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letzter Herausgeber, sie als eine „magna charta" für Deutschland bezeichnete, womit er freilich weit neben das Ziel getroffen hat. Die Reformation des Kaisers Friedrich III. nimmt vielmehr eine mittlere Stellung ein zwischen der kirchenpolitischen Bewegung des 15. Jahrhunderts, die zum erstenmal einen Laien und Stadtbürger in deutscher Sprache zur Reform von Staat und Kirche aufrief, und der sozialpolitischen des 16. Jahrhunderts, deren programmatischer Ausdruck in den 12 Artikeln der Bauern vorliegt. Welche Rolle sie in der Bauernrevolution vom Jahre 1525 zu spielen berufen war, ist schon mehrfach mit Glück untersucht worden 3). In wie weit ein Zusammenhang der vorliegenden Schrift mit der Reformation des Kaisers Sigmund besteht, soll uns später beschäftigen. Es gilt hier, zunächst der Frage nach der Art der Entstehung und nach dem Verfasser näherzutreten, für die bis jetzt noch keine befriedigende Lösung gefunden wurde.

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Die Schrift ist unter dem Pseudonym des Kaisers Friedrich III. zum erstenmal im Jahre 1523 gedruckt, und sie ist von Goldast, Reichssatzung (1609) I, 166-180, wieder abgedruckt worden mit dem freihändig zugefügten Titel: Kaiser Friedrichs dess dritten Reformation. Im hl. römischen Reich teutscher Nation fürgenommen und proponiert auff dem Reichstag zu Meyntz anno domini 1441". Damit war die Echtheit der Schrift und ihre Entstehung im 15. Jahrhundert offenbar auf längere Zeit festgelegt; doch es erhoben sich wieder berechtigte Zweifel, indem man sie entweder als eine nichtswürdige Erdichtung" oder eine „Privatarbeit“ 4) oder auch wieder als einen wirklich zustande gekommenen Beschluss" 5) betrachtete. Erst mit der Veröffentlichung eines Verfassungsprojekts zum Jahre 1525 durch Öchsle 6), das eine Kopie unserer Reformschrift ist, wurde die Reformation des Kaisers Friedrich III." wieder dem 16. Jahrhundert zurückgegeben. Von jetzt ab wurde sie bald dem Schwärmer Thomas Müntzer 7), bald dem Bauernrat

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3) Kluckhohn A., Über das Projekt eines Bauernparlaments zu Heilbronn und die Verfassungsentwürfe von Fr. Weigandt und W. Hipler aus dem Jahre 1525. In Nachrichten von der Kgl. Ges. der Wissenschaften zu Göttingen 1893.

*) Eichhorn in der 3. Auflage seiner Rechtsgeschichte (1822).

5) Cocejis Vorrede zu dem Projekt des Corp. Jur. Fredericiani (1750) § 20.

*) Beiträge zur Geschichte des Bauernkrieges in den schwäbisch-fränkischen Grenzlanden. Heilbronn (1830).

7) Eichhorn, a. a. O. 4. Auflage (1837).

Weigandt 8), bald in dunkler Ahnung dem Kreise um Franz von Sickingen) zugewiesen. Ein direkter archivalischer Beweis lässt sich noch nicht führen, wohl aber kann uns ein Indizienbeweis unter genauer Beachtung des Details unserer Schrift und gleichzeitiger geschichtlicher Vorgänge volle Klarheit über die Entstehung und den Verfasser der Reformation geben.

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Dass unsere Schrift aus der ersten Zeit von Luthers Auftreten stammt, ist besonders klar aus ihrer Vorrede" und ihrem „Beschluss" zu erkennen. Beide, in sehr erbaulichem Ton abgefasst, zeigen einen eigentümlichen Überschwang des Gefühles der Freude über die „grundlose Gnade und Barmherzigkeit", durch die Gott uns vom Trachen der Finsternis erlediget hat" 10).

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Gerade die in dieser Form übernommene Bezeichnung des Papstes, der sonst in der Schrift mit keinem Wort mehr berührt wird, ist charakteristisch insofern, als sie erst seit 1520 zum Schlagwort der Publizistik geworden ist 11). Da auch in den übrigen Stellen über die Geistlichen und die neue Lehre noch kein von theologischen Streitigkeiten verbitterter Geist uns entgegentritt, kann das Jahr 1520 als terminus a quo für die Entstehungszeit der Schrift gelten.

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Der Verfasser gehört zu den Laien, wie das klar aus seinen eigenen Worten: wir, die leyen", oder „uns, den leyen" 12) hervorgeht. Dieses Wort bezieht er im doppelten Sinne auf sich und diejenigen, an die er sich wendet; nämlich einmal sind bei ihm die „leyen" soviel wie die Nicht-Juristen, wann ihnen (den rechtsgelehrten Doktores) das 13) herter dann den leyen verschlossen ist und kann ir keiner ein schlüssel darzufinden. . . . Aber der ley behelt doch den schlüssel zum rechten

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8) Thomas M., Markgraf Kasimir von Brandenburg im Bauernkriege. Diss. 1897. S. 76 ff.

9) Jörg J. E., Deutschland in der Revolutionsperiode von 1522-26. (1851).

10) Siehe Vorrede bei Goldast, a. a. O. Oder XIII. Beschlussartikel, 1. Dekl.,,damit die menschlich freyheit christlicher ordnung wieder aufgericht, die durch den rechten waren antichrist uns armen christen mit dem hl. evangelio und andern worten Christi verborgen und niedergelegt was."

11) Preuss H., Die Vorstellungen vom Antichrist im späteren Mittelalter bei Luther und in der konfessionellen Polemik. (1906) S. 129.

12) VI. Hauptartikel, 4. Erklärung. Es wird immer nach Goldast, a. a. O. zitiert.

13) scl. die Rechtsprechung.

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bei ime" 14). Was hier aber mehr ins Gewicht fällt, ist, dass er das Wort gebraucht uns leyen" gerade im Gegensatz zu den Geistlichen: ,,nimbt ihr (von den Geistlichen) ayner ein weib, das ist ihm nit recht, aber uns leyen 15).

Des Näheren gehört der Verfasser dem niederen Adel an. Das geht aus seinem eigentümlichen Verhalten diesem Stande und seinen Angehörigen gegenüber deutlich hervor. Mitten in der Aufzählung aller weltlichen Geburtsstände legt er allein den Rittern und Knechten das lobende Beiwort frumm" 16) zu. Er macht damit von einer in der Ritterschaft damals geltenden Anschauung und von einer selbst ihren offiziellen Beschwerden 17) geläufigen Wendung wiederholt Gebrauch.

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Dass der Verfasser Oberdeutschland, und zwar einer Weinbau treibenden Bevölkerung angehört, lässt sich aus seiner Vorliebe für speziell oberdeutsche Verhältnisse schliessen. So erwähnt er von den 21 Münzstätten des Reichs, die nach seinem neuen Verfassungsentwurf errichtet werden sollen, nur 5 des Oberlandes, nämlich Baiern, Schwaben, Franken, Oberrheinstrom und Österreich, während er sich um die Verteilung der übrigen nicht kümmert. Bei der Neuordnung der Masse und Gewichte ist der Wein 18) ihm nicht nur unter den Getränken, sondern überhaupt unter den Erzeugnissen des Landes das wichtigste. Er führt ihn zuerst an und bestimmt, dass „eyn gross Fudermass am Weyn" für das ganze Reich Normal mass sein soll. Aber gerade diese Weinmasse, wie „Fuder", „Ohm“, „Aich“, sind dem rheinfränkischen Gebiete heute noch eigentümlich. In der Tat, der Verfasser gehört des Näheren dem fränkischen Reichsritterstande an. Um diese Tatsache an den Details der Schrift besser erkennen zu können, muss über die Lage der Reichsritterschaft Südwestdeutschlands um das Jahr 1500 etwas weiter ausgeholt werden.

Ihre eigentümliche Stellung gerade hier im Südwesten Deutschlands beruht auf der eigenartigen verfassungsgeschichtlichen Entwicklung dieses deutschen Reichsteils 19).

14) Siehe V. Hauptart. 2. Erkl.

15) Siehe VI, 4 und gleich darauf mehrmals.

16) Siehe VI, 3 und II, 3, V, 3 und VI. 4.

17) R. A. 3. Band, Jüngere Reihe No. 113 Beschwerde 14:,,wie frummen lehnsmann geziemt." Auch an der Stelle, wo er die frühere Ausstattung der Kirchen mit Grundbesitz durch den Adel verwirft, rechnet er sich sowie die Angeredeten wiederholt mit dem Wörtchen,,wir" zu diesem Adel. (Vgl. „,Beschluss".) 18) Siehe X. Hauptartikel.

19) Vgl. dazu Stolze W., Zur Vorgeschichte des Bauernkrieges in Staats- und sozialwissenschaftliche Forschungen (Schmoller) 18. Band. 4. Heft (1900) S 8 ff.

Während sonst in Deutschland die Ritter des ausgehenden Mittelalters den Territorien sich unterwarfen und landsässig wurden, konnten sie sich hier im Südwesten der Macht der Grösseren erwehren. Eine interterritoriale Reichsritterschaft blieb hier bestehen, deren Interessen nicht in dem des jeweiligen Territoriums aufgingen. Die Reichsritter in Franken und Schwaben wahrten ihre Selbständigkeit und ihre eigenen Interessen auch in Bünden, die sie mit dem höheren Adel wie z. B. im St. Jörgenschild schlossen, um ihre staatsrechtlich garantierte Stellung ausserhalb der Territorien zu behaupten 20).

Wir sehen schon daraus, wie es einem Reichsritter von einer solchen politischen Stellung wohl anstehen könnte, der Urheber eines Reformprojektes zu sein, das sich unterfängt, das ganze hl. römische Reich teutscher Nation", wie der Verf. unserer Reformation unermüdlich bei jeder Forderung wiederholt, mit allen seinen Ständen zu verbessern. Aber diese Reichsreform zeigt nicht nur deutlich die Spuren der um das Jahr 1500 veränderten, ja aufs höchste bedrohten Lage der Reichsritter, sondern will hauptsächlich den sich zu ungunsten derselben vollziehenden Umschwung aufhalten, wenn nicht ganz rückgängig machen.

Zuerst wurde ihre materielle Selbständigkeit durchbrochen. Während im Hochmittelalter ein kleiner Grundbesitz die ökonomische Grundlage ihres Berufes als „Reisige" bildete, so mussten sie im ausgehenden Mittelalter wegen Steigerung der Lebenshaltung und der beruflichen Konkurrenz mit den bürgerlich-bäuerlichen Landsknechten in den Dienst der grösseren Territorien treten. Hier im Südwesten, wo es keinen landsässigen Adel gab, diente der Reichsritter um das Jahr 1500 als Amtmann überall bei den geistlichen und weltlichen Herrn. Aber bald zeigte sich der Ritter den erhöhten Anforderungen, die infolge der gesteigerten Bedürfnisse in Verwaltung und Rechtsprechung an das erstarkte territoriale Staatswesen gestellt wurden, nicht mehr gewachsen. Den komplizierteren landesherrlichen Verhältnissen kam das entwickeltere römische Recht anstelle des heimischen Landrechts zu Hilfe. Dieses erforderte den verwickelteren Ansprüchen des damals sich bahnbrechenden modernen Staates entsprechend einen ganz neuen Beamtenapparat. nun das rezipierte römische Recht sich in dem Sinne einer strengeren Zentralisation gegenüber den noch selbständigen Faktoren, wie Rittern,

20) Sigmund erliess im Jahre 1522 eine Verordnung, wonach die Ritter des ganzen deutschen Reiches sich verbinden sollen. Vgl. meine Ausgabe der Reformation des K. Sigmund im Archiv für Kulturgeschichte, III. Ergz.Heft (1908) S. 79.

Westd. Zeitschr. f. Gesch. u. Kunst. XXVIII, I.

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Bürgern und Bauern fühlbar machte, gab man aus diesen Kreisen nicht der Entwicklung, sondern dem ihr zu Hilfe geeilten römischen Recht die Schuld an der grösseren Gebundenheit des Individuums an den Territorialstaat. Die Fürsten zogen allmählich in ihre Hofgerichte und ihren Rat nur solche, die in der Kanzlei und Universität gebildet waren und deshalb den verwickelteren und stärker betonten Ansprüchen des neuen Staates nachzukommen wussten. Auch erkannten sie „in der rechtsgelehrten Bureaukratie das beste Mittel zur Bekämpfung des auf seine ständischen Rechte pochenden Adels" 21). Sogar die Reichsstädte konnten in allen publizistischen Fragen des juristischen Beirats nicht mehr entraten. (Vgl. die Stadträte oder syndici.) „Selbst die Verwaltung der Vogteien und Ämter gelangte in zunehmendem Masse in die Hände von Juristen; wo man den adligen Amtmann nicht zu verdrängen wagte, setzte man ihm wohl einen rechtskundigen Amtsschreiber oder Kastner zur Seite, der ihm ganz allmählich von selbst die Geschäfte aus der Hand nahm 22)."

Schon im Laufe des 15. Jahrhunderts atmen die schiedsrichterlichen Entscheidungen des Königs und einzelner Fürsten vielfach römischrechtlichen Geist, weil sie von rechtsgelehrten Räten ausgearbeitet wurden. Infolge der Besetzung des kgl. Kammergerichts vornehmlich durch Rechtsgelehrte kam das römische Recht bei Rechtssprüchen desselben immer mehr zur Geltung 23). Auch in den fürstlichen Kammergerichten oder Kanzleien wurden die Räte „immer weniger dem Landesadel als vielmehr dem Stande der Rechtsgelehrten entnommen" 24). Ihre dem Interesse des Landesfürsten nun rücksichtslos dienende Tätigkeit wurde als besondere Findigkeit" der Räte von den untergeordneten Faktoren des Territoriums ausgelegt. Es versteht sich von selbst, dass der niedere Adel nur selten seine Söhne studieren liess, denn er „ha-ste das römische Recht so gut wie die Juristen". Bürgerliche, dazu oft Landes fremde drängten in diese Lücke und schmälerten dem Ritter den Nahrungsspielraum. Es ist also das Gefühl der Verdrängung aus seinem ursprünglichen Berufe der Handhabung der öffentlichen Polizei, der Bedrückung durch das römische Recht und die Juristen und das Bewusstsein allmählicher Beseitigung aus dem Dienste in der Verwaltung und Rechtsprechung der Fürsten, die um 1500 eine tiefgehende Erregung unter

21) Schröder, Deutsche Rechtsgeschichte S. 769.

22) Ebenda.

28) Ebenda S. 547.

2) Ebenda S. 595.

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