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XIII.

Die rechtsmainische Limesforschung.

Einige Bemerkungen zum Aufsatze Emil Hübner's: Zum römischen Grenzwall in Deutschland. Erster Nachtrag." Bonner Jahrbücher 66 (1879), pag. 13 ff.

Von

Dr. Albert Duncker,

Oberlehrer am Real-Gymnasium zu Wiesbaden.

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Die jüngste Zeit hat der deutschen Limesforschung in Herrn Professor Dr. Emil Hübner zu Berlin einen einflussreichen Bundesgenossen gebracht. In seinen Abhandlungen bezw. Aufsätzen: „Der römische Grenzwall in Deutschland" (Bonner Jahrbücher 63 (1878), pag. 17-56), Römisches in Deutschland" (Deutsche Rundschau, Juliheft 1879, pag. 116-131), endlich in einer soeben im 66. Heft der Bonner Jahrbücher veröffentlichten weiteren Arbeit unter dem Titel: „Zum römischen Grenzwall in Deutschland. Erster Nachtrag", pag. 13-25, hat der bekannte Gelehrte und Kenner römischen Alterthums nicht nur ein fast vollständiges längst vermisstes Repertorium aller seitherigen Limesabhandlungen geliefert, sondern auch sich der höchst dankenswerthen Mühe unterzogen, das grössere gebildete Publikum für diese Untersuchungen zu interessiren. Sein Aufsatz: „Römisches in Deutschland“ enthält auf pag. 117 die beherzigenswerthen Worte: Was uns noch fehlt auf dem Gebiete historischer Localforschung gegenüber unseren Nachbarn dies- und jenseits des Canals, das ist die allgemeine und nachhaltige, die verständnissvolle und opferbereite Theilnahme aller Gebildeten der Nation an den Bestrebungen und Leistungen der verhältnissmässig doch nur Wenigen, welche zu jener Sammelarbeit in Vereinen und Gesellschaften zusammengetreten sind oder auf eigene Hand an ihr theilnehmen".

Jeder, der sich längere Zeit mit der Erforschung der römischen Grenzwehr in Deutschland und der hinter oder an ihr gelegenen Castelle, Warten und Ansiedelungen beschäftigt hat und die grossen Schwierigkeiten kennt, die einem allseitig befriedigenden Abschlusse dieser Untersuchungen noch im Wege stehen, wird diese Worte unterschreiben können. Was mich betrifft, so habe ich schon in meiner

letzten diese Fragen betreffenden Arbeit: „Beiträge zur Erforschung und Geschichte des Pfahlgrabens (Limes imperii Romani Transrhenanus) im unteren Maingebiet und der Wetterau", Kassel 1879, das Verdienst Hübners so sehr anerkannt, dass mich wohl Niemand der Impietät zeihen wird, wenn ich im Folgenden einige Punkte berühre, bei denen ich mich mit ihm im Widerspruch befinde. Veranlassung, in aller Kürze einige dieser Gegensätze zu betonen, gibt mir sein letzter oben erwähnter Aufsatz im 66. Heft der Bonner Jahrbücher (1879): „Zum römischen Grenzwall in Deutschland, 1. Nachtrag", der in seinem grössten Theile eine Besprechung meiner vorher genannten Abhandlung über den Pfahlgraben enthält. Wenn Hübner dort mehrmals (pag. 13 und 20) hervorhebt, dass meine Abhandlung in der Hauptsache darauf hinausgehe, ein negatives Resultat zu begründen, das heisst hier, den Glauben an die Stichhaltigkeit der Hypothesen Karl Arnd's zu zerstören, so gebe ich ihm vollkommen Recht. Es ist freilich niemals eine erfreuliche Aufgabe, alle mögliche Mühe darauf verwenden zu müssen, die Irrthümer von Vorgängern aus dem Wege zu räumen, aber erspart bleiben kann uns diese Mühe auf keinem Gebiete menschlicher Forschung, wenn ein fester Boden für endgültige Resultate gewonnen werden soll. Meine Absicht war allerdings, wie sich ein Recensent meiner Abhandlung im Darmstädter „Correspondenzblatt der deutschen Geschichts- und Alterthumsvereine", XXVII (1879), No. 3 und 4, pag. 31 treffend ausspricht, für eine erneute gründlichere Untersuchung des Limes in Maingebiet und Wetterau Luft zu schaffen". Es erschien dies um so nothwendiger, als dem naturgemässen Verlaufe der Dinge nach die Autorität eines nicht in weiteren Kreisen bekannten Localforschers immer mehr zunimmt, je mehr die Möglichkeit schwindet, dass Zeitgenossen seine Persönlichkeit characterisiren und uns über den Grad seiner wissenschaftlichen Qualification ein Urtheil verschaffen. Weiss der betreffende Localantiquar seinen Mangel an der zu eingehenden historischen Studien mindestens unerlässlichen Grundlage einer Gymnasialbildung 1) noch einigermassen geschickt dadurch zu verdecken, dass er sich vorkommenden Falls lediglich auf die Schultern besser ausgerüsteter Forscher stützt, so ist die Gefahr, dass seine Arbeiten von einem späteren Geschlechte überschätzt werden, noch weit grösser. In einem solchen Verhältniss befindet man sich in mancher Beziehung Arnd gegenüber. Ich bin weit entfernt, die Wichtigkeit der tech

1) Dass es von dieser Regel unter hochbegabten Geistern Ausnahmen genug gibt, weiss ich recht wohl. Aber für solche Fälle gilt der Spruch: Quod licet Jovi, non licet bovi,

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nischen Kenntnisse, welche er durch seinen Beruf als Baumeister zu seinen topographischen Untersuchungen mitbrachte, zu unterschätzen. Was jedoch seine Leistungen als Historiker der kurhessischen Provinz Hanau betrifft, so ist dafür das kurze aber vernichtende Urtheil in in v. Sybel's historischer Zeitschrift, I, 2, 496 f., Jahrg. 1859, noch in vollkommener Gültigkeit. Jeder nur einigermassen bewanderte Kenner mittelalterlicher und neuerer Territorialgeschichte des Main- und Kinziggaus wird mir dies bestätigen. Dass bei jeder historischen Forschung die Kritik der Person, d. h. hier der Vorbildung des Vorgängers, eine wichtige Rolle spielt, gibt, wie begreiflich, auch Hübner pag. 16 zu. Wenn er indessen nachher pag. 17 die Mitforscher bittet, „alle Polemik gegen Personen und alles Ziehen von allgemeinen Schlüssen bei Seite lassen zu wollen", so kann ich gewiss von dieser Bemerkung mich ebenso wenig getroffen fühlen als meine Freunde im Hanauer Geschichtsverein. Gegen die Characteristik, welche ich in der Abhandlung über den Pfahlgraben pag. 29 ff. von Arnds Leben, Wissen und Schaffen entworfen habe, kann wahrlich der Vorwurf ungeeigneter Polemik nicht erhoben werden. Hätte ich dort rücksichtslos die Wahrheit sagen wollen, wozu ich nunmehr geradezu genöthigt bin, so musste ich erklären, dass schon die begabtesten und wissenschaftlich am Besten ausgerüsteten Mitforscher Arnd's, wie Habel und Landau, ihn für durchaus unqualificirt zu Arbeiten auf dem Gebiete der römischen Alterthumskunde hielten. Daher entsprang auch ihr Widerspruch gegen seine Resultate, daher der Widerspruch im Gesammtverbande der deutschen Geschichtsvereine gegen ihn und hartnäckig und ehrgeizig zugleich, wie er war, ging er nun ganz und gar seinen eigenen Weg. Ich hätte ferner sagen müssen, dass ebenso wie seine Hypothese vom Probuswall einem Irrthume des grossen Gibbon in seiner „History of the decline and fall of the Roman empire" ihre Entstehung verdankt, seine weiteren Bemerkungen und Angaben über die Römer in Deutschland, insbesondere fast der ganze §. 4 seines Pfahlgrabens" (2. Ausg., Frankfurt a. M. 1861) in den wesentlichsten Punkten kritiklos aus dem Buche Römer-Büchner's: „Beiträge zur Geschichte der Stadt Frankfurt und ihres Gebietes", Frankfurt 1853, ausgeschrieben sind. Zwar erklärt Arnd (Pfahlgr., pag. 35) selbst, dass er seinen Ausführungen die Forschungen jenes Gelehrten zu Grunde lege", aber ein flüchtiger Blick hätte ihn doch schon davor behüten sollen, Behauptungen, wie die des Vordringens des Probus über Neckar und Elbe (RömerBüchner, pag. 128) u. A. aus der jenem Buche angefügten chronologischen Uebersicht der Römerherrschaft in Deutschland einfach zu

acceptiren. Es lässt sich dies freilich damit entschuldigen, dass Arnd dem Frankfurter Historiker, der ihm an Wissen weit überlegen war und sich ausserdem durch bessere Leistungen insbesondere um die mittelalterliche Geschichte seiner Vaterstadt unleugbare Verdienste erwarb, als unbedingter Autorität folgte. Aber gerade darin zeigt sich doch wieder sein Mangel an genügender Vorbildung zu diesen Studien. Denn da er des Lateinischen so gut wie ganz unkundig war, musste er sich auf Uebersetzungen oder auf Arbeiten solcher Forscher durchaus verlassen, welche selbst im Stande waren, die Quellen im Urtexte zu lesen. Auch von seiner weiteren Unkenntniss auf historischem und archäologischem Gebiete sind manche Beispiele mir nicht allein bekannt. In einer Gesellschaft zu Hanau, in der mein gegenwärtiger Director, Herr Spangenberg, anwesend war, hörte dieser zu seinem grössten Erstaunen Arnd wiederholt von dem Römer Horatius Coleus sprechen, bis sich schliesslich herausstellte, dass damit Horatius Cocles, den jeder Quartaner kennt, gemeint sein solle!! In dem Catalog der Erwerbungen des kleinen Hanauer Museums, der in seinen ältesten Theilen von Arnd angefertigt und von seiner Hand geschrieben ist, findet sich unter Anderem in der Aufzählung der Münzen die Bezeichnung eines Hellers mit 2 Engeln". Der „Heller mit 2 Engeln" ist indessen eine Münze des Magnentius, des bekannten Usurpators aus der constantinischen Zeit, dessen Kopf mit theilweise erhaltener Umschrift auf dem Avers noch deutlich erkennbar ist. Die beiden ein Schild haltenden Engel" des Reverses sind zwei Siegesgöttinnen!! Weitere Fehler dieser Art liessen sich an der Hand des in Hanau vorhandenen Materials jederzeit noch viele aufweisen; ich denke indessen, dass die erwähnten jedem competenten Forscher schon hinlänglich genügen und man es nun Niemanden mehr verdenken wird, wenn er die wissenschaftlichen" Resultate Arnds nur mit Argwohn betrachtet.

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Eine zweite Bemerkung Hübners berühre ich nur kurz. Pag. 17 sagt er, „auf die Widerlegung des Arndschen Irrthums, dass Kaiser Probus der Urheber des von ihm angenommenen „äusseren“ Limes sei, hätte ich viel Raum (es sind 17 Seiten) verwendet". Er scheint jedoch dabei zu übersehen, dass die Arndsche falsche Hypothese vom Probus wall schon anfängt, sich wie eine ewige Krankheit fortzuschleppen". Und das nicht in den Kreisen der Localforscher, sondern sogar denen der anerkannten Gelehrten. So beruhen in dem Werke des Marburger Professors W. Arnold: „Ansiedelungen und Wanderungen deutscher Stämme. Zumeist nach hessischen Ortsnamen", Marburg 1875, viele Schlüsse auf pag. 79 ff. und in dem neueren Buche desselben Verfassers: Deutsche Urzeit", Gotha 1879, eine Anzahl Er

gebnisse des 2. Kapitels, pag. 81 ff. auf Arndschen „Resultaten“, wie ich in meinem „Pfahlgraben“ nachwies. In wie vielen anderen populär gehaltenen wieder auf Arnold's Arbeiten fussenden Schriften diese Irrthümer jetzt schon Aufnahme gefunden haben und noch finden werden, entzieht sich vollkommen der Berechnung. Damit also nicht auch in den weiteren Kreisen der Wissenschaft haltlose Hypothesen eine Heimath fänden, schien mir der, meines Wissens früher noch von Niemanden eingehend geführte, Nachweis der Unmöglichkeit grosser und länger dauernder Wallbauten des Probus am deutschen Limes und namentlich in dessen nördlich des Mains gelegenen Theilen kein unnützes Stück Arbeit. Für die Widerlegung Arnd'scher Behauptungen hätte ich mich allerdings, wie ich zugebe, kürzer fassen können.

Hübner greift weiterhin (pag. 18 f.) meine Darlegung an, dass von Gross-Krotzenburg (s. ö. von Hanau) bis in die Gegend von Freudenberg der Main selbst auf einige Meilen statt des Limes die Grenze gebildet und die Fortsetzung des Walls nach Südosten erst wieder bei Freudenberg begonnen habe. Er bezweifelt, dass in dem Limes „eine solche Lücke, wie sie der jederzeit auf das Leichteste überschreitbare Main bilde, gelassen worden sei". Ist denn die Ueberschreitung des Pfahlgrabens, dessen Höhe öfters, wie seine in den Waldgegenden des Taunus mitunter noch fast unversehrt erhaltenen Profile beweisen, drei Meter noch nicht überstieg, in der That, vom militärischen Standpunkte aus betrachtet, schwieriger als die des Mainstroms, der zwischen Gross-Krotzenburg und Freudenberg selbst heute noch, wo er bekanntlich viel wasserärmer ist als im Alterthum, eine durchschnittliche Breite von 100-110 Meter besitzt? Ausserdem sind auf dieser ganzen Strecke die Terrainverhältnisse derart, dass man von den hart am linken Ufer angelegten Castellen, Warten und Strassen sehr leicht grössere von den Spessarthöhen herabsteigende Germanenschaaren beobachten und sich zeitig zur Wehr gegen einen Angriff rüsten konnte. Wie man seitens der Römer die damals noch weit selteneren Furten zu sichern wusste, konnte in dem vorhergehenden Aufsatze dieses Annalenbandes an zwei Beispielen, den Uebergängen von Gross-Krotzenburg und Kesselstadt, gezeigt werden. Vgl. auch m. „Pfahlgraben“, pag. 24 und 102.

Das Verlangen Hübners (pag. 15), dass eine etwaige Verbindung der sogenannten Mümlingslinie auf dem linken Mainufer über die Gersprenz hinaus bis in die Gegend von Klein-Krotzenburg zu suchen sei, steht mit der Anschauung, die er sich von einem Limes fast unmittelbar hinter dem breiten Mainstrome gebildet hat, in erklärlichem Zusammenhang. Daher mag hier die Bemerkung Platz finden,

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