Die zweite Besteuerungsart war die nach dem Gewerbe. Der Gewerbetreibende wurde nach Massgabe seines Handwerks in die Schatzung gelegt 1). Eine einheitliche Norm, ein leitender Gesichtspunkt des Renovationsverfahrens fehlte hier vollständig. Die grössten lokalen Verschiedenheiten zeigten sich. An einem Ort griff eine Klassifizierung der einzelnen Gewerbe Platz, sie wurden nach Massgabe ihrer wirtschaftlichen Situation in gut- und schlechtgehende und mittelmässig rentierende Beschäftigungen geschieden und dementsprechend ihr Steuerkapital reguliert, Am anderen Ort ging man noch darüber hinaus, teilte jede Klasse wieder in Unterklassen »nach Proportion wie der Handwerksmann in Kundschaft steht«2), an einem dritten fiel man gerade in das Gegenteil, setzte für alle Gewerbe unterschiedslos eine Taxe fest, unbekümmert um den jährlichen Gewinn oder Umsatz 3). Das Resultat war eine Regellosigkeit der verschiedensten Taxationen: die Sätze stiegen von 150 fl. als Höchstmass bis herunter auf 5 und 10 fl. Zu diesen bisher betrachteten Besteuerungsarten trat als dritte und letzte die Nahrungsschatzung. Ihr Wesen und Aufbau ist aus den Akten nicht ganz deutlich ersichtlich. Als steuerpflichtig erscheinen vor allem die bürgerlichen Untertanen. Doch ruhte sie auch auf den Hintersassen, allerdings nur mit der Hälfte der Beträge, zu welchen die Bürger veranlagt waren; gleicherweise wurden auch die Witwen gehalten. Teilweise wurden auch den Gewerbetreibenden Vergünstigungen gewährt, insofern sie neben ihrer Gewerbeschatzung nicht auch noch zu dem vollen, ihnen nach ihrer Klassifizierung zukommenden Nahrungskapital, sondern nur etwa zur Hälfte hiervon geschätzt wurden. Ledige Personen waren, soweit sich sehen lässt, von der Entrichtung der Nahrungsschatzung befreit. Das Klassifikationsprinzip wurde, wie eben angedeutet, auch bei dieser Teilsteuer angewandt. In der Mehrzahl der Orte be 1) Berichte der Stabhalter v. J. 1769 über die Professionisten- und Handwerkerschatzung (BrG 1579). 2) z. B. Untergrombach 1. Klasse: 30 fl., 2. Klasse: 20-25 fl., 3. Klasse: 10-15 fl. (BrG 1579). 3) z. B. 25 fl. in allen Ortschaften des Amts Rotenberg und einigen Dörfern des Oberamts Kisslau (BrG 1579). trug das volle Nahrungskapital in der ersten Klasse 100 fl., in der zweiten 80 fl. und in der dritten 50 fl.1). Vereinzelt waren die Sätze etwas niedriger. Klasseneinreihungsmassstab war wohl der Güterbesitz der einzelnen Pflichtigen. Das von diesen drei Einzelsteuern erfasste Steuerkapital ergab, zusammengerechnet, das Gesamtsteuerkapital der Schatzungspflichtigen, das sog. Schatzungskapital. Soweit die Liegenschaften mit unablöslichen Reallasten, mit Frucht-, Öl-, Wachs-, Kappen-, Hühner-, Gäns-, Weinund Geldzinsen beschwert waren, wurden diese auf das privatrechtlich-grundherrschaftliche Verhältnis zurückgehenden Abgaben, nicht aber auch die Rauchhühner- und Bedeabgaben, die öffentlich-rechtlicher Natur waren, mit 5 Proz., d. h. mit dem Zwanzigfachen ihres Betrags, kapitalisiert und von dem Schatzungskapital der lastbaren Güter abgezogen. Von einem Abzug des Kapitalwerts anderer Schulden, d. h. der ablöslichen Lasten, ist nirgends die Rede. Dies so gewonnene Schatzungskapital war das endgültige steuerbare Kapital. Von je 100 fl. Schatzungskapital wurden 1 fl. 20 Kr. erhoben 2). Das Steuersimplum, d. h. der einfache Satz der Steuerumlage, war also 1,2 Proz. Unter Umständen, je nachdem die Bedürfnisse des Landes es erforderten, gelangten mehrere Simpla zur Erhebung 3), eine sehr einfache und bequeme Methode, da nur die Schatzungsquote erhöht zu werden brauchte, um ein Mehr an Steuern herauszubekommen. Das Schatzungskapital und das Steuersoll eines jeden Steuerpflichtigen eines Gemeindebezirks war neben der Angabe seines Güterbesitzes und dessen Klassenzugehörigkeit in sóg. Schatzungsbüchern, deren jede Gemeinde eines be 1) Im Amt Rotenberg, das, wie bei der Gewerbeschatzung so auch hier, eine ganz eigene Stellung einnahm, mussten von 75 fl. Nahrungskapital, das jedem Bürger »ohne Unterschied seiner grösseren und geringeren Mittel«< angesetzt wurde, I fl. als Steuer bezahlt werden. Also eine Kopfsteuer! 2) Eine Quote, auf deren Niedrigkeit Fürstbischof August mit nicht wenig Stolz und Befriedigung blickte. Siehe Magazin für Geschichte, Statistik, Litteratur und Topographie der sämtlichen deutschen geistlichen Staaten, herausg. von Winkopp und Hock, Zürich 1790, I. Bd., S. 93 f. (= Winkopps Magazin). 3) So wurde z. B. von 1757-1770 doppelte Schatzung erhoben; im letzteren Jahre dann vom Domkapitel während des Interregnums aufgehoben. - sass, verzeichnet. Diese bildeten die Grundlage für die Feststellung der Schatzungsschuldigkeit des einzelnen. Gleichzeitig waren sie jederzeit für die individuellen Besitzrechte am Grund und Boden massgebend. Damit das Schatzungsbuch diesen zwei Zwecken, vor allem natürlich aber dem ersten, jederzeit dienen konnte, mussten die durch Kauf bzw. Verkauf oder Erbschaft entstandenen Güterbesitzveränderungen vermerkt werden. Diese Ab- und Zuschreibungen besorgten ursprünglich Schultheiss und Gericht, oder vielmehr sie besorgten sie nicht, und aus eben diesem Grunde wurde dies Geschäft 1758 den Amtsschreibern übertragen 1). Zweimal jährlich, im März und September, wurde vor versammeltem Ortsgericht die Ab- und Zuschreibung vorgenommen. Auf Grund des Schatzungsbuches wurden, ebenfalls von den Amtsschreibern, zweimal jährlich die Heb- und Sammelregister angefertigt, an Hand deren besonders verordnete Schatzungssammler die Steuer bei den Pflichtigen erhoben, nachdem 8 Tage vor dem Erhebungstermin jedermann bei der Gemeindeversammlung zur Entrichtung seiner Schuldigkeit aufgefordert worden war. Ausmärker steuerten in loco rei sitae2). Um den Untertanen die Steuerentrichtung zu erleichtern, wurde der Jahresschatzungsbetrag nicht auf einmal, sondern in vier Raten quartaliter erhoben. Die Schatzungssammler lieferten die gesammelten Beträge an die nächste Kellerei; diese hatte sie, ohne Abzug zur Verwendung für ihre besonderen Zwecke, an die Zentralkasse weiterzugeben. Die Schatzung wurde ausschliesslich zur Erfüllung der Reichs- und Kreisprästanda (Kammergerichtszieler, Reichsfestungsbau, Türkenhilfen usw.) verwendet. Über die Schatzungsobjekte wurde ganz allgemein oben schon gesprochen. Es bleibt noch übrig, einige Einzelheiten, besonders über die Güterschatzungsobjekte, anzuführen. Schatzungspflichtig waren in erster Linie alle sog. bürger 1) Verordnung über das Schatzungswesen vom 2. Januar 1758 (GLV III, S. 199 ff.). - 2) Das gegenteilige Prinzip, die Versteuerung in loco domicilii, in der Markgrafschaft Baden, siehe Ludwig, Baden, S. 12. Vgl. auch J. J. Moser, Teutsches Nachbarliches Staatsrecht, Frankfurt u. Leipzig 1773, S. 233 (= Moser, Nachbarliches Staatsrecht). lichen Güter, soweit sie nicht durch einen speziellen Titel ihre Privilegierung nachweisen konnten. Ganz irrelevant war der Stand des Inhabers eines bürgerlichen Gutes. Nicht im mindesten alterierte er das Pflichtverhältnis des bürgerlichen Gutes. An Versuchen der privilegierten Kreise, des Adels und der Geistlichkeit, wenn sie bürgerlichen Besitz an sich gebracht hatten, die gegenteilige Praxis zu statuieren, fehlte es zwar nicht, zumal nach den Zeiten des dreissigjährigen Krieges mit seiner Verwirrung aller Verhältnisse. Aber wieder und wieder wurde eingeschärft, dass >> von bürgerlichen Gütern, die an gefreite Personen gekommen sind, alle Lasten getragen werden«1). Einzig und allein die Tatsache, ob ein Gut ein bürgerliches war oder nicht, entschied über die Steuerpflichtigkeit. Das Prinzip der Persönlichkeit der Schatzungsfreiheit war ausgeschaltet, das der Dinglichkeit die Norm. Eine weitere Güterkategorie, die grundsätzlich mit der Schatzung belegt wurde, waren die in Gemeindebesitz befindlichen Güter, »sogar die Rathäuser und andere gemeine Gebäude«2). Steuerfreiheit genossen nur Wald und Weide. Eine Sonderstellung nahmen die herrschaftlichen und fremdgrundherrlichen Güter ein, die als Erblehen oder im Temporalbestand an die Bauern verpachtet waren. Während sie ursprünglich schatzungsfrei waren, machte sich besonders in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Tendenz bemerkbar, sie der Steuer zu unterwerfen. Wenigstens wurden die Erblehen, soweit sich sehen lässt, nach pfälzischem Muster mit einer Überbesserungsschatzung, einer Gewinn- und Erbsteuer, der sog. quarta colonica belegt. Das heisst: jeder vierte Morgen eines Erbbestandsgutes musste versteuert werden 3). Schatzungsfrei waren in der Regel die Kirchen- und Pfarrgüter, welch letztere die Pfarrer pro parte salarii genossen. 1) GLV I, S. 39, 47. 2) Verordnung vom 30. Juli 1761 (GLV III, S. 233). Bischof August von Limburg-Stirum behauptet allerdings 1789 das Gegenteil, siehe Winkopps Magazin I, S. 113. 3) Zu dieser Frage vgl. Johann Ulrich von Cramer, Wetzlarische Nebenstunden, 15. Teil, Ulm 1759, S. 22 ff.: »Von der eigentlichen Nota Characteristica eines Frey-adelichen Guts, und der Quarta colonica<«<. War nach all dem der Begriff des Steuersubjektes für die Güterschatzung völlig belanglos, so gewann er einige Bedeutung für die Nahrungsschatzung. Von ihr waren nämlich Adel, Geistlichkeit, landesherrliche Beamte und ledige Personen befreit. « Eine weitere jährlich wiederkehrende Abgabe öffentlichrechtlicher Natur waren die Rauchhühner. Sie wurden von jedem Rauch oder Herd, d. h. von jeder selbständigen Haushaltung, jedem Hausgesäss erhoben. Nicht die Hofreite, auch nicht das auf ihr stehende Haus1), wie manchmal undeutlich die Beraine sich ausdrücken, sondern der >>Rauch schuldete diese Abgabe. Sie ruhte auf ihm als Reallast. Daher fiel denn auch von Häusern, die unbewohnt waren, also keinen Rauch brauchten, keine Abgabe, ebenso wie die Schuldigkeit aufhörte, wenn mit dem Haus der Rauch abging 2). Wieviel Haushaltungen in einem Haus, soviel Hühner mussten gereicht werden. Wir haben es hier mit einer familienweise erhobenen Rauchfangsteuer, einer Familiensteuer zu tun. Entsprechend der Tatsache, dass die Hühner von dem Rauch gegeben wurden, hiessen sie allgemein Rauchhühner 3). In der Mehrzahl der Orte des Schauplatzes unserer Untersuchung mussten jährlich zwei Hühner gegeben werden, nach den Fälligkeitsterminen Fastnachtshühner und Erntehahnen oder -hühner genannt 4). Aus 1) So zum Teil in anderen Territorien, vgl. Ludwig, Baden, S. 26, und Killinger, Erbach, S. 100. 2) z. B. Berain 7084 (Rotenberger Lagerbuch V. J. 1618): »Von einer jeden Hofreit und einem jeden besonderen Rauch gefelt jährlich ein Erndhahn und ein Fastnachtshuhn dergestalt, wenn zwei Rauch in einem Haus gehalten werden, so gibt ein jeder Hausmann for seinen Rauch einen Erndthahnen und ein Fassnachtshuhn«. Siehe auch Landesvisitation des Amts Philippsburg, wo, 1730 Okt. 14, das Gericht sagt, jeder müsse ein Fastnacht und ein Ernhuhn geben. 3) Über andere Erklärungen dieses Ausdrucks s. Wehner, Observationes, unter Fassnachthühner, S. 144. 4) Die Fastnachthühner wurden im März, die Erntehahnen oder -hühner im Juli und August abgeliefert. Die beiden letzten Bezeichnungen wurden ohne Unterschied gebraucht, bald Erntehahnen, bald Erntehühner. Auch der Ausdruck Jakobihühner kommt vor (nach Jakobi =25. Juli). Fastnachtshuhn steht oft schlechtweg für Rauchhuhn (z. B. Kisslauer Lagerbuch v. J. 1605, Berain 4457: ein Fassnachtshuhn oder eine Rauchhenne und ein Erndthahn); einmal auch in einem Attestat von Anwalt und Gericht zu Hambrücken 1740 (Akten Hambrücken Gefälle) >> Martinihun otter Rauchhun«. Für Huhn |