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stehung möglichst genau zu bestimmen.

Benary freilich

erklärt die Frage nach dem Entstehungsort und der ältesten Fassung für sachlich ganz bedeutungslos. Sie ist es in der Tat für den, der das Ganze für einen blossen »Ulk« hält, den niemand ernst genommen habe. Schon das Titelbild auf zwei Kölner Ausgaben, das einen Lehrer mit einem Vogel auf der Schulter zeigt, soll das andeuten 1). Nun ist das letztere Argument ein Missverständnis; der betreffende Holzschnitt könnte eher auf die entgegengesetzte Auffassung hinleiten 2). Aber auch der Inhalt des Büchleins berechtigt nicht dazu, es nur als Scherz aufzufassen; man müsste denn sämtliche Schülerdialoge der Zeit ihres lustigen Tones wegen für blossen >> Ulk« erklären. Der richtige Standpunkt lässt sich nur dann gewinnen, wenn man den ursprünglich beabsichtigten Zweck dieser Büchlein im Auge behält: sie wollen gar keine Schilderung einmaliger konkreter Verhältnisse darstellen, sondern dem Benutzer, d. h. irgendwelchen deutschen Studierenden, einen möglichst handlichen und reichhaltigen Vorrat von lateinischen Wendungen für alle Lebenslagen darbieten. Nur weil und nur insoweit als die Verfasser ihre Gesprächsstoffe aus dem Umkreis ihrer konkreten täglichen Erlebnisse entnahmen, darf der moderne Benutzer darauf rechnen, in diesen Gesprächen ein Stück (vgl. das »principes veniunt«, 42, 17 und die »hastiludia« 43, 29) ist m. E. kein Wert zu legen. Derartige Festlichkeiten ereigneten sich in Heidelberg sehr häufig, und nicht nur in Heidelberg.

1) 1. c. 39, 42. 2) Es handelt sich um den der Inkunabelbibliographie wohlbekannten und viel erörterten sogen. »Accipies «-holzschnitt der Kölner Offizin von Heinrich Quentell, den dieser in den Jahren 1790-95 für alle möglichen Publikationen verwendete und der für andere Druckereien mehrfach nachgeschnitten wurde. Der Heiligenschein um den Kopf des Lehrers, die auf seiner rechten Schulter sitzende Taube (Symbol d. hl. Geistes!) und die Inschrift des Spruchbandes (Accipies tanti doctoris dogmata sancti) deutete man früher auf Gregor den Gr., den Patron des Schulwesens (vgl. Vouillième, Der Buchdruck Kölns b. z. Ende des XV. Jahrh., Bonn 1903, p. XLVIII), während eine neuere Untersuchung dargetan hat, dass der hl. Thomas gemeint ist (vgl. Schreiber u. Heitz, Die deutschen Accipies- und Magister cum discipulis-holzschnitte, Studien z. deutschen Kunstgesch. H. 100, Strassb. 1908, p. 22 ff.). Die Berufung Benarys darauf, dass ein Berliner Exemplar der Druckausgabe b' mit den Epistolae obscur. virorum zusammengebunden (!) ist, um damit den satirischen Charakter des Werkes zu beweisen, bedarf keiner Widerlegung.

wirklichen Lebens in dem Sinne sich wiederholen zu hören, dass bestimmte, örtlich und zeitlich festzulegende Verhältnisse vorausgesetzt werden. Was Fiktion, was Wirklichkeitsschilderung ist, wird sich darum im einzelnen Falle schwer entscheiden lassen, und deshalb dürfen diese Dialoge auch niemals als primäre, sondern nur als sekundäre Quelle, zur Stützung oder Schwächung anderswie begründeter Vermutungen verwandt werden. Mit dieser Einschränkung aber ist es recht wohl möglich, nach Ort und Zeit und den besonderen Verhältnissen zu fragen, aus deren unmittelbarer Beobachtung der Autor geschrieben hat.

Weder Prantl noch Zarncke war es zweifelhaft, dass Heidelberg als Schauplatz unserer Gespräche vorzustellen sei. Und in der Tat sind die allerkonkretesten Anspielungen auf Heidelberger Verhältnisse, die sich durch das ganze Buch in der von Zarncke edierten Textgestalt hinziehen, gar nicht zu verkennen. Ihre Zusammenstellung, wie sie Zarncke S. 224/5 gibt, lässt sich noch erweitern. Statuten werden erwähnt, die tatsächlich in Heidelberg (ähnlich freilich auch anderswo) in Geltung waren 2). Die vorkommenden Magisternamen lassen sich zwar nicht mit Sicherheit auf bestimmte Persönlichkeiten beziehen (das musste wohl auch ein Heidelberger Autor vermeiden); aber sie finden sich in sehr ähnlicher Form in der Matrikel wieder 3). In dem Magister Jodokus, der Skotist ist und den niemand leiden kann (11, 32 und 14, 34) möchte man Jodokus Aichmann wiedererkennen, der sich als Führer der via antiqua 1452 im Fakultätsrat der Artisten sehr missliebig gemacht hatte und den noch im folgenden Jahre ein kurfürstliches Gebot vor der lärmenden Opposition der Studenten der

1) Gesch. d. Logik IV, 188. 2) S. 11, 15 ff.: eidliche Verpflichtung der Examenskandidaten, die von ihnen versäumten Lektionen zu bekennen, s. Statutenrevision von 1444, Heidelberger Urkundenbuch, ed. Winkelmann, I, p. 153, 40 ff. u. ö.; 28, 29 f.: Verbot f. d. Burseninsassen, ohne dringenden Grund die Küche zu betreten, vgl. UB. I, 111, 37 f...u. ö. Das Verbot der Züchtigung älterer Scholaren (32, 31) vermag ich dagegen einstweilen nicht zu dentifizieren.. 3) Jod. Rechenmacher: immatr. 1451, Toepke I, 270. Jodocus Swicker, 1451, Toepke I, 267; Cristannus Swyczer 1461, ibid. I, 305, ähnlich klingende Namen öfter. Ein Conradus Schuitzer, Humanist, ist mir freilich nicht bekannt.

>> modernen << Schulrichtung schützen musste. Allerdings war er Thomist, nicht Skotist, wie die Statuten der Predigerburse zeigen 1). Auch könnte die Wut der Scholaren über das strenge Regiment, das die Theologen in der Burse führen (29, 9) recht wohl auf die besonderen Verhältnisse der soeben genannten Burse hindeuten 2). Auf die häufige Erwähnung von Heidelberger Örtlichkeiten kommen wir

noch zurück.

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Nun ist aber seit Zarnckes Ausgabe eine Leipziger Fassung des »manuale scholarium« bekannt geworden, die der Chemnitzer Schulrektor Paul Schneevogel (Niavis) >>herausgegeben hat (»edidit «)3). Darin finden sich statt derjenigen Heidelberger Lokalanspielungen, die sich offen als solche geben, andere, die sich auf Leipziger Lokalitäten beziehen. R. Wolkan betrachtete diese Ausgabe als die Urfassung des Handbüchleins; die von Zarncke benutzten Drucke wären sämtlich als Nachdrucke dieser Originalarbeit Schneevogels anzusehen, in denen ein Heidelberger Bearbeiter die Leipziger Lokalanspielungen nachträglich durch Heidelberger Namen ersetzt hätte. Um die Richtigkeit dieser These nachzuprüfen, bleibt nichts übrig, als die sämtlichen vorhandenen Drucke des manuale scholarium sorgfältig miteinander und mit den Drucken Schneevogels zu vergleichen, da sie sämtlich anonym, undatiert und ohne Angabe des Druckortes und Verlegers erschienen sind.

Zarncke benutzte zu seiner Ausgabe ausschliesslich die fünf in München vorhandenen Inkunabeldrucke Hain* 10735-9; eine sechste von ihm im kritischen Apparat erwähnte und vermisste Ausgabe von Martin Flach, Strassburg 1481, in der er die Urfassung vermutete (Panzer I, 23, nr. 35, Hain 10740), existiert tatsächlich nicht, sondern ist inzwischen als bibliographische Fälschung des Lilien

1) Vgl. über Jodokus Aichmann u. d. Heidelberger Predigerburse meine Abhandlung: »Studien z. Spätscholastik, II: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrh.«, cap. II, 1. in den Sitzungsberichten der Heidelberger Akad. d. Wissensch. 1922, (erscheint soeben). 2) Hierzu ist zu beachten, dass der Autor seine thomistische Parteistellung erkennen lässt (S. 13, Z. 26 u. ö.) und dass die Predigerburse thomistisch war!

3) Als ersten Teil von dessen >>Latina ydeomata« mit dem Sondertitel: >>Latinum ydeoma, quod pro novellis edidit studentibus« s. Bömer, 1. c. 27.

felder Bibliothekars Pater Hanthaler erwiesen 1). Eine genaue Vergleichung der Textgestalt der Münchener Exemplare ergibt nun, dass sie sich sämtlich auf einen einzigen dieser Drucke zurückführen lassen, den Zarncke selbst seiner Ausgabe zugrunde legte und mit A bezeichnete: Hain* 10738. Hain (und danach Zarncke) schreibt diesen (technisch recht klaren, mit verhältnismässig wenig Abbreviaturen gesetzten und mit roter Initiale zum ersten Kapitel gezierten) Druck mit Un recht dem Conrad Dinckmut in Ulm zu; in Wahrheit stammt er aus der Offizin des H. Knoblochtzer in Heidelberg 2). Damit erklären sich die in allen von Zarncke benutzten Wiegendrucken wiederkehrenden Heidelberger Lokalanspielungen auf sehr einfache Weise. Denn an der Abhängigkeit der anderen genannten Ausgaben von A kann kein Zweifel bestehen. Meine erneute Vergleichung hat die Richtigkeit dieses Zarnckeschen Ergebnisses in allen Punkten bestätigt. Am nächsten steht A die Ausgabe Hain* 10739 (a), die fast in allen Einzelheiten mit ihr zusammengeht; nach Vouillième stammt dieser Druck vermutlich von K. Hist in Speier, und ist später als A (auf 1493-9) anzusetzen3), was übrigens auch die Textgestalt vermuten lässt 4). Die drei übrigen Drucke gehören, wie Vouillième erwiesen hat 5), der Kölner Druckerei von Heinr. Quentell an, und zwar den Drucktypen nach in der zeitlichen Reihenfolge: Hain* 10737 (b'), 10736 (b"), 10735 (b"). Auch hier lässt sich die zeitliche Reihenfolge gleichzeitig aus dem gegenseitigen

1) Durch W. Fabricius, Zeitschr. f. Bücherfreunde III, 1, S. 99 ff. (1899/1900), danach bei Vouillième: Die deutschen Drucker d. 15. Jahrh. (= Monum. Germ. et Italiae typographica, Textband), Berlin 1916. 2) Herr Prof. Vouillième-Berlin schreibt mir darüber: »Es ist . . . wie schon in meinem Berliner Katalog unter nr. 1208 zu ersehen, ein Druck von H. Knoblochtzer in Heidelberg. Das kleine Signet ist allerdings nicht dasjenige Knoblochtzers, aber auch nicht Dinckmuts, es ist überhaupt noch nicht erklärt und wohl nur ein Verlegerzeichen. Die Auszeichnungstype ist Knoblochtzers Type nr. 5, die Texttype 8* mit M 44 Gruppe »L rund mit 2 Dornen«.« Der Berliner Kommission f. d. Gesamtkatalog der Wiegendrucke bin ich für mehrfache bereit. willige Auskunft und weitgehende Unterstützung zu lebhaftem Dank verpflichtet. -3) Briefl. Mitteilung. 4) Vgl. Zarnckes Anm. zu 30, 10, die Personen

verwechselung 20, 30 u. ö. Jahrh. (Publ. d. Ges. f. rhein. Gesch. Kde. 24) Bonn 1903, nr. 777-79, p. CXIX-CXXII, p. 346/7.

5) Der Buchdruck Kölns bis z. Ende d. XV.

Verhältnis der Texte erschliessen: b" und b"" sind von b' abhängig, b'" hat deutlich einige Versehen, die sich in b' und b" finden, korrigiert1). Nun ist aber schon der früheste Quentellsche Druck (b') nichts weiter als ein schlechter Nachdruck von A. Abgesehen von zahllosen Einzelheiten der Textgestalt 2) lässt sich dies aus der fast unglaublichen Nachlässigkeit beweisen, mit der Quentell die Reihenfolge der Kapitel durcheinander brachte, indem er Blatt 9-14 seiner Vorlage in falscher Reihenfolge aneinander schob; an den Einzelheiten der Nahtstellen lässt sich infolgedessen die zufällige Seiteneinteilung von A in allen drei Kölner Drucken wiedererkennen 3).

Für die Bestimmung der ursprünglichen Textgestalt sind demnach diese Kölner Drucke ohne jeden Wert. Das selbe gilt von einem weiteren Drucke, den die Universitätsbibliothek zu Durham in England besitzt; Fassung des Titels, Titelholzschnitt und Kapiteleinteilung lassen mit Sicherheit erkennen, dass er zur Kölner Gruppe b'-b""' gehört1). Nach den Kölner Vorlagen wiederum sind zwei undatierte Drucke von R. Paffraet bzw. Jac. de Bréda in Deventer hergestellt, die also gleichfalls für unsere Untersuchung nicht in Betracht kommen3). Darüber hinaus ist von weiteren anonymen

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1) Vgl. Zarncke S. 223 u. s. Anmerkungeu zu 9, 33; 14, 17; 30, 10; 45, 22; 48, 4. 2) Vgl. z. B. die Personenverwechselung Zarncke 20, 30, die sich nur in den von A (direkt oder indirekt) abgeleiteten Drucken, da aber auch durchgehends findet. 3) Vgl. dazu im einzelnen: Zarncke 1. c. 223. — 4) Diesen in der deutschen Literatur bisher nicht verzeichneten Druck hat sich die Inkunabelkommission, durch meine Anfrage veranlasst, soeben zu näherer Untersuchung übersenden lassen. Titelfasung genau wie b''', Quentellscher Titelholzschnitt A (Schreiber-Heitz 18), Kapitelüberschriften wie b'-b'''; den Drucktypen usw. nach ist die Chronologie der Quentellschen Drucke folgende: b' (um 1489), Durham (nach 6. 4. 1490), b (um 1491), b” (um 1493). 5) Campbell, Annales de la typogr. néerlandaise usw. 1874, nr. 1214 f. = Copinger 3866; vorhanden: Wolfenbüttel (Qu. Helmst. 89). Copinger

nr. 3867; vorhanden: Oxford und Hildesheim, Bibl. d. Gymnas. Josefinum. Ich habe beide Drucke verglichen. Ihre Abhängigkeit von den Quentellschen Vorlagen ergibt sich aus folgenden Merkmalen: 1. Form des Titels übereinstimmend mit b'-b", nicht mit A a (vgl. darüber Zarncke 1. c. 223). 2. Im Prolog mit b'-b'' gegen A a: ... omnes doctrine in hunc sermonem sunt translate. 3. Genau dieselbe Verwirrung der Reihenfolge der Dialoge wie in b'-".

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