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Auch findet man dort zwischen den trockenen Höhen des Xeromeros sehr häufig sumpfige und morastige Stellen, die dazu dienen, die Heerden zu tränken und in weiterem Umkreise die Fruchtbarkeit zu unterhalten. Zwei dieser Sümpfe sind sogar wahre See'n, der Kleine und Grosse Ozeros, der erstere in einer Ebene im Süden, nicht weit vom Aspropotamos, der andere, an der Grenze des Waltos, gleicht mehr einem grossen, schiffbaren Flusse, der in seinem Laufe still gestanden, ungewiss, ob er nach Norden in den Meerbusen von Arta oder nach Süden in den Fluss, nämlich den Aspropotamos, sich ergiessen solle. Durch eine eigenthümliche haushälterische Sparsamkeit der Natur ist dieses an Quellen und fliessenden Gewässern arme Erdreich das Land stehender Wasser geworden.

Dieses ganze Land zwischen dem Meerbusen von Arta und den Mündungen des Aspropotamos wird von Griechen bewohnt und dieser Griechische Stamm hatte sich hier in einer grösseren Freiheit und Reinheit als anderswo erhalten, freilich auch gerade hier in einer gewissen barbarischen Wildheit und Rohheit. Diess giebt sich eben so in ihrer Sprache zu erkennen, die das Neu-Griechische Idiom in seiner ganzen Rauhheit ist, nicht ohne Mischung mit Italienischen Worten, die sich aus der Nähe der Ionischen Inseln erklärt, in der sich jedoch auch seltener Alt-Griechische Ausdrücke rein erhalten haben, wie es sich auch in den Sitten und im ganzen Wesen dieser Griechen von Akarnanien offenbart. Ihre ungezwungene Natürlichkeit und das Ursprüngliche und Naturwüchsige ihres ganzen Seins und Wesens ist eine Folge davon, dass sie mit der Aussenwelt niemals in nähere Berührung gekommen sind, und sie zieht in dem nämlichen Grad an, als der Charakter und Geist dieser naturwüchsigen Menschen in seiner einfachen Kraft und Lebhaftigkeit etwas Alterthümliches an sich trägt.

Von dieser Griechischen Bevölkerung Akarnaniens muss man jedoch die nomadisirenden Wlachen unterscheiden, die, wie in anderen Theilen Griechenlands, namentlich auch in Akarnanien zu finden sind und fast nie mit den übrigen Bewohnern des Landes sich vermischen. Diese Wlachen, die im Winter nach Akarnanien kommen, wo sie mit ihren Heerden am Saume der Wälder lagern, im Sommer aber nach den nordwärts gelegenen Bergen von Agrapha zurückkehren, gehören dem grossen Rumänischen Stamm an, der seit dem Mittelalter die hochgelegenen Thäler von Epirus und Thessalien bewohnt, allein sie bilden eine abgesonderte Familie für sich. Sie heissen theils Karagunis (vom Türkischen Worte Kara, d. i. schwarz, und dem Neu-Griechischen youra, das eine Art Mantel bedeutet, wie die Bauern ihn tragen), theils Αρβανιτόβλαχοι, weil sie in den frühesten Zeiten ihre Wohnsitze an den Grenzen Albaniens hatten, theils werden sie auch Kovióẞlayoi (d. i. hinkende Wlachen) genannt, was man aus der Sprachmischung mit Griechischen Worten erklärt, die ihnen mehr oder weniger eigen ist; aber sie selbst verschmähen diese Benennungen, die sie als beleidigend ansehen, und nennen sich mit dem Namen des Stammes, dem sie angehören, nämlich Rumänen. Sie müssen auch im Allgemeinen als die Brüder der Walachen in den Donau-Fürstenthümern gelten, welche entweder von den Römischen Kolonisten abstammen, die einst Trajan nach Dacien verpflanzte, oder als Eingeborne Daciens, Mösiens und Thraciens anzusehen sind, die das Lateinische unter der Römischen Herrschaft in gleicher Weise erlernten wie die alten Gallier. Der Dialekt dieser Wlachen, der rauh und ungebildet ist, nähert sich im Einzelnen der Lateinischen Sprache weit mehr als der der anderen Walachischen Stämme. Übrigens darf man diese Wlachischen Nomaden mit anderen, die ebenfalls wie sie ein Nomadenleben in Akarnanien führen, nicht verwechseln. Diess sind die Sarakatzanes, ein Griechischer Stamm, dessen Ursprung man nicht kennt, der jedoch nur Griechisch spricht, während die Karagunis ausser ihrer Sprache, der Rumänischen, auch Griechisch und Albanesisch verstehen.

In der Regel führen diese Wlachen ein Nomadenleben als Hirten (in der Griechischen Vulgarsprache bedeutet daher auch ẞlayos einen Hirten) und namentlich sind die Wlachen Akarnaniens der wahre Typus eines Nomaden. Dagegen giebt es anderswo in der Türkei auch sesshafte Wlachen, die sich in Städten und grösseren Dörfern niedergelassen haben und bald Handel, Ackerbau und Viehzucht treiben, bald mit Gewerben sich beschäftigen. So giebt es im Olymp, westlich von der höchsten Spitze des Gebirges, ein Städtchen Namens Wlacho - Livadi (d. i. Wiese der Wlachen), wo sich seit langen Jahrhunderten Wlachische Kolonisten niedergelassen haben. Mit dem den Wlachen eigenen Geschmack für hochgelegene Punkte und für die belebende Luft der Berge haben sie jenen Ort auf einem zwischen zwei Defileen sich hinziehenden Berge gewählt, der den Slavischen Namen Chapka (d. i. Hut) führt. Als der Franzose Heuzey im J. 1855 den Olymp bereiste, hatte Wlacho-Livadi 400 Häuser; vor 50 Jahren hatte es die doppelte

Anzahl. Er beschreibt die Bewohner des Orts als freundlich und gastfrei und als besonders zuvorkommend gegen Fremde. Sie hatten auch eine Griechische Schule, die von 150 Kindern besucht ward. Auf ihre fünf Kirchen, die gross und mit hübschen Malereien im Byzantinischen Geschmack geziert waren, so wie auf die Glocken dieser Kirchen bildeten sie sich nicht wenig ein. Auch in einigen Dörfern in der Nähe (Neochori, Phteri, Milia und Kokkinoplo) wohnten Wlachen; der letztgenannte Ort war der bedeutendere davon und zählte 200 Häuser. Diese Wlachen haben sich dort Häuser gebaut, Dörfer und sogar eine Stadt gebildet. Meistentheils sind sie Hirten und leben vom Ertrag ihrer Heerden, aber ausnahmsweise treiben sie auch Feld- und Weinbau oder sie beschäftigen sich mit Baumwollarbeiten, worin besonders die Frauen es zu einer gewissen Geschicklichkeit gebracht haben. Die Unternehmenderen und Reicheren unter ihnen treiben mit diesen Waaren Handel, indem sie sie ausführen. Gleichwohl sind diese Wlachen auch dort nicht durchgängig sesshaft geworden und geblieben; die ungünstige Jahreszeit veranlasst sie häufig, ihren Wohnort zu verlassen, und besonders die Ärmeren ziehen von Ort zu Ort und bleiben an den einzelnen Punkten, so lange es ihnen da gefällt. Über die Zeit, zu welcher diese Wlachische Niederlassung im Olymp gegründet worden, wissen sie selbst Nichts anzugeben und keine Überlieferung hat sich unter ihnen hierüber erhalten. Wenn man sie darnach fragt, so sagen sie nur, dass sie von den Bergen gekommen sind, dass Livadi ihre erste Niederlassung gewesen und dass die übrigen Dörfer lange nachher gegründet worden seien. Ihre Kirchen, die durchgängig zu Anfang des 18. Jahrhunderts wieder hergestellt oder übermalt worden sind, enthalten darüber keinen Nachweis. Es ist möglich, dass jene kleine Kolonie nur der Rest einer beträchtlicheren Kolonie ist, welche gegen Ende des Mittelalters alle Berge Thessaliens in Besitz genommen hatte. Schon seit dem Jahre 969 spricht ein alter Chronist von ,,reisenden Wlachen" (Brázor ódira, bei Georg Cedrenus), die das Land zwischen dem Pindus und Olymp durchziehen. Im 12. Jahrhundert führt Thessalien nur den Namen Μεγάλη Βλαχία (bei Niketas Akominatos), den es dann auch bis zur Ankunft der Türken beibehielt, und Kantakuzenos nennt es in seiner Geschichte (III, 53) das ,,Fürstenthum Wlachien". Auch im Pindus-Gebirge haben Wlachen unzählige Kolonien gegründet und sich daselbst sesshaft gemacht. So in Gardiki, wo sie grosse Heerden besitzen, ferner in Syrakos und Kalarytä, wo sie Gold- und Holzarbeiter sind, in Trikkala, wo sie als Bürger und Hausbesitzer wohnen, in Metzowo, wo sie als reiche Handelsleute leben und dort mitten in den Gebirgen eines Wohlstandes sich erfreuen, den sie in Folge ihrer Verbindungen mit den grossen Handelsplätzen Europa's erworben haben.

Was die nicht sesshaften Wlachen Akarnaniens anlangt, so stehen sie in Ausübung dieser Gewohnheit des Ortswechsels in keiner Beziehung unter dem Einfluss irgend eines äusseren Zwanges, sondern sie folgen hierbei nur einem Bedürfniss ihrer Natur, einer Art Instinkt, der sie treibt, mit ihren Heerden im Sommer nach den Bergen und im Winter in die niedrigeren Gegenden zu ziehen. Zugleich herrscht dort im Lande selbst der Aberglaube, dass, wenn einer dieser Hirten sich irgendwo sollte festsetzen wollen, ein Stück Land kaufen oder sich ein Haus bauen, er sehr bald in eine Krankheit fällt, sein Körper abmagert und die Würmer sich darin festsetzen. Dazu kommt, dass der Grieche den Wlachen verachtet, ihn als einen Vagabunden behandelt, als einen Menschen betrachtet, der keine Heimath hat. Es ist der alte Hass der festen Bevölkerung gegen die herumziehenden Nomadenstämme und nicht ohne stille Wuth sehen die Griechen diese herumziehenden Hirten jedes Jahr wieder kommen. Die Idee des häuslichen Heerdes, die Liebe zu Haus und Land herrscht dagegen lebendig im Gemüthe des Griechischen Bauern. Der Wlache ist freilich der entgegengesetzten Meinung, dass er viel freier sei, dass er gehe, wohin es ihm beliebe, und dass er dabei nicht bloss sein Vergnügen, sondern auch seinen Vortheil finde. Im Übrigen scheinen die Wlachen trotz dieser Unbeständigkeit im Grunde verständiger zu sein als die Griechen, wenn schon sie, im Ganzen eben so verschlagen wie diese, doch nicht die geistige Regsamkeit und Lebhaftigkeit der letzteren besitzen. In der Regel sind sie von hohem Körperbau und ziemlich hässlich. Ihre Kleidung hat ebenfalls nichts Gefälliges, sie hüllen sich in die Stoffe, die sie selbst bereiten, und ihr Leben in den Gebirgen erfordert auch vor allen Dingen dicke und weite Gewänder. Namentlich die Frauen tragen eine höchst widerliche Kopfbedeckung.

Gewöhnlich ziehen die Karagunis in Haufen von 50 bis 100 Familien. Während ihrer Wanderung wohnen sie in schwarzen Zelten, die sie sich aus den Haaren ihrer Ziegen bereiten und die ziemlich grob gewebt sind. In ihren Kantonnirungen erbauen sie sich dagegen

Hütten aus Ästen und Zweigen der Bäume, und was der Wald sonst dazu hergiebt. Diese einzelnen Haufen sind unter einander völlig unabhängig und jeder von ihnen bildet mit den zu ihm gehörenden Heerden ein für sich bestehendes Ganze, das den Griechischen Namen orán (d. i. Schäferei, Heerde) führt. Solcher Schäfereien giebt es in Akarnanien 12 und darnach würde die Zahl der Wlachen daselbst gegen 800 Familien betragen. Jede Stani steht unter den Befehlen eines Oberhauptes, nach dessen Namen sie auch genannt wird. Diese Gewalt ist erblich, und durch Überlieferung geheiligt, wird sie auch von Allen geachtet. Es ist immer der reichste unter den Hirten, die er beherrscht, und bisweilen besitzt er für sich allein sogar die Hälfte der Heerden. An und für sich von friedfertigem Charakter behauptet er gleichwohl, seine Rechte von kriegerischen Vorfahren ererbt zu haben. In ihrer eigenen Sprache heissen diese Häupter Tschelingas, im Griechischen oxovréqis. Vor dieses Oberhaupt bringen die Wlachen alle ihre Streitigkeiten und alle ihre Angelegenheiten vertrauen sie ihm an. Bei den Behörden des Landes ist er ihr Vertreter, und wenn Räuber in der Nähe sich sehen lassen, liegt es ihm ob, dieselben durch Vergleich oder auf eine andere Weise unschädlich zu machen. Wenn der Frühling herankommt, verhandelt er mit den Einwohnern von Karpenissi und Agrapha wegen des Pachtes der Weideplätze für die Heerden und stets bestimmt er die Zeit des Wegzugs in die Berge, so wie nach den niederen Gegenden. Sein Zelt ist der Sammelplatz und der Mittelpunkt der Stani. Man bezahlt ihm eine jährliche Civilliste von einigen 100 Drachmen, und wenn er für die Gesellschaft eine Ausgabe gemacht hat, so versammelt er die Ältesten und legt ihnen die Rechnungen vor. Die Beiträge, die die Einzelnen zu solchen Zwecken und überhaupt zu den nothwendigen Ausgaben der Stani zu zahlen haben, sind verhältnissmässig auf eine jede Familie vertheilt; das Oberhaupt selbst wird nach der Zahl der Thiere taxirt, die er besitzt.

In

Neben den Schafen und Ziegen, die den wesentlichen Bestandtheil ihrer Heerden ausmachen, erziehen die Karagunis auch Maulesel und eine Sorte kleiner Pferde, die sie zum Fortschaffen ihrer Sachen benutzen. Die Leitung der Heerden ist in ihren Augen eine Kunst, eine Wissenschaft, und sie sind stolz darauf, sich in ihr auszuzeichnen. Mit leidenschaftlichem Eifer widmen sie sich ihrem rauhen Geschäft. jeder Jahreszeit schlafen ihre Hirten draussen im Freien, im Winter im Schnee, im Herbst und während der langen Nächte, in denen der Himmel Nichts als Regen ausströmt, im Regen, und sie haben dagegen keinen weiteren Schutz als ihre wollene Kappe, die plaira, die schon bei Homer die Hirten tragen. Die Mühen, Anstrengungen und Entbehrungen der verschiedensten Art haben aus diesen Menschen mit ihren wetterharten Gesichtern ein Geschlecht von Eisen gemacht und man begegnet unter ihnen Gestalten von staunenswerther Stärke und Körperbildung, mit breiten Schultern und breiter Brust, wie die alte Skulptur sie an den Statuen des Herkules bildet. Die Frauen sind kräftig und arbeitsam wie die Männer. Selbst wenn sie Lasten Wassers tragen, sind sie mit ihrem Spinnrocken beschäftigt, um die Zeit nützlich anzuwenden. Wir zogen einst am frühen Morgen, erzählt der Franzose Heuzey, über einen Lagerplatz dieser Wlachen; es war den Tag nach einer Hochzeit, die dort gefeiert worden war, und die junge Frau, noch in ihrem Hochzeitschmucke, war schon bei der Arbeit und mit Baumwollenweberei beschäftigt. Die Frauen der Wlachen sind im Allgemeinen wegen ihrer Geschicklichkeit im Verfertigen von baumwollenen Stoffen bekannt und sie färben diese nachher in verschiedenen Farben, schwarz, dunkelblau oder scharlachroth. Sie lieben es, sich mit Juwelen aller Art zu behängen, und verzieren sogar ihre hässlichen Kleider mit groben Stickereien. Die Ausstattung, die sich ein solches Wlachen-Mädchen selbst gewoben hat, ist das Einzige, was sie ihrem Manne mitbringt, und die Karagunis verschmähen eine jede andere Mitgift als eine schimpfliche Gewohnheit. Sie verheirathen ihre Töchter niemals an Männer eines anderen Stammes, und wenn auch sie selbst bisweilen Griechische Frauen nehmen, so ist es doch nie geschehen, dass ein Grieche, wie reich er auch sei, die Hand eines WlachenMädchens erhalten hätte.

Ihre Heirathen sind von denen der Griechen ganz verschieden, sie verrathen einen fremden Ursprung und lassen ein Romanisches Element erkennen. Wenn unter den Wlachen ein junger Mann sich verheirathen will, so sucht er selbst den Vater des Mädchens auf. Wird sein Antrag angenommen, so zahlt er sofort seinem künftigen Schwiegervater einige Goldstücke und er muss diese Gabe auch am Hochzeitstage wiederholen, wenn er sich seine Braut holt. Statt für sich eine Mitgift zu verlangen, ist er es, der seine Frau kauft. Es ist die Alt-Römische Sitte der coemptio, der ein Kaufkontrakt zum Grunde lag und wobei man ein Draufgeld zahlen musste, um sich sein

Recht des ersten Erwerbers zu sichern. Wenn nun die Hochzeit bestimmt und in der Stani verkündigt worden ist, so vereinigen sich acht Tage vor der Feier die jungen Mädchen und ziehen in den Wald, um da das Holz für die jungen Eheleute zu holen, womit sie sie versorgen. Zugleich schneiden sie im Wald einen langen Zweig ab, an dessen Spitze sie fünf kleine Zweige stehen lassen, und an den mittelsten stecken sie einen Apfel, an die übrigen aber heften sie Stückchen scharlachrother Baumwolle. Mit dieser Flagge, die sie flambora nennen (im Vulgar-Griechischen bedeutet giduлovço die Fahne), ziehen sie jauchzend heim, indem sie rufen: Troé, flambora! troé, kokkella! und pflanzen sie dann auf dem Dache des Bräutigams auf. Die Hochzeit nimmt nach dem Gebrauche der orientalischen Kirche stets Sonntags ihren Anfang und dann versammeln sich die jungen Mädchen abermals des Morgens früh in ihren besten Kleidern, um beim Anputz des Bräutigams zugegen zu sein; dabei tanzen sie um ihn herum und singen in Rumänischer Sprache einige Verse, in denen unter Anderem Folgendes vorkommt:

Er hat sie gefangen am Fusse einer Weide

Und hat sie unter seinem Arm davon getragen. Hier wird die Heirath, die erst ein Kauf war, in ihrem Munde zu einem verliebten Abenteuer, zu einer Entführung, ganz nach Art der alten Römer, bei denen der vorgebliche Raub eine der bedeutsamsten Scenen des hochzeitlichen Drama's ausmachte und als das Überbleibsel der ursprünglichen Form der Ehe aus der ältesten Zeit Roms angesehen ward. Übrigens spielte bei der Römischen Ehe auch die Wolle eine gewisse Rolle und galt als das Symbol der häuslichen Thätigkeit, der Apfel dagegen war (wie schon bei den alten Griechen) das Zeichen der Liebe und Mütterlichkeit. Endlich setzt sich der Bräutigam zu Pferde in Bewegung nach der Wohnung der Braut. Alle Wlachen der Stani begleiten ihn auf ihren kleinen Kleppern mit buschigen Mähnen. Ein Vorreiter eilt ihnen voraus und empfängt an der Thüre der Hütte einen Kuchen in Gestalt einer Krone, den er alsbald auf den Kopf setzt. Sogleich stürzt der ganze Haufe der Reiter mit verhängten Zügeln herbei und alle machen Jagd auf den Kuchen als auf Ein Ziel, um wenigstens einzelne Stücke davon sich anzueignen. Das Nämliche wiederholt sich gleich darauf an der Pforte des Bräutigams, wenn die Braut, ganz in Scharlach gekleidet, zu Pferde nach ihrer neuen Wohnung begleitet worden, und zugleich wird bei dieser Gelegenheit ein Gebrauch beobachtet, der ebenfalls an eine Alt-Römische Sitte erinnert. So wie nämlich die Braut abgestiegen ist und in Begriff steht, die Schwelle zu überschreiten, wird ihr Butter, bisweilen auch Honig dargeboten, womit sie die Thüre bestreicht, um dadurch anzudeuten, dass ihr Eintritt nur Sanftmuth und Freude begleite. Im alten Rom bestrich die Braut, sobald sie das Haus des Mannes betrat, die Thürpfosten mit Öl, und von dieser Sitte leitete man auch den Lateinischen Namen uxor (statt unxor, von ungere) her.

Bis jetzt ist bei einer solchen Hochzeit noch jede Theilnahme der Kirche ausgeschlossen. Im Gegensatze zu dem Griechischen Gebrauche wird bei den Wlachen die Braut vor der kirchlichen Weihe dem Bräutigam zugeführt und sie gehört ihm bereits in Folge des Kaufs, der desshalb Statt gefunden hat. In Erwartung der kirchlichen Einsegnung der Ehe muss sie die erste Nacht unter seinem Dache zubringen; sie hat in einem Winkel der Hütte ihren Platz, wo sie ehrfurchtsvoll die Hände ihrer neuen Eltern umfängt und lange Gebete zu Gott und den Heiligen spricht. Erst den anderen Morgen wird der Geistliche gerufen und erst nun beginnt die Feier der christlichen Ehe mit ihren Festlichkeiten und Tänzen. Diese Festlichkeiten dauern zwei Tage lang und die eigentliche Verbindung der beiden Brautleute gilt erst vom Mittwoch an als vollzogen. In der ersten Zeit der Ehe lebt die Frau in einem Zustande der Unterwerfung, von dem man sich keine Vorstellung machen kann, und erst nach der Geburt des ersten Kindes wagt sie es, das Wort unmittelbar an ihren Mann zu richten, mit welchem sie vorher ohne Verstoss gegen die Rücksichten eines gewissen Anstandes sich nicht würde unterhalten können. Sie hat im Hause die Rolle einer stummen Sklavin; erst wenn sie Mutter geworden ist, tritt sie aus diesem Zustande der Erniedrigung und der Schweigsamkeit.

Der Bauer Akarnaniens verabscheut die Karagunis. Sie sind von Natur und instinktmässig von räuberischer Art und die Umstände, unter denen sie in Akarnanien auftreten und dort sich aufhalten, begünstigen ihr diebisches Wesen. Listig und verschlagen, wie sie sind, Tag und Nacht im Freien, versäumen sie keine Gelegenheit zum Raub und lassen ihre Schafe und Ziegen ruhig in die grünen Getreidefelder laufen, an denen sie vorüberziehen, und dort ihre Nahrung sich suchen. Ihre Gegenwart ist eine Quelle von Streitigkeiten und Prozessen, wobei die Griechen, obgleich in der Mehrzahl, nicht immer obsiegen. Der

Grieche lässt sich bei aller ihm eigenen Geschmeidigkeit, die jedoch mehr künstlich bemessen und berechnet als wahrhaft feiner Art ist, von dem Wlachen leicht übervortheilen, dessen listige Anschläge besser ausgeführt werden und dessen Taktik von einer besonderen Zähigkeit ist. Was ihre öffentlichen Verhältnisse und die Beziehungen zur Griechischen Regierung anlangt, so sind diese Wlachen in die verschiedenen Gemeinden des Waltos und Xeromeros eingeschrieben, je nachdem sie hier oder dort zu überwintern pflegen, und man behandelt sie in gleicher Weise als Bürger wie die Griechen, nur unter der Bedingung, die man ihnen auferlegt, dass sie bei ihren jährlichen Wanderungen nicht die Türkische Grenze überschreiten. Sie bezahlen an die Regierung nur eine einzige Abgabe, die Viehsteuer. Mit diesem Vortheil zufrieden, den sie von ihnen zieht, überlässt sie ihnen während der Winterszeit die Weide in den Waldungen und den unbebauten Ländereien, die Staatsgut sind. Im Ganzen bilden diese Wlachen eine Art Macht für sich im Griechischen Staate; sie besitzen eine Gewalt in sich, die sie gegenüber der allgemeinen Abneigung aufrecht erhält und die in der Einigkeit ihrer Rathschlüsse und in dem Vertrauen zu ihren Oberhäuptern ihren hauptsächlichen Grund hat. Jeder Führer einer Stani, der des Willens von Hunderten sicher ist, ist in der Gemeinde, in welcher er sein Zelt aufgeschlagen hat, eine Person von einer gewissen Bedeutung und von Einfluss und er weiss diesen Einfluss den Griechischen Dimarchen und Häuptlingen gegenüber gehörig geltend zu machen. Die letzteren sind diesem Einfluss oft um so weniger gewachsen, je mehr in den Griechischen Dörfern mit ihren kleinen Zwistigkeiten und Eifersüchteleien keine Eintracht, sondern nur Uneinigkeit herrscht und zu finden ist.

Die frühere Wasserstrasse zwischen dem Kaspischen und Schwarzen Meere.

Herr Staatsrath Dr. Bergsträsser in Astrachan schreibt uns mit Bezug auf seine wichtigen Arbeiten über die Ponto-Kaspische Niederung 1), die jetzt auch in Russland den lebhaftesten Anklang finden, folgende interessante Notiz : Der Wasserweg zwischen dem Kaspischen und dem Asow'schen Meere muss noch bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts selbst für grössere Fahrzeuge offen gewesen sein. Diess beweist nachstehende, neuerdings erst offenkundig Zur Zeit der Verschwörung des gewordene Thatsache. Kosaken Stenko-Rasin (1665 bis 1670) und seiner grossen Erfolge an den Küsten des Kaspischen Meeres stiessen noch mehrere Horden ähnlichen Raubgesindels aus seiner Heimath zu ihm und zwar aus den am unteren Don gelegenen Ortschaften zu Wasser „durch die Flüsse Manytsch und Kuma (also durch die Ponto-Kaspische Niederung) direkt ins Kaspische Meer" (siehe „die Verschwörung StenkoRasin's" von Kostomarow, St. Petersburg 1859, S. 69). Als später Stenko-Rasin von den Ostufern des Meeres zurückkehrte und mit seinem Diebesgut in die Heimath ziehen wollte, hielt man auf der Insel Tschetirog-Bugor einen Rath, ob man lieber durch die Flüsse Kuma und Manytsch auf den Seebarken oder durch die Wolga zurückgehen solle.,,Man wählte den letzteren Weg, weil man in den stark bewohnten Gegenden an der Wolga leichter Lebehsmittel bekommen konnte und weil man in Astrachan auf einen Gnadenakt des Czaren hoffte." (Ebendaselbst Seite 78 im Russischen Original.) Wenn man also vor 190 Jahren in den Flüssen Kuma und Manytsch hinreichend Wasser hatte, um auf Seebarken durchzukommen, und eine freie Verbindung zwischen ihnen existirte, so darf man doch gewiss voraussetzen, dass die Wasserbaukunst im Stande sein kann, die seitdem entstandenen Hindernisse zu ent

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1) S.,,Geogr. Mitth." 1859, SS. 339 bis 342, 411 bis 428 und Tafel 16; 1860, SS. 80 und 440.

fernen und die unterbrochene Verbindung wieder herzustellen. Es lässt sich nicht annehmen, dass die Kosaken diesen Wasserweg nicht genau sollten gekannt haben, denn von der Hälfte des Weges an liegen ihre Ländereien auf beiden Ufern des in der westlichen Hälfte der Ponto - Kaspischen Niederung befindlichen Manytsch-Flusses und sodann ist es allgemein bekannt, dass umherziehendes Raubgesindel alle geheimen Wege und Schlupfwinkel sehr genau auskundschaftet.

Vier Expeditionen zur Entdeckung der Nil-Quellen.

Zu keiner Zeit hat man von so vielen Seiten und mit so gegründeter Aussicht auf Erfolg danach gestrebt, das alte Problem der Nil-Quellen zu lösen, als gegenwärtig, wo nicht weniger als vier Expeditionen zugleich dieses Ziel verfolgen. Nachdem durch die Ägyptische Expedition, die katholischen Missionäre und einige andere einzelne Reisende der Weisse Nil bis über Gondokoro hinaus verfolgt und auf der anderen Seite des Äquators der grosse Binnensee Victoria-Nyanza durch Captain Speke entdeckt worden, bleibt, so sagt man, nur noch ein verhältnissmässig kleiner Raum von etwa 5 Breitengraden zu durchforschen übrig, innerhalb dessen sich die Hauptquelle des riesigen Stromes befinden müsse. Auf diesen Raum richten sich demnach die Augen aller derer, die es unternommen haben, das grosse Räthsel zu lösen.

1. Von Süden her hofft ihn Captain J. H. Speke zu durchreisen. Wir berichteten bereits früher, dass die Britische Regierung 2500 Pfd. Sterling zu seinem Unternehmen bewilligt und ihm gestattet habe, seinen Freund Capt. Grant als Begleiter mitzunehmen (s. ,,Geogr. Mitth." 1860, S. 198). Nachdem die Vorbereitungen beendet waren, verliess er England am 21. April 1860 auf einer Fregatte in Begleitung des Admiral Keppel und des Gouverneurs der Kap-Kolonie Sir George Grey, erhielt von letzterem am Kap 12 Hottentotten - Soldaten als Eskorte und eine weitere Geldunterstützung von 300 Pfd. Sterl. und kam auf dem Dampfer ,,Brisk" unter Admiral Keppel am 17. August zu Zanzibar an. Am 1. Oktober landete er mit Capt. Grant und der übrigen Expedition zu Bagamoyo auf dem Festland und brach sofort nach dem Inneren auf. Sein Plan ist, seinen früheren Weg über Kazeh nach dem Victoria-Nyanza einzuschlagen und an der Westseite dieses See's über Uganda und Unyoro ) nordwärts vorzudringen, um sich wo möglich in der Gegend von Gondokoro am Weissen Nil mit dem Englischen Konsul in Chartum, J. Petherick, zu vereinigen.

2. Wenn es Speke und Grant gelingt, Gondokoro zu erreichen, so werden sie voraussichtlich bei ihrer Ankunft daselbst von Mitteln entblösst sein und bei ihrer Unkenntniss der dortigen Sprachen und Völker ernste Gefahr laufen, zumal jetzt die feindliche Gesinnung der Neger-Stämme am oberen Nil gegen die Europäer durch Verschuldung der letzteren aufs Höchste gestiegen ist. Man hält es daher für nothwendig, ihnen von Norden her Hülfe zuzuführen, und dazu hat sich Herr Petherick erboten, der durch seine langjährigen Reisen im Nil-Gebiete bis nahe an den

1) S.,,Geogr. Mitth." 1859, Tafel 15.

Äquator hin1) die hierzu erforderlichen Erfahrungen gemacht hat und in jeder Hinsicht eine geeignete Persönlichkeit zur Ausführung dieses Planes zu sein scheint. Petherick's nächstes Ziel wird sein, ein ausreichendes Dépôt von Nahrungsmitteln zu Gondokoro zu errichten unter Bewachung seiner eigenen Leute, um die Speke'sche Expedition mit den nöthigen Subsistenzmitteln zu versehen und zugleich vor Gewaltthätigkeiten zu schützen; zweitens will er versuchen, an der Erforschung der bis jetzt noch unbekannten Gebiete zwischen Gondokoro und dem Victoria-Nyanza selbst thätigen Antheil zu nehmen und dabei mit Captain Speke sich zu vereinigen, um diesem bei der Reise durch die feindlichen Volksstämme jenes Gebietes, mit denen er zum Theil schon bekannt ist, beizustehen. Selbst wenn sich beide verfehlen sollten, würde doch schon Petherick's Anwesenheit im Lande voraussichtlich Captain Speke von Nutzen sein. Petherick denkt Gondokoro im November 1861 zu erreichen und die südlich davon gelegenen Landschaften bis März 1862, wo der Eintritt der Regenzeit weitere Unternehmungen verhindern wird, zu bereisen; im August 1862 will er sodann seine Explorationen wieder aufnehmen und bis Februar 1863 fortsetzen, so dass er um diese Zeit wieder nach Gondokoro zurückkehren würde. Da die Britische Regierung diesem Unternehmen keine pekuniäre Unterstützung gewährt, so hat die Geographische Gesellschaft zu London eine Subskription eröffnet, deren bisheriger Fortgang wohl erwarten lässt, dass man die erforderlichen 2000 Pfd. Sterling zusammenbringen wird. Am 2. Januar d. J. waren bereits gegen 1000 Pfd. Sterling gezeichnet.

3. Von Norden her streben ausserdem G. G. Miani und G. Lejean demselben Ziele zu. Giovanni Miani, ein Venetianer von Geburt, der sich gleich vielen anderen Italienern in den Nil-Ländern und namentlich in Chartum seit langer Zeit aufgehalten und auf verschiedene Weise sein Glück versucht hat, machte sich zuerst durch seine grosse, vielfach abenteuerliche Karte des Nil 2) bekannt, die er im Jahre 1857 in Frankreich herausgab, wohin er gekommen war, um eine Expedition zur Auffindung der NilQuellen zu organisiren. Es gelang ihm nach vielen Schwierigkeiten, eine Anzahl Begleiter (Capitaine Peghoux, Maler Antoine Dumas, Georges Poussel und einige Andere) und die nöthigen Mittel zu finden, verliess mit diesen am 27. März 1859 Marseille und reiste den Nil hinauf nach Chartum; hier aber trennten sich die Mitglieder der Expedition in Folge von Uneinigkeit. Einige kehrten nach Frankreich zurück, Andere versuchten unter Peghoux' Leitung mit Ausschluss Miani's das Unternehmen fortzuführen und kamen den Weissen Nil eine Strecke weit hinauf, aber der Maler Dumas und der Dolmetscher Georges Bertrand starben und Peghoux sah sich zur Umkehr genöthigt, er kehrte allein nach Europa zurück. Inzwischen gelang es Miani mit Hülfe des Maltesers Andrea Debono (LatifEffendi), der im Jahre 1853 auf dem Weissen Flusse bis oberhalb der Katarakten von Makedo gekommen war, eine neue Expedition zu organisiren; er brach im Dezbr. 1859 von Chartum auf und versuchte, in Gondokoro angekommen,

1) S.,,Geogr. Mitth." 1860, S. 114.

2) S.,,Geogr. Mitth." 1858, S. 561, Nr. 55.

zu Wasser den Weissen Nil aufwärts zu verfolgen. Er erreichte auf diese Weise die Katarakten von Makedo, da aber von hier an die Schifffahrt sehr schwierig und oft ganz unmöglich wird, auch seine Eskorte von 25 Soldaten ihn verliess, so kehrte er nach Gondokoro um, miethete 100 Soldaten und 150 Bari-Neger als Träger und zog zu Lande, östlich vom Nil,,,durch Wälder, Berge, Thäler und feindliche Völkerschaften" gegen Süden, bis er bei dem Orte Madi im Lande der Auidi wieder an den Fluss kam. Madi liegt nach ihm in 2° 30′ N. Br. und 30° 20' Östl. L. von Paris am rechten Ufer des Stromes, der seiner Kartenskizze nach von Makedo und dem Berge Logwek an den Namen Kere erhält und sich von Madi bis zum Logwek unter starken Krümmungen zwischen den Bergketten Galopi im Osten und Gniri im Westen hindurchwindet, indem er im Allgemeinen die Richtung von Südost gegen Nordwest einhält. Oberhalb Madi mündet von Osten her der Aúva in den Hauptstrom, welcher letztere etwas weiter aufwärts die Katarakten von Meri bildet und bei dem Orte Galuffi, unfern dieser Katarakten und ungefähr in 2° 12' N. Br. und 30° 40' Östl. L. von Paris, von Westen kommend sich mit scharfer Biegung gegen Nordwest wendet. Galuffi war der südlichste Punkt, den Miani erreichte; der Mangel an Hülfsmitteln, Krankheit und der Eintritt der Regenzeit nöthigten ihn hier zur Umkehr, doch zog er zuvor einige Erkundigungen über den obersten Lauf des Nil ein. Die Leute von Galuffi berichteten, der Fluss heisse oberhalb der Katarakten Meri und entspringe jenseit Patico, wo das Gebiet der Auidi an das Land der Galla stosse. Dieses Patico liege aber südöstlich von Galuffi (ungefähr in 33° Östl. L.), unweit des Kenia (auf Miani's Karte in 0° 18' N. Br.), und man habe bis dahin folgende Orte oder Landschaften zu passiren: Mogassa, Aimo, Amuju, Okella, Abile, Laderi, Kalulu, Agora, Dadón, Akara. Eine andere, von Galuffi gegen Südwest verlaufende Route führt nach Miani's Karte über Taissi, Pagnaro, Pairo, Paciara und Alu an den Meri (in 1° N. Br. und 30° Östl. L.), der von Patico kommend unter dem Namen Amé nordwestlich fliesst und zwischen Alu und Galuffi einen grossen Bogen gegen West, Nord und Ost beschreibt. Da Miani einer wissenschaftlichen Bildung ermangelt und keine Andeutungen über die Art und Weise giebt, wie er seine Route bestimmt habe, so sind diese Angaben von sehr zweifelhaftem Werth, namentlich was die Positionen betrifft, es kann aber wohl kaum bestritten werden, dass Miani am Weissen Nil eine gute Strecke weiter hinauf gekommen ist als seine Vorgänger, und sehr der Beachtung werth ist die abermalige Hindeutung auf die östlichere Lage der Nil-Quellen, die mit früheren Erkundigungen von anderen Seiten her übereinstimmt und die Unwahrscheinlichkeit der Annahme von dem Ursprung des Nils im Victoria-Nyanza erhöht. Östlich vom Weissen Fluss zeichnet Miani den Giubba und Bondjak, die von Südosten kommend sich 8 Tagereisen östlich von Gondokoro zum Sobat vereinigen. Gegen Westen vom Nil deutet er die grossen Volksstämme Makaraka und Zambara (Niambara auf Poncet's Karte) an, durch deren Gebiet von 'Süd nach Nord die Flüsse Giei und Ire dem Bahr-el-Gazal zuströmen.

Im Sommer 1860 reiste Miani den Nil hinab nach Kairo, wo er so glücklich war, den Vicekönig von Ägypten

für sein Unternehmen zu interessiren und von ihm die Mittel zu einer zweiten Expedition zu erhalten, die er zu Anfang Dezembers angetreten hat. Der Vicekönig gewährte ihm Geld, Waffen und Handelsartikel und gab ausserdem den Befehl, ihn von Chartum aus mit einer Eskorte von 200 Neger-Soldaten zu versehen.

4. Ungleich wichtiger in wissenschaftlicher Hinsicht wird voraussichtlich die vom Kaiser von Frankreich unterstützte Expedition Lejean's werden, eines tüchtigen Geographen, der sich bereits durch seine Arbeiten in der Türkei ') einen Namen gemacht hat. G. Lejean begab sich in den ersten Tagen des Jahres 1860 von Paris nach Kairo, ging am 7. Februar von da über Suez nach Sauakin und trat von hier aus am 13. März die Reise nach Chartum an. Über diesen Weg hat er nur eine ganz kurze Relation gegeben (Bulletin de la Société de Géogr. 1860, pp. 87-90). Er erreichte am 27. März Kassala, wo er Herrn Werner Munzinger, den künftigen Begleiter Th. v. Heuglin's, traf, überschritt den damals wasserlosen Atbara einige Meilen unterhalb Sufi, das jetzt 15 Lieues von seinem früheren Platz in der Oase Gedaref liegt, von der Ägyptischen Regierung dahin versetzt, und kam über den. Djebel Galo oder Arang im April oder Anfangs Mai in Chartum an. Er wollte sich so bald als möglich nach dem oberen Weissen Nil begeben, die Zustände sind aber gegenwärtig in jenen Ländern der Art, dass es für einen einzelnen Reisenden geradezu unmöglich ist, sie zu betreten. Die Europäischen Kaufleute und Abenteurer in Chartum haben sich durch Gewaltthätigkeiten aller Art, Mord, Diebstahl, Raub von Kindern und Frauen, Niederbrennen der Dörfer, die Negervölker am Weissen Nil zu erbitterten Feinden gemacht, nur mit einer wohlbewaffneten Eskorte von 50 bis 80 Mann dürfen sie sich dahin wagen und trotzdem büssen sie häufig genug ihre gewinnsüchtigen Unternehmungen mit dem Tod oder doch mit schweren Verlusten. So wurden im Anfang des vorigen Jahres von den 155 Mann einer solchen Expedition nicht weniger als 96 von den Negern erschlagen. Lejean fasste desshalb den Plan, sich dem Ziel auf Umwegen zu nähern; bald dachte er daran, östlich über Gedaref und Galabat nach Gondar zu gehen und dann südlich durch Abessinien, Guderu und westlich von Kaffa u. s. w. einen Weg nach dem oberen Nil zu suchen, eine Reise, die für die Geographie der östlichen Hälfte des Nil-Gebiets von der grössten Bedeutung sein würde; bald glaubte er eine westlichere Route durch Kordofan und Fertit vorziehen zu müssen, doch kam er, von einem Ägyptischen Beamten hingehalten, zu keiner Entscheidung, bis er durch neue Geldsendungen in den Stand gesetzt wurde, eine eigene Barke (,,la Bretagne") auszurüsten und zu bemannen, mit welcher er am 28. Novbr. von Chartum aus den Weissen Nil hinauf fahren wollte. Er hatte sich auch auf die spätere Landreise eingerichtet und hoffte den Victoria - Nyanza erreichen zu können, obwohl er Ende Juni wieder in Chartum einzutreffen gedachte.

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Die Zeit seines Aufenthaltes in Chartum benutzte Lejean

1) Seine bedeutendste Arbeit über die Türkei ist seine ethnographische Karte dieses Landes, die nebst einer Abhandlung in den letzten Tagen als Extraheft dieser Zeitschrift erschienen ist.

dazu, Erkundigungen über die oberen Zuflüsse des Nil einzuziehen und namentlich die Erfahrungen der Europäischen Kaufleute auszubeuten, die oft weit nach Süd und Südwest vorgedrungen sind. So war er im Stande, einige recht werthvolle Notizen und Karten nach Paris zu schicken, wie z. B. über Debono's Reise auf dem Nil oberhalb Gondokoro im Jahre 1853 (Bulletin de la Soc. de Géogr. 1860, pp. 93-98), über Angelo C. Bolognesi's Reise auf dem Keilak im J. 1856 (ebenda, S. 91), besonders aber über die grosse, von ihm reducirte und im Bulletin de la Soc. de Géogr., Octobre 1860, publicirte Karte der Gebrüder Poncet, welche das Nil-Gebiet zwischen 4° und 14° N. Br. und zwischen 21° und 33° Östl. L. von Paris umfasst und namentlich im Westen des Weissen Flusses und im Süden vom Bahr-el-Gazal ein ganz neues Gebiet erschliesst, indem sie die Erkundigungen und eigenen Erfahrungen der Europäischen Händler, welche dort seit längerer Zeit eine Reihe von Etablissements haben, zum ersten Mal zusammenstellt. Ausserdem machte Lejean einen Ausflug nach Kordofan bis zu den Haraza-Bergen, wo sich interessante Zeichnungen aus der vor-islamitischen Zeit auf einem Granitfelsen finden 1).

K. v. der Decken's Reise nach den Ost-Afrikanischen See'n Herr Karl v. der Decken, welcher sich auf Dr. H. Barth's Anrathen mit Dr. Roscher zu einer grösseren Expedition ins Innere von Afrika vereinigen wollte und im April 1860 nach Zanzibar abgereist war, hat seine Pläne auch nach dem Tode Roscher's nicht aufgegeben, er wird vielmehr das Unternehmen unseres unglücklichen jungen Freundes weiter zu führen suchen, indem er sich zunächst nach dem Nyandja begiebt. Wie der Britische Konsul in Zanzibar, OberstLieutenant Rigby, meldet, sollte er an die Häuptlinge von Nussewa und Hingomanje (Kingomanja?) Belohnungen für ihre Hülfleistung bei Ergreifung der Mörder Roscher's überbringen. Diese letzteren wurden bekanntlich nach Zanzibar geschafft und haben dort am 23. August vorigen Jahres ihr Verbrechen mit dem Tode gebüsst.

Ein neues Afrikanisches Werk von Dr. Ferdinand Werne. In gegenwärtiger Zeit, wo man mit so grosser Anstrengung unsere Kenntniss der Regionen am Oberen Nil zu erweitern sucht, muss ein neues Werk von einem Manne, der eine unserer Haupt-Autoritäten über diese Regionen bildet, doppelt willkommen sein. Ferdinand Werne begleitete die erfolgreichste der drei Ägyptischen Expeditionen den Bahr-el-Abiad hinauf (1840 und 1841) und gab im Jahre 1848 bei G. Reimer einen Bericht heraus, der nicht bloss der ausführlichste über diese Expeditionen, sondern noch jetzt das Beste ist, was man überhaupt über

1) Auch der französische Arzt Dr. Peney in Chartum, welcher schon zu Anfang des vorigen Jahres mit A. de Malzac nach dem Oberen Nil reisen wollte und sich nach Malzac's Tode einer anderen Gesellschaft angeschlossen hatte, beabsichtigte im Spätsommer 1860 den Weissen Nil hinaufzufahren, um mit 100 Mann Eskorte in die Gegenden zwischen Gondokoro und dem Victoria-Nyanza vorzudringen. Er hoffte einige astronomische und meteorologische Instrumente aus der Hinterlassenschaft der d'Escayrac'schen Expedition mitnehmen zu können. Ob er sein Projekt ausgeführt, ist uns nicht bekannt geworden.

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