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rum dispositioni relinquatur, item latitudo dividatur in partes decem. ex his ternae partes dextra ac sinistra cellis minoribus sive ibi alae futurae sunt dentur, reliquae quattuor mediae acdi attribuantur. spatium quod erit ante cellas in pronao, ita columnis designetur ut angulares contra antas parietum extremorum e regione conlocentur, duae mediae e regione parietum, qui inter antas et mediam aedem fuerint,1) distribuantur et inter antas et columnas priores per medium isdem regionibus alterae disponantur.

Vitruv's Angaben sind bis auf einen Punkt einfach und auf den ersten Blick klar und verständlich. Die Grundform des Tempels soll ein Rechteck sein, dessen Länge sich zur Breite verhält wie 6:5, das also fast quadratisch ist. Dieser Raum soll so zwischen Zellen und Vorhalle verteilt werden, daß auf jeden Teil die Hälfte entfällt, und somit die Orientierungslinien des Tempels auf der Schwelle der Mittelzelle zusammentreffen. Die Breite soll so gegliedert werden, daß die Breite einer größeren Mittelzelle sich zu der Breite je einer der beiden kleineren Seitenzellen verhalte wie 4:3. Dem Zellenraum analog soll auch die Vorhalle durch Säulenreihen von je zwei Säulen gegliedert sein, die in der Richtung der Seiten- und Zwischenmauern verlaufen. Soweit ist alles einfach und bei unbefangener Beurteilung wohl unzweifelhaft. Aber die Worte sive ibi alae futurae sunt bieten mancherlei Schwierigkeiten und haben die verschiedensten Deutungen gefunden. Zunächst will ich hier aber feststellen, daß alae nur eine — freilich sehr alte - Conjectur ist. Sie stammt von dem Veroneser Architecten Fra Giocondo und ist aus dessen Ausgabe des Vitruv's in alle späteren übergegangen. Die Handschriften haben dafür aliae. Für die vermutete Lesart, an deren Richtigkeit bisher niemand gezweifelt, hat man im wesentlichen zwei verschiedene Deutungen 2) aufgestellt. Die erste, von den meisten (ich nenne Canina, Hirt, von Rode, Klenze, Martha, Petersen) vertretene Ansicht versteht unter alae seitliche Säulengänge, die längs der einen Hauptzelle nach außen hin offen verlaufen, indem sie den sonst den kleineren Zellen zukommenden Raum einnehmen.

1) Das ita der Handschriften ist nach O. Müller's Vorgange zu streichen. 2) Eine Zusammenstellung der verschiedenen älteren Auffassungen unserer Vitruvstelle findet man in der Prachtausgabe des Vitruv von Marini (Rom 1836) B. I S. 231 f. und B. IV Taf. LXI. Er selbst fasst ala als gleichbedeutend mit cella minor auf. Diese Ansicht scheitert schon an der Unmöglichkeit der Interpretation. Mit dem Satze sive ibi... futurae sunt kann nur auf etwas von den cellae minores wesentlich Verschiedenes hingewiesen werden.

Fig. 1.

Fig. 1. giebt die so entstehende Form des Tempelgrundrisses schematisch d. h. ohne Rücksicht auf die von Vitruv gegebenen Verhältniszahlen der Abmessungen der Zellen wieder.

Fig. 2

Fig. 2.

stellt ebenso den Tempelgrundriß mit alae nach der Auffassung Nissen's dar. Nissen will nämlich unter alae durch Säulenreihen von dem Mittelraume abgetrennte Seitenschiffe verstehen. Er zieht diese Stelle Vitruv's zur Erklärung des Grundrisses des Juppitertempels von Pompeji heran'). „Der Tempel", so führt er aus, ist tuscanischer Ordnung, Vitruv, IV. 7. 1. schreibt vor: ... (folgt unsere Stelle bis dispositioni relinquatur); dies trifft wie S. 90 bemerkt zu. Er fährt fort: item.... aedi attribuantur. Nun wüßte ich nicht, wie man Seitenschiffe zwischen der inneren Säulenstellung und der Wand anders denn als alae bezeichnen sollte, die nach Vitruv's Worten bei dem tuscanischen Tempel, der nicht in drei durch Mauern geschiedene Zellen zerfällt, regelmäßig vorkommen. Daß das Verhältnis hier 1:6 und nicht 3:4 ist, ändert an der

1) Pompej. Studien S. 325 f.

Sache nichts, denn Breite und Länge des Ganzen ist nicht nach Vitruv's Vorschrift 5:6 sondern 5:12.

Die Annahme, daß die alae seitliche nach außen offene Säulenhallen seien, wie sie die erste Erklärung voraussetzt, läßt sich mit dem Sprachgebrauche Vitruv's nicht vereinigen. Vitruv gebraucht das Wort alae sonst nur bei der Erörterung der Anlage des römischen Privathauses 1) und bezeichnet hier mit diesem Ausdrucke ganz bestimmte, sich an das hintere Ende des Atriums anschließende Seitenhallen. Das charakteristische Merkmal dieser alae scheint mir der Umstand zu sein, daß sie, nach außen und den übrigen Räumen des Hauses in der Regel abgeschlossen, resp. nur durch Thüren verbunden, mit dem Hauptraume des Hauses, wie er durch Atrium und Tablinum gebildet wird, direct und in voller Breite communicieren. Aus der Art und Weise, wie Vitruv an der angegebenen Stelle das Wort ala als eine in diesem Zusammenhang ohne Weiteres deutliche Bezeichnung anwendet, scheint mir hervorzugehen, daß dasselbe ein auch im gewöhnlichen Verkehr für diese Räume üblicher und nicht etwa blos ein bautechnischer Ausdruck gewesen ist. Dasselbe geht auch aus der Natur des Wortes selbst hervor. atrium alae und tablinum bilden nämlich in ihrer gewöhnlichen Form und Anordnung folgende Figur (3), die, wie man sieht einem flie

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genden Vogel mit ausgebreiteten Fittigen vergleichbar ist und an der eben jene alae die Flügel bilden. Solche einfachen bildlichen Gleichnisse pflegt das Volk zu prägen, nicht der Gelehrte. Wenn das aber der Fall ist, wenn also unter alae ohne weiteres nur jene Teile des römischen Hauses oder aber gegebenen Falles gleichgebildete Teile anderer Bauwerke und wir werden solche

1) Vitruv, VI, 3. 4.

Beispiele kennen lernen verstanden werden konnten, so ist es klar, daß dann in unserer Vitruvstelle alae auf keinen Fall solche seitlichen Säulenhallen bezeichnen können, die weder mit dem Hauptraum direct communicieren, noch sonst durch ihre Form und ihre Lage zu den anderen Teilen des Baues die Wahl dieses Ausdrucks rechtfertigen könnten. Dazu kommt noch, daß Vitruv sonst solche den Tempel umgebenden, nach außen offenen Säulengänge immer mit dem griechischen Ausdrucke pteroma ') bezeichnet, und man doch nicht den geringsten Grund dafür aufzeigen kann, weshalb er gerade an dieser Stelle allein von seiner Gewohnheit abgewichen sein sollte, um für einen üblichen griechischen terminus technicus einen römischen Ausdruck einzusetzen, der für seine römischen Leser mindestens leicht zu Mißverständnissen Veranlassung geben konnte. Zum wenigsten dürfte man in diesem Falle erwarten, daß er auf das Ungenaue seines Ausdrucks aufmerksam machte, wie er sonst wohl auch mit sive... vocantur oder ähnlichen Wendungen zu thun pflegt 2). Uebrigens gehen die griechischen Ausdrücke лτɛQóv und лτéqua auf ganz andere Anschauungen zurück, als der lateinische Ausdruck ala. Der Grieche nennt die Sünlengänge seiner Tempel πτερά oder πτερώματα, weil die Säulen oder Säulenpaare längs der Wände hin neben einander geordnet sind wie wie die Schwungfedern eines Flügels. Hier sowohl als in dem ähnlichen Gebrauch des Wortes Teоóv für die Mauerzinne liegt das tertium comparationis in der gleichmäßigen Nebeneinanderordnung der Säulen an der der Tempelwand und der Zinnen auf dem Mauerrande einerseits und der Federn an dem Flügelstumpfe andererseits. Wie man sieht, ist das Gleichnis ein ganz anderes als dasjenige, das zu der Uebertragung des Ausdrucks ala auf jene Hausteile Veranlassung gab. Hier ist es der Flügel in seinem Verhältnisse zum Körper des Vogels, dort der Flügel als eine Reihe von nebeneinander geordneten Federn. Uebrigens haben sich auch die Römer, wohl in An

1) Vitruv, III, 3,8. IV, 4, 1. IV, 8, 6.
2) Vitruv, IV, 6,4.
X, 10, 5.
X, 9,3.
X, 10,4.

IX, 4, 1.
X, 14, 1.

=

X, 9, 6.
Vgl. auch I, 6, 12,

ancones sive parotides vocantur.
chelonium sive pulvinus dicitur.
theca sive id loculamentum est
chelae, sive manucla dicitur.
II, 6, 2, VII, 6, 1, X, 15, 3.
septentrio, quem Graeci nominant αρκτον sive ελικην,
arbusculae, quae graece aμažoлodes dicuntur. Zahl-
reiche Beispiele dieser Art finden sich namentlich
im X. Buche.

lehnung an griechischen Sprachgebrauch, dieses selben Gleichnisses bedient. pinna und nach C. I. L. IV p. 189 auch pluma heißt die Mauerzinne). Bei Vitruv bezeichnet pinnue auch die Schaufeln. des Wasserrades und die Tasten der Wasserorgel 2). Wenn Vitruv also den griechischen Ausdruck τέo∞μα auch hier hätte übersetzen wollen, so hätte er ihn nur mit pinnae wiedergeben können, da das Wort ala schon deshalb nicht paßt, weil es in gar keiner Beziehung zu dem wiederzugebenden Gleichnisse steht, denn ala *agla von agere ist der Flügel als Fortbewegungsinstrument, die zum Fliegen ausgebreitete Schwinge des Vogels. Aus diesen Ueberlegungen geht meines Erachtens zur Genüge hervor, daß die Auslegung des Wortes alae an dieser Stelle als seitlicher Säulenhallen falsch sein muß. In dieser meiner Ansicht kann mich auch Petersen's Wendung 3) „die nicht miszuverstehenden alae Vitruv's", nicht wankend machen.

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Aber auch Nissen trifft mit seiner Auslegung nicht das Richtige. Erstens haben auch seine Seitenhallen, die dem Hauptraum entlang liegen sollen und zwar in der gesammten Längenausdehnung, in ihrer Form und ihrer Lagenordnung zum Hauptraum Nichts, was dazu Veranlassung geben könnte, den festgeprägten Ausdruck alae auf sie zu übertragen, ausserdem aber müßten wir in diesem Fall Vitruv eine arge Unklarheit der Darstellung zutrauen, da er ja im Folgenden auf die mit ungewöhnlichem Ausdruck bezeichneten alae garnicht weiter eingeht. Mindestens müßte man doch wohl einige Angaben über die Säulenstellung im Innern erwarten.

Die Schwierigkeiten sind wohl nur auf folgende Weise zu beseitigen. Da das handschriftliche sive ibi aliae futurae sunt eine vernünftige Erklärung nicht zuläßt, so ist es offenbar, daß eine Wortverderbnis vorliegt, es ist nur die Frage, wo dieselbe zu suchen und wie sie zu beseitigen ist. Das Einfachste und Natürlichste erscheint auch mir, sie zunächst in aliae zu suchen und dann ergiebt sich von selbst jene Aenderung in alae, da ein Hauptwort, das einen Raum bezeichnet, erwartet werden muß. Nur darf man an den alten Erklärungen nicht festhalten wollen. Daß man auch Tempelräume mit alae bezeichnete, läßt sich nämlich inschriftlich nachweisen. Die Inschrift 4) C. Taesasius T. f. P. Appaedius P. f. Aquila cur. fani porticum alam d (e) pag (i) s. f. c.

1) Vgl. Nissen, Pomp. Stud. S. 511. Vitruv, X, 15. 1.

2) Vitruv, X, 5. 1. X, 8. 4.

3) Petersen, Funde Röm. Mitth. XI 162.

64) C. I. L. IX 3523 = Inscr. regn. Neap. 6024.

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