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andere, so pessern verstand des rechtens hetten", "unangesehen dass vilmals des adels unterthanen und andere armen daselbst öffentlich unrecht beschicht." Und doch seien ihre „rethe oft auch geprechlich wie ander leut 56)". Die Subtilität 57) der gelehrten Räte und Richter ist es gerade, woran der Ritter als der geborene Laienrichter und öffentliche Anwalt der Armen und als Amtmann der Fürsten den stärksten Anstoss nimmt.

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Aber beim Verfasser der Reformation des Kaisers Friedrich III. wird dieser Gegensatz zum persönlichen Affront. Einen eigenen Hauptartikel, den 5., widmet er dieser wichtigsten Standesangelegenheit der westdeutschen Reichsritterschaft. So sollen zunächst auf allen Universitäten, wo man doktores und lerer der rechten machet", nur drei Juristen zugelassen werden, und diese sollen nur das Recht, wie es im reich geordnet und bestetigt wird", lesen und lehren. Die Zahl der römischen Doktores soll also auf drei an jeder Universität im ganzen Reich beschränkt und ihre Tätigkeit auf die rein akademische zurückgeschnitten werden. Nur bei einem Ratschlag im Austragverfahren sollen sie unter Beschleunigung ibrer Entscheidung 58), „dann ein unbillicher verzug im rechten ist dem gemayn mann ein schedlich ding an seyner narunge" innerhalb eines Monats ihr Urteil abgeben, d. h. praktisch in die Rechtsprechung eingreifen 59). Zornglühende Worte fliessen dem Verfasser in die Feder, wenn er, der Ritter als geborener Laienrichter, sich von der Rechtsprechung seiner Zeit am Hofe der Fürsten immer mehr verdrängt sieht. Den Doktoren des Rechts sei das Rechtsprechen „, härter dann den leyen verschlossen", und keiner von ihnen könne „einen schlüssel dazu finden, bis beyde theil arm werden oder gar verdorben sind". Der Laienrichter dagegen behalte, offenbar weil er aus seinem natürlichen Rechtsempfinden jederzeit das Recht schöpfen kann 60), „den schlüssel zum rechten" bei sich.

56) Beschwerde 7. 57) Vgl. oben Beschwerde 37.

58),,Einholung von Ratschlägen ausserhalb der Volksgerichte und Einholung von Oberhofssprüchen innerhalb der Volksgerichte vereinigten sich zu dem einen Institute der Einholung von Urteilssprüchen seitens der Volksgerichte bei den Fakultäten". Vgl. Stölzel, Gelehrtes Richtertum I, S. 188. Dieser Vorschlag der Reformation, nämlich der Konsilienerteilung der Juristenfakultäten wurde, erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. und hauptsächlich in den letzten Dezennien häufiger befolgt. Vgl. von Below, a. a. O. S. 134. — 59) V, 1.

60),,Das Volksgericht will die ungelehrte Rechtsprechung, will die Gerichtsgemeinde als das lebendige Buch, aus welchem der Richter die Ent

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„Aus diesen ursachen kann man die gelehrten in keinem rechten mehr leyden, dazu seyndt es nun besold knecht und nicht erbdiener des rechten 61). Sie sollen aller weltlichen recht müssig ston, darumb dass sie stiffväter und nit die rechten erben des rechten sind. Denn sie nemen ime den grundt der wahrheit und bringen durch iren unordentlichen geitz das recht zu einem solchen unglauben, dass kein frum man sein vertrauen mehr setzen mag 62)." Die römischen Doktores sollen nur als Räte bei den einzelnen Ständen dann zugelassen werden, wenn diese Stände eigene Ratsstuben halten und schwere Händel zu führen haben. Hiermit gibt er allerdings die Unzulänglichkeit der Ritter als Ratgeber bei den verwickelteren Verhältnissen des gesteigerten Lebens in den Territorien selbst zu 63). Aber zu eigentlichen Vertrauenspersonen sollen die Juristen nicht herangezogen werden. Sie sind dem Verfasser nicht verschwiegen genug. Sie sind nit anders rät denn des solds und geitz 64)." Hinter all diesen erregten Ausfällen

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scheidung über Recht und Unrecht zu schöpfen hat. Die natürliche, naive Reaktion des nationalen Rechtsgewissens soll die einzige Quelle des Urteilsspruches sein . . . Das Volksgericht ist der geborene Feind der Jurisprudenz". Vgl. Sohm R., Die deutsche Rechtsentwicklung und die Kodifikationsfrage, in Grünhuts Ztschr. Bd. I (1874) S. 251.

61) V, 2.
62) V, 3.

63),,Bei den Schöffen tritt im 15. Jahrh. die Unfähigkeit zutage, den wirtschaftlichen Bedürfnissen der aufstrebenden Entwicklung zu genügen“. Vgl. Stinzing, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft I Bd. (1880) S. 47. 64) V, 4. In VIII, 1 überhäuft er sie mit gerade nicht schmeichelhaften Ausdrücken wie:,,Vil schmeichler, heuchler und suppenesser habt ir an ewren höfen". Wir sehen also hieraus, wie die Juristen gerade als ,,Fürstendiener" gehasst werden, was von Below leugnet. (S. 61 u. 65). S. 64 ff. will Below die unbequemen Äusserungen der Reformation K. Friedrich III. nach dem Vorgange von Muther dadurch beiseite schieben, dass diese Schrift,,nur eine revolutionäre Flugschrift" sein soll. Das ist aber eine unbewiesene Behauptung, die sich durch weitere Untersuchungen als falsch herausstellen wird. Von ,,Ausländern", gegen die der Hass des Volkes nach Below eigentlich gerichtet sein soll, ist hier nirgends die Rede. Wenn die Persönlichkeit mehr angegriffen wird, als das von den Juristen vertretene römische Recht, so geht deren persönliche Haltung, die sicher allgemein und namentlich hier scharf angegriffen wird, doch gerade auf ihre juristische Bildung und ihre Vertretung des römischen Rechts zurück. Eine so reinliche Scheidung von der Person des Juristen, die allein fast den Anstoss erregt haben soll, ist überhaupt nicht denkbar. Unsere Reformschrift greift ja auch die ,,Lehre" an, der die Verwirrung in der Rechtsprechung zugeschrieben wird. Auch der damalige Publizist Hartmuth von Cronberg,

steht dasselbe verletzte Standesinteresse, wie wir es in den Beschwerden kennen gelernt haben. Es ist dasselbe Standesbewusstsein, das des Reichsritters, das dort zur Beschwerde, hier zur Selbsthilfe aufgestachelt wird; denn es sieht sich verdrängt aus seiner alten Stellung eines geborenen Richters und Anwalts, aus der erst kürzlich erworbenen Berechtigung zum Dienst bei den Fürsten 65), und dazu bedrückt von den an seine Stelle getretenen Faktoren, den römisch gebildeten Richtern und Räten, den Vertretern einer von den Angesessenen des Territoriums als Unrecht und Willkür empfundenen staatlichen Zentralisation 66). In beiden Schriftstücken ist es der Reichsritter, der sich als der „einfeltige" gegenüber dem juristischen Berufsrichter zurückgesetzt fühlt, sich aber seiner alten Selbständigkeit zu erinnern beginnt. Der Reichsritter sah sich damals mit seinen Untertanen geradezu enterbt. Die häufige Wendung, wie „der arme edelmann", die armen vom adel" 67), der „einfeltige arme vom adel 68) lässt keinen Zweifel darüber. Er tritt deshalb als „handhaber des Rechten" und zwar unter dem Schlagwort ,,des göttlichen Rechts" und insbesondere als „liebhaber des gemeinen nutz" gegen den „geitz und eigennutz" der Fürsten und ihrer juristischen Räte zu seinem eigenen Schutz und als Wortführer des „gemeinen

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der uns unten noch näher beschäftigen wird, geisselt gerade die ,,unusgrüntlichen Juristen biecher" und die ,,unendlich Juristerey, in welcher keyn endschaft zufinden ist", (Kück, Die Schriften Hartmuths von Cronberg, S. 28) und trifft damit das von Below hervorgehobene Charakteristikum des römischen Prozesses, den schleppenden Gang. Auch der ,,oberrheinische Revolutionär" nennt um 1510 ebenfalls direkt das römische Recht, das den altdeutschen Rechtsstaat durchbrochen habe. Vgl. H. Haupt, a. a. O. S. 136. Auch dieser Adlige kritisiert die Advokaten als „,fürsprecher und federleser" und nennt die Hofgerichte mit ihrer römischen Rechtsprechung: „Kolbengerichte". Ebenda. von Below hat in seiner Arbeit über die Ursachen der Rezeption des römischen Rechts bei der Beurteilung der Volksstimmung gegen das römische Recht diese Schrift nicht berücksichtigt.

65),,Der gutsbesitzende Ritterstand, welcher früher als der eigentliche Träger der alten volksgerichtlichen Einrichtungen erscheint, schied seit dem 14. Jahrh. aus den Centgerichten aus und erwarb einen privilegierten Gerichtsstand am Hofe des Landesherrn". Vgl. Sohm, Die deutsche Rechtsentwicklung und die Kodifikationsfrage. S. 252.

66) Auch in Städten herrschte damals eine gleiche Erregung. So verlangten die Aufständischen 1488 in Braunschweig, 1513 in Worms, 1525 in Nördlingen die Entfernung der römischen Juristen aus Rat und Gericht. Vgl. Kaser, Politische und soziale Bewegungen im Bürgertum (1899) S. 260. 67) Unter anderen Beschwerde 42 und 43 und 50.

68) 47 und 55. In 13 wird sogar von ihrer,,grossen armut gesprochen.

mannes" 69) auf. So verstehen wir jetzt, warum der Verfasser fast jede seiner Forderungen mit dem Hinweis auf den gemeinen maun" refrainartig schliesst 70). Der Verfasser gehört dem Kreise der westdeutschen Reichsritterschaft an 71), die sich im Jahre 1522 aufs höchste von den Fürsten bedrückt fühlt, ja unterdrückt zu werden glaubt 72). Ihre Erregung gibt sich vor allem in der raschen Aufeinanderfolge von Rittertagen kund 73), die gerade in dem Jahre 1522 in Franken einberufen wurden und die schliesslich als Frucht die wiederholt angeführten 74 Beschwerden hervorbrachten. Es befindet sich die Ritterschaft in einer hochgradigen Spannung, die leicht zur Selbsthilfe führen konnte. Die Fürsten sahen sich daher genötigt, den Reichsrittern gegenüber den Vorwurf der Unterdrückung zurückzuweisen 74). Auch unser Verfasser spricht in sehr gereiztem Tone von den Fürsten 75). Schon bei seiner Forderung, dass der arme sovil zugang im rechten als der reiche babe", fügt er drohend hinzu „und ob er schon ein fürst wäre 76)." Besonders den Fürsten wird der „eigennutz“ zugeschrieben: Wann die Fürsten in diesen sachen iren eigen nutz nit suchen sollen 77)." Zu einer heftigen Anklage erhebt sich aber der Verfasser im VIII. Hauptartikel, 1. Erklärung: Fürwahr ihr fürsten, ihr stellet fast nach unrechtem gut, wollt den armen sein schweiss und blut wider recht aussaugen, es ist warlich genug, ihr seindt gewarnt." Das ist aber nicht mehr der Ton einer Beschwerde, das ist Drohung mit Selbstbilfe. Auch aus anderen Gründen ist unsere Reformschrift nicht mit den Beschwerden der Reichsritterschaft vom Jahre 1522 auf dieselbe Stufe zu stellen, so sehr sie im Geiste und aus der Lage dieses Standes

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69) Schon bei den Beschwerden werden neben den armen Adligen gern auch andere armen" erwähnt. Vgl. z. B. Beschwerde 55.

70) I, II, VII, I, 2, 3. III, 3. IV, 4. V, 1. VIII, 1, 4, und besonders XII, 3: dann alle ordnung des reichs darauff stat, dass der gemein nutz und der arm mann sein fürgang haben.

71) Beide Dokumente haben noch andere Berührungspunkte, die aber

in einem anderen Zusammenhange zu zeigen sind.

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7) Nach der Ansicht Packs hat Franciscus in gemein adel geblaut, als wer disser Reichstag (2. zu Nürnberg) angefangen, dass man den gemeinen adel wollt vertilgen". Reichstagsakten III. Bd. S. 857.

73) R. A. III. B. 689 f. und 693 Anm. 1.

74) R. A. III. B. No. 115.

75) Auch der adlige Verfasser, der oberrheinische Revolutionär zeigt dieselbe Abneigung gegen die Regierenden. Vgl. Haupt H., a. a. O. S. 102. 76) VII.

77) VIII., 2. u. a.

heraus in dem Jahre 1522 abgefasst ist. Sie trat vielmehr als ein unmittelbares Aktionsprogramm für eine alle Stände des ganzen Reiches erfassende Reform an die Öffentlichkeit. Während die Reichsritter in ihren Beschwerden den 2. Nürnberger Reichstag bitten, die von ihnen gerügten Beschwerden abzustellen 78), tritt unsere Reformschrift in dem eigenmächtigen Tone auf, dass die vorgeschlagenen Reformen vom Reich als „Reichsordnung fürgenommen und bestetigt werden." Aber wie der Verfasser ausdrücklich am Ende seiner Schrift sagt, wird seine Reform, die in Hauptartikeln mit Erklärungen von ihm angezeigt sei, erst nach einer Säkularisation des Kirchengutes ihren Anfang nehmen. Diese Bemerkung bildet geradezu den Schlüssel zu dem Verhältnis unserer Reformschrift zu den Beschwerden und zum Verständnis ihrer Entstehung überhaupt. Es befremdet nämlich, dass die Beschwerden der Reichsritterschaft vom Jahre 1522 so wenig Worte finden für Klagen über die geistlichen Fürsten, während doch auf demselben 2. Reichstag zu Nürnberg von allen Ständen der alte Sturm der 100 Gravamina wiederholt wird 79) und auch die Reichsritterschaft gerade in der Pfaffengasse" am Rhein sehr unzufrieden mit den geistlichen Übergriffen in Verwaltung und Justiz war.

Das kommt offenbar daher, weil Franz von Sickingen, der Hauptmann der fränkischen Ritterschaft bereits am Werke war gegen die weltliche Herrschaft der geistlichen Fürsten, als die fränkischen Reichsritter ihre Beschwerden namentlich gegen die Gerichtsbarkeit im Reich und den fürstlichen Territorien abfassten. Ganz anders unsere Reformation! Gerade den geistlichen Fürsten gegenüber steigt des Verfassers Groll aufs höchste; er verweist den Geweihten" überhaupt allein auf sein priesterliches Amt zurück, aber den Prälaten droht er mit ihrer Erschlagung und mit einer unmittelbar bevorstehenden Säkularisation ihrer Güter. Betrachten wir diese charakteristischen Anzeichen im einzelnen.

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Schon in den Reformvorschlägen über die Geistlichkeit, denen er den 1. Hauptartikel mit seinen 4 Erklärungen widmet, lässt der Verf. klar sein gespanntes Verhältnis dem geistlichen Stande gegenüber erkennen. „Alle Geweihten sollen im ganzen römischen reich teutscher nation. . . . allein gott zu lobe nach ziemlicher notturft erhalten werden" 80). Der Stand soll fürbashin nit weitergreifen, dann ime zu sein ampt, stand und officii geziemet" 81).

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