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Zum Schlusse möchte ich nicht versäumen, dem Herausgeber für sein trotz aller Ausstellungen durchaus verdienstliches und brauchbares Werk den verdienten Dank abzustatten. Ein solches umfassendes Urkundenbuch ist immer eine entsagungsvolle Arbeit, die aller Anerkennung wert ist, selbst wenn man hier und da grössere Sorgfalt im Einzelnen wünschen muss. Dem Verfasser gebührt unsere Anerkennung aber besonders, wenn wir bedenken, dass er die Arbeit neben seinen Berufspflichten und an einem kleinen Orte sitzend, fernab von Archiv und Bibliothek und Fachgenossen machen musste. R. Häpke, Brügges Entwicklung zum mittelalterlichen Weltmarkt. (Abhandlungen zur Verkehrs- und Seegeschichte im Auftrage des Hansischen Geschichtsvereins herausgegeben von D. Schäfer, Bd. I. Berlin, K. Kurtius 1908. 296 S. und 1 Tafel. M. 9). Angezeigt von Privatdozent Dr. B. Kuske in Köln.

Der handelsgeschichtlichen und überhaupt der wirtschaftsgeschichtlichen Forschung stehen zur Enthüllung ihrer Tatsachen zwei verschiedene Wege offen. Man kann eine bestimmte wirtschaftliche Erscheinung aufgreifen und zum Gegenstand der Untersuchung machen, etwa einen Handelszweig oder ein dem Handelsrecht oder der Handelsverfassung angehörendes Institut. Man kann seine Beschaffenheit zu einem bestimmten Zeitpunkte oder auch seine Entwicklung und Veränderung in Zeiträumen darstellen. Auf diese Weise wird man besondere Klarheit über die Geschichte der verschiedenen Formen des kommerziellen Lebens gewinnen und darnach leichter das allen Handelsgebieten Gemeinsame und Verwandte, aber auch das Verschiedene erkennen. Man wird so zu einer vergleichenden Handelsgeschichte kommen. Diese Art der Forschung wird meist von den Vertretern der Wissenschaften bevorzugt, in denen Begriffe und Gesetze untersucht und gewonnen werden. Es sind in diesem Falle Nationalökonomen und Juristen, von Historikern aber nur die, welche jenen geistesverwandt sind.

Auf der andern Seite kann man mehr von wirtschaftsgeographischem Gesichtspunkte aus an handelsgeschichtliche Tatsachen herantreten, den Handel bestimmter Gebiete darzustellen suchen, seinen Gesamtcharakter und seine Ausdehnung schildern. Dieses Verfahren, das gewissermassen auf dem Nationalitätsprinzip beruht, ist zumeist bei Historikern beliebt, und tatsächlich sind die grösseren Werke dieser Art in den letzten Jahrzehnten aus deren Händen hervorgegangen. Das Verdienst in diesen Leistungen besteht weniger darin, dass sie uns die innere Organisation und die Form des kommerziellen Lebens kennen lehren, als eben vielmehr seine räumliche Entfaltung. Das kommt uns besonders dann klar zum Bewusstsein, wenn wir einmal versuchen z. B. die Geschichte des Welthandels nicht nach Nationen oder dergleichen, sondern nach Handelszweigen, also nach den einzelnen Waren gegliedert darzustellen, und wenn wir diesen Teilen dann andere coordinieren wollen, denen wir die Begriffe des Handelsrechtes und der Handelspolitik zu Grunde legen. Dann zeigt sich, dass uns gerade die umfassenden, handelsgeographischen sog. „standard-works" wenig Stoff für die Durchführung unserer Absicht liefern, während die Verfasser dieser

Werke umgekehrt immer Hilfe bei denen finden werden, die sich an die Formen gehalten haben.

Es ist von allen handelshistorischen Untersuchungen, die auf geographischer Grundlage beruhen, zu fordern, dass sie auf die Bedürfnisse der anderen „Richtung" Rücksicht nehmen und dass sie diese Interessenten zugleich mitbefriedigen. Sie dürfen nicht nur dem antworten, der da fragt: Wie ist der Gesamthandel einer Stadt oder eines Landes früher gewesen? Welche äusseren Wandlungen hat er zeitlich erfahren? Wie hat er sich zu seinem jetzigen Umfange entwickelt? sondern auch dem, der z. B. wissen will: wie die einzelnen Zweige organisiert waren, wie sich die Rechtsinstitute gestalteten oder welche geschäftlichen Methoden zur Anwendung kamen. Erst dann, wenn beides von einer Darstellung zugleich geleistet wird, ist rein theoretisch betrachtet ihrem Verfasser volle wissenschaftliche Umsicht und eine ganze Leistung nachzurühmen.

Ein solches Urteil wird man zum grossen Teile uneingeschränkt über die hier vorliegende Untersuchung Rudolf Haepke's fällen können, deren wesentlichste Resultate ich im Folgenden skizzieren und erörtern möchte.

Charakteristisch für die kommerzielle Haltung der Stadt Brügge ist vor allem, dass sie wenig eigene wirtschaftliche Initiative aus sich heraus entfaltet hat. Sie tritt in der Tuchindustrie von Flandern gegenüber anderen Plätzen zurück, und ihre Messen werden erst grösser und überholen die anderen, als sie im 14. Jahrhundert immer mehr das Ziel der Fremden wird. Der Brügger Bürger geht zunächst wenig auf die Märkte des benachbarten Landes. Die Flandrer und die Bewohner der Maasstädte kommen vielmehr in seine Stadt, um dort ihre Güter abzusetzen und daneben von ihm einzukaufen und seine Waren auszuführen. Nur in England ist sein Eigenhandel bedeutender gewesen und nahm dort im gesamten flandrischen Handel seit dem Anfang des 13. Jahrhunderts die erste Stelle ein. Die Brügger Kaufleute sind damals die Führer der flandrischen Hanse in London geworden. Dieser Verband war also der Träger des wichtigsten Eigenhandels der Stadt. Daher waren seine Mitglieder ihre angesehensten Kaufleute, und daraus erklärt es H., dass man nur diese zu den Schöffenstühlen in der Stadt zuliess. Aber selbst der englische Handel Brügge's war nicht von Dauer. Er ging zum Teil ein unter dem Einfluss der politischen Kämpfe gegen England während der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, dann infolge der „Verkennung des plebejischen Prinzips" in Brügge, wo man keinen Angehörigen niederer Volksschichten zur Hanse zuliess und so das Absterben der Oberschicht verursachte, und mehr noch durch das Erstarken der deutschen und italienischen Handelsbetätigung in der gleichen Zeit. Köln verschliesst den Flanderern schon seit der Mitte des 12. Jahrhunderts den oberhalb seiner Mauern fliessenden Strom, und im Osten werden sie von den Hansestädten zurückgeworfen. Brügge tritt damit in die Zeit seiner Handelspassivität ein, in der es aber nun scine höchste wirtschaftliche Blüte entwickeln sollte.

Im Jahre 1313 errichtet König Eduard II. den Brügger Stapel für englische Wolle, und im Laufe des 13. Jahrhunderts schon rücken nach und nach die Deutschen bis zur Ostseeküste hin in die Reihen der fremden Kaufleute in Brügge ein. Bis 1253 herrschen unter ihnen die Kölner und

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die aus den Gebieten zwischen Rhein und Elbe vor. Ihnen gesellen sich Hamburg und Lübeck und darnach die übrigen Ostländer hinzu, die schliesslich über jene das Übergewicht gewinnen. Ihre Massengüter Pelze, Wachs, Eisen, Heringe, Holz und Getreide waren für den Brügger Markt von grösserer Bedeutung als der Kölner Wein, die bergischen und westfälischen Eisen- und Leinenfabrikate, das Bier von Bremen, das Harzer Kupfer, das die Lüneburger vertrieben, und als die Waren von Niedersachsen und von der Elbe. H. vermag bei der Schilderung dieser Handelsbeziehungen keine böhmischen Kaufleute in Brügge nachzuweisen. Der Umstand, dass solche nach rheinischen Quellen des 14. Jahrhunderts auf den Strassen zwischen Köln und Brabant angegriffen werden, lässt jedoch ihr Auftreten am Swin vermuten. Die oberdeutschen Kaufleute sind dort aber bedeutend seltener als die aus Norddeutschland, die unter Hamburgs und Lübecks Führung im Jahre 1253 in Brügge das Privileg erhalten, das die Grundlage ihrer späteren starken Handelsstellung dort bildete.

Die direkten Verbindungen Flanderns mit Skandinavien und Dänemark sind natürlich weniger ausgedehnt gewesen als die mit Frankreich. Dort sind die Flandrer auf den Champagnermessen Mitglieder der nordfranzösischen Hanse, eines Bundes von 17 Städten, der den Tuchhandel regelte. Der Süden Frankreichs nimmt im Eigenhandel Flanderns lange Zeit die zweite Stelle ein.

Seit den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts verkehren Spanier und Portugiesen häufiger in Flandern. Ihnen folgen nach 1250 die Italiener, die ja um diese Zeit auch in die übrigen Gebiete Nordwesteuropas vordringen. Sie kommen zunächst als Bankiers und Gläubiger der öffentlichen Gewalten und beteiligen sich danach stark am Warenhandel, worin sie in Brügge besonders seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts sogar neben den Deutschen an erster Stelle stehen und zwar namentlich im Wollgeschäft. Ihr Verkehr mit den Niederlanden wurde seit dieser Zeit durch die Aufnahme der Galeerenfahrten in festere Formen gebracht. H. stellt ihren Beginn wie andere Forscher für Genua auf 1315 und für Venedig auf 1317 fest. Im vorigen Hefte dieser Zeitschrift habe ich übrigens ermitteln können, dass im 15. Jahrhundert an den Verschiffungen nach Brügge und London von Venedig und Sizilien aus auch deutsche Kaufleute (Kölner) teilnahmen, die in Brügge, wie auch im Süden ihre Niederlassungen hatten.

Der Verfasser schildert dann in knappen Abschnitten die innere Lage der Stadt, ihre Erweiterung in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, ihr Finanzwesen, ihr Verhältnis zum Landesherrn und zu den Inhabern wichtiger Gerechtigkeiten in ihrem Bereiche. (Die Bevölkerung schätzt er für 1292 auf 50000 Köpfe.)

Die Oberschicht der Bürgerschaft wird von den Notabeln gebildet, die ihr Vermögen im Handel erwerben und darnach in hervorragendem Masse im Grund und Boden der Umgegend fixieren, ein Verfahren, das z. B. auch bei den Kölner Geschlechtern und ihren Nachfolgern an der Spitze der Handelswelt sehr beliebt war und durch welches das platte Land am ganzen Mittel- und Niederrhein der Stadt zins- und pachthörig wurde. H. kann sich bei der Untersuchung dieser interessanten Erscheinung für sein

Gebiet und im Rahmen seiner Arbeit leider nur auf kurze allgemeine Feststellungen beschränken.

An die Notabeln schliessen sich nach unten die Poorter an, unter denen sich Brauer und Tucher wieder einer gehobenen Stellung erfreuen, wiewohl die letztgenannten im Vergleich zu ihren Berufsgenossen in anderen flandrischen Orten in Brügge sozial tiefer stehen. Sie sind Verleger gegenüber den Webern und handeln im grossen. Der Kleinhandel gehört den Gewandschneidern zu, die aber im Gegensatz zu denen in norddeutschen Städten das Tuch nicht auswärts im grossen kaufen, sondern in Brügge selbst von Notabeln oder Tuchern. Sie selbst scheiden sich wieder in Ausschneider von fremden und von einheimischen Tuchen.

An die Poorter reihen sich die Vertreter der übrigen Gewerbe an, unter denen die wirtschaftlich unselbständigen Weber am zahlreichsten sind. Im übrigen geben die gewerblichen Zustände in Brügge im 14. Jahrhundert ein ähnliches Bild, wie es uns v. Loesch für Köln zeichnet, nur dass hier im grossen und ganzen die gewerbliche Blüte etwas später einzusetzen scheint. Beiden Städten sind ein entwickeltes Gerber-, Kürschner- und Zinngiesserhandwerk gemeinsam. Das Bestehen eines bedeutenderen Metallund besonders Eisengewerbes vermag der Verfasser jedoch für Brügge nicht nachzuweisen. Er beschränkt sich hierfür nur auf Andeutungen. Ebenso ist es mit Seiden- und Baumwollindustrie, die man an einem Platze vermuten könnte, der in grossem Umfange mit ihren Rohstoffen handelt. Dagegen macht der Verfasser dort nicht unbeträchtliche Seifensiederei und -ausfuhr namhaft, ein Gewerbe, in dem z. B. Köln erst im 16. Jahrhundert aktiv wird.

In Brügge treten ebenfalls wie in Köln die Schiffer als selbständiger Berufszweig mehr zurück, obwohl es in jener Stadt im Mittelalter immerhin schon eine Schifferinnung gab. Aber die meisten, dem Handel der Grossstadt dienenden Frachtschiffer sitzen hier wie dort mehr in den kleineren am Wasser gelegenen Orten der Nachbarschaft.

Die Darstellungen H.s über die Makler lassen nicht erkennen, wie weit in diesem Berufe bereits Differenzierung nach den verschiedenen Warengattungen eingetreten ist. Die Brügger Unterkäufer sind, wie es scheint, soweit sie selbständig waren, weniger obrigkeitlich abhängig gewesen als die in andern Städten. Dagegen gibt es neben ihnen Makler, die im privaten Dienst der Wirte angestellt sind.

Wieweit im Weinhandelsgeschäft, an der Pflege der Weinkeller und am Weinzapf namentlich Rheinländer beteiligt waren, sagt uns der Verfasser leider nicht. Im 15. Jahrhundert sind besonders Kölner mehrfach in den genannten Funktionen in den flandrischen und brabantischen Städten nachweisbar. Dass sie dort in dieser Weise schon früher tätig waren, wird nur aus den „rheinischen" Schrödern Haepke's in Brügge wahrscheinlich.

Sehr interessant sind die klaren Erörterungen des Verfassers über die Natur der verschiedenen Brügger Stapel. Er unterscheidet hier mit Recht die freiwilligen von den obligatorischen. Jene sind im Mittelalter natürliche, vom Kaufmann selbstgeschaffene Einrichtungen, unter denen man die Bevorzugung eines bestimmten Ortes für den Abschluss von Waren

handelsgeschäften zu verstehen hat. Zu ihnen treten in Brügge die beiden Zwangsstapel: der bereits erwähnte Wollstapel, den der englische König für seine Untertanen, und der Stapel, den die Hanse später für ihre Mitglieder verordnete. Beide taten das so gut wie ohne Zutun der einheimischen flandrischen öffentlichen Gewalten. Daneben aber setzte Brügge im wirtschaftlichen Kampfe gegen seine benachbarten Konkurrentinnen Damme, Aardenberg und Sluis nach und nach den Swinstapel für sich durch und zwar für Tuch und für spanische und deutsche Waren, die den Swin ansegelten. Ausgeschlossen blieben Schiffsbau- und Ausrüstungsmaterial, konservierte Fische, Salz, Getreide, Wein und Asche. Im Jahre 1323 wurde der Stadt ein in dieser Richtung formuliertes Stapelrecht erteilt.

In einem letzten (15.) Kapitel beschäftigt sich H. mit dem Handel in Brügge selbst, mit den ihm dienenden öffentlichen Einrichtungen, den konzessionierten gräflichen und städtischen - meist vlämischen Wechslern und den teilweise auch italienischen Pfandleihern.

Der Handel befasst sich in ausgedehntem Masse mit industriellen Rohstoffen, mit Lebensmitteln und Baustoffen, die alle zum Teil aus weit entlegenen Gebieten dem flandrischen Konsum zugeführt werden müssen, der sich nicht mehr aus seiner Nachbarschaft zu befriedigen vermag. Aus entgegengesetzten Gebieten Europas münden in Brügge völlig gleichartige Waren ein, die dann nicht weiter über die Stadt hinaus gehen: zugleich schwedisches und spanisches Eisen, Honig und Wachs aus Frankreich und Spanien, Norddeutschland und Osteuropa. Manche Handelszweige werden vorwiegend nur von Kaufleuten bestimmter Herkunft betrieben: Wolle kaufen besonders die Italiener und die Händler aus dem Maasgebiet. Geldgeschäfte sucht fast nur der Italiener. Der Handel mit Getreide und Rohprodukten liegt in den Händen der Deutschen und Spanier. Alle diese Güter übernehmen sonst meist nur die Flandrer in Brügge. Dagegen aber tauschen die Fremden mit einander aus: Pelze, Fabrikate, Früchte und Gewürze des Südens und französische und rheinische Weine. Der Verf. erwähnt merkwürdiger Weise nicht Südweine, Baumwolle und Seide.

Das Gästerecht ist in Brügge gestaltet wie in anderen Städten. Aber den Nachweis, den Walter Stein bereits für Neudamme lieferte, dass nämlich dort Gast mit Gast handeln durfte, vermag Haepke auf seine Stadt zu erweitern, wo dieses Recht im Jahre 1282 für die Engländer, 1309 für die Deutschen formell anerkannt wird.

Die einheimischen Kaufleute trennen sich zum Teil scharf in Grossund Kleinhändler. Letztere werden ausdrücklich von der flandrischen Hanse ausgeschlossen, und scharf ist die Scheidung auch im Tuchhandel. Die Vereinigung beider Betriebsformen findet aber im Weinhandel statt.

Auf die innere Organisation der einzelnen kaufmännischen Unternehmungen und auf den Geschäftsbetrieb in den einzelnen Handelszweigen geht der Verfasser nicht ein, mit einer Ausnahme für den Wollhandel in Exkurs III.

In zwei anderen Exkursen nimmt er kritisch Stellung zu den bisher herrschenden Meinungen über die angebliche Gründung des Brügger Marktes und die Einführung der Weberei durch Balduin III. und über den vermeint

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