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Ressorts Fragebogen geschickt, auf welchen er Auskunft darüber verlangte, ob es notwendig und vorteilhaft sei, die rechtliche Grundlage des Hausierhandels anderweit zu regeln.

Die Waren und Thätigkeiten, über deren ev. Ausschluß die Handelskammern befragt wurden, waren folgende:

1) Putz- und Luxusartikel 1), um der verderblichen Neigung namentlich des weiblichen Teiles der Bevölkerung zur Anschaffung von überflüssigen und unnützen Gegenständen zu begegnen;

2) Tuche, wollene und halbwollene Stoffe, Linnen und Bettzeug, fertige Kleider und ledernes Schuhzeug (wegen mißbräuchlichen Verkaufs minderwertiger Artikel ");

3) Anerbieten gewerblicher Leistungen durch Schirmflicker, Korbflechter, Scherenschleifer, weil diese Arbeiten zu Bettelei und Landstreicherei mißbraucht würden;

4) das Transportieren von Waren mittels Fuhrwerks.

Es wurde ferner verlangt eine gutachtliche Aeußerung, ob ev. ausgeschlossen werden sollten folgende Personen:

1) nicht völlig Unbescholtene oder in sittlicher oder gewerblicher Beziehung Unzuverlässige;

2) Taube, Stumme, Blinde und Geistesschwache;

3) alle Personen unter dem 30. Lebensjahre, es sei denn, daß dieselben durch Unglück u. s. w. zu einem anderen Erwerb untauglich seien;

4) nicht nur Kinder, sondern auch Ehefrauen und sonstige Verwandte, welche Anspruch auf Unterhalt und Ernährung durch andere Personen besitzen (Alimentationsberechtigte);

5) nachweislich nicht für eigene Rechnung, sondern im Auftrage größerer Geschäfte hausierende (sogenannte Lohnhausierer.)

Schließlich wurde noch Auskunft darüber gewünscht, ob die persönlichen Eigenschaften der Leute einer schärferen Kontrolle unterstehen sollten, und ob es erwünscht wäre, in den einzelnen Verwaltungsbezirken die Erlaubnis des Hausierhandels von der Bedürfnisfrage abhängen zu lassen und den Kreisen oder Gemeinden die hierdurch sich notwendig machende Kontrolle zu übertragen.

ε) Die Novellen vom 5. Jan. 1895 u. 15. Jan. 1896.

Die Verschiedenartigkeit der Interessen (dieselben waren oft gerade entgegengesetzt), die in den auf diese Umfrage eingegangenen Antworten gleichmäßige Berücksichtigung verlangten, verschuldete es, daß die preußische Regierung lange zögerte, ehe sie mit Aenderungsvorschlägen hervortrat. Unter dem 5. Jan. 1895 ging endlich die ersehnte Vorlage beim Reichstage ein; mit ihr zugleich eine Nachweisung

1) Es zeigt sich, dafs bei diesem wie bei den folgenden Punkten zum Teil ein ziemlich enger Anschlufs an die Wünsche der früheren Petitionen bezw. an den Antrag des Centrums stattgefunden hat.

2) Von der grofsherzogl. badischen Regierung war noch besonders über die ev. Ausschliefsung von Sensen, Sicheln, Schleifsteinen u. s. w., sowie von Kolonial- und Spezerei waren und allen Erzeugnisse des Handwerks Umfrage gehalten worden.

über die Zahl der seit Inkrafttreten der jüngsten Gewerbeordnungsnovelle in den einzelnen Bundesstaaten jährlich ausgegebenen Wandergewerbe- und Legitimationsscheine. Aus dieser ist ersichtlich, daß die Zahl der Hausierer in der letzten Zeit nicht mit der Bevölkerung Schritt gehalten hat. Während von 1884-89 die Zahl der im Deutschen Reiche erteilten Wandergewerbescheine nur eine der natürlichen Vermehrung der Bevölkerung entsprechende Zunahme erfahren hatte, war in den folgenden 4 Jahren ihre Zahl zurückgegangen oder unverändert geblieben. Deshalb beabsichtigten die verbündeten Regierungen auch keine wesentliche Umgestaltung der Gewerbeordnng vorzunehmen, sondern es wurde als ausreichend angesehen,,,auf dem durch die Novelle vom 1. Juli 1893 verfolgten Wege fortschreitend, dem Betriebe im Umherziehen noch weitere Beschränkungen aufzuerlegen, um bemerkbar gewordene Auswüchse zu beseitigen und die Fernhaltung ungeeigneter Elemente von dieser Geschäftsform in höherem Maße zu sichern." Demgemäß wurde von einer weiteren Beschränkung des Betriebs im Sinne des Centrumsantrags, von einem Ausschluß der Frauen und von einer gleichmäßigen Unterstellung des hausiermäßigen Gewerbebetriebs Einheimischer unter die Vorschriften des Tit. III u. s. w. abgesehen. Dem wiederholt laut gewordenen Wunsche, Kolonial-, Material- und Manufakturwaren vom Hausierbetrieb auszuschließen, entsprachen die Regierungen wiederum nicht, um nicht zahlreiche Zweige der Industrie, namentlich der Hausindustrie und damit ganze Landstriche mit vorwiegend armer Bevölkerung zu gefährden.

Es sollen vom Hausierhandel vielmehr nur ausgeschlossen werden: a) (No. 10) Bäume aller Art, Sträucher, Sämereien und Blumenzwiebeln, Schnitt- und Wurzelreben und Futter

mittel,

b) (No. 11) Schmucksachen, Bijouterien, Brillen, optische Instrumente. Als Grund für diese weiteren Beschränkungen wird in Bezug auf die unter a) angeführten Gegenstände genannt, daß die Hausierer nur geringere Obstsorten führten und dadurch den Bemühungen der Regierung, die Obstbaumzucht zu heben, direkt entgegenwirkten; bezüglich der anderen Gegenstände will man verhüten, daß die Eitelkeit und Unerfahrenheit der Kauflustigen, namentlich des weiblichen Geschlechts, von umherziehenden Händlern in schwindelhafter Weise ausgebeutet werde.

Von den übrigen Punkten, durch die eine Aenderung herbeigeführt werden soll, sind noch zu nennen:

1) Das Hinausschieben der Altersgrenze des Hausierers bis zum 25. Lebensjahr;

2) Die Ausdehnung des § 578 (obligatorische Versagungsgründe) auch auf die Fälle, wo der Nachsuchende wegen Land- und Hausfriedensbruchs oder wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 3 Monaten verurteilt worden ist und seit Verbüßung der Strafe 3 Jahre noch nicht verflossen sind.

Die Ausdehnung des § 57 b Abschn. 2 auf diejenigen, welche wegen

Land- und Hausfriedenbruchs bestraft worden sind und die Herabsetzung der Strafgrenze, nach der eine Versagung des Scheines eintreten kann, auf eine Woche (statt wie bisher sechs Wochen),,sowie die Bestimmung, daß nicht wie bisher 3, sondern 5 Jahre seit Verbüßung der Strafe verflossen sein müssen.

In einem Punkte deckte sich allerdings die Regierungsvorlage mit den Wünschen des Centrums. Sie verlangte (wie schon 1869 und 1882) die Gleichstellung des Detailreisens mit dem Hausieren. Zur Begründung dieser Forderung wurde hervorgehoben, daß im Gegensatz zu den Wandergewerbescheinen die Zahl der Legitimationskarten von 1884-93 von 45016 auf 70018, also etwa um 551/2 Proz., gestiegen sei. Handel und Gewerbetreibende, welche sich früher auf das Ladengeschäft beschränkt hätten, ließen jetzt, durch die Konkurrenz gedrängt, Privatkunden aufsuchen oder suchten sie selbst auf. So zöge einer den anderen mit sich; es entstehe dadurch eine unerwünschte Vermehrung des berufsmäßigen Umherziehens, und die Folge davon sei die Klage des Publikums über die große Belästigung. Dazu komme, daß die Detailreisenden gegenüber den Hausierern sehr begünstigt wären; sie brauchten keine besondere Steuer zu zahlen und doch ständen sie materiell dem Hausierer näher als dem Handlungsreisenden. Sie gingen ebenso wie die Hausierer darauf aus, unmittelbar beim Publikum Waren abzusetzen.

Die erste Beratung des Entwurfs fand am 29. und 31. Januar 1895 zusammen mit dem Centrumsantrag statt. Hier zeigte es sich, daß das Centrum von den weitergehenden Einschränkungen seines Antrags nicht abgehen wollte. Die Konservativen und Antisemiten waren gleichfalls der Meinung, daß die Bestimmungen der Regierungsvorlage nicht ausreichend wären, um dem Mittelstande zu helfen. Der Gegensatz dieser Parteien zur Vorlage ist ein prinzipieller; denn sie sprechen dem Hausierhandel überhaupt die Gleichberechtigung mit dem stehenden Betriebe ab, sie bezeichnen ihn als ein Gewerbe, für welches jedesmal erst die Notwendigkeit nachgewiesen werden müßte. Jetzt wären es auch nicht mehr die armen Gebirgsgegenden, welche die Hausierer stellten, sondern alle Arbeitsscheuen aus Stadt und Land. Vielfach werde der Hausierer geradezu von gewissen Fabriken benützt 1), welche nur so ihre zu diesem Zwecke billig und schlecht hergestellten Produkte an den Mann bringen könnten.

Auf den Antrag des Abg. Dr. Schädler wurde schließlich die Regierungsvorlage und der Centrumsantrag zu gemeinsamer Weiterberatung einer Kommission von 21 Mitgliedern überwiesen. Diese führte ihre Arbeit auch noch vor Schluß der Session zu Ende. Eine Erledigung im Plenum fanden jedoch die Anträge wieder nicht, und so mußte die endliche Entscheidung über die Vorlage der folgenden Reichstagssession vorbehalten bleiben.

1) Vgl. auch J. Möser, Klage wider die Packenträger.

Für diese lag nur der alte Entwurf der Regierung 1) mit geringen, durch die Beschlüsse der Kommission veranlaßten Abweichungen vor. Da das Centrum aus jenen Beschlüssen und aus der bestimmten Erklärung des Ministers v. Berlepsch bei der vorigen Beratung erkannt hatte, daß es auf eine Berücksichtigung seiner weitgehenden Forderungen nicht würde rechnen können, hatte es darauf verzichtet, in diesem Jahre seinen bekannten Antrag wieder einzubringen.

Am 10. Februar nahmen die Beratungen über die Novelle, von dem ersten Redner als ein alter Bekannter begrüßt, der schon oft im Hause erschienen sei, ihren Anfang.

Um eine Verabschiedung des Gesetzes in dieser Session noch möglich zu machen, wurde auf Antrag des Centrums und der Konservativen beschlossen, da die Materie seit Jahrzehnten behandelt und nach allen Seiten hin genügend beleuchtet sei, mit Umgehung einer Kommissionsberatung zu gegebener Zeit sofort in die zweite Lesung einzutreten. Diese fand vom 6. bis 11. März statt.

Die hier vom Plenum angenommenen Beschlüsse, von denen der einschneidendste das Verbot des Detailreisens (mit Ausnahme der Drucksachen und Erzeugnisse der Wäsche- und Leinenindustrie) war, riefen außerhalb des Reichstages eine lebhafte Agitation mit zahlreichen Petitionen hervor. In diesen war namentlich darauf hingewiesen worden, daß durch diese Beschlüsse doch auch eine große Zahl seẞhafter Gewerbetreibender geschädigt würden und zwar Personen, die gleichfalls dem gewerblichen Mittelstande zuzurechnen seien. Infolgedessen waren für die dritte Lesung eine ziemliche Anzahl Anträge (im ganzen 34) gestellt worden, durch die man die Härten der in zweiter Lesung gefaßten Beschlüsse in etwas zu mildern gedachte.

Trotzdem fanden nach der dritten Lesung (8.-12. Juni) alle Paragraphen, einzelne mit geringen Aenderungen, Annahme; auch Art. VIII, das Detailreisen betr., wurde angenommen, nachdem der Versuch des Abg. Dr. Hasse, umgekehrt zu verfahren, den Betrieb im allgemeinen gelten zu lassen und nur die Ausnahmen besonders herauszuheben, gescheitert war.

Unter das Hausierverbot fallen nunmehr auch noch

a) Bäume aller Art, Sträucher, Schnitt-, Wurzelreben, Futtermittel und Sämereien, mit Ausnahme von Gemüse- und Blumensamen (§ 56, No. 10);

b) Schmucksachen, Bijouterien, Brillen und optische Instrumente (§ 56, No. 11);

c) der Verkauf von Druckschriften u. s. w., wenn nicht der Gesamtpreis auf jeder einzelnen Lieferung an einer in die Augen fallenden Stelle bestimmt verzeichnet ist (§ 56, No. 12); und

d) das Feilbieten von Waren, sowie das Aufsuchen von Bestellungen auf Waren, wenn solche gegen Teilzahlungen unter dem Vorbehalt veräußert werden, daß der Veräußerer wegen Nichterfüllung

1) Eingegangen am 15, Jan, 1896.

der dem Erwerber obliegenden Pflichten von dem Vertrage zurücktreten kann (§ 56 a, No. 4) 1).

Schließlich wurden die in Art. 16-19 angeführten Strafbestimmungen zum Gesetz erhoben und die Altersgrenze bis zum 25. Jahre hinausgeschoben u. s. w.

Das Gesetz ist mit 1. Jan. 1897 in Kraft getreten. Durch dasselbe ist wie schon durch die Novelle vom 1. Juli 1883 eine weitere Annäherung an den Standpunkt erfolgt, welchen die Regierungen in den Vorlagen von 1868/69 eingenommen hatten, ohne daß dieser dadurch völlig erreicht worden ist. Beide Aenderungen des Gesetzes sind aber ein deutliches Zeichen dafür, dass der Regierungskommissar Recht hatte, als er den Reichstag vor zu weitgehenden Forderungen warnte und eine Reaktion gegen solche Beschlüsse voraussagte, die über das, was als recht und notwendig erkannt war, hinausgingen.

1) Vgl. das Gesetz betr. die Abzahlungsgeschäfte vom 16. Mai 1897.

(Schlufs folgt.)

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