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Ausgaben nur noch ein Exemplar des britischen Museums bekannt, das gleichfalls aus der Druckerei von R. Paffraet in Deventer stammen soll und nach der Beschreibung bei Copinger ebenso wie die vorhin genannte Ausgabe Paffraets zum Typus der Kölner Drucke zu gehören scheint1).

Tatsächlich gehen danach sämtliche uns bisher bekannten anonymen Einzelausgaben in letzter Linie auf die Heidelberger Ausgabe Heinrich Knoblochtzers (A) zurück. Wir sind also genötigt, deren Druckjahr nicht zu spät anzusetzen, um einige Jahre für das Erscheinen der vier Kölner Drucke freizuhalten, deren jüngster nicht später als höchstens 1495 angesetzt werden darf2) und deren ältesten (b') Vouillième aus Gründen der Typenvergleichung sogar schon auf 1489/90 datieren möchte. Ich wage es nicht, eine eigene Vermutung über das Druckjahr auszusprechen; obwohl die Drucktypen auf eine spätere Zeit hinzuweisen scheinen3), wird man ein späteres Jahr als 1489/90 doch schwerlich annehmen dürfen.

Damit entfällt sogleich die Möglichkeit, die Priorität dieses Heidelberger Druckes vor der ältesten Ausgabe des Paulus Niavis zu erweisen. Von dessen » Latinum ydeoma, quod pro novellis edidit studentibus<< ist zwar ausser drei undatierten Ausgaben auch eine auf 1494 datierte bekannt: der Textvergleich zeigt indessen, dass es sich dabei um einen jüngeren Druck handelt1), so dass diese Jahreszahl nicht für die Priorität der Heidelberger Ausgabe ins Gewicht fällt. Für die Datierung der ohne Jahreszahl erschienenen Drucke ergibt sich eine Grenze nach rückwärts aus dem vorausgeschickten Widmungsbrief an den Chemnitzer Priester Erasmus: Schneevogel sagt darin, er habe die von ihm

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1) Proctor Early printed books nr. 9036 Copinger 3865. Form des Titels (s. vorige Anmerkung) wie in b'—b'"'. 2) b' und der Durhamer Druck zeigen den Accipies-holzschnitt, den Quentell 1495 wegen starker Abnützung durch einen neu geschnittenen Stock_ersetzte. 3) Nach Voullième (brieflich), der die M11-typen bei K. sonst erst im Jahre 1493 findet, was natürlich hier viel zu spät ist.

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4) Darüber s. weiter unten.

schon früher gesammelten Materialien für den Lateinunterricht jetzt in einem Sammelband vereinigt und dabei verderbte Stellen (materiam corruptam) verbessert; im ganzen handele es sich um drei Stücke: das erste sei für angehende Studenten bestimmt, das zweite enthalte allerhand gemischten Gesprächsstoff, das dritte habe er »schon damals, als er noch in Chemnitz die Schule leitete«, als eine Art Wegweiser für den Sprachunterricht »dargeboten« (dedimus). Schneevogel verliess den Chemnitzer Schuldienst 14871). Vor dem Erscheinen des Sammelbandes der »latina ydeomata« hatte er bereits ein ähnliches Gesprächbüchlein für kleine Lateinschüler (pro parvulis) verfasst; der dritte Teil der ydeomata enthielt ein weiteres für Partikularschüler, d. h. etwa »Mittelschüler <<. Das Gesprächbüchlein »für angehende Studenten << erschien also hier im engsten Zusammenhang mit einer ganzen Reihe sich gegenseitig ergänzender Arbeiten desselben Verfassers. Der schreibgewandte und geschäftskundige Schulmeister, der auch die Vorzüge seiner zeitgemässen Unterrichtsmethode gelegentlich hell zu beleuchten verstand, hat später noch zahlreiche ähnliche Dialogbüchlein und Brief. steller abgefasst 2) und darf als der fruchtbarste Spezialist auf diesem Gebiete in jenen Jahren gelten. Fasst man nur die Chronologie der Schneevogelschen Drucke ins Auge, soweit sie sich aus äusseren Anhaltspunkten erschliessen lässt, so spricht nichts gegen die Annahme, Heinrich Knoblochtzer habe den ersten Teil der Latina ydeomata des Niavis mit verändertem Titel und veränderten Lokalanspielungen bald nach Erscheinen als anonyme Schrift nachgedruckt und damit den Anstoss zu weiteren Nachdrucken in Köln und Deventer gegeben 3).

1) Bömer 1. c. 19 u. A.D.B. XXIII, p. 567/8. 2) Allein bei Hain werden von ihm 15 verschiedene Werke in zusammen 48 Ausgaben aufgezählt. 3) Die von W. Fabricius: Die ältesten gedruckten Quellen z. Geschichte des deutschen Studentums, Zs. f. Bücherfreunde, I, 1, p. 179, Sp. 2 u. 182, Sp. I gegen die Autorschaft Schneevogels vorgebrachten Argumente (Fehlen einer Urfassung des Niavis, die nur das erste Stück der Ydeomata enthält Anonymität des »manuale«, bei P. N. sonst nicht üblich Übereinstimmung der Heidelberger Anspielungen in sämtlichen bekannten Nachdrucken) sind nach meinen obigen Darlegungen sämtlich hinfällig.

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Um so wichtiger ist ein genauer Vergleich der Textgestalt in der Heidelberger Fassung mit der des Niavis, um zu bestimmteren Ergebnissen zu kommen. Für diesen Zweck gilt es zunächst das gegenseitige Verhältnis der verschiedenen Druckausgaben des Schneevogelschen Büchleins zu ermitteln; denn es wird notwendig sein, die älteste dieser Ausgaben dem Vergleich zugrunde zu legen. Im ganzen sind mir bisher drei verschiedene Druckausgaben bekannt, sämtlich bei Konrad Kachelofen in Leipzig erschienen1), von denen zwei undatiert sind. Ich bezeichne die auf 1494 datierte (Hain 11718), die ich in einem Exemplar der Münchener Staatsbibliothek benutzte 2), mit M, die undatierte Ausgabe Hain 11716 (Universitätsbibl. Leipzig) mit L, eine weitere der Berliner preussischen Staatsbibliothek, die Hain und Panzer nicht aufführen, mit B. Nur B und M sind vollständige Ausgaben der in der Widmungsepistel erwähnten drei Ydeomata latina; L. dagegen bringt zwar Titel (Latina ydeomatá Magistri Pauli niavis) und Widmungsepistel genau wie die beiden anderen, schliesst aber tatsächlich schon am Ende des Latinum ydeoma pro novellis studentibus ab, und zwar mit dem Druckervermerk: »Et tantum de illo. Impressum Lipczk per Conradum Kachelouen«, der in B und M an dieser Stelle fehlt. Daraus lässt sich entnehmen, dass dieser Druck als Separatausgabe des ersten Teils aus dem grösseren Gesamtwerk, nicht etwa als blosses Fragment aufzufassen ist. Eben darum aber kann er nicht die älteste Ausgabe darstellen; vielmehr muss diese - ent. sprechend dem Titel und der Widmungsepistel eine Sammlung von drei Dialogbüchlein gewesen sein, d. h. den Umfang der Ausgaben B und M gehabt haben.

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Für unsere weitere Betrachtung scheidet nun der Druck M sogleich aus, weil er zweifellos dem Druck A und offen

1) Aufgezählt bei Bömer, 1. c. 27, N. 1; dort ist irrtümlich angegeben, die Universitätsbibl. Leipzig besitze Hain 11717 (statt 14716). Hain 11717 ist offenbar ein bibliographisches Versehen. Latina ideomata (Mehrzahl!) »pro parvulis<< sind sonst nirgends nachgewiesen; die Angabe »18 ff« lässt Verwechselung mit Hain 11716 vermuten. 2) Ausserdem vorhanden in: Breslau, Dresden, Göttingen, London, Wien.

sichtlich auch der Ausgabe B zeitlich nachsteht1). Und ein genauer Vergleich von B mit L lässt erkennen, dass wahrscheinlich L die ältere, keinesfalls aber B die älteste Ausgabe darstellt 2).

Wir hätten demnach den Druck L als den vermutlich ältesten erreichbaren unserer Vergleichung zwischen der Leipziger und der Heidelberger Fassung zugrunde zu legen. Da jedoch sein Prioritätsverhältnis zu B nicht sicher feststeht und da er ja in keinem Fall als die erste Auflage des Schneevogelschen Werkchens gelten darf3), wird es sich empfehlen, daneben sogleich auch B heranzuziehen. Hat man das Original nicht selber zum Vergleich in der Hand, so zieht man besser mehrere als nur eine Kopie zu Rate.

Nun springt schon bei flüchtiger Betrachtung in die Augen, dass es sich keinesfalls um einen einfachen Nachdruck der Heidelberger Ausgabe nach der Leipziger Vorlage oder umgekehrt gehandelt haben kann, sondern dass wir zwei verschiedene Bearbeitungen vor uns haben. Der Neubearbeiter hat sich nicht damit begnügt, die lokalen Anspielungen der Vorlage seinem Zweck entsprechend umzugestalten, sondern hat den Text im einzelnen recht frei und oft willkürlich behandelt und obendrein Anordnung und Umfang des Ganzen erheblich abgeändert. Immerhin

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1) Die Abbreviaturen, die B zeigt, werden von M grossenteils aufgelöst. Bl. 5b, Z. 6 hatte B sinnlos ein »bar« (in Minuskel) eingeschoben, offenbar ein Druckfehler im Anklang an das unmittelbar voranstehende: »>proficiscar<; das wird von M als Bar[tholdus] sinnwidrig missverstanden! 2) Einige sinnentstellende Lücken, die B aufweist, fehlen in L; statt dessen finden sich dieselben Worte, die man auch in A antrifft (und wohl auch in der Urfassung zu vermuten hat): Audio eamus visum (vgl. Zarncke, 42, 18-19); nequaquam persequuntur (14, 34); tam magnam diffusamque st. (B): tam diffusamque (16, 34). Diese Lücken sind allerdings auch in M (offenbar nach der Urfassung) bis auf eine ergänzt, ohne dass dadurch die Posteriorität von M gegenüber B zweifelhaft würde; aber charakteristisch ist, dass dort die nachbessernde Hand die ganz unauffällige Lücke Audio 18-19) übersehen hat, L dagegen die Worte bringt. 3) Das macht ausser den oben angeführten Gründen auch ein Versehen in der Überschrift des prologus wahrscheinlich (Ausfall der Worte: in latinum ydeoma). Diese Lücke ist in B und M wieder ergänzt. Wir haben also ausser den Nachdrucken von Köln und Deventer mindestens vier Leipziger Ausgaben anzunehmen, deren späteste 1494 erschienen ist! Schon diese Tatsache macht es recht unwahrscheinlich, dass A (Datierung s. oben!) die älteste Fassung darstellen sollte. Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. N F. XXXVIII. 1.

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eamus visum (42,

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sind diese Abweichungen nicht so stark und nicht von der Art, dass sie es unmöglich machten, die Textgestalt der verschiedenen Ausgaben auf ihre gegenseitige Abhängigkeit miteinander zu vergleichen. Und gerade aus den beabsichtigten Änderungen mag sich dann ein Hinweis darauf ergeben, auf welcher Seite wir den Verfasser unserer Schrift zu suchen haben.

Bei der Textvergleichung ist nun von vornherein zu beachten, dass eine unmittelbare Abhängigkeit des Druckes A von L oder B (der zweiten, dritten oder späteren Auflage Kachelofens) höchst unwahrscheinlich, die umgekehrte aber (L oder B von A abhängig) so gut wie ausgeschlossen ist; denn natürlich druckte Kachelofen in späteren Auflagen sich selber, nicht fremde Vorlagen nach. Wir haben mit der Existenz einer bisher unbekannten Leipziger Urausgabe zu rechnen, deren Züge sich auf beiden Seiten in A wie in L und B wiederfinden müssen. Denn entweder beruhte diese Vorausgabe auf A bzw. einem Vorgänger von A als ihrer Vorlage, oder umgekehrt.

Der Textbefund zeigt uns zunächst, dass A für die Leipziger Fassung keinesfalls als Vorlage gedient haben kann. Denn A weist eine Reihe sinnentstellender Fehler auf, deren Verbesserung in L und B sich schlechterdings nicht erklären lässt, wenn die Leipziger Urausgabe keinen besseren Text kannte als A.

A sinnlos: non flet; L u. B richtig: num flet? (= Zarncke, 6, 21)1)
A sinnlos: cum; L u. B richtig: tum (7, 10)

A: predicamenta que principia sunt; L u. B richtiger: predicamen-
taque (13, 19)

A sinnlos: enunctiationi; L u. B richtig: enucliatim (14, 1)

A sinnlos: in ea coniectura est; L u. B richtig: mea coniectura est

(14, 17)

A sinnlos: th [tamen]; L u. B richtig: thomam (14, 17)

A: non iusticia; B besser: sed inscitia: L Druckfehler: sed niscitia

(37, 16)

A sinnlos: in primo; L richtig: in patria; B gleichfalls: in pria

(Überschr. v. cap. 17 bzw. 13).

Diese Entstellungen in A machen nicht den Eindruck, als beruhten sie auf blosser Flüchtigkeit beim Abschreiben

1) Ich bezeichne auch im folgenden die zitierten Stellen nach Zarnckes Ausgabe (Seitenzahl + Zeilenangabe).

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