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Der Zusammenbruch

der

burgundischen Herrschaft am Oberrhein

von

Heinrich Witte.

I.

Beim Beginn des Jahres 1473 mochte dem Landvogt Hagenbach die burgundische Herrschaft fest und sicher begründet. erscheinen. Zwar fehlte es nicht an einzelnen Wolken und namentlich das Verhältnis zu Herzog Sigmund von Österreich hatte aufgehört ein so freundschaftliches zu sein, wie es das früher gewesen war.1) Herzog Sigmund hatte seine Rechnung bei der Allianz mit Karl von Burgund nicht gefunden: er hatte erwartet, Karls Beistand zu erhalten, um die verlorenen Lande seines Hauses von den Eidgenossen zurückzuerobern; aber nachdem er an Karl den Preis für diese erwartete Hilfe mit seinen Erblanden am Oberrhein gezahlt hatte, war jener nichts weniger als bereit gewesen um Herzog Sigmunds halber Krieg mit den Eidgenossen anzufangen. Der Gedanke lag nahe für Herzog Sigmund, dann auch seine verpfändeten Lande zurückzuerwerben. In diesem Wunsche begegnete er sich mit den Eidgenossen, die ihrerseits nach unserer frühern Darstellung gegründete Ursache hatten sich den burgundischen Nachbar

1) Cf. Witte Beziehungen Herzog Sigmunds a. a. O. p. 29 ff. Vergl. N. F. Band I, 133.

Zeitschr, f. Gesch. d. Oberrh. N. F. II. 1.

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fortzuschaffen Es kam zu Verhandlungen zwischen beiden Mächten, wobei die burgundische Vermittlung ausgeschlossen wurde, und es schien die Möglichkeit vorhanden, dass Herzog Sigmund und die Eidgenossen auf Kosten Burgunds sich vereinigten. Hagenbach gelang es dieser Gefahr vorzubeugen, allerdings nur so, dass er mit Herzog Sigmund einen neuen Vertrag') abschloss, worin diesem die ausgiebigsten Versprechungen für einen Krieg mit den Eidgenossen gemacht wurden. Burgundischerseits dachte man nicht daran den Vertrag zu halten; er war nur ein augenblicklicher Notbehelf, und inzwischen hatten die Verhandlungen mit Kaiser Friedrich, dem Haupte des Hauses Habsburg, zu einem Resultat geführt, dass man nicht mehr nötig hatte, auf Herzog Sigmund übermässig Rücksicht zu nehmen. Auch hier hatte Hagenbach seine Hand im Spiel gehabt: er war es gewesen, der die Verhandlungen mit dem vorsichtigen Kaiser in Fluss gebracht und das Projekt der Vermählung des einzigen Sohnes Kaiser Friedrichs, des Erzherzogs Maximilian, mit der Erbin Karls des Kühnen, Maria von Burgund, der Ausführung nahe geführt hatte.")

Wurde dies Vorhaben in der That verwirklicht, so musste die burgundische Herrschaft in den verpfändeten Gebieten ausserordentlich gekräftigt werden, verwuchsen doch die Interessen beider Häuser auf diese Weise. Das mag der Grund gewesen sein. dazu das übermässige Vertrauen auf die Macht seines Herrn, warum Hagenbach die Gefahren, die in seiner nächsten Nähe auftauchten, nicht nur unterschätzte, sondern sie noch steigerte und mutwillig hervorrief. Wir sahen bereits, wie die Furcht vor den burgundischen Annektionsgelüsten es zu Wege brachte, dass die kleinen selbständigen Gewalten am Oberrhein sich zu der sogenannten „Niedern Vereinigung“ zusammenscharten. Die Eidgenossen und namentlich Bern hatte der Landvogt durch die Bedrohung der Selbständigkeit des eng verbündeten Mülhausen aufs empfindlichste verletzt und schon war in Anlass davon das Projekt einer Defensivallianz zwischen beiden Bünden aufgetaucht; anderseits war das ja auch der Grund, warum namentlich Bern den Abschluss eines ewigen

1) 1472 Aug. 12 cf. Witte 1. c. p. 28.

2) Cf. Rausch, die burgundische Heirat Maximilians I. p. 65 ff.

Friedens mit Herzog Sigmund aufs eifrigste förderte. Man hätte meinen sollen, dass Hagenbach als einsichtiger Staatsmann die Eidgenossen wenigstens nun so viel wie möglich, um sie von der drohenden Koalition abzuziehen, über die Absichten Karls beruhigt hätte; aber die burgundische Politik jener Tage führte zweierlei Sprache gegenüber den EidgeWährend Karl sich in den freundschaftlichsten Versicherungen erging, forderte Hagenbach zum Kriege geradezu heraus. Hagenbach war Sundgauer mit einigem burgundischen Firnis; er teilte den Hass und die Vorurteile seiner adligen Landsleute wider die Schweizer und scheute sich nicht trotz seiner hohen amtlichen Stellung die groben landläufigen Schimpfworte wider sie zu gebrauchen1); ja, er verstieg sich zu Äusserungen, die eine unmittelbare Bedrohung Berns und seines Besitzstandes enthielten, und dieses hatte nicht unterlassen es sich zu merken. Sein Unglück war es wie das seines Herrn, dass sie nicht recht Gelegenheit gehabt hatten die Tüchtigkeit der Eidgenossen im Felde zu erproben; ihre Siege über Herzog Sigmund mochten dem Landvogt keine grosse Wertschätzung abgewinnen, da dieses Fürsten Regiment bei ihm in keiner sonderlichen Achtung stand; er schätzte sie schwerlich höher als die Lütticher und Genter, die er vor sich hergetrieben hatte.

In dem eigenen Gebiet war dagegen bis dahin keine nennenswerte Opposition entstanden, soweit sich das bei der Dürftigkeit unserer Quellen beurteilen lässt. Die Ritterschaft, die doch am meisten von seiner Wirksamkeit betroffen war, regte sich nicht; die Städte mochten ihn fürchten, aber einstweilen hatten sie nur Grund seine Wirksamkeit zu segnen, die ihnen Ruhe und Sicherheit gebracht hatte. Freilich ist dies Urteil in einer Hinsicht sehr unvollständig; wir wissen gar nichts über Hagenbachs sittliches Verhalten in dieser Zeit. Schwerlich ist anzunehmen, dass Hagenbach bloss in seiner letzten Zeit so schwere Ausschweifungen begangen hat, ebensowenig wie er erst zuletzt seinen gänzlichen Mangel an Sinn für Recht bethätigt haben wird; aber so lange kein allgemeiner Grund zur Unzufriedenheit war, so lange hatte man

1) Dändliker, Ursachen und Vorspiel der Burgunderkriege p. 40 stellt einzelnes zusammen.

in jener rohen, sittenlosen Zeit auch keine Veranlassung einzelne Vorfälle besonders zu buchen. Anders wurde es, als eine Veranlassung zu allgemeinster Unzufriedenheit eintrat, als der Landvogt die Bevölkerung da angriff, wo ein Volk stets und am meisten verwundbar ist, als er eine neue Steuer auflegte, zu deren Erhebung er kein Recht hatte, die ausserdem dem Volke doppelten Hass einflösste, weil sie neu und fremd war.

II.

Die beiden letzten habsburgischen Herrscher, Herzog Albrecht der Verschwender und Herzog Sigmund, hatten vollständige Raubwirtschaft getrieben: das eine Loch wurde zugestopft, indem man ein anderes eröffnete. Das alles war anders geworden, als mit der neuen burgundischen Herrschaft auch eine geordnete Verwaltung in's Land gekommen war. Die burgundische Regierung hatte die verpfändeten Lande so wie sie waren übernehmen müssen, und selbstverständlich hatte die neue Verwaltung unter diesen Verhältnissen viel Geld gekostet, ganz abgesehen von den Summen, welche die Einlösung einzelner Herrschaften, wie wir sahen, gekostet hatte. Karl der Kühne war aber ein viel zu sparsamer Hauswirt, als dass er sein Geld nutzlos geopfert hätte; er verlangte nicht bloss Verzinsung des angelegten Kapitals, sondern auch Überschüsse. Von Anfang an war die Absicht gewesen wie in Justiz und Verwaltung so auch in der Besteuerung Gleichförmigkeit mit den übrigen burgundischen Landesteilen herbeizuführen; dass man mit dieser Absicht nicht gleich herausrückte, war natürlich, und zudem musste die neue Verwaltung vorab die Hilfsquellen des Landes und die Einkünfte des Landesherrn kennen lernen, was in dem allgemeinen Chaos der bisherigen Regierung nicht so leicht zu erreichen war. Wahrscheinlich ist die erste Kommission mit dieser Aufgabe nicht fertig geworden') und die Auskunft 2), welche Karl von dem frühern habsburgischen Regierungskollegium zu Ensisheim über seine Einnahmen seitens seiner Vasallen erhielt, mochte ihn schwerlich zufrieden stellen. Es darf uns daher auch nicht

1) Cf. Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. N. F. I p. 134.

2) Cf. die urkundlichen Beilagen.

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