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Zur Geschichte der deutschen Reichsinsignien.

Von

F. Frensdorff.

Vorgelegt in der Sitzung vom 18. Juli 1896.

Die deutschen Reichsinsignien und ihre Geschichte, ein zur Zeit des alten Reichs von Juristen und Historikern oft behandelter Gegenstand), sind in neuerer Zeit selten mehr der Aufmerksamkeit gewürdigt worden. Aschbach hat in seiner Geschichte Kaiser Sigmunds den Reichskleinodien einen kurzen Excurs gewidmet 2), weil ihre spätern Schicksale durch eine Verfügung dieses Herrschers endgültig bestimmt worden sind. Rücksichten der Kunstgeschichte haben das Prachtwerk von Franz Bock, die Kleinodien des heil. röm. Reichs (Wien 1864) hervorgerufen. Im Zusammenhange der deutschen Verfassungsgeschichte hat Waitz zusammengestellt und erörtert, was die historischen Quellen an Zeugnissen bis zur Mitte des zwölften Jahrhunderts bieten 3). Die Wiederaufrichtung des Reichs ist für Arthur Winckler der Anlaß geworden, in einer für weitere Kreise bestimmten Darstellung, die deutschen Reichskleinodien zu behandeln 1). Im Folgenden soll aus der Geschichte der Reichsinsignien nur ein Abschnitt, der letzte, und zwar auf Grund von Quellen erörtert werden, die, seit zwanzig Jahren allgemein zugänglich, doch für diesen Zweck noch nicht benutzt worden sind. Es sind das die

1) Pütter, Litteratur des teutschen Staatsrechts III (1783) S. 109ff., IV (1791) S. 153ff.

2) Bd. IV (1845) S. 473.

3) Bd. III 249ff., VI 133, 223ff. (VIa 177ff., 285ff.).

4) Sammlung gemeinverständl. Vorträge, hg. v. Virchow u. v. Holtzendorff,

Serie VII Heft 154, Berlin 1872.

Chroniken der Stadt Nürnberg, in der Sammlung der Städtechroniken Bd. 1-3 (1863-64) und 10 und 11 (1872-74). Die Absicht der nachfolgenden Untersuchung geht dabei nicht blos auf eine Erläuterung des in den Nürnberger Chroniken enthaltenen Stoffes, sondern auch auf Beantwortung einiger rechtshistorischer Fragen allgemeinerer Art, zu denen er Anlaß giebt.

Nürnberg spielt in der spätern Geschichte der Reichsinsignien eine große Rolle. Nach langen Wanderungen kamen sie in dieser Stadt zur Ruhe und sind hier von 1424 bis 1796 aufbewahrt worden1). Ihre Einführung in Nürnberg, ein Ereigniß von Bedeutung nicht nur für die Stadt, sondern auch für das Reich, ist in dem Bericht eines Augenzeugen geschildert. Endres Tucher, nach seiner Wohnung am Milchmarkt zubenannt, beschreibt in seinem die Jahre 1421--1440 umfassenden Memorial), wie am 22. März) 1424 das „Heiligthum" in Nürnberg angekommen, mit feierlicher Procession am Frauenthor empfangen und nach dem Heiligengeistspital geleitet sei. Die Insignien kamen von dem Schlosse Blindenburg (Wissegrad) bei Ofen. Weihnachten zuvor waren sie bei dem Kirchgange auf der Feste zu Ofen verwendet worden, wo Eberhard Windeck sie dem Könige in die Kapelle nachtragen sah). Die Verhandlungen über ihre Verpflanzung ins Reich müssen schon damals im Gange gewesen sein 5).

I.

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Endres Tucher, der die Insignien bald nach ihrer Einführung gemeinschaftlich mit den übrigen Rathsmitgliedern sah, zählt in seinem Memorial (S. 12) die einzelnen Stücke auf, die amtlich insignia imperialia oder regalia, in Nürnberg am liebsten das wirdig heiligtum (heiltum)" oder schlechthin „das heiligtum" genannt wurden). Sie zerfallen in drei Gruppen: metallene Amtsabzeichen, Gewänder des Reichoberhaupts und Reliquien. Die spätern Beschreibungen stellen die beiden ersten Classen als Reichsornat den

1) Winckler S. 41.

2) Städtechron. 2 S. 1ff.

3) Ueber das bei Tucher wie bei Eberhard Windeck irrig angegebene Datum des 29. März: StChron. S. 12 A. 1 und Altmann in seiner Ausgabe des Windeck (Berlin 1892) S. 184.

4) Windeck S. 173 und 201. Altmann, Regesten K. Sigmunds 5701a.
5) S. unten unter II.

6) Ueber diese und andere Bezeichnungen s. die Anmerkung am Schlusse dieses Abschnitts.

Heiligthümern gegenüber 1). Nicht blos für die Gegenstände der letzten Kategorie wird ein hohes Alter in Anspruch genommen. Auch das Schwert, der Apfel, das Scepter, die Krone wie der Mantel, Rock, Gürtel und Schuhe sollen die Karls des Großen sein.

Insignien der königlichen Würde sind in den deutschen Geschichtsquellen von früh auf erwähnt. Aber ihre Zahl ist anfangs klein. Unter den merowingischen Königen ist nur weniges nachweisbar). In der karolingischen Zeit kommen Krone, Scepter, Schwert und Stab vor): Abzeichen, die, wie Krone und Scepter, schon den Römern bekannt waren und ihnen nachgebildet sind, oder, wie Schwert und Stab, dem deutschen Recht entstammen und den König als den Inhaber der Heergewalt und der Gerichtsgewalt bezeichnen). Mit der Zeit hat sich die Zahl der Insignien vermehrt. Es sind namentlich Reliquien hinzugetreten, die zuerst mit den eigentlichen Insignien verbunden werden, dann aber auch selbständig vorkommen und bei feierlichen Kirchgängen und öffentlichen Aufzügen dem Kaiser vor- oder nachgetragen werden oder umgeben. Das Hauptbeispiel jener Verbindung gewährt die heilige Lanze, in der ein Nagel vom Kreuze Christi befestigt war. Das älteste Abzeichen der Heergewalt merowingischer Könige, unter den Insignien der karolingischen Zeit seltener genannt, erlangt die Lanze vermöge ihres kostbaren Inhalts wie ihres hohen Alters besonderes Ansehen. Denn sie stammt der Angabe nach aus dem Besitze Kaiser Constantins und ist im Jahre 922 aus der Hand des Königs Rudolf von Hochburgund an König Heinrich I. gekommen). In der Aufzählung des Nürnberger Chronisten steht obenan: das sper und der nagel drin“.

Unter den kaiserlichen Gewändern ist der Mantel das am frühesten zu den Insignien gezählte Stück. Die spätern Kataloge, so auch der des Endres Tucher, fügen eine vollständige bis auf Schuhe und Hosen d. h. Strümpfe herabreichende Kleidung des Kaisers hinzu.

Nach unserer heutigen Anschauung ist die Krone das wich

1) Chr. G. v. Murr, Beschreibung der Reichskleinodien (Nürnberg 1790), Vorbericht.

2) Waitz, Vf.- Gesch. II 1 S. 174. Ueber den größern Reichthum an Insignien bei den Gothen, das. I 324 A. 3.

3) Waitz, III 249.

4) v. Amira in Pauls Grundriß der germ. Philol. II 2 S. 126. Brunner, deutsche Rechtsgesch. 2, 17.

5) Waitz, Jahrb. des deutschen Reichs unter Heinrich I. S. 69. Stälin, Wirtemberg. Gesch. I 430.

tigste, das eigentlich repräsentative Stück unter allen Insignien. Wo wir die Herrschergewalt oder den Herrscher in einem Lande meinen, sprechen wir von der Krone: ein weitverbreiteter und alter Sprachgebrauch. Wie nach dem französischen Rechtssprichwort: la couronne de France ne tombe pas en quenouille, so ist nach der Preußischen Verfassung Art. 53 die Krone erblich in dem Mannsstamme des königlichen Hauses, und ebenso wies die Verfassung des Norddeutschen Bundes (Art. 11) das Präsidium des Bundes der Krone Preußen“ zu. Und so nicht blos im amtlichen Styl und in der Sprache der Gesetze. Die Krone anbieten, annehmen, ausschlagen, niederlegen u. dgl. sind jedermann geläufige Redewendungen. Auch im Rechte des Mittelalters kam der Krone eine ausgezeichnete Stellung unter den Insignien zu; aber es wurden doch auch andere Insignien neben ihr repräsentativ für die Herrschaft verwendet, und der Sprachgebrauch hielt sich stärker an die concrete Erscheinung der Krone und steigerte noch ihre den Träger über alle emporhebende Bedeutung. Die deutsche Kaiserkrone, die übrigens ursprünglich nicht von der Königskrone unterschieden wurde 1), war durch einen milchweißen eirunden Opal ausgezeichnet, der, weil er angeblich nur einmal vorkam, der Waise genannt wurde. Bekannt sind die Verse Walthers von der Vogelweide, der die deutsche Krone nach diesem Stein bezeichnet *). Als im Jahre 1350 K. Karl IV. die Reichsinsignien von den Nachkommen Ludwigs des Baiern ausgeliefert erhielt, beschrieb die Uebergabeurkunde die „aurea corona cum arcu et cruce" als mit verschiedenen kostbaren Steinen geschmückt, unter denen „singulariter pretiosus est lapis intextus qui vocatur candidus“. Das Mißverständniß kehrt ebenso in der deutschen Gegenurkunde K. Karls IV. wieder ).

Die beiden eben angeführten Urkunden von 1350 enthalten ein ausführliches Verzeichniß der Reichsinsignien; eins von ihren zwei Schwertern, die goldne Krone, das Scepter, den Apfel, Rock, Mantel und Handschuhe bezeichnen sie als die Kaiser Karls. In der oben S. 44 erwähnten Liste des Endres Tucher ist die Zahl der Gegenstände noch gewachsen, für die eine solch ehrwürdige Herkunft angenommen wird. An diesem Glauben hat man lange festgehalten; erst in den letzten Zeiten des Reichs bescheidener nur noch die Krone und das Schwert auf Karl den Großen zurück

1) Waitz VI 291.

2) Nr. 81 II, Nr. 97 S. 182 und 200 (Pfeiffer).
3) Hist. diplom. Norimb. n. 133 und 134 S. 341ff.

geführt. Einzelne Zweifler haben schon im Mittelalter nicht gefehlt. Aeneas Sylvius Piccolomini, der spätere Papst Pius II., der die Insignien bei der Kaiserkrönung Friedrichs III. 1452 in Rom sah, fand die vestimenta Caroli mit denen K. Friedrichs verglichen sehr bäurisch und war verwundert, daß der Kaiser anstatt der eigenen neu angefertigten Kleinodien pallium ensem pomum coronamque Caroli magni, ut fama fuit, ex archivis Norimbergensibus ad se deferri curaverat". Da er auf dem angeblichen Schwerte Karls des Großen den böhmischen Löwen erblickte, galten ihm die Insignien als die Karls IV.): eine Bemerkung, die der Ritter Lang 1790 bei der Krönung K. Leopolds II. in Frankfurt noch einmal als seine eigene zu machen für nöthig hielt 2). Eine Kritik, die übersah, daß Karl IV. sehr wohl auf ein ihm überliefertes Waffenstück sein Wappen setzen konnte, mußte ihres Eindrucks verfehlen. Bedenklicher wurden die Anzweiflungen erst, als man auf die Inschriften des Krönungsmantels aufmerksam wurde und ihre Sprache untersuchte. Mochten die officiellen Krönungsdiarien sich bei der Beschreibung des Pluviale oder Mantelkleides damit begnügen, von „unförmlichen Löwen" und am Saum des Gewandes befindlichen unbekannten Characteres nach alter Manier gesticket" zu reden 3), in Nürnberg und auf der nürnbergischen Universität Altorf wußte man bereits, daß die Inschriften arabischen Ursprungs seien).

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Die genauere Untersuchung, der in neuerer Zeit, nachdem man auch Stoff und Arbeit historisch zu beurtheilen gelernt hat, alle Bestandtheile der Reichsinsignien unterzogen wurden, hat ergeben, daß der größte Theil der Gewänder, Waffen und Kleinode nicht älter als aus dem 12. Jahrhundert und sarracenische Arbeit ist 5). In einer der arabischen Inschriften des Krönungsmantels ist Wilhelm II., der letzte Normannenkönig († 1189), genannt und ein Datum angegeben, das unserm Jahre 1133 entspricht; ein anderes Gewandstück, die Alba, hat Inschriften mit dem Datum 11816).

1) Historia Friderici (SS. rer. Germ. c. praef. Schilteri 1702) S. 80. 2) Memoiren 1, 209. Zum Ueberfluß besagt schon die Urkunde Kaiser Sigmunds von 1424 (Murr, Journal 12 n. 17), das Kreuz, in dem Speer und Kreuzspahn geborgen, sei gezieret mit des Reichs und der Krone zu Böhmen Wappen. 3) Krönungsdiarium K. Franz I. (Frankf. 1746) S. 129.

4) Unten S. 85.

5) Die Scheide, in der das sg. Schwert des heil. Mauritius steckt, wird nach ihrer Arbeit in das 11. Jahrh. gesetzt. Eye und Falke, Kunst und Leben der Vorzeit I (1868) S. 12. Bock a. a. O. verweist das Schwert des heil. Mauritius wie das Karls d. Gr. in das 12. Jahrh.

6) Bock S. 29, 33.

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