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XXXV.

Osnabrück.

(Bisthum.)

In Ermangelung einer Stiftungsurkunde des Bisthums Osnabrück

ist vornehmlich den ältern Scribenten ein weites Feld für Vermuthungen und Fabeln offen gewesen. Während aber einige geneigt sind es für das älteste unter den sächsischen zu halten und seine Gründung durch Karl den Großen in das Jahr 772 verlegen, haben Andere doch mit Recht daran Anstoß genommen und diesem Bisthum kein so hohes Alter zugeschrieben: sie entscheiden sich für die Jahre 774, 775, 776, 777, 780, 781, 782, 783, 788, 800 oder 803. In den Motiven für die eine oder die andere Entscheidung sind Alle gleichmäßig schwach: Alle klammern sich an die frühesten Spuren des Vorhandenseins einer Kirche bei dem Orte Osnabrück, als ob die Errichtung einer Kirche mit der Stiftung eines Bisthums gleichbedeutend wäre. Wir können uns hier nicht in detaillirte Untersuchungen und Widerlegungen in Betreff des Alters des in Rede stehenden Hochstists einlassen; sie sind anderwärts in reicher Menge vorhanden, und ergeben: daß 772 noch keine Kirche bei Osnabrück gestanden haben dürfte, ja machen eine solche selbst um 783 höchst zweifelhaft; stellen die ältesten über Osnabrück sprechenden Urkunden aus den Jahren 803 und 804 (Möser I. 1. 11. Fürstenberg Monum. Paderb. 297–300. Sandhoff II. dipl. 1. 11.), unter Beleuchtung der radical verunglückten Versuche sie für echt zu erweisen, als erdichtete dar, desgleichen die sogenannte,,Confirmatio fundationis ecclesiae Osnabrugensis a Hludovico Imperatore" (Möser I. m. Sandhoff II. m.), ein angebliches. „Privilegium Ludovici Germanici" (Möser I. vi. Sandhoff II. v.) wie drei Diplome,,Arnolfi regis" vom Jahre 889 (Möser I. vII.-ix. Sandhoff II. v.—vII.) als unbestreitbare mönchische Betrügereien, und sehen die Entstehung des fraglichen Bisthums mit größter Wahrscheinlichkeit in die Zeit um 803. Herr Stüve hat jedenfalls die historische Kritik einem besondern Behagen geopfert, wenn er in die alte Leier der Chronikenschreiber einstimmt, daß Osnabrück das erste westfälische Bisthum sei; denn da er nach seiner eigenen Aussage dreißig Jahre an seiner in vieler Hinsicht vortrefflichen Geschichte

dieses Hochstifts gearbeitet, hat er ohne Zweifel Zeit und Gelegenheit genug gefunden, von der totalen Unhaltbarkeit dieser Nachricht wenigstens für sich überzeugt zu werden. Doch ist dies nicht der einzige Unsinn, dem er eine Stätte gegönnt, er hat noch naivere Dinge, über welche selbst Halbunterrichtete lächeln müssen, in Gnaden aufgenommen.

Die Urkunde, worin die Grenzen der bischöflichen Zehntflur oder des Sprengels beschrieben gewesen sein sollen, ist nicht mehr vorhanden. Im sechszehnten Jahrhundert hatten die gesammten Lande dieses Bisthums zu Grenzen: Gegen Mitternacht und Abend das Hochstift Münster wie die Grafschaften Tecklenburg und Lingen; gegen Mittag die Grafschaft Ravensberg, gegen Morgen das Hochstift Minden, und erstreckten sich in der Länge auf 8, in der Breite auf 6 Meilen. Sie begriffen außer der Hauptstadt Osnabrück mit den Bauerschaften Haste, Schinkel, Vorstrup, Harderberg, Nahne, Mahlbergen, Holthausen, Törner, Orbecke, Haßberge, Hellern, Gafte und Atter die Aemter: Jburg, Fürstenau, Vörden, Hunteburg, Witlage, Grös nenberg und Redkenberg mit 68 Kirchspielen. In den Kirchspielen Neuenkirchen und Damme im münsterschen Amte Vechta war die Landeshoheit zwischen den Bischöfen von Münster und Osnabrück vornehmlich seit 1425 beständig streitig; lezterer erhob die Steuern von dem größten Theile der Einwohner in denselben.

Der Bau einer Hauptkirche zu Osnabrück scheint um 787 begonnen zu haben. Sie wurde in die Ehre des Apostels Petrus geweiht, der erste Altar daselbst den Märtyrern Crispin und Crispinian gewidmet. Die Bischöfe, Suffragane des Erzstuhles zu Cöln, waren Fürsten des heiligen römischen Reichs mit Sig und Stimme im Reichsrath.

Der erste Bischof foll

Wiho, ein Friese, gewesen sein. Doch eristiren über ihn bloße Vermuthungen. Die Karolingschen Schriftsteller gedenken seiner mit keinem Wort. Ganz unbegründet ist, daß er von Karl dem Großen eingeseßt worden. Möglicherweise hat ein Friese den Osnabrückschen Sachsen das Christenthum gepredigt. Wiho ist ein Name der im Friesischen sehr oft vorkommt. Einige halten ihn für einen Engländer und Schüler des Bonifacius. Als seine Sterbejahre werden angegeben 777, 783, 787, 802, 803, 804, 805, 809, und sogar 877. Alle Mittheilungen über ihn sind so verworren und widersprüchlich, daß man sehr geneigt ist ihn für ein Geschöpf der Fiction anzusehen.

Als seinen Nachfolger bezeichnen Einige

2. Meginhard (Meingard), der 829 oder, wie die Acta synodalia Osnabr. haben, 833 verstorben. Sein Dasein ist durch Thatsachen eher zu leugnen als zu erweisen, und auch Stüve hält

3. Goswin (Gozwin) für den zweiten Bischof von Osnabrück. Dies ser mischte sich in den Kampf der Söhne Ludwig's gegen ihren Vater, wofür er, als der Kaiser wiederum die Oberhand gewann, unter Verlust seiner Würde im Kloster Fulda büßen mußte. Gestorben ist er zwischen 855 und 866.

Es trat nun (835) eine mehrjährige Vacanz ein, doch ist ungewiß ob 4. Gosbert (Godbert, Gaudbert) 845, oder 854 oder noch später den erledigten Stuhl einnahm. Er soll ein Vetter des Erzbischofs Ebbo von Rheims, vorher in Schweden gewesen, 845 dort vertrieben und von Ludwig dem Deutschen in Osnabrück eingesezt worden sein. Die Befehrung der Schweden nahm ihn auch jezt noch viel in Anspruch. Er mag bis 859 gelebt haben. Wie er zu der Ehre eines Heiligen gekommen weiß man nicht. 5. Egbert wohnte mehreren Reichsversammlungen bei, weihte am 15. Mai 860 Hersebrock, das erste Kloster seines Sprengels, und verschied am 1. Februar 884.

6. Egilmar wohnte verschiedenen Reichs- und Kirchenversammlungen bei, und starb am 11. Mai 907.

7. Bernarius regierte wahrscheinlich von 907 bis 918. Mehrere Scribenten kennen ihn nicht.

8. Dodo I. nahm an mehreren Kirchenversammlungen Theil, und starb im Jahre 948 oder 949.

9. Drogo leistete Otto dem Großen viele Dienste und begleitete ihn oftmals auf seinen Zügen. Otto ertheilte ihm 952 das Münz-, Zoll- und Marktrecht in Wiedenbrück, 965 den Forst mit Wildbahn und Fischerei im Dining. Er soll am 10. April 969 verstorben sein.

10. Ludolf, angeblich ein Verwandter Otto's des Großen, übergab einen Theil seiner Erbgüter im Amte Fürstenau der Osnabrücker Kirche, und starb muthmaßlich nicht erst 983, sondern schon 978.

11. Dodo II. starb am 12. April 996, doch läßt sich aus seiner achtzehnjährigen Regierung nicht das Mindeste von Belang melden.

12. Günther endete sein Leben schon im November 1000.

13. Wacholf (Wodilulf, Wanno) bekam von Heinrich II. 1002 Markt, Münze und Zoll zu Osnabrück, und verließ im Februar 1003 die Welt.

14. Thetmar, ein gelehrter und rechtschaffener Mann, aus Obersachsen gebürtig, Canonicus zu Magdeburg, dann Propst zu Aachen, gründete 1011 das Collegiatstift zu St. Johannes in Osnabrück und die Bibliothek bei der Domkirche. Man findet ihn auf Reichs- und Kirchenversammlungen. Er starb erblindet am 18. Juni 1023.

15. Meginher 1023–1028.

16. Gosmar saß bis 1036 oder 1037.

17. Alberich (Elverich), vorher in kaiserlichen Diensten, regierte bis 1052.

18. Benno I., bisher am kaiserlichen Hofe beschäftigt, starb im September 1068.

19. Benno II., ein Schwabe, zu Straßburg von dem Geschichtschreiber Hermann dem Krüppel unterwiesen, in Speier ausgebildet, war ein energischer, vielerfahrener und gelehrter Mann. Heinrich III. zog ihn zuerst nach Goslar; dann wurde er Scholafter und Dompropst zu Hildesheim. Im Kriege mit den Ungarn 1051 hatte er Gelegenheit durch seine Proviant anstalten die Armee vor Hungersnoth zu schüßen und sich ein allgemeines Lob zu erwerben, das lange alle Sagen und Volkslieder erfüllte. Heinrich IV. machte ihn zu seinem Rath und Pfalzrichter, übertrug ihm auch die

Oberaufsicht über alle Festungen in Sachsen, denn er war ein berühmter Baufünftler, der, als er bereits Bischof von Osnabrück, den Dom zu Speier vom Einsturz rettete. Ohnstreitig würde er für seine Kirche alles nur mög liche Gute gewirkt haben, wenn es die Zeitumstände erlaubt hätten. Streng in geistlicher und weltlicher Amtsführung bemühte er sich insonderheit um Verbesserung des Ackerbaus und der öffentlichen Straßen. Es war aber nicht im Interesse des Stifts, daß ihn Heinrich so wenig aus seiner Nähe ließ. In dem Zwiespalte des Kaisers mit den Sachsen rieth er beständig zum Frieden. Nach dem Goslarschen Vertrage von 1074 reifte er nach Rom, um den fast hundertjährigen Streit mit Corvey wegen gewisser Zehnten zu Ende zu bringen, und auch wohl die Stimmung des Papstes bezüglich der Sachsen zu erforschen. Sie war dem Kaiser bekanntlich ungünstig, und Benno votirte auf der Versammlung zu Worms für die Abseßung des Papstes, der ihn darauf mit den übrigen ungehorsamen Bischöfen ercommu nicirte. Vom Kirchenbanne sich zu lösen reiste er zu Ende des Jahres 1076 nach Canossa. Hier mußte er demüthigende Buße thun, durfte sich aber in seinem Bisthum, wo man ihm längst wegen seiner Anhänglichkeit zum Kaifer feindselig, noch nicht zeigen, um so weniger, als er bald wieder entschieden für Heinrich und gegen den Papst auftrat. Erst 1080 kehrte er nach Osnabrück zurück, wie es scheint fortan eine etwas zweideutige Rolle spielend, so daß er sich abermals heimlich entfernen mußte. Nach dem Tode Gregor VII. begab er sich wieder in sein Stift, meistentheils in Iburg auf einem Thurme an dem von ihm 1073 gestifteten BenedictinerMönchsfloster verweilend, wo er sein unruhevolles Leben am 27. Juli 1088 beschloß.

20. Marquard, Abt zu Corvey (siehe daselbst), refignirte das Bisthum 1092.

21. Wido, Dompropst, Anhänger Heinrich IV., erlebte eine große Feuersbrunst (1100), welche die Domkirche in Asche legte. Die Reliquien der Märtyrer Crispin und Crispinian wurden aber gerettet. Bald darauf, wahrscheinlich im August 1101, starb der Bischof.

22. Johann I., ein Zögling Benno II., Anhänger Heinrich V., brachte den Neubau des Domes so weit, daß nach sechs Jahren der Gottesdienst darin wiederum angefangen werden konnte. Er residirte und starb zu Iburg im Jahre 1109 oder 1110.

23. Gottschalk, der erste Bischof aus bekannter Familie, nämlich ein Edler von Diepholz, vorher Dompropft zu Minden, ward von Heinrich V. zum Bischof ernannt, hielt es jedoch mit dem Papste und den Sachsen, wor über das Bisthum mancherlei Verwüstungen erlitt. Er verschied im December 1118.

Unter dem Schuße der sächsischen Waffen wählte zum ersten Male das Capitel

24. Diethard (Dethard, Detmar), wogegen der Kaiser den Hildesheimer Propst Conrad zum Bischof ernannte, für welchen Graf Friedrich von Arnsberg die Waffen ergriff und das Stift mit Mord und Brand heimsuchte. Diethard ging nach fünfjähriger Fehde siegreich hervor, und starb mit dem Ruhme eines lobenswerthen Regenten am 11. Februar 1137.

Ebeling, die deutschen Bischöfe. II.

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25. Udo, bisher Propft zu St. Moriß in Hildesheim, muthmaßlich ein Bruder Rudolf's von Steinfurt, des Stifters des Klosters Clarholt im Münsterschen, hielt es in den weltlichen Wirren seiner Zeit mit Conrad von Hohenstaufen, vollendete den Dombau, stiftete das Benedictiner - Nonnenflofter auf dem Gertrudenberg vor Osnabrück, und starb 1141.

Aus zwiespältiger, mit Unruhen verknüpfter Wahl ging hervor

26. Philipp, ein Graf von Kaßenellnbogen, bisher Propst zu Deventer. Er überzog die unruhigen Herren von Holte mit Krieg, eroberte 1144 deren Befizungen und vereignete fie dem Bisthum. Die ewigen Zehntstreitigkeiten mit Corvey brachte er vergleichsweise zu Ende. Das Kloster Gertrudenberg beförderte er wie überhaupt die Anlage neuer Kirchen und Klöfter auf alle Weise. Besonders aber hob sich unter ihm die Stadt, die er mit schönen Gebäuden schmückte und von dem Kaiser Friedrich I. in den Besit des wichtigen Privilegiums de non evocando brachte (1171). Er ist der erste Bischof, der sich mit den oft berührten vier Hofämtern umgab. Sonst sehen wir ihn auf verschiedenen Reichsversammlungen. Er starb 1173; sein Gedächtnißtag ist der 15. Julius.

27. Arnold, angeblich ein Graf von Altena, vorher Dompropst zu Osnabrück, ein Feind Heinrich's des Löwen, benußte den Kampf der Kirche gegen die weltliche Macht durch päpstliche Privilegien sein Bisthum zu heben, in welchem Streben ihm auch Private entgegenkamen, wiewohl andererseits seine Fehde mit dem Grafen Simon von Tecklenburg dem Stifte viel Schaden zufügte. Von mancherlei guten Anstalten hielt ihn der Zug nach dem gelobten Lande ab, den er 1189 mit mehreren westfälischen Großen antrat, und welcher ihm das Leben kostete, da ihn, wie man glaubt, die Pest vor Accon 1191 hinraffte.

28. Gerhard, Graf von der Lippe (nach Andern von Oldenburg), hielt es mit dem Hohenstaufen Philipp, zog mit nach Niedersachsen gegen die Welfen und erwarb den Ruhm eines tapfern Streiters. Das Capitel und die Dienstmannen hingegen waren anders gesinnt; sie zwangen den Bischof vom Kampfe gegen Otto IV. abzustehen und unterwarfen seine Macht gewissen Beschränkungen. Der Papst ernannte ihn 1211 zum Erzbischof von Bremen (f. daselbst), doch entsagte er erst 1216 dem Bisthume Osnabrück, um das er sich mancherlei Verdienste erworben.

29. Adolf, Graf von Tecklenburg, noch im jugendlichen Alter, wegen der Reinheit seines Wandels hochverehrt, wirkte außerordentlich zum Wohleseiner Kirche. Er befreite die Canonifer von den Eruvien, die der Bischof zeither selbst bezogen, errichtete die Archidiaconate, stiftete Feste, erhöhte die Dompfründen, bildete die innere Verfassung des Stifts überhaupt aus, und vermehrte die Besizungen desselben. Doch den Fehden seines Hauses blieb er, ohne Vortheil zu erlangen, nicht fremd. Er starb am 30. Juni 1224.

30. Engelbert, Graf von Isenburg, Neffe des heiligen Engelbert von Cöln, begründete die Verfassung des Landes, indem er laut der Urkunde des Königs Heinrich 1225 (Worms III. Non. Sept.) die Gogerichte zu Osnabrück, Jburg, Melle, Dissen, Ankum, Bramsche, Damme und Wiedenbrück erwarb, und der Stadt dagegen die Hälfte des Burggerichts (Burricht, judicium civile), die Grundlage ihrer Selbstständigkeit, überließ. Sammt

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