mit dem Recht der Ernennung von 4 Rittern und 8 Knappen erhalten hatte1). Als Zeugen sind eine Reihe von Einwohnern Venedigs aufgeführt 2), und das ganze Diplom bewegt sich durchaus in den für derartige Zwecke üblichen lehensrechtlichen Formen). An der Echtheit zu zweifeln, liegt also kein Anlass vor. Für die Biographie unseres Humanisten ist das Dokument in mehrfacher Hinsicht interessant. Jetzt erst erfahren wir Näheres darüber, was er eigentlich in Italien und insbesondere während seines venetianischen Aufenthaltes, den er auch in seiner Heidelberger Antrittsvorlesung erwähnt4), getrieben hat. Sollte am Ende auch seine. Berufung in den Dienst des Pfalzgrafen und sein Verhältnis zu dessen Hofjuristen (Johannes Wildenhertz, dem Kanzler Matthias Ramung u. a.)5) mit seiner Eigenschaft als Notar und demgemäss seiner Verwendbarkeit im Kanzleidienst zusammenhängen? Wie man weiss, ging der Anstellung italienischer Notare eine Prüfung der Befähigung voran häufig allerdings erst vor der eigentlichen Aufnahme in die Zunft. Unsere Urkunde erwähnt denn auch das Eintreten glaubwürdiger Zeugen für Peters Unbescholtenheit und seine Kenntnisse in Grammatik, Poetik und Rhetorik 6). Von irgend einer akade 1) Das Comitiv (und zwar eine comitiva major) datiert Basel 1434 Febr. 5 und ist in der arenga unseres Diploms (wie in solchen Fällen üblich) umständlich zitiert. Es ist in der Markusbibliothek erhalten und stimmt inhaltlich durchaus mit den Angaben unserer Urkunde überein, verleiht u. a. auch das Recht des Nobilitierens (zu Rittern und Schildknappen). S. Valentinelli in d. Abh. d. histor. Kl. d. Münchener Akad. IX, p. 507/8 u. Altmann, Reg. imp. XI, nr. 10020, wo auch nähere Mitteilungen über Andreas Donatus (Register). 2) Notar: Marinus de Seris. Zeugen: presentibus . . . Nicola a Sega. notario publico filio spectabilis Desiderati civi Veronensi, Lazaro quondam Johannis de Lodenio, Antonio filio . . . Nicolai Burse civi Cremonensi et ... Ruberto Northan filio domini Gulielmi (!) de Anglia omnibus protunc habitatoribus Venetiarum et prefati... principis Venetiarum domicellis et aliis pro testibus. *. rogatis usw. 3) Vgl. darüber Bresslau Hdb. I (1889) 467 ff. 4) Z.G.O. XXII, 101. 5) Vgl. dazu Z.G.O. XXII, 100, 110, 43, 49 und meine Abhandlung über via antiqua und via moderna (= Studien zur Spätscholastik II) in d. Sitzungsber. d. Hdbg. Akad. 1922, 2. Abh., cap. II, 1. 6) Nos igitur pro tuarum virtutum meritis habita primo fide per testes fide dignos de bona vita, optimis moribus ipsiusque peritia et in grammatica, poesi et arte oratoria usw. mischen Würde ist hier ebensowenig die Rede, wie später während des zweiten Heidelberger Aufenthaltes. Unzweifelhaft ist der Mangel eines jeden, auch des niedersten Grades der sehr naheliegende Grund dafür, dass die »Berufung und Tätigkeit des Poeten nirgends in den Heidelberger Universitätsakten erwähnt wird. Diese beschäftigen sich ausschliesslich mit solchen Angelegenheiten, die das Leben der akademischen Korporation insbesondere ihre rechtlichen und finanziellen Verhältnisse betreffen. Peter Luder aber hatte mit dieser Korporation als solcher nichts zu schaffen. Er selber erhob nicht den Anspruch, zur akademischen Zunft gerechnet zu werden1). Gleichwohl legte er natürlich Wert darauf, die Gunst der angesehensten akademischen Lehrer zu gewinnen. Wir können das recht anschaulich beobachten an einem Schreiben, das er kurz nach Eröffnung seiner Vorlesungen (am 23. 8. 1456) an den damals namhaftesten Theologen, den Stadtpfarrer und Professor Johannes Wenck richtete und das uns die Vatikana in zwei verschiedenen Abschriften aufbewahrt hat2). Schon in Italien so lügt er habe er von dem »ungeheuren Ruhm« des grossen Heidelberger Gelehrten gehört, der ein »restaurator et firmum domicilium« sei der heruntergekommenen schönen Künste; schon von dort aus habe er ihn im Geiste bewundernd umarmt »etsi nulla mihi uncquam noticia tui fuerit (!)«. Jetzt aber von Angesicht zu Angesicht, erkenne er erst, dass die Gelehrsamkeit Wencks alle Beschreibung weit hinter sich lasse, ja dass er wohl alle andern Männer seines Standes übertreffe. In diesem Tone geht es fort. Nur mit den grössten Gelehrten des Altertums ist der greise Johannes Wenck zu vergleichen, etwa mit Gorgias, dem Lehrer des Sokrates, der 107 Jahre alt noch studierte, oder mit Sokrates selbst, der noch mit 94 Jahren ein Buch geschrieben haben 1) Selbst in der polemischen »intimacio contra artistas« von 1457 begehrt er »non partem regni, sed arvum atque domus angulum« für seine rhetorischen Künste auf der Universität. Z.G.O. XXIII, 22. → 2) Cod. Pal. Lat. nr. 149, fol. 141v-142; nr. 870, fol. 197. Der vollständige Abdruck des schwülstig stilisierten Schreibens verlohnt sich nicht. Inc: Quamquam iam dudum, doctor famosissime Über Joh. Wenck vgl. m. schon genannte Abhandlung über via antiqua u. moderna u. m. Geschichte der Heidelberger Universität, Bd. I. soll, panathonicus genannt, mit Cato dem Ältern, der noch mit 80 Jahren anfing, Griechisch zu lernen, mit Plato, der im 81. Jahre schriftstellernd gestorben ist, oder mit Solon, Augustin und Hieronymus. »Ut enim corpus nimia exercitatione ingravescit, sic animus sublevatur. Hoc latet ignavum vulgus, cui nullo uncquam fuit cura antiquos illos, penes quos omnis est scientia, visere, sed escis et ventri (qui deus eorum est) inservientes cum ipsi a studiis virtutum deficiant, alios iisdem insudantes temerario ac stolido quodam cachinno deridere solent. Hii vero tales sunt, ut cum in officinis suis inter nonnullos rudes adhuc et inexpertes ac forsitan famulos quosque quasi plebeios tamquam pro rostris constituti fuerint, illis se iactando solum in hoc doctiores putant, si de aliorum laude et scientia aliquid detrahere possunt. Sensi quippe nuper rumore quodam ac susurro nescio quos dum nobis detrahere conantur poetas etiam divina litterarum studia spurcido lacerasse sermone. Quos quod tales puto, ut vulgato dicitur proverbio: »In ore stulti baculus est contumelie,« ignavie eorum compatiendo quibus appellarentur nominibus inquirere non curavi, ut, cum numquam aliquid carmen poete aut legerint aut intellexerint, obscena tamen ora ac blacteracem solvendo linguam cur unquam illorum studia vilipendere aut non docendo garrulare audeant. Hätten sie nur jemals mit mir einen Poeten gelesen, wahrlich, sie würden ihre Ansicht ändern! » Quos vero si certior fama quicquam in nos maledicendo atemptare sua garrulitate sensero, in detestabilem eorum ignaviam ira suadente trilinguis ero. Hiis animadversis, doctor famosissime, et illorum stolidissimum spernendo errorem studiis humanitatum inherendo eternos mecum sequere viros, ut praeter vulgarem illam veram quandoque gloriam consequi merearis. Ego vero, si pia annuerint fata, si quid mea scripta poterunt, te cunctos apud posteros reddam immortalem.<«< Man sieht daraus, das es dem Auftreten des Poeten von Anfang an in Heidelberg nicht an Kritik gefehlt hat; gleichzeitig aber, dass er selber den kühnen Anspruch, Verwalter der Unsterblichkeit zu sein, und einen ganzen Vorrat traditioneller Beschimpfungen für die Kritiker des humanistischen Treibens aus Italien mitgebracht hat. Ein Jahr später ist der Ton seiner Invektiven noch viel bitterer geworden. Sein »intimacio contra artistas « von 1457 spricht davon, dass die » Dialektiker« versucht hätten, die rhetorische Kunst wieder gänzlich ultra montes zu vertreiben; er müsse deshalb seine Vorlesungen ins Augustinerkloster verlegen1). Offenbar hatten ihm also vorher Räume der Universität zur Verfügung gestanden, die ihm jetzt entzogen waren. Was mag der Grund gewesen sein? Moderne Darstellungen neigen häufig dazu, in der Schilderung von Reibereien zwischen »>Poeten« und »Scholastikern« die Partei der ersteren zu ergreifen, in denen man die Träger fortschrittlicher Gesinnung zu erkennen glaubt, und dementsprechend die grundsätzliche Bedeutung ihrer Streitigkeiten zu übertreiben. So hat denn auch Wattenbach angenommen, »den Herren der alten Schule<< sei bei dem Treiben Luders »gar unheimlich zumute<< gewesen, und sie hätten ihm demgemäss recht viel Steine in den Weg geworfen. Bei genauer und vorurteilsfreier Prüfung der Quellen indessen ergibt sich, wie mir scheint, dass kein Anlass vorliegt, eine dem Humanismus feindliche Stimmung unter den Universitätslehrern als vorherrschend anzunehmen. Spuren humanistischer Interessen innerhalb dieser Korporation tauchen vereinzelt schon sehr frühzeitig auf. Schon im J. 1436 schreibt sich der Magister Rudolph von Brüssel (alias de Zeelandia) die lateinische Übersetzung der damals sehr verbreiteten Novelle des Boccaccio de paciencia Griseldis ab2). Eine Disputation, die derselbe Theologe 1442 über 1) Z.G.O. XXIII, 22. Sie findet sich auch Clm 7080, fol. 382 b. In derselben Hs. fol. 382a auch der Z.G.O. XXII, 109/10 abgedruckte Schluss der Antritts vorlesung von 1456; fol. 369-379 die Lobrede auf Friedrich I. (abgedr. Z.G.O. XXIII, 25-37 nach einer Wiener Hs.), 379--82 zahlreiche Verse zu Friedrichs Lob, deren grössten Teil auch Matthias von Kemnat in seiner Chronik bringt. Der Schmähbrief an den Heidelberger Stadtpfarrer, den Wattenbach Z.G.O. XXII, 112, widergibt, möchte ich (zum mindesten in dieser Form) für eine blosse renommistische Fiktion halten; hatte P. L. wirklich die Absicht, den Adressaten zur Zurücknahme der Exkommunikation zu bewegen, so konnte er nichts Törichteres tun, als ihm dieses Schreiben schicken. 2) Cod. Pal. Lat. Vatikan. 608, fol. 169-172: Francisci Petrarche poete laureati epistola de paciencia Griseldiş (i. e. translatio fabulae scriptae a Jo. Boccaccio) scripta Bruxelle anno 1436 per Radulphum de Zeelandia alias de Bruxella (Stevensons Katalog). das Thema hielt: ob in Zweifelsfällen mehr dem Papst als dem Konzil zu gehorchen sei1), erinnert uns daran, dass die Heidelberger Magister seiner Generation an dem grossen Baseler Reformkonzil, das für die Verpflanzung der Keime humanistischer Bildung nach Deutschland in besonders grossem Maßstabe beigetragen hat, unmittelbar beteiligt waren. Echt humanistische Wendungen und rhetorische Künste finden sich zahlreich in den Sammelbänden der Vatikana, in denen die Glanzleistungen der Heidelberger Beredsamkeit aus der ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts vereinigt sind 2) ganz zu schweigen von den etwas später entstandenen umfänglichen Exzerptensammlungen aus klassischen und humanistischen Autoren, deren ursprüngliche Heidelberger Besitzer nicht ohne Untersuchung an Ort und Stelle zu bestimmen sind3). Den Ankauf einer ganzen kleinen Bibliothek von solchen Autoren aus dem Nachlass des Kanzlers Ludwig von Ast im Frühjahr 1456 durch die Artistenfakultät hat bereits Wattenbach bemerkt1). Das alles sind nur vereinzelte, zufällig erhaltene Notizen, die sämtlich in die Zeit vor dem Auftreten Peter Luders zurückweisen. Wie gross aber ist die Zahl der Heidelberger Professoren, die sich als seine Gönner und als Freunde humanistischer Bestrebungen nachweisen lassen! Da finden sich die angesehensten Namen der Universität zusammen: Stephanus Hoest 5), Jodocus Aichman), Johannes Wenck), Johannes 1) ibid. fol. 314-19. Ich werde darüber an anderer Stelle berichten. 2) Vgl. z. B. in der Rede des Heidelberger Juristen und Kanzlers Ludwig von Ast vor Papst Eugen IV., vermutlich von Ende 1432 (Cod. Pal. lat. Vat. 608, fol. 128b) gleich zu Anfang die Bezeichnung des christlichen Gottes als >>immortalis rex Olimpi!<< 3) Vgl. vor allem die Bände Cod. Pal. lat. Vatik. nr. 884 ff. 4) Z.G.O. XXII, 46 nach a. u. III, 35o; ausführlicher handeln darüber a. f. a. II, 32 f. -5) Z.G.O. XXII, 44, 62. Der mag. Stephan ist ohne Zweifel St. Hoest; dieser auch als Liebhaber des Terenz 1467 erwähnt in Z.G.O. XXVII, 96. Vgl. auch meine Studien zur Spätscholastik II, Beilage ; ferner H. Holstein Z. Gelehrtengeschichte Heidelbergs (Wilhelmshaven 1893) p. 9, 12, 23 ff.; Hartfelder in Geigers Vierteljahrsschrift I, 1886, 123-5 und Z.G.O. N.F. VI, 146. 6) Z.G.O. XXII, 48, 68 u. 72; Holstein Zs. f. vgl. Litt.gesch. N.F. V, 389 ff.; Ritter, 1. c. 67 f. 7) Ritter, 1. c.; Z.G.O. XXII, 50 f., 60. Der p. 60 ungenannte Mitbegründer der via antiqua in Hg. ist wahrscheinlich Jod. Aich mann. -- |