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Schlusse desselben Kapitels fehlt zu den Satzteilen: Ille gladio percutiendo, iste verbo fidei sanando, wieder Objekt und Prädikat (vielleicht paganos superauit). Ob an Stelle des sonst nicht belegbaren transadiit nicht im ursprünglichen Texte der Ausdruck transabiit irgendwie passend gebraucht war? Besonders scheint auch bei Zerlegung der Biographie in eine Vita und Passio zwischen diesen beiden Teilen Erhebliches ausgefallen zu sein, während bei dem Messetraum am Schlusse der Vita (Kap. 9) vielleicht ein von anderer Stelle herübergenommener Einschub vorliegt und Vita und Passio wohl erst bei der Trennung (durch besondere Überschriften) in den Anfangsworten (Sanctus ac gloriosus) einander angeglichen sind, weil sie eben ursprünglich nur eine Schrift ausmachten.

Bezüglich der Zusammenschmelzung verschiedener Berichtsbestandteile in der Passio habe ich mich schon früher bei Besprechung des Halberstädter Breviers geäußert 38). Wie in beiden Textformen erst von dem dux Boslaus (Kap. 4) die Rede ist und dann auf einmal von einem rex (Kap. 5) gesprochen wird, der nur in Preußen gesucht werden darf, läßt sich gar nichts anderes schließen, als daß in der ersten Vorlage unserer Passio erst, ehe von der Mission in Preußen erzählt wurde, ausführlicher von Adalberts Besuch bei dem christlichen Herzoge Boleslaw von Polen gehandelt ist und erst dank der unklaren Vorstellung späterer Redaktoren dieser letztere Bericht mit dem über die Ereignisse in Preußen vermengt wurde. Mit anderen Worten: hinter dem ersten Satz von Kap. 4: His itaque peractis praeclara fama beati uiri Bonifacii peruenit ad aures Boslai ducis, ist jedenfalls eine größere Lücke anzunehmen. Vielleicht war eine äußere Verderbnis der handschriftlichen Vorlage an der sich jetzt darbietenden unverkennbaren Textverwirrung schuld. Man weiß ja, wie im Laufe der Jahrhunderte besonders infolge von andauerndem gottesdienstlichen Gebrauch mittelalterliche Handschriften oft in abgenutzten Zustand geraten sind. Vor dem letzten Redaktor unserer Doppelschrift können schon andere Korrektoren bei ihr oft an der Arbeit gewesen sein. Wenn an dem Schlusse der Passio bei Erzählung von der Auffindung von Bruns Haupt durch Fischer von einem,,gewissen Fürsten" als ihrem Herrn die Rede ist, mit welchem letztern doch wahrscheinlich, wie wir schon annehmen mußten, ursprünglich in der früheren Vorlage kein anderer als Boleslaw von Polen gemeint gewesen ist, so wird dieser Ausdruck,,gewisser Fürst" doch wohl nur deshalb von einem Korrektor oder Redaktor in den Text gebracht sein, weil ihm jede Klarheit über Boleslaw von Polen abhanden

38) V. I, S. 191 f.

gekommen war. Merkwürdig ist ja allerdings, daß, ebenso wie in unserer Doppelschrift der preußische König mit dem polnischen Herzoge zusammengeworfen wird, er in dem verwandten Bericht Damianis mit dem russischen Großfürsten Wladimir I. identifiziert ist. Aber die älteste Vorlage unserer Schrift hat doch wohl zweifellos hintereinander erst von Polen und dann von Preußen gehandelt. Und doch darf ich an diesem auffallendsten Punkte der Textverwirrung in der wiedergefundenen Passio, wo der berühmte polnische Herzog Boleslaw mit einem preußischen Stamm- oder Gaufürsten identifiziert wird, die Spätheit des Datums dieser Verwirrung nicht zu stark betonen. Wenigstens eine Unklarheit oder Undeutlichkeit der Vorlage muß in diesem Zusammenhange schon in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts obgewaltet haben; denn die Identifizierung des polnischen Herzogs Boleslaw mit dem Preußen findet sich ja auch in der wahrscheinlich von unserer Passio S. Brunonis, bzw. deren Vorlage abhängigen späteren Redaktion der römischen Adalbertsvita im Cod. Casin. 145, der selbst um 1080 geschrieben ist, während die in ihm enthaltene Redaktion schon nicht lange vor 1039 entstanden sein muß 89).

Der Cod. Cas. 145 setzt uns instand, noch über das Verhältnis des jetzt erst wieder entdeckten Schlusses unserer Passio zu dem vorhergehenden Text etwas Bestimmteres zu sagen. Wollte man nämlich umgekehrt unsere Passio S. Brunonis in ihrer vorliegenden Form für abhängig von dem Cod. Cas. 145, bzw. anderen Handschriften der in ihm enthaltenen Redaktion der römischen Adalbertsvita halten, so dürfte man diesen Schluß unserer Passio S. Brunonis, der von der wunderbaren Auffindung des Hauptes Bruns handelt, zu der ursprünglichen Vorlage unserer Passio ja überhaupt nicht rechnen, vielmehr wäre dieser Schluß, der sich besonders auffällig mit dem Text des Cod. Cas. 145 berührt, dann ja als späterer, der Adalbertslegende nachgebildeter Zusatz so gut wie erwiesen. Man könnte sich zugunsten solcher Beurteilung darauf berufen, daß das Halberstädter Brevier von 1515 diesen Schluß nicht bietet, auch in unserm wiedergefundenen Text das Datum des Martyriums Bruns schon vorher am Ende von Kap. 6 steht. Aber beides kann m. E. in keiner Weise als Ausschlag gebend angesehen werden. Man liebte schon in früher Zeit, der Erzählung vom Tode der Heiligen auch noch Mitteilungen über angeblich nach ihrem Tode an ihren Überresten erfolgte Wunder folgen zu lassen, da man in ihnen hauptsächlich den Erweis der Heiligkeit sah. Und um zu wiederholen, was schon oft von mir betont wurde, ein größerer Zusammenhang von Gründen spricht dafür, daß die 39) Vgl. oben Anm. 18.

späteren Adalbertslegenden von der Brunslegende beeinflußt sind und nicht umgekehrt diese von jenen. Indem wir deshalb doch nicht anders urteilen können, als daß bei der augenfälligen Übereinstimmung des Schlusses der römischen Adalbertsvita im Cod. Cas. 145 und unserer Passio S. Brunonis im Gegenstand und in gewissen Ausdrücken die Abhängigkeit auf seiten des ersteren liegt, ist auch gesichert, daß der jetzt wiederentdeckte Schluß unserer Passio schon vor dem Jahre 1039 zu ihr gehört hat. Höchstens könnte man annehmen, daß er, wie er vorliegt, nur der Rest einer größeren Anzahl erzählter Miracula sei, die der Vorlage unserer Passio ursprünglich angehängt waren, oder den Rest einer besonderen kleinen Schrift darstelle, betitelt Miracula S. Brunonis. Dann läge auch vor Kap. 7 unserer Passio eine Naht, und das Folgende wäre eben nur der Rest eines größeren Stückes. Aber ich glaube diese Auffassung nicht für notwendig halten zu müssen.

Wir können nunmehr zu dem Anfange des Fadens zurückkehren, der in dieser Untersuchung gesponnen ist.

Man kann eigentlich doch kaum umhin, anzunehmen, daß, wenn in Magdeburg, Halberstadt und Querfurt im 11., 12. und 13. Jahrhundert ein liber gestorum Brunonis (erwähnt in der „,Geschichte der Magdeburger Erzbischöfe“) und eine Passio Brunonis (erwähnt in der „,Gründungsgeschichte der Kollegiatkirche in Burg Querfurt") bekannt und in Gebrauch waren und dann in denselben Kreisen, in Halberstadt und Querfurt, später unsere Doppelschrift für die beste Geschichte von Brun gehalten wurde, ein Deszendenzverhältnis zwischen letzterer und ersteren bestanden hat. Gerade, was Querfurt angeht, ist es so gut wie ausgeschlossen, daß dort anderes als das in unserer Doppelschrift Enthaltene zu Ausgang des Mittelalters über Brun bekannt war oder als gute Auskunft über ihn galt, wie ja auch durch die schon erwähnten darnach hergestellten Bildertafeln der Grabkapelle an der Burgkirche bewiesen wird. Zu dieser Sachlage aber hätte es doch wohl schwer kommen können, wenn man in Querfurt nicht eben selbst in unserer Doppelschrift einen Abkömmling der am meisten benutzten früheren Schriften über Brun gesehen hätte. So würden wir also als die Hauptvorlagen unserer Doppelschrift rückwärts die Gesta Brunonis und die Passio Brunonis anzusehen haben, von denen die letztere wohl entweder mit den ersteren identisch war oder den zweiten Teil derselben ausgemacht hat. Die doppelte Bezeichnung Gesta Brunonis oder Passio Brunonis. wird durch unsere Doppelschrift bestens erklärt, da aus ihr eben als Doppelschrift geschlossen werden kann, daß ihre Hauptvorlage Vita und Passio noch nicht durch besondere Überschrift der letzteren auseinander

gehalten hat, was schon begreiflich machen konnte, daß auch die ganze ältere Schrift Passio genannt ist). Ist aber die Vorlage unserer Doppelschrift jene Passio gewesen, welche in der genannten „Gründungsgeschichte“ erwähnt wird, so wird nun damit geradezu gewiß, was wir schon als Vermutung aussprachen, daß in der Vorlage unserer Vita auch von der Gründung der Querfurter Burgkirche und des Priesterkollegs an ihr durch Brun die Rede gewesen ist, wofür sich ja auch ein sehr passender Platz dort zeigte, wo von Bruns Verzicht auf jedes Vermögen bei seinem letzten Besuch in Querfurt gesprochen wird (Kap. 6). Ein anderer Platz, der die Möglichkeit läßt, daß an ihm in der älteren Vorlage von der Querfurter Burgkirche gehandelt ist, bleibt in unserer Passio die Erwähnung des polnischen Herzogs Boleslaw, der Brun ja große Geschenke zur Verfügung gestellt hat und in der vorliegenden Form unserer Passio durch eine irgendwie herbeigeführte Textlücke um die auf ihn bezügliche nähere Berichterstattung gekommen ist. Von der Gründung der Querfurter Burgkirche und des Priesterkollegs an ihr ist nicht nur in der genannten Gründungsgeschichte, welche eben ausdrücklich auf eine frühere Passio zurückweist, die Rede, sondern, wie auch schon erwähnt ist, auch in der Halberstädter Bischofsgeschichte, welche letztere in anderen Punkten jedenfalls und nachweislich manches mit unserer Doppelschrift gemein hat.

Wir werden nunmehr auch über den Ort der Entstehung unserer Doppelschrift ein Urteil wagen dürfen. Sie ist wiedergefunden in einem Sammelbande, bezüglich dessen ich mich an anderem Orte des näheren dahin äußern werde, daß er höchstwahrscheinlich von dem Priesterkolleg, d. h. Mitgliedern des Chorherrenstifts an der Querfurter Burgkirche, begonnen ist, um die wichtigsten Nachrichten zur Geschichte von Burg und Stift sowie Abschriften der unentbehrlichsten Urkunden in einem Bande zusammenzuhaben. Jedenfalls hat ja eine solche Sammlung an der Querfurter Burgkirche, die eines Ersatzes bedurft haben wird, früher im 13. Jahrhundert bestanden. Die wiederholt genannte,,Gründungsgeschichte" hat in dieser früheren Sammlung gestanden und das gleiche ist nachweisbar von der Urkunde des Halberstädter Bischofs Gardolf von 1198, mit der er den Besitz und die Rechte der Stiftskirche auf der Querfurter Burg bestätigte 1). In voller Übereinstimmung aber mit diesem in früherer Zeit erkennbaren Tatbestande, wie ich ihn schon 1907 herausstellte, wird die Sammlung der Memora

40) Brun von Querfurt hat beide von ihm verfaßten, über das ganze Leben sich erstreckenden Heiligenviten Passio genannt.

41) V. I, S. 189 f.

bilia Qverfurtensia, in der unsere Doppelschrift an dritter Stelle steht, eröffnet mit einem deutsch geschriebenen Bericht, betitelt,,Die Geburth der Herschafft von Quernffurdt“, in dem nichts anderes zu erkennen ist, als eine fehlerhafte spätere deutsche Übersetzung der soeben genannten aus dem 13. Jahrhundert stammenden ,,Gründungsgeschichte". Eine mangelhafte Übersetzung des Schlusses der Gardolfschen Urkunde ist ihr angehängt, und dann geht der Abschrift unserer Doppelschrift nur noch eine deutsche Übersetzung der von dem Halberstädter Bischof Rudolf im Jahre 1147 (richtiger 1146) ausgestellten Stiftungsurkunde des Klosters Eilwersdorf voraus, welches als zweite Familienstiftung des Querfurter Herrenhauses zu dem Chorherrenstift auf der Burg im 12. Jahrhundert hinzukam. Man wird bei solcher weitgehenden Übereinstimmung der beiden Sammlungen gar nicht anders urteilen können, als daß es sich in beiden Fällen um eine Art Lagerbuch des Chorherrenstiftes gehandelt hat, die frühere Sammlung durch die spätere ersetzt werden sollte und deshalb alles dafür spricht, daß, wie in der Sammlung der Memorabilia Qverfurtensia sich unsere zweiteilige Brunsbiographie gefunden hat, so in dem früheren Buche neben der,,Gründungsgeschichte" auch eine Abschrift der Vorlage unserer Doppelschrift aus früherer Zeit, also der Gesta oder der Passio Brunonis, gestanden hat. Die frühere Sammlung wird wohl kaum je wieder zum Vorschein kommen, aber, daß sie um 1500 noch existierte, ist wahrscheinlich, da die Sammlung der Memorabilia Qverfurtensia (in den meisten Stücken eine deutsche Übersetzung) eben offenbar nach ihrem Muster angelegt ist. Indes scheinen die alten Gesta Brunonis (Passio Brunonis) auch in der älteren Sammlung schon früher (vor 1500) zu irgendeiner Zeit durch unsere Doppelschrift ersetzt zu sein. Um so weniger kann es in Anbetracht des ganzen entwickelten Tatbestandes noch willkürlich erscheinen, es für höchst wahrscheinlich zu halten, daß sowohl die ältere Vorlage unserer Vita und unserer Passio, als auch die wiedergefundene letzte Redaktion dieser beiden an der Burgkirche in Querfurt entstanden sind. Dafür sprechen ja auch die von uns in letzterer bereits hervorgehobenen Querfurter Lokalfarben. Verwundern konnte nur, daß im 8. Kapitel unserer Vita in der Erzählung von dem Burgsteigwunder in bezug auf den aus der Burg seiner Väter ausziehenden Brun der Ausdruck ascendisset gebraucht wird. So konnte ein Querfurter, der überlegte, durchaus nicht schreiben, da er wissen mußte, daß für den, der aus der Burg auszieht, der Burgsteig bergab geht, also hier nur die Form descenderet paßte. Man wird annehmen dürfen, daß dies Versehen durch Unachtsamkeit der späten Redaktoren in den Text gekommen ist. Jedenfalls wird es kaum ausreichen, der Annahme einer Querfurter Herkunft der

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