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Soweit in einem der Vorschrift des vorstehenden Absatzes entsprechenden Bezirk die Zahl der Angehörigen eines Gewerbes zur Bildung einer leistungsfähigen Innung nicht genügt, sollten verwandte Gewerbe zu einer Innung vereinigt werden. Mit dem Prinzip der gemischten Innungen war also vollständig gebrochen. Die Begründung sagte darüber sehr treffend: „Die Erfahrungen, die mit den bisherigen Innungen gemacht sind, haben gezeigt, daß Innungen, welche aus Angehörigen der verschiedensten Handwerke zusammengesetzt sind, die sogenannten mischten Innungen, ihren Aufgaben nur in sehr beschränktem Maße haben genügen können, und ebenso haben die Ermittelungen, welche über die Entwickelung der schon seit Jahren bestehenden Zwangsgenossenschaften in Oesterreich angestellt sind, ergeben, daß sich fast ausnahmslos nur solche Zwangsgenossenschaften der Handwerker zur Erreichung der ihnen gesteckten Ziele geeignet erwiesen haben, welche auf der Berufsgemeinschaft ihrer Mitglieder aufgebaut waren. Der Entwurf sieht deshalb nur die Bildung von Fachinnungen und Innungen verwandter Handwerke vor, wobei als verwandte Handwerke solche angesehen sind, welche nach örtlichem Brauche vielfach gemeinsam betrieben werden und in ihrer Technik einander so nahe stehen, daß der Betrieb des einen zugleich ein ausreichendes Verständnis für die technischen Fertigkeiten, den geschäftlichen Betrieb und die wichtigsten Interessen des anderen gewährleisten 1).

Für Gewerbetreibende, welche einer Innung unter Beachtung der soeben geschilderten beiden Merkmale (nicht zu großer Bezirk und Fachinnungen) nicht zugewiesen werden können, sollte die Bildung von Innungen unterbleiben.

Man rechnete also mit der Thatsache, daß es nicht möglich sein werde, das gesamte Handwerk ausschließlich in Innungen zusammenzufassen. Einzelne Handwerke werden ihrer Natur nach so vereinzelt betrieben, daß selbst innerhalb eines größeren Bezirks die Zahl der ihm angehörenden Betriebe zur Bildung einer lebensfähigen Innung nicht ausreicht. Eine Glockengießerinnung würde, selbst wenn man ihren Bezirk auf das ganze Deutsche Reich hin erstreckte, kaum eine genügende Anzahl von Mitgliedern haben. Ebenso giebt es Bezirke, in welchen die Bevölkerung so dünn und die gewerbliche Thätigkeit so wenig entwickelt ist, daß nur in einzelnen Zweigen des Handwerks eine zur Bildung einer lebens- und leistungsfähigen Innung genügende Zahl Handwerker gefunden wird. Es mußte daher überall eine in den bevölkerten Gegenden größere, in den dicht bevölkerten kleinere -Anzahl von Handwerkern übrig bleiben, die von der Innungsbildung nicht erfaßt werden kann.

Es war also die Organisation des gesamten Handwerks in Fachinnungen nur dann als zweckmäßig und durchführbar anzusehen, wenn die Innungsbildung so vorgenommen werden konnte, daß sie die überwiegende Mehrzahl der Handwerker wirklich erfaßte, ferner waren die

1) F. Hoffmann, Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung nebst einer Einleitung, Berlin 1896, S. 77.

Innungen nur ihren Zwecken zu entsprechen in der Lage, wenn man ihnen durchweg eine ausreichende Zahl von Mitgliedern überweisen konnte, ohne ihren Bezirk ungebührlich groß zu bemessen. Endlich mußte,

je strenger der Grundsatz der Fachinnung zur Durchführung kommen sollte, um so schwieriger sich die Innungsbildung gestalten. Die Beantwortung der Frage, ob die thatsächlich vorhandene örtliche Verteilung des Handwerkes eine diesen Gesichtspunkten entsprechende Innungsbildung ermögliche, war daher sehr wichtig. Diese Frage zu beantworten war der Hauptzweck der im Jahre 1895 veranstalteten statistischen Erhebungen gewesen.

Es ergab sich bei dieser Erhebung, wie die Begründung der Vorlage sagt ), daß von den 61 199 gezählten Meistern 33942, also erheblich mehr als die Hälfte, der Regel nach ohne Hilfskräfte arbeiten

eine Beobachtung, die aufs neue die Frage nahe legte, ob es zu rechtfertigen sei, auch diejenigen Handwerker, welche der Regel nach Gesellen und Lehrlinge nicht beschäftigen, in die Organisation einzubeziehen, da sie alsdann zu Leistungen für die Erfüllung der Aufgaben verpflichtet werden, welche für sie keine unmittelbare Bedeutung haben. Nichtsdestoweniger wird man sich für die Einbeziehung dieser kleinen Meister entscheiden müssen, weil andernfalls ein beträchtlicher Teil der Handwerker von der Organisation und somit von der Teilnahme am genossenschaftlichen Leben ihrer Berufsgenossen ausgeschlossen und ohne gesetzlich geregelte Vertretung ihrer Interessen bleiben würde. Die Erhebung ergab ferner:

I. Für den Fall, daß der Bezirk der einzelnen Fachinnung nicht größer als der Umfang des einzelnen Zählbezirks sein soll, dessen Größe nur in vereinzelten Fällen über einen Flächenraum von 200 qkm hinausging, ist es möglich, wenn

a) zur Bildung einer Innung die Zahl von 10 Meistern für ausreichend erachtet wird,

49811 Meister 81,4 Proz. der Gesamtzahl,

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b) jene Zahl auf 20 Meister erhöht wird,

40360 Meister

65,9 Proz. der Gesamtzahl,

c) die Zahl von 30 Meistern erfordert wird,

33 548 Meister

=

in Fachinnungen zu vereinigen.

54,8 Proz. der Gesamtzahl

II. Für den Fall, daß ein etwa dem Umfange eines preußischen Kreises entsprechender Flächenraum für den Innungsbezirk in Frage kommen sollte, würde es möglich sein,

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in Fachinnungen zu erfassen.

Es blieben also immerhin eine nicht unerhebliche Anzahl von Handwerkern übrig, die nicht in Innungen zusammengefaßt werden konnten.

1) Hoffmann, Entwurf eines Gesetzes, betr. die Abänderung der Gewerbeordnung Berlin 1896, S. 82 ff.

Dritte Folge Bd. XIV (LXIX).

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Aber auch noch aus einem anderen Grunde konnte die Errichtung von Innungen unterbleiben. Gegen die Verfügung, welche die Errichtung einer Innung anordnete, sollte den Beteiligten eine Beschwerde nach § 83a zustehen.

Die Innungen sollten doch hauptsächlich im Handwerk die Standesehre heben und den Gemeinsinn pflegen. Derartige Aufgaben waren jedoch nur zu erfüllen, wenn die Beteiligten mit Energie bereit waren, sich diesen ethischen Aufgaben zu unterziehen, sie ließen sich also nicht erzwingen. War die Mehrheit gegen die Bildung einer solchen Innung, dann war eine gedeihliche Thätigkeit von vornherein nicht zu erwarten. Die Begründung sagt daher richtig, daß der Regel nach von einer gedeihlichen Thätigkeit der Innung nur da die Rede sein könne, wo mindestens die Mehrheit der ihr zugewiesenen Handwerker bereit sei, mit Energie und Nachhaltigkeit an die Erfüllung der Innungsaufgaben heranzugehen und die dadurch bedingte Mühewaltung auf sich zu nehmen. Fehlt es an dieser Voraussetzung und muß nach der Entschiedenheit, mit welcher sich die Mehrzahl der beteiligten Handwerker gegen die Bildung der Innung oder gegen die Zuteilung zu einer Innung auflehnt, erwartet werden, daß sie sich demnächst von der Innungsthätigkeit dauernd fernhalten oder gar ihr hindernd in den Weg treten, so wird man besser daran thun, von der Errichtung einer Innung Abstand zu nehmen.

Da nun bisher die Neigung, sich freiwillig Innungen anzuschließen, nicht sehr groß gewesen war, so war anzunehmen, daß auch aus diesem Grunde für weite Handwerkerkreise die Innungsbildung unterbleiben werde. Namentlich traf für Süddeutschland diese Annahme zu.

Die so im Zwangswege gebildeten Innungen sollten nur diejenigen Gewerbetreibenden umfassen, die ein Gewerbe, wofür die Innung errichtet ist, als stehendes Gewerbe selbständig betreiben, mit Ausnahme derjenigen, welche das Gewerbe fabrikmäßig betreiben. Da die Organisation nur das eigentliche Handwerk umfassen sollte, so mußte man die Fabrikanten aus der Organisation herauslassen. Es war jedoch den Fabrikanten und Werkmeistern der freiwillige Anschluß an die Innung ihres Gewerbes für ihre Person offen gelassen. Der Anschluß solcher der Regel nach mit besonderer Fachkenntnis und Intelligenz ausgestatteten, und namentlich auch nach der kaufmännischen Seite hin erfahrenen Elemente, wenigstens für ihre Person, war für die Innungen nur vorteilhaft.

Obgleich also die Fabrikanten nicht von der Organisation getroffen werden sollten, war keine Definition des Begriffes Fabrik und Handwerk gegeben. Es fehlte also die Unterlage für die in zahlreichen Fällen nötig werdende Entscheidung, ob ein bestimmter Gewerbebetrieb in das Bereich der Organisation falle oder nicht.

Diesen so zu bildenden Zwangsinnungen waren dann ungefähr die gleichen Aufgaben zugewiesen wie den bisherigen, auf Grund des Innungsgesetzes vom 18. Juli 1881 bestehenden Innungen. Die wesentlichsten Aenderungen gegenüber den jetzt geltenden Bestimmungen bezüglich der Innungen bestanden darin, daß man die Innungsschiedsgerichte und Krankenkassen nach Möglichkeit zu fördern suchte, daß

ferner die Befugnisse der Aufsichtsbehörde gegenüber den Innungen sehr erheblich erweitert wurden, was auch durchaus notwendig war, da ja jetzt alle Gewerbetreibenden im Zwangswege den Innungen angehören sollten. Es konnten so auch Elemente in die Innung kommen, welche gar nicht gewillt waren, die Aufgaben der Innung zu erfüllen, und diesen gegenüber mußte die Aufsichtsbehörde Zwangsmittel haben, um die gewollten Zwecke der Innung zu erzwingen.

Schließlich waren bei allen Innungen Gesellenausschüsse vorgesehen, die weitergehende Rechte haben sollten, als die waren, die nach dem gegenwärtigen Recht die Gesellenausschüsse besaßen.

Nur noch kurz wollen wir berühren, womit das Prinzip des Zwanges, das jetzt neu eingeführt wurde, begründet war. Es wurde in der Begründung ausgeführt: ,,Den Innungen ist es nicht gelungen, den größeren Teil der Handwerker in sich zu vereinen, und vielfach hat sich nur ein kleiner Bruchteil zum Anschluß bereit finden lassen. Soweit das vorhandene Material reicht, kann angenommen werden, daß nur etwa ein Zehntel sämtlicher Handwerker den Innungen beigetreten ist. Dementsprechend haben die auf Freiwilligkeit beruhenden Innungen nicht die persönlichen Kräfte und die finanziellen Mittel gewonnen, die sie befähigt haben würden, eine allgemeine Besserung der Lage des Handwerks herbeizuführen. Ihre Thätigkeit ist vielmehr im allgemeinen auf verhältnismäßig enge Grenzen beschränkt geblieben, und auch da, wo sie in größerer Zahl errichtet wurden und weitere Kreise des Handwerkerstandes ihnen beigetreten sind, haben sie die Wirksamkeit, zu der sie an sich befähigt sind, nicht in vollem Maße entfalten können, weil sie in ihrer gegenwärtigen Organisation des sicheren Bestandes ermangeln, indem es jedem einzelnen Mitgliede in jedem Augenblick unbenommen ist, sich den Folgen ihm lästiger und seinen unmittelbaren Interessen vielleicht zuwiderlaufender Beschlüsse und Anordnungen der Innung durch den Austritt zu entziehen.

Dieser Entwickelungsgang hat zu der Ueberzeugung geführt, daß jede Organisation des Handwerks so lange des rechten Erfolges entbehren muß, als sie auf den Boden der Freiwilligkeit gestellt ist.

Aus diesen Gründen hatte sich also die preußische Regierung entschlossen, die Vorlage auf dem Boden der obligatorischen Innung aufzubauen. Da nun, wie bereits dargelegt, es nicht möglich sein würde, alle Handwerker in Innungen zu vereinigen, so würden immer noch weite Kreise des Handwerkerstandes der bisherigen Vereinzelung auch ferner überlassen worden sein und ihren Gesellen und Lehrlingen die Förderung und Fürsorge vorenthalten werden, welche ihnen durch die neue gesetzliche Regelung gesichert werden soll. Es war daher notwendig, auch für diese Handwerker ein Organ zu schaffen, welches für sie die der Innung zugewiesenen Aufgaben, soweit dies bei der Verschiedenheit der Elemente und bei ihrer daraus sich ergebenden loseren Zusammenfassung möglich ist, zu übernehmen hat.

So wurden die Handwerksausschüsse notwendig.

Der Handwerksausschuß sollte also für die Handwerker, die nicht

in Innungen zu vereinigen waren, zunächst die Innung ersetzen und alle die notwendigen Aufgaben derselben erfüllen. Der Handwerksausschuß hatte aber noch eine andere Aufgabe. Er sollte namentlich ein Unterorgan der Handwerkerkammer sein. Diese sollte nicht nur Interessenvertretung, sondern auch Selbstverwaltungskörper sein. Sie sollte namentlich das gesamte Lehrlingswesen bis ins einzelne regeln. Da nun eine Handwerkerkammer naturgemäß große Bezirke umfassen mußte, so waren überall Unterorgane nötig, die die Durchführung der von derselben erlassenen Vorschriften überwachten. Ferner sollte der Handwerksausschuß auch den Wahlkörper für die Handwerkerkammer bilden. Derselbe hatte also eigentlich 3 Aufgaben:

1) Die Wahrnehmung der gemeinsamen Interessen aller Handwerker seines Bezirkes.

2) Die Erfüllung der Aufgaben der Innung für die einer Innung nicht angehörenden Handwerker.

3) Die Uebernahme gewisser Aufgaben für die beteiligten Innungen. Der Handwerksausschuß sollte nur bestehen aus Vertretern der Innungen seines Bezirks und aus Vertretern der nicht den Innungen angehörigen Handwerker.

Da der Handwerksausschuß eine ziemlich lose Vereinigung war, so sollte ihm von der Aufsichtsbehörde ein Kommissar bestellt werden, der die Rechte eines Vorstandsmitgliedes hatte. Dieser Kommissar sollte nach der Begründung die sachliche wie geschäftliche Leistungsfähigkeit durch seine voraussichtlich höhere Bildung und größere Geschäftskunde verstärken und zugleich eine erwünschte Gewähr für die sachgemäße, von persönlichen Interessen unbeeinträchtigte Behandlung der Geschäfte bieten. Er sollte eigentlich die Initiative in den Handwerksausschuß hineintragen.

Bei jedem Handwerksausschuß sollte ferner noch ein Gesellenausschuß gebildet werden, der gewählt wurde von den Gesellenausschüssen der Innungen und den Gesellen, die bei Handwerkern arbeiteten, welche noch keiner Innung angehörten.

Die Spitze dieser so gebildeten Organisation sollte dann die Handwerkerkammer bilden. Diese, die von den Handwerksausschüssen gegewählt wurde, sollte eine doppelte Aufgabe haben.

Sie sollte zunächst die Gesamtinteressen des Handwerks und die Interessen aller in ihrem Bezirk vorhandenen Handwerker gegenüber der Gesetzgebung und der Verwaltung zu vertreten haben. Daneben sollte sie als Selbstverwaltungsorgan die Aufgabe haben, diejenigen zur Regelung der Verhältnisse des Handwerks erlassenen gesetzlichen Bestimmungen, welche noch einer Ergänzung durch Einzelvorschriften bedürftig und fähig sind, für ihren Bezirk weiter auszubauen, die Durchführung der gesetzlichen und der von ihr selbst erlassenen Vorschriften zu regeln und zu überwachen, und endlich weitere auf die Förderung des Handwerks abzielende Veranstaltungen zu treffen.

Auch bei der Handwerkerkammer war ein Staatskommissar und ein Gesellenausschuß vorgesehen. War so der Aufbau der Organisation in obligatorischen Innungen, obligatorischen Handwerksausschüssen und obligatorischen Handwerkerkammern beendet, so hatte der Entwurf

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