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schuldeten Verzögerung der Beförderung von dem vertragsmässig bestimmten Abfahrtstag an ohne besondere Vergütung Unterkunft und Verpflegung zu gewähren.

§ 28. Falls die Verzögerung länger als eine Woche dauert, hat der Auswanderer, unbeschadet der ihm nach dem bürgerlichen Rechte etwa zustehenden Ansprüche auf Schadensersatz, das Recht, von dem Vertrage zurückzutreten und die Rückerstattung des gezahlten Ueberfahrtsgeldes zu verlangen.

§ 29. Die Rückerstattung des Ueberfahrtsgeldes kann auch dann verlangt werden, wenn der Auswanderer oder einer der ihn begleitenden Familienangehörigen vor Antritt der Seereise stirbt oder nachweislich durch Krankheit oder durch sonstige aufser seiner Macht liegende Zwischenfälle am Antritte der Seereise verhindert wird.

Das Gleiche gilt, wenn in Fällen des § 26 Absatz 2 die Verhinderung im überseeischen Ausschiffungshafen eintritt, rücksichtlich des den Weiterbeförderungskosten entsprechenden Teiles des Ueberfahrtsgeldes.

Die Hälfte des Ueberfahrtsgeldes kann zurückverlangt werden, wenn der Auswanderer vor Antritt der Reise vom Vertrag aus anderen Gründen zurücktritt.

30. Wird das Schiff durch einen Seeunfall oder einen anderen Umstand an der Fortsetzung der Reise verbindert oder zu einer längeren Unterbrechung derselben genötigt, so ist der Unternehmer (§ 1) verpflichtet, ohne besondere Vergütung den Auswanderern angemessene Unterkunft und Verpflegung zu gewähren und die Beförderung derselben und ihres Gepäcks nach dem Bestimmungsorte sobald als möglich herbeizuführen.

Diese Vorschrift findet sinngemäfse Anwendung auf die Weiterbeförderung vom überseeischen Ausschiffungshafen aus (§ 26 Absatz 2).

§ 31. Vereinbarungen, welche den Bestimmungen der §§ 27 bis 30 zuwiderlaufen, haben keine rechtliche Wirkung.

§ 32. Der Unternehmer kann verpflichtet werden, zur Sicherstellung der ihm aus den §§ 27 bis 30 entstehenden Verpflichtungen eine das Ueberfahrtsgeld um den halben Betrag übersteigende Summe zu versichern oder einen der Versicherungssumme entsprechenden Betrag zu hinterlegen.

§ 33. Der Unternehmer hat dafür Sorge zu tragen, dafs das Schiff, mit welchem die Auswanderer befördert werden sollen, für die beabsichtigte Reise völlig seetüchtig, vorschriftsmäfsig eingerichtét, ausgerüstet und verproviantiert ist.

Die gleiche Verpflichtung trifft den Führer des Schiffes.

§ 34. Jedes Auswandererschiff unterliegt vor dem Antritte der Reise einer Untersuchung über seine Seetüchtigkeit, Einrichtung, Ausrüstung und Verproviantierung. Die Untersuchung erfolgt durch amtliche, von den Landesregierungen bestellte Besichtiger.

§ 35. Vor Abgang des Schiffes ist der Gesundheitszustand der Auswanderer und der Schiffsbesatzung durch einen von der Auswanderungsbehörde (§ 40) zu bestimmenden

Arzt zu untersuchen.

§ 36. Der Bundesrat erläfst Vorschriften über die Beschaffenheit, Einrichtung, Ausrüstung und Verproviantierung der Auswandererschiffe, über die amtliche Besichtigung und Kontrolle dieser Schiffe, ferner über die ärztliche Untersuchung der Reisenden und der Schiffsbesatzung vor der Einschiffung, über die Ausschliefsung kranker Personen, über das Verfahren bei der Einschiffung und über den Schutz der Auswanderer in gesundheitlicher und sittlicher Hinsicht.

Die vom Bundesrat erlassenen Vorschriften sind durch das Reichs-Gesetzblatt zu veröffentlichen und dem Reichstage bei seinem nächsten Zusammentritte zur Kenntnisnahme vorzulegen.

§ 37. Als Answandererschiffe im Sinne dieses Gesetzes gelten alle nach aufsereuropäischen Häfen bestimmten Seeschiffe, mit denen, abgesehen von den Kajütspassagieren, mindestens fünfundzwanzig Reisende befördert werden sollen.

VI. Auswanderungsbehörden.

§ 38. Zur Mitwirkung bei Ausübung der dem Reichskanzler auf dem Gebiete des Auswanderungswesens zustehenden Befugnisse wird ein sachverständiger Beirat gebildet, welcher aus einem Vorsitzenden und mindestens vierzehn Mitgliedern besteht. Den Vorsitzenden ernennt der Kaiser. Die Mitglieder werden vom Bundesrate gewählt. Alle zwei Jahre findet eine Neuwahl sämtlicher Mitglieder statt. Im übrigen wird die Organisation des Beirats durch ein vom Bundesrate zu erlassendes Regulativ und seine Thätigkeit durch eine selbstgegebene Geschäftsordnung geregelt.

§ 39. Die Anhörung des Beirats mufs erfolgen vor Erteilung der Erlaubnis für solche Unternehmungen, welche die Besiedelung eines bestimmten Gebiets in überseeischen Ländern zum Gegenstande haben, sowie im Falle der Beschränkung oder des Widerrufs der einem Unternehmer erteilten Erlaubnis.

Ausserdem können auf dem Gebiete des Auswanderungswesens von dem Reichskanzler geeignete wichtigere Fragen dem Beirate zur Begutachtung vorgelegt und von letzterem Anträge an den Reichskanzler gestellt werden.

§ 40. Zur Ueberwachung des Auswanderungswesens und der Ausführung der darauf bezüglichen Bestimmungen sind an denjenigen Hafenplätzen, für welche Unternehmer zugelassen sind, von den Landesregierungen Auswanderungsbehörden zu bestellen.

§ 41. In den Hafenorten übt der Reichskanzler die Aufsicht über das Auswanderungswesen durch von ihm bestellte Kommissare aus.

Diese Kommissare sind befugt, den im § 34 vorgesehenen Untersuchungen beizuwohnen, auch selbständig Untersuchungen der Auswandererschiffe vorzunehmen. Sie haben die Landesbehörden auf die von ihnen wahrgenommenen Mängel und Verstöfse aufmerksam zu machen und auf deren Abstellung zu dringen.

Die Führer von Auswandererschiffen sind verpflichtet, den Kommissaren auf Erfordern wahrheitsgetreue Auskunft über alle Verhältnisse des Schiffes und über dessen Reise zu erteilen, sowie jederzeit das Betreten der Schiffsräume und die Einsicht in die Schiffspapiere zu gestatten.

Im Auslande werden die Obliegenheiten der Kommissare behufs Wahrnehmung der Interessen deutscher Auswanderer von den Behörden des Reichs wahrgenommen, denen

erforderlichenfalls besondere Kommissare als Hilfsbeamte beizugeben sind.

VII. Beförderung von aufserdeutschen Häfen aus.

§ 42. Durch Kaiserliche Verordnung mit Zustimmung des Bundesrats können zur Regelung der Beförderung von Auswanderern und Passagieren auf deutschen Schiffen, welche von aufserdeutschen Häfen ausgehen, Vorschriften der im § 36 bezeichneten Art erlassen werden.

VIII. Strafbestimmungen.

§ 43. Unternehmer (§ 1), welche den Bestimmungen der §§ 8, 22, 23, 25, 32 und 33 Absatz 1 oder den für die Ausübung ihres Geschäftsbetriebs von den zuständigen Behörden erlassenen Vorschriften zuwiderhandeln, werden mit Geldstrafe von einhundertfünfzig bis zu sechstausend Mark oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft.

Sind die Zuwiderhandlungen von einem Stellvertreter (§ 9) begangen worden, so trifft die Strafe diesen; der Unternehmer ist neben demselben strafbar, wenn die Zuwiderhandlung mit seinem Vorwissen begangen ist, oder wenn er bei der nach den Verhältnissen möglichen eigenen Beaufsichtigung des Stellvertreters es an der erforderlichen Sorgfalt hat fehlen lassen.

Die gleiche Strafe trifft Schiffsführer, welche den ihnen im § 33 Absatz 2 und im § 41 Absatz 3 auferlegten Verpflichtungen oder den auf Grund des § 36 erlassenen Vorschriften zuwiderhandeln, ohne Unterschied, ob die Zuwiderhandlung im Inland oder im Auslande begangen ist.

§ 44. Agenten (§ 11), welche den Bestimmungen der §§ 15, 16, 17, 22 Absatz 2, 23 und 25 oder den für die Ausübung ihres Geschäftsbetriebs von den zuständigen Behörden erlassenen Vorschriften zuwiderhandeln, werden mit Geldstrafe von dreifsig bis zu dreitausend Mark oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft.

§ 45. Wer ohne die nach §§ 1 und 11 erforderliche Erlaubnis die Beförderung von Auswanderern betreibt oder bei einem solchen Betriebe gewerbsmäfsig mitwirkt, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe bis zu sechstausend Mark oder mit einer dieser Strafen bestraft.

Die gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher sich zum Geschäfte macht, zur Auswanderung anzuwerben.

§ 46. Wer der Vorschrift des § 26 Absatz 1 zuwiderhandelt, wird mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft bestraft.

§ 47. Wer den auf Grund des § 42 erlassenen Vorschriften zuwiderhandelt, wird mit Geldstrafe von einhundertfünfzig bis zu sechstausend Mark oder mit Gefängnis bis sechs Monaten bestraft.

§ 48. Wer eine Frauensperson zu dem Zwecke, sie der gewerbsmässigen Unzucht

zuzuführen, mittels arglistiger Verschweigung dieses Zweckes zur Auswanderung verleitet, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. Neben der Zuchthausstrafe ist der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auszusprechen; auch kann zugleich auf Geldstrafe von einhundertfünfzig bis zu sechstausend Mark sowie auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden.

Dieselben Strafvorschriften finden auf denjenigen Anwendung, welcher mit Kenntnis des vom Thäter in solcher Weise verfolgten Zweckes die Auswanderung der Frauensperson vorsätzlich befördert; sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter drei Monaten ein, neben welcher auf Geldstrafe von einhundertfünfzig bis zu sechstausend Mark erkannt werden kann.

Schlufsbestimmungen.

§ 49. Welche Behörden in jedem Bundesstaat unter der Bezeichnung: Aufsichtsbehörde, höhere Verwaltungsbehörde Polizeibehörde zu verstehen sind, wird von der Zentralbehörde des Bundesstaats bekannt gemacht

§ 50. Dieses Gesetz tritt am 1. April 1898 in Kraft. Mit dem gleichen Zeitpunkt erlöschen die auf Grund landesgesetzlicher Vorschriften erteilten Genehmigungen zur Beförderung oder zur Mitwirkung bei der Beförderung von Auswanderern.

Miszellen.

V.

Die Ergebnisse der Ermittelungen über die Arbeiterverhältnisse in der Kleider- und Wäschekonfektion,

Von M. C.

Die Kommission für Arbeiterstatistik, welche im Auftrage der Regierung die Verhältnisse der Konfektionsbranche studiert hat, beschlofs kürzlich ihre Thätigkeit und das K. statistische Amt gab kürzlich eine Zusammenstellung der Ergebnisse, der wir das folgende entnehmen. Sie hat 122 Personen, von denen 53 der Herren- und Knabenkonfektion, 36 der Damenkonfektion und 23 der Wäschekonfektion angehörten, mündlich vernommen. Von diesen 122 Personen waren 22 Konfektionäre, Kaufleute oder Fabrikanten, 26 Zwischenmeister, 4 Zwischenmeisterinnen, 16 Arbeiter und 54 Arbeiterinnen. Dieselben stammten aus nachstehenden 13 Konfektionszentren: Berlin, Stettin, Lübeck, Herford, Bielefeld, Nürnberg, Aschaffenburg, Stuttgart, Breslau, Erfurt, Köln, München und Aue.

Ferner standen der Kommission zur Verfügung Berichte der zuständigen Behörden über die gesundheitlichen und sittlichen Zustände in der Kleider- und Wäschekonfektion oben genannter 13 Bezirke, und zwar auf Grund der Besichtigung von mehr als 835 Werkstätten und 4143 Wohnungen von Hausgewerbetreibenden. Endlich die mündlichen Vernehmungen des Berliner Einigungsamtes und des Stettiner Gewerbegerichts über die Verhältnisse der dortigen Herren- und Knabenkonfektion, sowie die Akten des Berliner Gewerbegerichts betreffend Lohnstreitigkeiten in der Konfektionsbranche vom 1. Januar bis 1. April 1896.

An der Hand dieses Materials kommt die Kommission zu dem Schlufs: 1) Die Konkurrenz der billigen Konfektionsarbeiter auf dem Lande, die selbst bei sonst gleicher Qualität der Stoffe und der Arbeit geringere Löhne erhalten als die städtischen Konfektionsarbeiter, hat ein ständiges Sinken der Arbeitslöhne veranlafst, das sich innerhalb der letzten beiden Jahrzehnte bei einigen Artikeln auf 30 bis 50 Proz. beziffern soll.

Auch wird über die Konkurrenz der Frauen und Töchter von Unteroffizieren, Schutzleuten, kleiner Steuer- und Postbeamten geklagt. Im ganzen aber ist die Konkurrenz von solchen Arbeiterinnen,,,die es nicht nötig haben", wohl eine verschwinden geringe.

2) Von allergröfster Bedeutung für die wirtschaftliche Lage der Konfektionsarbeiter ist der Wechsel von Zeiten mit lebhaftem und Zeiten mit schwachem oder ganz stillem Geschäftsgang. Im ganzen fafst die Kommission das Urteil über die Saisonverhältnisse dahin zusammen: Am wenigsten zu leiden haben unter den Einflüssen der Saison die Arbeitnehmer der Wäschefabriken und Wäschekonfektion. Für erstere giebt es wohl während der Sommermonate eine etwas stillere Zeit, welche zu teilweiser Entlassung der Heimarbeiter führen kann, und auch die Wäschekonfektion, wenigstens die bessere, weist neben Zeiten flotten Geschäftsganges, wie vor den grofsen Festen, Perioden auf, in denen weniger zu thun ist, allein die stilleren Zeiten führen selten zu Entlassungen, da meist auf Vorrat gearbeitet wird. In der Herren- und Knabenkonfektion dagegen ist ungefähr 3 Monate im Jahre wenig oder nichts zu thun. In der Damenkonfektion sind die Arbeitnehmer sogar nur 6-7 Monate voll beschäftigt. Während 3-4 Monate gewährt die Arbeit einen unzureichenden Verdienst und während 2-3 Monate ist überhaupt keine Arbeit zu haben.

3) Die Arbeitsdauer wird angegeben in Werkstätten auf 10 bis 17 Stunden. Bei Heimarbeiterinnen 4-20 Stunden den Tag.

4) Die Höhe des Arbeitsverdienstes ist relativ gleichmäfsig nur bei den in Zeitlohn stehenden Arbeitern, während sie bei Stücklohnarbeitern wechselt, und bedingt wird durch den schwankenden Bedarf an Arbeit, die Art der Arbeit und die Arbeitszeit.

Von den Zeitlohnarbeitern haben den höchsten Verdienst die Werkführer in grofsen Werkstätteu der Damenkonfektion und in den Wäschefabriken, die Direktricen in den Wäschefabriken und die Zuschneider und Zuschneiderinnen in allen drei Konfektionsbranchen.

Eine in Aue vernommene Aufseherin erhält 18 M. Wochenlohn. Ein Zuschneider in Berlin giebt 150 M. Monatsgehalt an. Durchschnittlicher Wochenlohn von Zuschneidern beträgt 18-28,50 M.

Handwerksmäfsig gelernte Schneidergesellen erhalten in Berlin 1525 M. die Woche oder bei freier Station 6-12 M. die Woche. In Süddeutschland ist der Jahreslohn derselben bei freier Station 150-400 M. Sogenannte Einrichterinnen und Liefermädchen erhalten in Berlin 10-18 M. Wochenlohn. Westennäherinnen 7-15 M., bei mehr als

10 stündiger Arbeit.

Das reine Jahreseinkommen der Zwischenmeister schätzt das Berliner Einigungsamt durchschnittlich auf 1400 M. in der Jaquetbranche, 2100 M. in der Westenbranche, 3500 in der Hosenbranche und 3000 in der Knabenkonfektion.

In der Damenkonfektion giebt ein in Berlin wohnender Zwischenmeister, der durchschnittlich 10 Arbeiterinnen beschäftigt, die wöchentliche Bruttoeinnahme auf 208 M. an, die Unkosten auf 183 M. Ein anderer giebt an, in den letzten 2 Jahren 6000 M. zugesetzt zu haben.

Das Einkommen der Stücklohnarbeiter ist in den weitaus meisten Fällen geringer als das der Zeitarbeiter derselben Branche und desselben Ortes. Der Nettowochenverdienst von 30 Werkstattarbeitern der Berliner Herren- und Knabenkonfektion belief sich nach den Angaben des Einigungsamtes auf 15,23-19,88 M.

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