine demokratische, einige und untheilbare.

III.

Sie erkennt Rechte und Pflichten an, welche älter und höher sind als die positiven Gesetze.

der äussersten Linken enthielten sich der Abstimmung. Auch Victor Hugo stimmte gegen die Verfassung und rechtfertigte sich im Moniteur darüber, dass er das Einkammersystem als höchst gefährlich für die Ruhe und Wohlfahrt des Landes erachte, dass er aber von Herzen wünsche, durch die Zukunft seine Ansicht widerlegt zu sehen. Proudhon und seine Gleichgesinnten motivirten ihr ablehnendes Votum dadurch, dass sie in einer Republik jede Verfassung für überflüssig hielten.