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Die beinahe künstlerische Abrundung bei Schneevogel ist nicht zu verkennen mit dem Einzug des jungen Fuchsen auf die Universität hebt das Ganze an; durch alle Stadien seines Lebenswandels begleiten wir den Bruder Studio mit Behagen: von der Fuchsentaufe bis zum Bakkalariatsexamen mit einem schnellen Ende des lustigen Gesellen bei nächtlichem Raufen geht es dann plötzlich aus. Das ist in der Heidelberger Fassung, die jene faden Einladungsformeln an den Schluss stellt, völlig durcheinander geraten.

Ich denke, die Summe dieser Einzelheiten, von denen eine jede für sich allein natürlich noch nicht beweiskräftig ist, macht es bereits jetzt sehr wahrscheinlich, dass die von uns gesuchte Urfassung dem Texte des Niavis und nicht der Heidelberger, Ausgabe entsprach. Dabei sind aber die für unsere Frage wichtigsten Stellen des Büchleins noch gar nicht zur Argumentation herangezogen. Entscheidend ist vor allem der Inhalt vom Kapitel 17 der Heidelberger Fassung. Ein Student wird in der Heimat (nicht an fremder Universität!)1) nach dem Zustand seiner Universität gefragt. Er erzählt sogleich von Leipzig 2). Das scheint mir unzweideutig zu sagen, wo das Ganze spielt. Etwa in Heidelberg? Sechzehn Kapitel über würde uns dann sein Leben und Treiben auf der Heidelberger Universität geschildert, im siebzehnten kommt er in die Ferien nach Hause und berichtet von Leipzig! Wie sonderbar!3) Der Heidelberger Bearbeiter hat das selbst gefühlt. Er plante offenbar eine Umarbeitung; denn 45, 2, wo von den magistri moderni die Rede ist, die nach Schneevogel grossenteils der natio Saxonum angehören sollen (die es doch in Heidelberg nicht gab) hat er »natio Suevorum<< daraus gemacht. Sehr geschickt! Denn es scheint in der Tat, dass die Heidelberger »bursa Suevorum« damals der »modernen« Richtung angehörte, wie denn

...

1) Die Überschrift hat zu lauten: in patria 2) Vgl. S. o.! ...9 45, 14. 3) Die Argumentation von Fabricius, der cap. 17 als »Episode<< auffasst und gerade daraus den »zwingendsten Beweis<< dafür gewinnen will, dass nicht Leipzig als Schauplatz des Ganzen zu denken ist, ist mir unverständlich. In Kap. 7 wird allerdings »episodisch« von Erfurt gehandelt, ohne dass Erfurt als Schauplatz des Ganzen zu denken wäre. Aber was beweist das für Kap. 17? Zumal Kap. 7 auf der Universität spielt, Kap. 17 dagegen >in patrias.

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die Bezeichnungen »Suevistae« und »moderni« häufig in den Akten im selben Sinne gebraucht werden 1). Indessen gab es in Heidelberg von Anfang an keine Einteilung in >> Nationen << mehr, während in Leipzig eine »natio Saxonum << wenigstens statutarisch noch das ganze Jahrhundert über als Korporation bestand. Weiterhin aber hat unser Bearbeiter vergessen, das »Lypsick« seiner Vorlage 45, 14 zu tilgen und gleich darauf eine unverkennbare Leipziger Spezialität: das saure Dünnbier (rastrum) in Pfälzerwein umzutaufen"). Auch die Schilderung des Verhältnisses zwischen den verschiedenen Schulrichtungen, wie sie Kap. 17 zu Anfang gibt, (alle Richtungen sind vertreten, die Thomisten sind in der Mehrzahl, ehemals waren die Modernen zahlreicher, auch jetzt noch sind die älteren Magister, besonders die von der sächsischen Nation, »Moderne«; Albertisten sind es nur drei oder vier, die in Köln promoviert haben) trifft keinesfalls auf Heidelberg zu, wo die »moderni< weitaus das Übergewicht hatten. Man müsste schon eine gewaltige Aufschneiderei des offenbar thomistisch gerichteten Verfassers annehmen, wenn man diese Beschreibung auf Heidelberg umdeuten wollte.

Aber ist nicht überhaupt die mehrfache Erörterung des Streites zwischen via antiqua und via moderna ein sicheres Kennzeichen des Heidelberger, nicht Leipziger Ursprungs? Mit dieser Frage erst gelangen wir auf die Ebene, auf der das Sonderproblem, das uns hier beschäftigt, allgemeinere wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung gewinnt. Man hat in der Tat gemeint, es sei unerklärbar, wie Schneevogel dazu hätte kommen sollen, die Spaltung der Schulrichtungen auf Leipziger Verhältnisse zu übertragen, wo doch diese Spaltung nicht bestanden habe3). In Wahrheit wissen wir bisher erstaunlich wenig über den Lehrbetrieb und insbesondere über die Rolle der beiden viae an den ostdeutschen Universitäten. Richtig ist, dass ihr Gegensatz nicht, wie in Heidelberg und den südwestdeutschen Universitäten überhaupt, erkennbare Folgen für die Organisation der artistischen Fakultät und demgemäss auch keinen oder fast

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1) a. f. a, II, 109 v. (1483, V. 9.) Vgl. auch U. B. II nr 655. 2) Richtig erkannt von Bömer, 1. c. 28 f. 3) Fabricius l. c. 179.

keinen Niederschlag in den Universitätsakten gefunden hat. Um so wertvoller ist dann aber unsere Quelle, falls sie wirklich, wie wir vermuten, von dem in Leipzig promovierten Paul Schneevogel stammt und Leipzig als Schauplatz im Auge hat. Dass der Gegensatz der beiden Schulen, der die ganze philosophische Literatur der Zeit erfüllt, an einer so grossen Universität, wie Leipzig1), überhaupt nicht spürbar gewesen sein sollte, ist ja ohnedies bei der engen Verbundenheit der Universitäten untereinander nicht recht vorstellbar. Hier erfahren wir nun, dass alle Richtungen ungestört nebeneinander bestanden und dass der Thomismus in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts das Übergewicht gewonnen hatte, während ehemals (wie übrigens wohl an sämtlichen deutschen Hochschulen der ersten Generation) der Pariser Okkamismus vorherrschte. Mir scheint kein Anlass, dieser Nachricht zu misstrauen. Sie wird dreimal wiederholt: în Kapitel 4, 72) und 17; die Art, wie sie in Kapitel 7 dem Erfurter Studenten gegenüber als Reklame für Leipzig ausgeführt wird, scheint mir durchaus dafür zu sprechen, dass wir es hier mit der Schilderung wirklicher Verhältnisse, nicht mit einer Fiktion zu tun haben. Trifft diese Vermutung zu, dann fällt von hier aus neues, bisher unbeachtetes Licht nicht nur auf die Leipziger Universitätsverhältnisse, sondern zugleich auf den Gang der grossen scholastischen Restaurationsbewegung, die seit dem Abschluss der grossen Reformkonzilien sich in der zweiten Jahrhunderthälfte von Köln und den Niederlanden aus auf alle deutschen Universitäten ausbreitete, parallel mit zahlreichen Reformbestrebungen auf dem Gebiete des innenkirchlichen Lebens3). Die Bewegung der via antiqua, des Neuthomismus, hätte danach auch Leipzig erreicht.

Für das gegenseitige Verhältnis der beiden viae in Heidelberg dagegen stehen uns anderweitige Quellen so zahlreich zur Verfügung, dass die Geschichte dieser Uni

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1) Sie war eine der grössten neben Köln, Erfurt und Wien. 2) Der Ausdruck 21, 1: modernos non excludimus passt in keiner Weise auf Heidelberg. 3) Vgl. darüber meine schon oben zitierte Abhandlung, über »Via antiqua und via moderna an den deutschen Universitäten des XV. Jahrh.<< (Sitzungsber. d. Heidelb. Akad. 1922).

versität nicht nur aus dem Gesprächbüchlein nichts lernen kann, sondern sogar imstande ist, dessen Ausführungen als für Heidelberg unzutreffend abzulehnen. Somit bleibt als letzte Frage, die unsere Untersuchung noch zu stellen hat, nur eine Überprüfung der Schlüsse übrig, die Prantl für das innere gegenseitige Verhältnis der beiden Schulen überhaupt aus unserm Büchlein zog. Er sah darin die Bestätigung seiner viel nachgeschriebenen und sehr folgenreich gewordenen Ansicht, der Gegensatz zwischen via antiqua und via moderna beruhe nicht wesentlich auf erkenntnistheoretischen Unterschieden, sondern auf einer Verschiedenheit des Lehrstoffes. Kann dafür unsere Schrift einen Beleg bieten?

Nur eine sehr kleine Auswahl aus den 18 (bzw. 2c) Kapiteln des Manuals kommt für diese Untersuchung überhaupt in Betracht: ausser einigen ziemlich belanglosen Bemerkungen im 12. Kapitel 2) eigentlich nur das von Benary besonders heftig angegriffene Kapitel 4.

Für Benary, der die Verwertbarkeit unserer Quelle für die wissenschaftsgeschichtliche Forschung überhaupt zu bestreiten sucht, indem er sie als minderwertigen »Ulk« hinstellt, bietet dieses Kapitel besonders reichen Stoff. Aber er übertreibt auch hier und sucht Parteitendenzen, wo keine zu finden sind. Von der zweiten Hälfte des Kapitels, einer sehr harmlosen Fuchsenzwiesprache, entwirft er ein völlständig verzerrtes, erst durch seine Schuld » groteskes<< Bild. Weder sind Camillus und Bartoldus, die beiden Partner, >>eingefleischte« Jünger des Albert und Thomas, noch geraten sie darüber gegenseitig in Hitze. Sie überlegen sich in sehr fuxenhaft-naiver Weise, wem von den beiden grossen Doktoren sie folgen sollen und wägen deren Vorzüge gegeneinander ab. Davon, dass die »Klügeren«, bei deren Entscheidung sie sich beruhigen wollen, Skotisten sein sollen, ist nicht die Rede; es sind einfach ihre Lehrer, wie 15, 5 deutlich gesagt wird. Dass auch die Magister nicht imstande sind, die Subtilitäten des Duns Skotus zu verstehen, wird als eine blosse »fabula«, nicht als sichere Tatsache

1) 32, 9 ff.: Die »nominales « glänzen in der Disputation durch cavillosa argumenta und sophismata.

erwähnt; und ebenso wenig ist es nötig, diese Unfähigkeit den Jüngern des Duns zuzuschreiben; denn das »aemuli subtilissimi Scoti« (15, 2) lässt sich mindestens ebensogut mit >>Nebenbuhler«, »Konkurrent«, wie mit »Jünger« übersetzen. Damit fällt die ganze rabulistische Schlussfolgerung Benarys zusammen, nach der es sich um einen scholastischen Kniff, ein »>insolubile< zur Blossstellung der gesamten Scholastik handeln solle1). Nichts, aber auch gar nichts bleibt von der angeblich antischolastischen Tendenz des Autors bestehen.

So konzentriert sich alles Interesse auf die erste Hälfte des vierten Kapitels. Auch da ist nun keine tiefe Einsicht in das Sachliche des Schulstreites zu erwarten. Man redet recht unbestimmt um den Kern der Dinge herum; denn weder der Autor noch seine Figuren sind sehr tief in die Geheimnisse der aristotelischen Logik und Metaphysik eingedrungen. Schon die ganz unexakte Terminologie2) und die Verworrenheit der Sätze beweist das, die vielleicht noch durch Verderbnis der Urgestalt in den Nachdrucken gesteigert wird3). Was man zu erkennen vermag, sind die alten Schlagworte, mit denen die Realisten den Modernen seit über hundert Jahren zu Leibe gingen, wie sie auch den jungen Studenten immer wieder in die Ohren klingen mussten. Bartoldus, der ältere der beiden, der sich selbst als Realisten bezeichnet (13, 27), will doch auch den Gegnern Gerechtigkeit widerfahren lassen. Es ist wahr: es gibt gelehrte und treffliche Männer darunter; sie haben auch unsere Universität früher ausschliesslich beherrscht, und diese unsere Vorfahren waren nicht gering zu achten. Camillus, der brav und unentwegt alle Schlagworte wiederholt, die er von seinen realistischen Lehrern aufgeschnappt hat, wirft den Modernen freilich vor, sie verständen sich nur auf Sophismata und parva logicalia; von der vera doctrina, der vera scientia hätten sie keine Ahnung. Man hört also das alte Kampfgeschrei deutlich heraus: >>Nos imus ad res, de ter

1) Benary 44, N.

>> enunciationes<<.

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2) Vgl. bes. die Verwendung des ganz unbestimmten 3) Den Satz p. 13, Z. 17 ff. möchte ich mit Prantl lesen: integram observant speciem notabilem argumentationis usw. In allen Drucken steht aber nonnullam« statt notabilem.

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