Viertes Heft. Zur Geschichte des Privatrechts im 13. und 14. Jahrh. zu Straßburg Maße und Preise in früherer Zeit, vom 8. bis 17. Jahrh. in Baden, Seite 385 400 Handel mit Mailand, Genua und Venedig, 15. bis 18. Jahrh. 417 Die Markgenossenschaft zu Sinzig. 1334. . Beiträge zur Geschichte des linken Rheinufers, Elsaß, Baiern, Heffen, Urkundenarchiv des Klosters Herren-Alb, 14. Jahrh. . Abdruck und Erläuterung verschiedener Urkunden. 15. Jahrh. Geschichtliche Notizen. Römische Straßen. Pfade und Wege frem= der Ansiedler. Kaiserurkunden . Register 424 440 468 489 491 Der füdteutsche Handel mit Venedig vom 13. bis 15. Jahrh. Die Urkunden, welche darüber im vorigen Bande mitgetheilt wurden, ließen vermuthen, daß im Archiv zu Venedig noch reichere Quellen vorhanden seyen, woraus dieser Theil der teutschen Handelsgeschichte umfassender untersucht werden könne, als in den bisherigen Schriften geschehen ist. Der kenntnißreiche Muratori gab keinen Beitrag zur Geschichte des venetianischen Handels, weil ihm wahrscheinlich das Archiv nicht zugänglich war, erst bei Tentori (1785) findet man urkundliche Angaben über den Handel Venedigs mit Südteutschland, welche Marin großentheils wiederholte, die aber in den teutschen Werken übergangen wurden 1. Durch die Erlaubniß der österreichischen Behörden erhielt ich Zutritt zu dem venetianischen Archive, dessen Benügung mir durch die große Gefälligkeit des Directors, Hrn. Mutinelli, sehr erleichtert wurde, so wie auch der Bibliothekar von S. Marcus, Hr. Valentinelli, die in der dortigen Bibliothek aufbewahrten Urkunden mit der freundlichsten Bereitwilligkeit mir vorlegte. Was ich also hier mittheile, verdanke ich diesen Männern, und wenn es schon für meinen Gegenstand erheblich ist, so möge man daraus abnehmen, welche bedeutenden Aufschlüsse auch für andere Theile der europäischen und orientalischen Geschichte das außerordentlich reiche Archiv zu Venedig darbietet. Es geht aus folgenden Urkunden hervor, daß der südteutsche Handel an das adriatische und Mittelmeer so früh oder noch früher von Bedeutung war, als jener der Hanse in der Ost- und Nordsee. Denn die erste mit einem Datum versehene Urkunde der Hanse über ihre Freiheiten zu Brügge ist vom Jahr 1252, und die älteste Skra von Nowgorod kann nicht vor 1225 fallen, ist aber, wie Sartorius be= merkt, um einige Jahrzehende jünger 2. Dagegen wurde die Verordnung über den teutschen Pelzhandel zu Venedig schon 1242 erlassen und das ausführliche Statut über das große Lager- und Kaufhaus der Teutschen in Venedig ist von 1268, welches schon einen umfangreichen Handel darstellt, der einen langen Bestand voraussegt, ehe er zu dieser Bedeutung fam 3. Zeitschrift. V. 1 Dieses Kaufhaus der Teutschen zu Venedig steht noch jest in dem belebtesten und gewerblichsten Theile der Stadt am Canal grande, ganz nahe an der Rialtobrücke (pons rivi alti in Urkunden, denn rivus altus ist der jegige canal grande). Es hieß lateinisch fonticum Theotonicorum, italiänisch fondaco oder fontego, wie auch das Gäßchen daran noch jest calle del fontego dei Tedeschi genannt wird. An Umfang gibt es dem hanseatischen Lagerhaus zu Antwerpen nichts nach; es ist ein großes Viereck von drei Stockwerken, die einen Hof umschließen, mit inneren Gallerien in jedem Stock, von zwei Seiten mit Kanälen, von den zwei andern mit Gaffen umgeben, und hat den Namen von den Ladengewölben (fonteghi) der Tuchhändler, weil der Handel mit Ellenwaaren darin die Hauptsache war. Das Haus wurde von der Stadt Venedig erbaut zu dem dreifachen Zwecke: 1) für den Großund Kleinhandel der Teutschen als Lagerhaus und Kaufläden, 2) für die Wohnung der Kaufleute, 3) für die Herberge der Teutschen, mochten sie als Handelsleute oder als Pilger nach Venedig kommen 4. Es brannte zum großen Schaden des Handelsstandes im Jahr 1505 gänzlich ab, wurde jedoch gleich nachher stärker wieder aufgebaut und besser eingerichtet 5. Die Beziehungen des teutschen Handels zu Venedig, die Privilegien desselben, die persönlichen Verhältnisse der Bewohner des Fontego und der übrigen Kaufleute machten eine umständliche Verwaltung des Hauses nöthig, die bereits im 13. Jahrh. so ausgebildet erscheint, daß man daraus auf die Manigfaltigkeit und Wichtigkeit des Handels schließen darf. Venedig kannte und würdigte den Vortheil, das Zwischenglied der Handelsverbindung des Orients und Teutschlands zu seyn, und begünstigte demgemäß die teutschen Kaufleute auf mancherlei Art, weil deren Thätigkeit zugleich eine ergiebige Finanzquelle des Staates war 6. Die Beurtheilung der folgenden Urkunden muß ich jenen überlassen, welche die Handelsgeschichte bearbeiten, als Hülfsmittel dazu habe ich nur einiges über das alte Geldwesen Venedigs beizufügen, um darnach den Betrag der Handelsgeschäfte zu ermessen. Die Kölner Mark galt zu Venedig als Münzgewicht seit dem Jahre 1123, woraus man erkennt, daß der rheinische Handel mit Venedig viel weiter zurückgeht als die Statuten des Fontego, und daß die ziemliche Gleichförmigkeit des venetianischen und rheinischen Münzfußes ebenfalls von der wechselseitigen Handelsbeziehung herrührte. Das feine Silber wurde in Venedig zu 12 Pfenning (danari) gerechnet, hieraus begreift sich unser Pfenninggewicht im Mittelalter, wonach die Feinheit der Mark auch zu 12 Pfenningen gerechnet wurde 7. Im Jahr 1283 wurden ducati auri oder Zecchinen geprägt, 67 Stück auf die Mark, jeder also 68567 Gran schwer, deren Feinheit jener des florenus gleich seyn sollte. Hundert Jahre später, 1386, gingen ebenfalls noch 67 rheinische Goldgulden auf die Mark, im Jahr 1458 aber 69% und 1480 62207, je nach der Feinheit der Mischung, woraus sich erklärt, daß im 14. Jahrh. Dukaten und Goldgulden im Verkehr für einander ge= nommen wurden 8. Die Zecchine von 1283 galt 18 grossi oder 60 soldi (solidi), diese Schillinge hieß man kleine (soldi piccoli), die um 1/3 leichter waren, als die großen, daher jene 60 soldi nur 40 soldi de' grossi ordinarj machten. Die Zecchinen wurden allmählig wie die Gulden leichter, noch im 13. Jahrh. wurde ihr Gewicht auf 67491 grani verringert und 68 Stück giengen auf die Mark 9. Gegen Ende des 13. Jahrh. war der Zecchin werth 3 Lire 2 -soldi, bis 1350 stieg er auf 3 L. 4 s. und der solidus auri von 1391 galt 3 L. 101⁄2 ; bis 1400 stieg der Preis des Zecchins auf 4 L. 18 s., bis 1450 auf 6 L. 4 s., bis 1500 auf 6 L. 14 s., bis 1568 auf 8 L. und von 1716 bis 1795 galt er 22 L. Lira war der alte Namen für Dukat oder Zecchin, sie hatte 20 Schillinge wie unser Münzpfund, und der soldo hatte 12 grossi øder Pfenninge, der grosso 32 piccoli. Die Libra parvorum (lira de' piccoli) war im 13. Jahrh. % der großen Lira, später änderte sich ihr Werth. Der soldo piccolo hieß auch soldino und der soldo grosso Lateinisch ad grossos. Der solidus denariorum grossorum hatte im 14. Jahrh. 12 grossos und der denarius hieß auch piccolo 10. Zum Verständniß folgender Urkunden ist auch die Fassung derselben und die Einrichtung des Archivs zu Venedig zu merken. Jeder Eintrag in das Protokoll, sey er ein Beschluß oder ein Vorschlag, hieß Pars. Wurde der Vorschlag angenommen, so war die Formel: Capta est pars, oder blos Capta, welches Wort zu Anfang des Beschlusses gesezt wurde. Die andere Formel: Vadit pars heißt, man schreitet zur Abstimmung, und bedeutet dasselbe was die römische itio in partes. Am Ende jedes Beschlusses wurde gewöhnlich das Ergebniß der Abstimmung beigefügt, um für die Zukunft zu wissen, mit welcher Mehrheit ein Beschluß gefaßt wurde. Die Formel: De parte heißt wörtlich, die von der Parthie waren, die Zustimmenden, die andere: De non, die dagegen stimmten, die dritte: Non sinceri bedeutet diejenigen, die weder Ja noch Nein sagten, sich also der Abstimmung enthielten oder neutral blieben. Selten und nur in den wichtigsten Sachen waren alle Mitglieder des großen Rathes (consilium majus) beisammen, in dem kleinen Rath (senatus) oder dem Consilium rogatorum saßen gewöhnlich 60 bis 120 adelige Mitglieder. Steht bei einer Formel alii, so heißt das, alle anwesenden Mitglieder, mit Ausnahme der bei den andern Formeln genannten, stimmten mit jener Formel überein, 3. B. de parte alii, de non 6, non sinceri 3, heißt: alle anwesenden Mitglieder, mit Ausnahme von 9 (6+3), stimmten für den Vorschlag. Die Rathsbücher in Venedig waren in mixti und secreti eingetheilt, jene enthalten die gewöhnlichen Geschäfte, diese die wichtigeren Verhandlungen, ungefähr was wir jegt ein administratives und diplomatisches Archiv heißen. Die Libri secreti wurden bis zum Untergang des Freistaats nur selten und mit großer Vorsicht für die Geschichte benugt. Um andern Geschichtsforschern die Arbeit in diesem Archive zu erleichtern, will ich noch einiges über dessen Einrichtung beifügen. Die Libri mixti wurden nach dem Brande des Dogenpalastes im Jahr 1293 neu angelegt und gehen bis 1440 ohne weitere Abtheilung, von 1440 an wurden sie nach den Territorien in Mare und Terra abge= theilt und bis 1797 fortgeführt. Unter Mare wurden die überseeischen Länder am Mittelmeer verstanden, unter Terra das nächstgelegene Festland von Europa. Die Libri secreti gehen von 1401 bis 1630 mit derselben Abtheilung. Ueber die Mixti wurden von Barth. Lamberti Sachregister in fortlaufenden Bänden geführt. Band 1 geht über die Jahre 1293 bis 1368. Bd. 2 von 1368 bis 1391. Bd. 3 von 1389 bis 1413. Bd. 4 von 1413 bis 1437, die Rathsbücher dazu sind aber in Venedig nur bis zum Bd. 53 (1419) vorhanden, die sieben legten Bände sollen in Wien seyn. Von 1440 an gibt es über die Mixti besondere Sachregister auch für die Abtheilung Terra, deren erster Band die Jahre 1440 bis 1478 umfaßt. Im Ganzen sind von den Aften des Consilium Rogatorum zu Venedig vorhanden die Bände 15 bis 53, und fehlen davon 22 Bände. Das Archiv ist gut geordnet und in seinen großen Räumen zweckmäßig aufgestellt, wodurch dessen Benügung sehr gefördert wird. Belegstellen. 1 S. die Abhandlung Muratori's de mercatibus et mercatura in seinen Antiqq. Ital. tom. 2. Tentori Saggio sulla storia civile, politica, ecclesiastica e sulla corografia e topografia degli stati della repubblica di Venezia. tom. 2, 153 fl. Marin storia civile e politica del commercio de' Veneziani. 4, 202 flg., 8, 152. 2 Sartorius urkundl. Geschichte der Hanse, herausg. v. Lappenberg, 1, 8. 2, 16. 17. 3 Tentori 1. 1. fagt: la nazione Germanica fin dagli antichi tempi della |