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er.

minis non curamus!<< Aber Bartoldus will doch nicht so einseitig sein. Was verstehst Du unter vera scientia? fragt Die Kategorien des Aristoteles und die Prädikabilien des Porphyrius, meint Camillus etwas verlegen; denn freilich so recht verstanden hat er die Sache nicht: was er nennt, sind die Hauptbestandteile der älteren Logik, der »vetus ars«<, und die via antiqua ohne weiteres mit der Pflege der vetus ars zusammenzubringen, ist eine sehr sonderbare Naivität. Auch Prantl, der darauf besonderen Wert legt, sieht sich zur Umdeutung des Satzes genötigt: vera scientia seien »jene realen Disziplinen, welche ihre logische Anknüpfung an die Universalien und an die Kategorien finden«1). Davon sagt Camillus in Wahrheit nichts; er ist offenbar ganz naiv der Meinung, die alte Kunst« und der > alte Weg<< seien wesentlich dasselbe. Bartoldus korrigiert ihn denn auch sogleich mit Entrüstung. Was? Von den Universalien und Kategorien sollen die Modernen nichts verstehen? Wie sollten sie dann überhaupt Syllogismen aufstellen, ja auch nur argumentieren können, da doch »universalia praedicamentaque ... principia sunt argumentationis?« Benary, der auch in diesem Dialog Spitzfindigkeiten und Selbstwidersprüche sucht, wo sie nicht zu finden sind, unterschlägt diesen Einwand des Bartoldus und verzerrt dadurch dessen Argumentation wiederum ins Groteske, um seine >> Ulk «theorie damit zu stützen. Aber auch Prantl bemerkt nicht, dass diese Sätze eine Widerlegung dessen enthalten, was er aus dem ganzen Dialog herauslesen möchte. Weniger erheblich ist dann, was Bartoldus über den modus docendi der Modernen breit ausführt; es ist ein ziemlich wirres Gerede über die Vorzüge einer ihm selber fremden Schulrichtung; nur soviel lässt sich erkennen, dass die Stärke der Modernen in kunstvollen Schlussformen, in der Auflösung von Trugschlüssen, der Aufstellung seltener und hypothetischer Urteilsformen, in der genauen Kenntnis der terministischen Logik (proprietates terminorum) und aller der spätscholastischen Erweiterungen des VII. Traktates

1) IV, 188.

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Entgegen Prantls Meinung wird übrigens auch hier der wesentlich erkenntnistheoretische Kern des Schulstreites in den Parteinamen sichtbar: >>realistae« und »nominales«: vgl. 12, 29; 32, 9.

des Petrus Hispanus, wie insolubilia, obligatoria, ampliationes und exponibilia, bestehen soll. Das alles befähigt sie, in der Disputation geschickte Paralogismen, verdeckte logische Fallstricke, einzuflechten und dadurch ihren Gegnern unversehens den Mund zu stopfen.

Es ist gewiss nicht ohne Interesse, diese Dinge zu erfahren. Es sind Scholareneindrücke von Disputationen, von denen uns sonst nichts als einige dürre Thesen und Argumentationen überliefert ist, nichts davon, wie sich der Vorgang in den Köpfen der Zuhörer lebendig spiegelte. Aber für die tiefere Bedeutung des Schulstreites darin hat Benary durchaus recht lässt sich aus diesen Fuchsenzwiesprachen nichts lernen. Es wird Zeit, dass sie als historische Quelle aus der Geschichte der Philosophie verschwinden. Um so dankbarer sind wir für den farbigen Abglanz des äusseren Lebens auf mittelalterlichen Hochschulen, der aus diesen unnachahmlich echten Dialogen uns entgegenleuchtet. War Paul Schneevogel wirklich ihr Verfasser, so gebührt ihm schon ein Plätzchen und kein allzu bescheidenes! in der Geschichte unserer Literatur. Denn wer pulsierendes Leben so völlig unverfälscht zu sehen und mit soviel echtem Humor literarisch zu gestalten vermag, in dem lebt mehr als Intelligenz, Erwerbssinn und pädagogisches Talent eines lateinischen Schulmeisters: in dem steckt schon ein ganzes Stück von einem wirklichen Poeten.

Nachtrag.

Erst nach Fertigstellung des Satzes werde ich durch die Berliner Inkunabelkommission auf die folgenden weiteren, mir bis dahin unbekannten Drucke der Latina ideomata Paul Schneevogels aufmerksam gemacht:

1. Latina ideomata usw., 96 Bll., o. J., verzeichnet von Anton Schubert. Die Wiegendrucke der K. K. Studien bibliothek zu Ölmütz, (Olmütz 1901) Nr. 1149; vorhanden auch in der Zentralbibliothek zu Zürich.

2. Ein Fragment desselben Werkes, das von V. O. Ludwig, Die Klosterneuburger Inkunabeln (= Jahrbuch des Stiftes Klosterneuburg VIII, 2, Wien u. Leipzig 1920) Nr. 611 (p. 132) näher beschrieben ist.

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Es wäre sehr interesant festzustellen, ob wir etwa in einem dieser Drucke die von mir gesuchte Urausgabe besitzen. Leider verbieten mir die heutigen Verkehrs- und Valutaverhältnisse den Versuch, diese ausländischen Inkunabelexemplare durch Augenschein mit den deutschen zu vergleichen. Doch hatte Herr Professor Dr. Ludwig in Klosterneuburg die Liebenswürdigkeit, mir einen längeren Fragebogen eingehend zu beantworten. Daraus ergibt sich, dass der dortige Druck (ich nenne ihn K) an allen von mir in der Abhandlung zitierten Stellen, an denen L und B gemeinsam gegenüber A die bessere Lesung aufweisen, mit L und B zusammengeht. Auch die A, L und B gemeinsamen Fehler (Zarncke 6, 8-27,7 s. o. S. 20) finden sich wieder; nur erscheint die Stelle 6, 8 hier, in anderer Satzeinteilung, als sinngerecht: >>non vereris vitrum attingere ac ciphum, e quo eruditissimi iam biberunt magistri tui?<< Die sinnentstellende Auslassung in der Überschrift des Prologus, die L im Gegensatz zu B und M aufweist (s. o. S. 17, A. 3), ist hier nicht zu bemerken. Anderseits fehlen auch (was wichtiger ist) die Auslassungen 14, 34 und 16, 34 (s. o. S. 17 A. 2), durch die sich B und M. gegenüber L deutlich als spätere Auflagen charakterisieren; K geht hierin mit L zusammen. In allen diesen Punkten bietet somit K die vergleichsweise beste Lesung. Gegenüber L besitzt der Druck vor allem den wichtigen Vorzug, ein Fragment des Gesamtwerkes >>Latina ideomata« darzustellen, wie es die Vorrede verheisst, nicht nur eine Sonderausgabe des ersten Teiles (Latinum ideoma, quod pro novellis edidit studentibus, vgl. o. S. 16). Dürfen wir also in K die gesuchte Urfassung erblicken? Ich trage doch Bedenken, die Frage ohne weiteres zu bejahen. Einmal findet sich auch in K eine Stelle, die viel mehr auf Verderbnis einer missverständlichen Vorlage, als auf blossen Druckfehler hinzudeuten scheint (sinnlos: >>Ego tecum una proficiscar. Bar. complere volueris, ad audiendum huiusce modi libros«<, statt des klaren Textes von AZarncke 11, 6-:» proficiscar, cum complere volueris« usw.). Sodann aber lässt die Tatsache, dass Knoblochtzer in der Überschrift von Kapitel XIII »in primo« statt »in patria« las, vermuten, dass die Urfassung mit B die Abbreviatur »in pria« und nicht, wie K und L, das ausgeschriebene in patria« geboten hat. Ohne den Druck K selbst in Händen gehabt zu haben, wage ich es also nicht, ihn als die vermutlich älteste Ausgabe zu bezeichnen. Übrigens fehlen in dem Klosterneuburger Exemplar die Lagen C-H; der Text bricht mit fol. 16b mitten im Zusammenhang des Kapitels XV ab mit den Worten »tu pollicitus es eam brevi

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in tempore restituere; non facis« (= Zarncke 33, 20), um auf dem nächsten Blatt mit einer der letzten Zeilen des Kapitels III der Dialoge >>Latinum idioma pro scholaribus adhuc particularia frequentantibus<< fortzufahren.

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mag

In jedem Falle scheint der Klosterneuburger Druck er nun die älteste Ausgabe darstellen oder nicht die von uns bisher schon beobachtete Überlegenheit der Lesungen des Leipziger Textes vor der Heidelberger Fassung zu bestätigen.

Notitia

fundationis cellae St. Johannis prope Tabernas. Untersucht und auf Grund neuer Überlieferungen herausgegeben

von

Karl Stenzel.

(Schluss) 1).

Text.

Vorbemerkung: Unter den bisherigen Ausgaben des Notitiatextes verfügt allein die jüngste, in den Monumenta Germaniae, über einen Variantenapparat, auf den hier vorgreifend verwiesen sei. Von einer vollständigen Wiedergabe aller Lesarten und Varianten, die sich in den verschiedenen uns überlieferten Abschriften und Drucken finden, kann in dem nachfolgenden Apparat nicht die Rede sein. Von der Aufnahme blosser Lese- und Schreibfehler, die für die Textgeschichte keine Bedeutung besitzen, musste von vornherein mit Fug und Recht abgesehen werden; aber auch im übrigen galt es, um den Apparat nicht ins Uferlose anschwellen zu lassen, eine Auswahl zu treffen und ganz unwesentliche Schreibvarianten auszuscheiden. Die für die einzelnen Überlieferungen eingesetzten Siglen wurden schon oben zu Anfang unseres Aufsatzes bei der Beschreibung der Überlieferung eingeführt.

Bei der Gestaltung unseres Textes wurden nur solche Formen eingesetzt, die sich aus der vorhandenen Überlieferung begründen liessen; Emendationen, die sich uns oben allein aus sachlichen Gründen und sonstigen Erwägungen als wahrscheinlich oder sicher ergaben, sind in die Anmerkungen verwiesen.

Notum sit omnibus ecclesie 2) filiis presentibus et futuris, qualiter unus ex nobilioribus Francorum et Salicorum proceribus, comes

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1) Vgl. diese Zeitschrift Bd. 37, Heft 2 S. 180 ff., Heft 3 S. 331 Heft 4 S. 377 u. ff. 2) Die Kopien schwanken sehr in der Wiedergabe des Lautes »ä«. Die Abschriften der Klasse A neigen fast alle dem neueren Gebrauch folgend der Schreibung »ae« zu; A (b) hat verschiedentlich die Ligatur »æ«. Dagegen schreibt A (a) und ähnlich auch die auf Grandidier zurückgehenden Drucke fast ausschliesslich e. Die Gruppe B zieht die Schreibung e und

vor allem e caudata (ę) vor. Besonders konsequent ist die Anwendung von ę in der sicher direkt dem Originaltranssumpt entnommenen Abschrift B (c), interZeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. N.F. XXXVIII. 1.

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