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Die Beseitigung des Vogtes aus der Verwaltung der Städte ist also in einzelnen Kommunen sehr schnell, in anderen hingegen langsam vor sich gegangen. Zuweilen findet sich der Uebergangszustand, daß der Vogt zwar seine Stellung als Kommandant der Stadt und als Vorsitzer des Rates verliert, aber noch Mitglied des Rates bleibt, wie das in Goslar beispielsweise der Fall war 1). In der Regel hat man aber den Vogt vom Rat ausgeschlossen 2). So wurde in Hamburg schon im Stadtrecht von 1270 bestimmt, daß der Vogt keinen Zutritt zum Rat haben sollte 3). Auch den anderen gräflichen Beamten wiederfuhr hinsichtlich der Wählbarkeit und des Zutritts zum Rat dasselbe Schicksal 4).

In Bremen schloß man den Vogt dadurch vom Rate aus, daß man seit der Mitte des 14. Jahrhunderts jeden Bürger, der das Amt des Vogtes annahm, zwang, auf das Bürgerrecht zu verzichten 5). In den meisten Städten nahm man die Verfassungsänderung stillschweigend vor. Man erließ keine Gesetze, sondern schloß den herrschaftlichen Beamten von der Teilnahme am Rat einfach aus.

Ob die Stadtherren dieses Verdrängen des herrschaftlichen Beamten ruhig anzusehen haben, läßt sich aus den Urkunden nicht erkennen. Ihnen lag hauptsächlich nur daran, daß ihnen die Einkünfte, die die Vogtei brachte, zuflossen. Da diese Einnahmen aber vor allem aus der Gerichtsbarkeit herrührten, und diese den Vögten blieb, so haben sie wohl kaum die Tragweite der Verdrängung des Vogtes aus der Stadtverwaltung erkannt, zumal der Rat vielfach als herrschaftliche Behörde angesehen wurde.

Die Verdrängung des Vogtes aus der Stadtverwaltung und die Beschränkung desselben auf die Gerichtsbarkeit ist einer der wichtigsten Punkte der deutschen Stadtverfassung. Der Rat erwarb durch diesen Vorgang eine ganze Reihe von Hoheitsrechten, die ursprünglich dem Stadtherrn, als dessen Vertreter der Edelvogt, der Vogt und der Untervogt erschienen, zustanden. Alle öffentlich rechtlichen Befugnisse, die der Vogt bisher ausübte, wahrgenommen, gingen mit Ausnahme der Gerichtshoheit jetzt auf den Rat über. So wird jetzt die Sorge für die Befestigung der Stadt und die Erhaltung der Mauern und Wälle von der Stadt übernommen.

Eigentum der Stadt sind die Befestigungen durch die Beseitigung des Vogtes aus der Stadtverwaltung nicht geworden. Die Mauern der Stadt blieben auch ferner Eigentum der Stadtherren ). Erst allmählich und auf verschiedene Weise sind die Befestigungen der Stadt in den Besitz der bürgerlichen Gemeinde gekommen. In Quedlinburg ging Stadtmauer und Graben durch Verkauf in den Besitz der

1) U.-B. von Goslar, II, S. 624.

2) Vgl. die Vorgänge in Braunschweig.

3) Lappenberg, Geschichtsquellen, I, S. 2, c. 2.

4) Obst, a, a. O., S. 36,

5) Teil IV, S. 534.

6) Vgl. Teil IV, S. 500.

Stadt über 1). In Wernigerode 2) und Magdeburg 3) wurden die Befestigungen den Gemeinden überlassen. Meist verlangten die Gemeinden dadurch ein Anrecht an Mauern, Türme, Thore, daß sie nach Verfall der alten, ziemlich dürftigen Befestigungen) oder bei Erweiterung der Städte aus eigenen Mitteln neue Befestigungen anlegten. Ein gutes Beispiel hierfür bietet Halberstadt 5). In einer Anzahl von Städten sind die Befestigungen immer Besitz des Stadtherrn geblieben 6).

Mit der Aufsicht über die Befestigungen der Stadt ging auch die daraus abgeleitete militärische Bau- und Straßenpolizei) auf den Rat über. Sie verschmolz mit der kommunalen Bau- und Straßenpolizei 8). Die öffentlichen Straßen, die Heerstraßen 9), die durch die Stadt führten, kamen so unter Aufsicht des Rates und wurden den Wegen und Stegen der Gemeinde 10) gleichgestellt 11). Der Rat erläßt Verordnungen über Schädigung der Heerstraßen 12) und Bebauung der Stadtmauern13). Auch die Sorge für die Wasserläufe11), Uferbauten 15) und Brücken 16), die bei Hameln 17) und Bremen 18) über die Weser führten, wurden damals den Räten beider Städte unterstellt 19).

Die Räte erwarben ferner das Kommando über die Mauerwache und das Bürgeraufgebot, das bisher dem Vogte zustand 20). Sie erlassen jetzt Bestimmungen über die Besetzung der Mauern 21) und bestrafen die Säumigen oder diejenigen, welche den angewiesenen Posten zu früh verlassen 22). Von dem Nachtwächterdienst auf den Straßen 28)

1) U.-B. von Quedlinburg, I, n. 58, S. 41.

2) U.-B. von Wernigerode, n. 15, S. 12. Vgl. n. 230, S. 139.

3) U.-B. von Magdeburg, I, n. 435, S. 273.

4) Gengler, Stadtrechtsaltertümer, S. 112.

5) Verfassungsgeschichte von Halberstadt, I, S. 108 ff.

6) Teil IV, S. 507.

7) Teil IV, S. 507.

8) Wohlfahrtspflege S. 252, 257.

9) Oelrichs, a. a. O., S. 703 c. 182, herstrate, Gengler, a. a. O., S. 84. Chroniken d. Städte VII, S. 14 platea communis. U.-B. von Hildesheim I, n. 573, S. 184, via pablica LL. II, S. 114. U.-B. v. Lübeck I, n. 573, S. 518. Vgl. Teil IV, S. 508. 10) Vgl. a. 3.

11) Wohlfahrtspflege, S. 258. Gengler, a. a. O., S. 84. U.-B. von Göttingen, n. 122, S. 105 U.-B. von Halberstadt I, n. 76, S. 73.

12) Wohlfahrtspflege S. 259, 260. Gengler, a. a. O., S. 88, 89.

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19) Ueber die Entstehung des Hoheitsrechtes Bremens über die Weser, vgl. Verfassungsgeschichte von Bremen I, S. 253.

20) Teil IV, S. 510 ff.

21) U.-B. von Bremen IV, n. 288, S. 208. Verfassungsgeschichte von Bremen I, S. 263. Verfassungsgeschichte von Halberstadt II, S. 470 ff.

22) Ztschr. f. Kulturgeschichte, S. 194, § 27.

23) v. d. Nahmer, a. a. O., S. 45. Verfassungsgeschichte von Halberstadt I, S. 132. II. S. 469. Bücher, a. a. O., S. 258. v. Maurer, a. a. O., III, S. 156.

Dritte Folge Bd. XIV (LXIX).

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und dem Thorschließerdienst 1) wurden die Bürger jetzt durch Bestellung besonderer Stadtwächter 2) und Erhebung eines Wachtgeldes ), von welchem die neubestellten Beamten bezahlt wurden, befreit. Beim Aufgebot zur Landeshut unterstanden die Städte dem Stadtherrn, doch haben sie sich durch Bestellung besonderer Stadthauptleute oder Mitsendung von Ratsherrn das Unterkommando über die städtischen Heerhaufen gewahrt 4). Bei städtischen Fehden wurden die Scharen der Stadt von Bürgern, vom Stadthauptmann oder von Ratsherrn befehligt 5). Aus dem Besitz der Kriegshoheit entwickelt sich das wichtige Bündnisrecht. Um ihre Wehrhaftigkeit zu erhöhen, schlossen die Städte zahlreiche Bündnisse mit Rittern, Grafen, Fürsten, mit dem eigenen Landesherrn und vor allem mit anderen Städten 6).

Wo der Stadtkommandant oder der Vogt die Maß- und Gewichtsvergehen abgeurteilt und die Gewerbepolizei ausgeübt hatte 7), gingen diese wichtigen Kompetenzen auch auf den Rat über. In den Städten, in welchem Vogt und Rat die Gewerbepolizei gemeinsam ausgeübt hatten 8), wurde diese Funktion jetzt vom Rat allein wahrgenommen. Doch ist nicht überall die Gewerbepolizei von dem Rat als eine Erbschaft des Vogtes übernommen. Wir haben oben gesehen 9), daß in vielen Orten 10) die Aburteilung von Maß- und Gewichtsvergehen, sowie die Ordnung des Verkaufs von Lebensmitteln den Gemeinden übertragen sind. Wo nun von den Gemeinden nicht besondere Burrichter oder Burmeister zur Aburteilung derartiger Vergehen eingesetzt sind, wie das z. B. in Halberstadt 11) und Soest 12) der Fall war, und die Gemeinden selbst die Aburteilung vornahm, sind diese Funktionen später auf den Gemeindeausschuß übergegangen 18). Der Rat tritt in solchen Fällen als Rechtsnachfolger der Gemeinde auf. Bei der Dürftigkeit der Quellen ist es in Einzelfällen sehr schwer nachzuweisen, ob der Rat die Gewerbepolizei von dem Vogt oder der Gemeinde übernommen hat.

Diese selbständige Aufsicht über Maß, Gewicht und Verkauf von Lebensmitteln 14), over unrechte mate unde unrechte wage, over valschen

1) U.-B. von Braunschweig I, S 124 ff., 171, 172. Wernigerode, S. 187. V. G. von Halberstadt, S. 469.

2) Verfassungsgeschichte von Halberstadt, S. 469.
3) Teil IV, S. 513. v. d. Nahme a. a. O., S. 51.
4) Verfassungsgeschichte von Halberstadt II, S. 470

5) Ebenda, u. Teil IV, S. 514.

Verfassungsgeschichte von

6) Vgl. die Ausführungen in V.-G. von Halberstadt II, S. 471 ff.

7) Teil IV, S. 527. Schröder, Rechtsgeschichte, S. 594 u. A. 27. Waitz, Verfassungsgeschichte VII, S. 51. Märker, Burggrafschaft, Meifsen, S. 124.

8) Teil IV, S. 527.

9) Teil IV, S. 528.

U.-B. von Bremen I, n. 234, S 270.

10) So Halberstadt und Quedlinburg, Teil IV, S. 528.

11) U.-B. von Halberstadt I, n. 4, S. 3. Verfassungsgeschichte von Halberstadt II,

S. 421.

12) Gengler, Stadtrechte, S. 443, § 37.

13) Teil IV, S. 529.

14) Wohlfahrtspflege, S. 250, 255.

kop, wie der Sachsenspiegel sagt 1), ist nun von größter Bedeutung für die Entwickelung der Regierungsgewalt des Rates geworden. Aus ihr entwickelt sich allmählich eine allgemeine Aufsicht über den gesamten Handels- und Gewerbeverkehr 2), eine umfangreiche Verkehrspolizei, deren Hauptsorge war, die Sicherheit in Handel und Gewerbe zu schaffen und zu erhalten.

Der Rat erließ Bestimmungen über Maß und Gewichte, gegen,,unrechte Kaufmannschaft" 3), Wucher) und Hehlerei 5) und Verordnungen über den Handel der Fremden ), über den Kauf und Verkauf 7), über die Verfälschung von Lebensmitteln ) und die reelle Herstellung anderer Waren 9). Der Rat setzte den Tagelohn der Arbeiter fest 10), sorgte für Arbeiter und Arbeitsgelegenheit 11) und erließ Gesindeordnungen 12).

Wo dem Stadtkommandanten die Aufsicht über die Zünfte und Innungen zugestanden hatte, wie das beispielsweise in Straßburg, Augsburg, Meißen und Bremen 18) der Fall gewesen war, ging das wichtige Recht, das Innungswesen zu ordnen, auch auf den Rat über. Der Rat errichtet selbständig Innungen und setzt die Statuten für dieselben fest 14). Ein gutes Beispiel hierfür bietet Bremen 15).

In anderen Städten ist dies Recht, Innungen zu verleihen, erst mit der Erwerbung der Gerichtshoheit an den Rat gekommen 16). In der Altstadt Braunschweig, das schon im Jahre 1227 die Gerichtshoheit erlangte 17), verlieh die Bürgergemeinde schon 1231 den Goldschmieden ein Innungsrecht 18). In Städten, die nicht in den Besitz der Gerichtsgewalt kommen, konnten Innungsrechte nur vom Inhaber der Gerichtshoheit verliehen werden. So werden in Halberstadt die Innungen vom Bischof 19) und in Wernigerode vom Grafen errichtet 20).

1) Sachsenspiegel, Her. v. Homeyer, S. 116.

2) Wohlfahrtspflege, S. 299 ff.

3) Ebenda, S. 300.

4) Ebenda.

5) Ebenda, S. 299.

6) Ebenda, S. 301.

7) Ebenda, S. 300
8) Ebenda, S. 302. ff.
9) Ebenda, S. 308 ff.

10) Ebenda, S. 310 ff.

11) Ebenda, S. 311.

12) Ebenda.

13) Teil IV, S. 516, 517. Vgl. Verfassungsgeschichte von Bremen I, S. 258. Donandt, Stadtrecht I, S. 259.

14) Verfassungsgeschichte von Bremen, I, S. 259.

15) Teil IV, S. 536. Verfassungsgeschichte von Bremen II, c. Bremen I, n. 540, S. 571. n. 541, S. 572. II, n. 52, S. 58. II, n. 450, S. 448.

16) Teil IV, S. 516.

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3 und U.-B. von II, n. 147, S. 156.

Ein Aufsichtsrecht über die Innungen stand später überall, abgesehen von einigen kleinen Landstädten, dem Rat zu, auch wenn er die Innungen nicht selbst errichtet hatte. Der Rat erläßt, wie schon oben bemerkt ist, oft sehr umfassende Ordnungen über das Gewerbewesen, über das Rohmaterial, die Herstellung der Waren, die Festsetzung des Preises und dergl. 1). Dieses Recht hat sich aus den Kompetenzen der Burschaft, Gewicht, Maß und Verkauf von Lebensmitteln beaufsichtigen zu dürfen, entwickelt. Es gehört dem städtischen Polizeiwesen an 2).

Nach Verdrängung des Stadtkommandanten aus der Stadtverwaltung und nach dem Uebergang der Rechte desselben auf den Rat vereinigen die consules in sich sowohl öffentliche, wie kommunale Rechte. Der Rat ist nicht mehr ein einfacher Gemeindeausschuß, sondern auch eine öffentliche Behörde.

Der Rat hat sich mit diesem Erfolg nicht begnügt, sondern er hat im Laufe der Zeiten auch andere, öffentliche wie private Rechte, die den Stadtherren, den Fürsten, Grafen, Erzbischöfen und Bischöfen zustanden, zu erwerben gewußt. Die Mittel, deren sich Rat und Bürgerschaft hierbei bedienten, waren Kauf und Verpfändung. Von den gräflichen Rechten sind so die Kriegshoheit 3) und die Gerichtshoheit) in den Besitz einer Anzahl von Städten gekommen.

Doch haben verhältnismäßig nur wenig Städte die volle Kriegshoheit erlangt. Daß kleine Städte, wie Wernigerode, immer zur Heeresfolge verpflichtet waren, ist leicht verständlich 5). Doch auf wichtigere Orte, wie Soest 6), Danzig '), Halberstadt ) und Quedlinburg 9) sind immer beerespflichtig gewesen. Der Oberbefehl über die städtischen Aufgebote stand vielfach dem Rate zu 10).

Auch die völlige Gerichtshoheit haben nur wenige Städte erlangt 11), doch wurde dieselbe frühzeitig beschränkt. In einzelnen Städten blieb dieselbe immer dem Stadtherrn, so hat in der Stadt Wernigerode der Graf das echte Ding immer in eigener Person abgehalten 12). Einzelne Orte erlangten wenigstens das Privileg, daß der Stadtrichter

1) Vgl. oben S. 99.

2) Wohlfahrtspflege, S. 308 ff.

3) Wohlfahrtspflege, S. 252 ff.

4) Teil I, S. 182 u. A. 5. Hans Fischer, Teilnahme der Reichsstädte an der Reichsheerfahrt, Leipzig, Diss. 1883, S. 13.

5) Verfassungsgeschichte von Wernigerode, S. 169.

6) Chroniken d. Städte, XXIV.

7) Baltzer, Gesch. des Danziger Kriegswesens, Programm des Kgl. Gymn. zu Danzig 1893, S. 5.

8) Verfassungsgeschichte von Halberstadt II, S. 443. U.-B. von Halberstadt II, n. 789, S. 87.

9) U.-B. von Halberstadt II, n. 789, S. 87.

10) Verfassungsgeschichte von Halberstadt II, S. 443.

11) Vgl. v. Maurer, Städteverfassung III, S. 320 ff., 387 ff., 491 ff.

12) U.-B. von Wernigerode, n. 593, S. 347. dat is drye in deme iare, alse we unse gherichte sulven plegen to syttende, 1458. Vgl. U.-B., n. 246, S. 153.

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