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festgehalten, da eben die große Intercolumnienweite eine Architravconstruction aus Stein nicht zuläßt 1). Die Römer (Italiker) dagegen geben, indem sie die beiden ersten Regeln festhalten, diese letztere preis, um die Steinarchitectur von den Griechen übernehmen zu können. Deutlich zeigt sich aber auch hier noch der Einfluß jenes Gesetzes darin, daß auch sie Säulen nur an dem Außenrande der Vorhalle setzen, niemals aber in die Halle selbst. Ausnahmen, wie die Vorhalle des Pantheon, ahmen die Anlage des dreizelligen Tempels auch in der Gliederung der Mauer zwischen Vorhalle und Zelle durch Anten und Nischen nach. Als einen sicheren Termin post quem für das Aufgeben dieser Regel zu gunsten der griechischen Steinarchitectur dürfen wir wohl die Erbauung des Cerestempels am Circus maximus, 493 v. Chr., ansetzen, da derselbe in seiner Anlage als tuscanischer Tempel durch das Zeugnis Vitruv's 2), der ihn mit dem capitolinischen Juppitertempel zusammen als Beispiel tuscanischer Bauart anführt, gesichert ist. Die scheinbar widerstreitende Notiz des Plinius 3) ante hanc aedem tuscanica omnia fuisse in aedibus auctor est Varro ist wohl nur auf die von den griechischen Künstlern Damophilos und Gorgasos ausgeführte künstlerische Ausschmückung des Tempels zu beziehen. Auch bei dem Tempel vom Palatin, den wir oben zu erwähnen Gelegenheit hatten, läßt sich aus der strengen Beobachtung der ersten beiden von uns constatierten Grundregeln und aus dem Fehlen von Steinarchitraven auf weite Säulenstellung und Holzarchitectur der Gesims- und Giebelconstruction schließen"). Freilich ist zu bemerken, daß für die streng-etruskische Norm, nach der derselbe nur 2 Säulen in der Front haben dürfte, die freie Spannweite von circa 15 m doch wohl zu groß ist. Immerhin werden wir auch in diesem Tempel eine alte Mischform griechischer und etruskisch-italischer Tempelbaukunst vor uns haben. Ich habe schon vorhin erwähnt, daß wir jetzt einen Tempel 5)

1) Vitruv, III, 2. 4.

2) Vitruv, III, 3. 5.

3) Plinius, XXXV, 154.

4) Eine überraschende Bestätigung dieser übrigens auch von Hülsen schon geäußerten Ansicht scheinen die neuesten Funde vom Palatin zu geben, von denen Barnabei im Juliheft der Not. degli scavi 1896 berichtet, indem nämlich in unmittelbarer Nähe des Tempels Terracottenbekleidungen und Antefixe gefunden werden.

5) Von den kürzlich in Conca entdeckten Tempeln könnte für unsere Frage nur der älteste in Betracht kommen, und auch dieser nur dann, wenn meine aus den Fundnachrichten gewonnene Ansicht, daß derselbe kein Peripteros war, sich als richtig erweisen sollte. Da aber diese Ansicht nur im Zusammenhang mit

kennen, der durch andere Indicien als ein Tempel tuscanischer Ordnung gesichert ist, und der unsern obigen Regeln genau zu entsprechen scheint. Es ist dies der 1882 von Bassel in Alatri aufgedeckte Tempel, welcher nachher von Winnefeld und Cozza vollständig ausgegraben wurde. Veröffentlicht haben darüber Bassel einen Bericht mit Reconstructionsversuch, der aber wegen des allzu geringen Umfangs seiner Ausgrabungen, die zu vervollständigen ihm nicht gestattet wurde, mislingen mußte1); ferner Winnefeld die Hauptresultate seiner Ausgrabung zugleich mit der Publication anderer Altertümer von Alatri); und endlich Conte Cozza 3) den Anfang einer Untersuchung, die sich hauptsächlich mit der Terracottenbekleidung des Tempels beschäftigen soll, aus deren erschienenem Teile man aber wenig Neues erfährt. Daß der Tempel ein tuscanischer ist, beweist abgesehen von der Orientierung desselben, die Form der Säulen, die mit der Vitruv'schen Characterisierung der Säulen des tuscanischen Tempels übereinstimmen, und die Terracottenbekleidungen der Holzteile. Giebt sich aber somit der Tempel in allen seinen Constructionselementen als ein etruskischer (tuscanischer) Tempel zu erkennen, so dürfen wir auch in seiner Anlage, in seinem Grundriß, ein rein etruskisches Schema vermuten. Wir brauchen uns garnicht etwa daran zu stoßen, daß der Tempel von Alatri vielleicht jünger ist als selbst der zweite Tempel von Conca 1). Aletrium war ein abseits des großen Verkehrs liegendes Bergstädtchen. In solchen abgelegenen Winkeln hält man zäher an alter Sitte und Gewohnheit fest. Die Anlage des Tempels scheint genau mit dem oben entwickelten Schema übereinzustimmen, das auch hier, wie ich glaube, in gleicher Weise, wie bei dem alten Tempel vom Palatin, nur durch einen Gang hinter der Zelle modificiert wird. Die Breite des Tempels wird von Winnefeld auf 7,975 m angegeben. Dieser Breite müßte

einer eingehenden Erörterung aller Fundumstände begründet werden kann, und eine solche hier den Fortgang der Untersuchung über Gebühr unterbrechen würde, so habe ich meine Auffassung der Funde von Conca, die in manchen Stücken von der in den officiellen Fundberichten von Cozza, Barnabei und Mengarelli vertretenen, sowie auch von der Petersen'schen Auffassung wesentlich abweicht, in einem Excurse im Zusammenhang auseinander gesetzt. Vgl. S. 169 ff.

1) Centralblatt d. Bauverwalt. 1886 S. 197 ff. 207 ff.

2) Röm. Mitth. 1889 S. 126 ff.

3) Röm. Mitth. 1891 S. 290 ff.
4) Vergl. Excurs S. 171.

dann also eine Länge von 15,95 m entsprechen. Thatsächlich ist aber die Mauer der Ostseite gerade bis zu dieser Ausdehnung erhalten1). Daß die Säulen in irgend einem rationalen Verhältnisse zu den Abmessungen des Grundrisses gestanden haben, ist nach der Praxis der antiken Baukunst wohl selbstverständlich, und so sucht auch Cozza eine solche Beziehung nachzuweisen. Ich kann aber seiner Berechnung nicht zustimmen, weil er dabei von falscher Voraussetzung ausgeht. Die Säulen unseres Tempels sind doch nicht griechische, sondern tuscanische, und für diese giebt uns Vitruv) die Proportionsregel so an, daß ihre Schafthöhen gleich der siebenfachen unteren Schaftbreite sein sollen. Da aber der untere Schaftdurchmesser, wie die aufgefundene Säulenbasis erkennen läßt, 0,76 m mißt, so ist demnach die Schafthöhe mit 5,32 m anzusetzen. Dieses Maaß steht nun aber zu der doppelten Breite resp. zu der Länge des Tempels, wie ich ihn reconstruieren möchte, in dem auch von Vitruv vorgeschriebenen Verhältnisse von 1:3. Daß hier die Länge statt der Breite als das Bestimmende erscheint, kann wohl nicht Wunder nehmen, da wir ja keinen Vitru v' schen Dreizellentempel sondern nur einen einzelligen vor uns haben.

Ich reconstruiere also für den Alatriner Tempel einen Grundriß, der, abgesehen von dem Modulus, genau dem Grundrisse des oben erwähnten palatinischen Tempels entsprechen würde, indem ich hinter der durch die geringen Reste bezeichneten Rückwand der Zelle in kurzem Abstande noch eine zweite Mauer annehme, deren Außenkante von der Vorderkante der Vorhalle einen Abstand von 15,95 m hat, und die mit jener Rückwand den bekannten Gang bildet 3).

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3) Was dieser Gang eigentlich für eine Bedeutung hat, läßt sich vor der

Ich finde diese Ergänzung auch deshalb weit angemessener als die Cozza' sche, die sich hauptsächlich auf eine in einer benachbarten Hütte aufgefundene, den an Ort und Stelle gefundenen Säulenbasen nicht einmal gleiche sondern nur ähnliche Basis gründet, weil ein Amphiprostylos durchaus unitalisch ist. Diese Form ist als italische nur möglich, wenn, wie beim Tempel der Venus und Roma, zwei Tempel mit der Rückseite aneinanderstoßen, und davon kann doch wohl hier keine Rede sein. Wäre der Tempel aber auch nicht in allen übrigen Elementen durchaus italisch-etruskisch, so würde ich eine solche Art von Amphiprostylos für unmöglich halten, da den Hallen gegenüber der Hauptraum, die Zelle, viel zu sehr zurücktritt. Ein solches Verhältnis von einfachen ornamentalen Gliedern, wie die Vorhallen eines griechischen Amphiprostylos sind, zu dem Hauptraume, das in unserm Falle auf 2:1 sich stellen würde, ist einem Baumeister, der nach griechischem Muster arbeitet, kaum zuzutrauen, und ein einfacher italischer oder etruskischer Amphiprostylos ist bei der in der Angurallehre wurzelnden Zweiteilung überhaupt unmöglich. Diese Zweiteilung erstreckt sich auch noch auf andere Gebiete. So zerfällt das Haus in zwei Teile, einen für den intimen Privatverkehr und einen dem größeren Verkehrskreise geöffneten, so zu sagen officiellen Teil. Hierher zu ziehen ist wohl auch die doppelquadratische Form der Landmessungseinheit. Ja, wir haben vielleicht gerade hier den Ursprung dieses Dualismus zu suchen, insofern nämlich der Gedanke nahe liegt, diese Art der Landaufteilung an den alten Wechsel zwischen Bebauung und Ruhe des Landes anzuknüpfen. Daß aber ruhendes Land als den Göttern heilig galt, ist eine im Altertum weit verbreitete und auch ganz natürliche Auffassung. So erklärt sich dann vielleicht auch das templum tescumque der capitolinischen Inaugurationsformel einfach als ursprüngliches Pflugland und Brachland."

Ich gehe nunmehr zu den Tempeln höherer Ordnung über. Der einzellige Tempel ist gemäß der dritten Regel, nach welcher die Säulen nur in der Richtung der Zellenmauern stehen dürfen, in seiner Breite und damit natürlich, wie wir gesehen haben, in

Hand nicht entscheiden. Herr Regierungs- und Baurat Bassel, dem ich auch sonst manchen Wink und Ratschlag in technischen Fragen für meine Arbeit verdanke, meint, daß derselbe kaum eine andere als eine praktische Bedeutung gehabt habe, nämlich, die den Zugang zu dem Bodenraume zu ermöglichen. Beim Dreizellentempel jedoch scheint derselbe auch noch als Ausgleichungsmittel bei geforderten Größenverhältnissen der Zellengrundflächen gedient zu haben. Vergl. die späteren Ausführungen über den Tempel von Florenz.)

allen seinen Dimensionen durch ein gewisses Maximalmaß einer freitragenden Holzarchitravconstruction beschränkt. Wie groß eine solche überhaupt sein konnte, das mögen Fachleute berechnen; daß man sie überhaupt für einzellige Tempel jemals viel über das Maaß des Alatriner Tempels ausgedehnt hat, bezweifele ich, ebenso wie ich auch nicht glaube, daß man jemals nahe an jene Maximalgrenze herangekommen sein wird. Denn einerseits scheint der einzellige Tempel weniger hervortretenden Gottheiten gewidmet gewesen zu sein, deren Cult und Verehrung einer kleinen Genossenschaft oder Cultgemeinschaft oblag, und andererseits konnte man sich, wie wir sehen werden, in anderer Weise helfen, wenn das Gotteshaus in größeren Dimensionen erbaut werden mußte.

Zunächst handelt es sich bei der Vergrößerung eines Tempels um die Vergrößerung der Vorhalle, die bei den Cultfeierlichkeiten die Menge der Gläubigen aufzunehmen hatte, und erst diese zieht nach dem ersten Gesetz auch eine entsprechende Vergrößerung der Zelle nach sich. Die einfachste Art, dieses zu erreichen, war natürlich eine Verlängerung beider Räume unter Aufgabe der doppelquadratischen Form, und das mag auch wohl in Etrurien hin und wieder stattgefunden haben, wie es ja auch in dem übrigen Italien thatsächlich der Fall gewesen ist. Immerhin war man aber auch in dieser Richtung ziemlich eng beschränkt, da man durch diese Verlängerung leicht eine unschöne, allzu gestreckte Form erzielte. Somit liegt die Annahme nahe, daß man in solchem Falle die entwickeltere und zu größeren Abmessungen befähigte Form des dreizelligen Tempels imitierte, indem man die kleineren Zellen durch Säulenhallen ersetzte. Man muß sich aber darüber klar sein, daß diese Annahme sich nicht auf Vitruv stützen kann denn dort ist von solcher Art von Tempeln, wie wir gesehen haben, keine Rede - sondern einzig und allein darauf beruht, daß wir bei den Römern diese Form in entsprechender Modificierung wiederfinden. So hat, um ein Beispiel anzuführen, der bekannte Tempel von Vienna solche drei Seiten umfassende Säulenhallen, während die Rückseite durch eine durchgehende Mauer abgeschlossen ist. Ebenso könnte man versucht sein, den in der oben angezogenen Inschrift 1) erwähnten Tempel unter den hier geltend gemachten Gesichtspunkten zu betrachten, derart daß die in der Inschrift aufgeführten Bauarbeiten eine Erweiterung des für seine Zwecke zu klein gewordenen Heiligtumes bedeuteten.

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1) C. I. L. IX 3523 = Inscr. regn. Neap. 6024.

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